Weide und Sturm
von ashtrails
Kurzbeschreibung
Erzählt wird vom großen Theater in Sinoda. Hier kommen auf Maraskan Dualismus, Selbsterkenntnis, Freundschaft, Gier, Liebe, Hass, der Weg des Kriegers und der des Friedens zusammen. Viel Vergnügen.
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
13.09.2010
13.09.2010
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Vier
Affen
Und der Elefant blies zum Krieg.
Die Affen in den Wipfeln brüllten und kreischten voller Begeisterung so dass es von jedem Baum im ganzen Wald widerhallte.
Und so hörte niemand das leise Zischen der Schlange um Frieden.
-Aus einer Geschichte der Waldmenschen
Erst wurde er dumpf, so dass das Rauschen des Blutes in seinen Ohren fast lauter war und schließlich verschwand der Lärm des Theaters vollständig, so dass nur der Nachhall in Jins Kopf blieb.
Und die alptraumhaften Bilder. Ein Krallenbewehrtes Tier das sich tief in die Gedanken des Kämpfers Schlug. Fratzen die nach Blut schrien und seine Fäuste, die diesem Verlangen nur zu gern nachkamen.
Der von ihm zu Tode geprügelte Körper der jungen Frau die er nichteinmal kannte.
Während ihn starke Arme irgendwo hintrugen, fragte er sich, wie das nur passiert sein konnte.
Kein Kampf, so hart er auch war hatte ihn bisher so weit gehen lassen.
Noch immer wirkte alles verschwommen mit einem Stich rötlichen Nebels, als er in Nothilfs Kammer ankam. Er hörte die Tür ins Schloss fallen und war allein mit der Heilerin.
Sie sagte nichts und untersuchte seinen Körper.
„Du hast keine Wunden. Aber dein Auge bereitet mir Sorge.“
Mehr nicht.
Jin musste sich zwingen zu sprechen, seine Gedanken konnten sich nicht von dem lösen was in der Arena geschehen war.
„Wie war das möglich? Ich konnte die Klingen spüren, obwohl sie nicht echt waren.“ Schaffte er zu fragen.
„Wenn dein Körper es sehen kann und fühlen, macht es für ihn keinen Unterschied, ob ein Schmied die Klinge aus dem Feuer gezogen hat, oder Magie sie in diese Welt rief. Innere Stärke mag den Unterschied erkennen, manchmal vielleicht zu spät.“ Nothilf drückte während sie sprach Jins Augenlider auseinander und legte ihm dann die Hand auf das unverletzte Auge. Alles wurde noch verschwommener und er erkannte bloß noch ihren Umriss. „Du siehst mich nicht, oder?“
„Kaum“ bestätigte der Grubenkämpfer.
Sie nahm ihre Hand wieder weg und nickte. „Einige Tage, vielleicht eine Woche, dann wird dieses Auge erblinden, fürchte ich.“
„Ich hätte schlimmeres verdient, für das was ich getan habe.“ Erwiderte er leise.
Nothilf setzte sich zu ihm auf die Pritsche und strich ihm durchs Haar. „Unüberlegte Schicksalswünsche machen unüberlegte Handlungen nicht ungeschehen. Weißt du denn, wer sie war, Jin?“
„Nein, gerade das ist es ja. In einem anderen Leben, unter anderen Umständen…vielleicht wären wir Freunde, würden zusammen auf den Stufen sitzen und lachen, rauchen, oder uns einfach nur grüßen und aneinander vorbeigehen. Aber weder mich noch irgendein anderes dieser Ungeheuer auf den Rängen hat das gekümmert. Alles was wir wollten war Schmerz und sogar Tod für jemanden der nichts getan hat außer zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.“ Jin schüttelte den Kopf und lehnte ihn anschließend gegen sein Knie, das er angewinkelt hatte.
„Es ist deine Entscheidung, ob du das volle Ausmaß des Schmerzes ertragen willst, aber meine Verantwortung ihn zu lindern. Der Schmetterling kommt vom Festland. Ein Truppe Gaukler, ihre Familie, reiste mit ihr durch Städte und Dörfer. Sie war Tänzerin und führte auch Kunststücke mit Messern vor, die atemberaubend gewesen sein sollen. Dank ihrer angeborenen Magie, gingen ihr diese Tricks leicht von der Hand.“ Die Heilerin seufzte. „Als sie eines Tages von einigen Besorgungen zurückkehrte, war ihre Familie tot. Ermordet. Seit dem sucht sie denjenigen der dafür verantwortlich war. Man sagt das ist schon einige Jahre her und ihr Weg führte sie schließlich hierher nach Maraskan. Der Mann, der die Kämpfe hier ausrichtet, sagte ihr, er wüsste, wen sie sucht und würde es ihr sagen, wenn sie für ihn kämpfte.“ Nothilfs Miene verfinsterte sich, als sie den Blick in eine Ferne die nicht vorhanden war gerichtet weitererzählte. „Er mag ein Schwein sein, doch genau wie Ghorio erkennt er Talent, wenn er es sieht und schätzte den Rachedurst des Schmetterlings richtig ein. Seit sie hier ist, hat sie fünf Menschen umgebracht. Das ist selbst für die bewaffneten Gruben viel. Wenn man sie nicht belogen hat, wenn sie den Schuldigen hier gefunden und ihre Abwesenden gerächt hätte…welche Schönheit hätte es mit dieser Last noch in diesem Leben für sie gegeben? Was du getan hast war furchtbar. Aber die andere Seite ist, dass du den Schmerz des Schmetterlings beendet hast. Den, den sie zufügen wollte, und den, den sie nicht mehr ertragen durfte.“
„Dafür trage ich nun umso mehr.“ Sagte Jin düster, wirkte aber nicht mehr so zerschlagen wie zuvor.
„Im Gegensatz zu ihr, hast du auch schon erkannt, dass die Weide weiß, was der Sturm nie begreifen wird.“ Erklärte Nothilf ihm lächelnd und legte ihre warme Hand sanft auf seine, so dass der Kopf der Schlange verdeckt war.
„Dass die Weide…?“ Versuchte Jin nachzufragen und sah ihr in die dunklen Augen, aber in dem Moment schwang die Tür auf und Ghorio trat freudestrahlend in die Kammer der Heilerin.
„Jin!“ rief er. Er wirkte befreiter als Jin ihn je erlebt hatte. In jedem Arm hatte er eine leicht bekleidete Frau und in einer Hand eine irdene Flasche aus der er jetzt einen tiefen Zug nahm. „Was ist los, du siehst ja furchtbar aus! Von wegen die Messer waren nicht echt, was?“
„Es sind nicht die Messer, ich…“
„Nicht die Zeit mit Reden verschwenden. Hier, nimm eine Hure, dann geht’s dir besser!“ Rief der ältere Krieger und gab der hochgewachsenen Frau mit dunkelbraunen Haaren zu seiner Rechten einen Schubs in Jins Richtung. Sie kicherte albern und drängte sich zwischen Nothilf und den jungen Maraskaner. „Das wird diesem elenden Tobias eine Lehre sein. Die Klingen seien streng genommen nicht echt, daher weder aus Stahl, noch aus Holz…pah! Das nächste Mal werde ich genauer prüfen, wie unbewaffnet deine Gegner sind.“ Ghorio lachte und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche.
„Es gibt kein nächstes Mal, Ghorio. Ich habe genug.“
Der Krieger wurde Schlagartig ernst. „Verschwindet.“ Wies er die Huren an und beide verließen den Raum.
„Du fährst den spektakulärsten und unwahrscheinlichsten Sieg seit langem vor dem größtmöglichen Publikum ein…und willst gehen?“
„Ja. Das steht mir frei.“ Sagte Jin bestimmend.
Ghorio stellte die Flasche auf den Tisch und verschränkte die Arme. „Da hast du recht. Ich nehme an Nothilf hat dir schon erklärt, gegen wen du da gekämpft hast?“
Der Grubenkämpfer nickte.
„Dann weißt du auch, dass sie dich getötet hätte, hätte sie die Gelegenheit bekommen?“
Wieder nickte er. „Aber nicht deswegen habe ich es getan. Nicht weil es um mein Leben ging, sondern weil ich das Urteil über meine Schläge nicht mehr mir überlassen habe!“
Der Al’anfaner schnaubte. „Das ist alles?“ Dann lachte er. „Das ist es dir wert zurück auf die Straße zu gehen?! Was willst du dann tun?“
Jin blieb still.
„Ich kenn Menschen wie dich und die Menschen die die Städte überall auf dem Festland bewohnen. Selbst wenn du etwas anderes als kämpfen könntest…die Menschen werden dir gar nicht erst die Chance geben das zu beweisen, weil sie nur eine Ratte von der Straße sehen. Kämpfen, möglicher weise töten. Das ist alles was du kannst. Also würdest du da draußen weitermachen, oder sterben.“
Er breitete die Arme aus.
„Hier hast du Kontrolle und kannst Dinge die du für falsch hältst einfach ausgleichen. Tötest du jemanden auf der Straße, hängst du. Tötest du hier jemanden, wirst du bejubelt, hast aber immer die Wahl, ob es soweit kommt. Und genau das hast du heute hoffentlich gelernt. Überleg’s dir. Ich gehe für uns beide feiern.“
Erst als er eine warme Berührung auf seiner Schulter spürte war Jin wieder im Hier und Jetzt, Ghorios und Nothilfs Worte hallten immer noch in seinen Gedanken wider.
„Hat er recht?“ Fragte er Nothilf.
„Manche Fragen beantwortet nur der Weg zur Antwort. Die Straße, wie sie jetzt wäre, kennst du, wissend, dass Ghorio recht hat. Finde heraus, ob du den Weg hier unten auf deine Weise gehen kannst.
Jin blieb im Theater. Die nächsten Wochen kämpfte er jedoch kaum. Die Prämie des Kampfes gegen Ikanari war groß genug, als dass Ghorio ihn nicht drängte und seine Unterkunft und Verpflegung ohne ein weiteres Wort bezahlte. Darüber hinaus bekam Jin auch einen stattlichen Anteil, mehr Geld als er in seinem Leben bisher besessen hatte. Er verlangte auch von dem älteren Krieger, dass er bis er es selbst wollte, keine bedeutenden Kämpfe mehr austragen würde.
Und Ghorio stimmte zu seiner Überraschung ohne zu murren zu.
Er nutzte die Zeit um über sich und seinen Weg nachzudenken. Jin kam schnell zu der Erkenntnis, dass er, solange er die Kontrolle behielt im Theater besser dran war. Er trainierte sogar den Umgang mit Waffen, die ihm zusagten, wie dem Stab, und gewöhnte sich daran, nurnoch mit einem Auge sehen zu können
Solange wie er sich an die kleineren Kämpfe hielt, lief er kaum Gefahr jemanden wieder ernsthaft zu verletzten oder gar zu töten. Etwas in ihm wehrte sich gegen diese Zurückhaltung, aber er konnte genauso wenig die gebrochenen Augen der jungen Frau die er getötet hatte vergessen, die ihn bis in seine Träume verfolgten.
Nach einer wiederholten schlecht geschlafenen Nacht, von Bildern geplagt aufwachend, merkte Jin, dass er nicht allein in seiner Kammer war. Noch vom grauen Schleier des Schlafes betäubt, hoffte er es wäre Nothilf, aber statt ihrer stand ein Mann mit Haut, die fast schwarz schien im Eingang seines Zimmers.
„Was willst du?“ Fragte er den Fremden müde, nicht durch Misstrauen geleitet, sondern Neugier.
„Du hast im Schlaf gesprochen, ich wollte sehen ob alles gut ist.“ Erst jetzt fiel Jin auf, dass der ganze Körper des Waldmenschen mit Malereien verziert war, die fast genauso dunkel waren wie seine Haut. Nur die rechte Hälfte seines Gesichts zierte eine blasse, feingliedrige Spinne, die von seiner Stirn bis zu seinem Kinn reichte, seine dunklen Haare waren zu dutzenden von Zöpfen geflochten.
„Was geht es dich an?“
„Sorge ist kein Verbrechen.“ Entgegnete er nur. Er hatte einen seltsamen Akzent, bei dem er das R sehr weich aussprach.
„Aber Luxus den sich hier unten keiner leisten kann und wenn doch, ist das verdächtig.“ Jin hatte sich nun auf seinem Lager aufgerichtet.
„Dein Verstand ist scharf, Schlange, aber man sagt dein Kampfgeist sei erloschen.“
Jin senkte den Kopf. „Ich habe erkannt, dass alles hier nur in Leid enden kann. Es fehlt der Ausgleich. Es gibt nichts Gutes auf der anderen Seite, alle Freude hier wächst aus dem Leid anderer. So können es die Zwillinge doch nicht wollen.“
Der Fremde nickte verstehend. “Suchst du noch einen Grund zu kämpfen? Oder hast du aufgegeben?“
„Das ist mein Rätsel.“
„Ich könnte dir helfen es zu lösen.“ Bot der Waldmensch an.
„Warum?“
„Weil wir eines Tages kämpfen werden, Schlange. Und ein Mann wie du sollte dabei mein Freund und würdiger Gegner sein, kein ausgebrannter Schatten.“ Beschloss der schwarze Mann und verschränkte die Arme.
„Wer bist du?“ Fragte Jin zweifelnd.
„Take-Imaro. Hier unten nennen sie mich Spinne.“