Kennst Du Dein wahres Ich?
von schwarzeWitwe
Kurzbeschreibung
Ein OS über Nikki Sixx. Kurz gesagt und ohne zu viel vorweg zu nehmen: Der gute Mr. Sixx muß sich, dank seines enormen Drogenkonsums und um den Fortbestand von Mötley Crüe nicht zu gefährden, mit einer längst überfälligen Therapie bei einer Psychologin abfinden, die anders ausgeht, als man denken würde...
GeschichteAllgemein / P16 / Gen
23.07.2010
23.07.2010
1
2.524
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Hallihallo,
ganz spontan und kurzerhand häuften sich in meinem Kopf Gedankenfetzen zu folgendem OS, die ich unbedingt niederschreiben musste.
So sage ich nur: Viel Spaß beim Lesen und
...na klar, wer nicht...
ich würde mich ungemein über Meinungen von euch freuen... jaha, würde ich *lach*
Schönes Wochenende!!!
.....................
Nikki saß breitbeinig in einem Ledersessel und inspizierte gelangweilt seine Finger. In der linken Hand hatte er seinen Autoschlüssel, mit dem er sich in aller Seelenruhe seine Fingernägel sauber machte. Wieder einmal hatte er die Auflage einzuhalten, einen Pflichtbesuch beim Psychologen wahrzunehmen, wieder einmal wusste er, dass weigern nichts brachte und er sich diesen ständigen Zwängen der Plattenbosse ergeben musste, wenn er nicht den Fortbestand der Band gefährden wollte.
Er hatte ein Suchtproblem, das stand außer Frage und er hatte schon unzählige Therapien hinter sich, aber genau diese anschließenden Psychositzungen waren es, die ihm regelmäßig den Rest gaben. Dieses sinnlose Rumgeseier, dieses Analysieren der angeblich für alles verantwortlichen Fehler im Hirn, Schuldzuweisungen, Ursachenforschung, Planerstellung der nächsten Schritte. Wie er das alles hasste!
Sinnlose Zeitverschwendung, pflegte er stets zu urteilen und davon war er auch nicht abzubringen.
Sharon McLain versuchte, sich von diesem Mann ein Bild zu machen, was aber alles andere als einfach war. Rein optisch gesehen die reinste Provokation, schwarzes Leder von Kopf bis Fuß. Das Haar glich einer wilden Explosion, oder aber man brachte den Vergleich, er würde ständig mit den Fingern in der Steckdose rumlaufen, was zumindest seine ständig unruhige Art erklären würde. Optik jedoch war für Sharon stets zweitrangig. Der Schlüssel zum Erfolg führte über seinen Geist, aber genauso verschlossen, wie er ihr gegenüber saß, so verschlossen wirkte auch seine Psyche auf sie.
Dies würde ein harter Brocken werden, soviel stand für sie schon mal fest. Sie setzte sich daher ruhig ihre Lesebrille auf, überflog kurz das schriftlich verfasste Protokoll über das Problem dieses Mannes und fragte ruhig, mit einem angenehmen Klang in der Stimme:„Was denken Sie gerade, Mr. Sixx?“
Er hob nur langsam den Kopf, grinste breit und zeigte demonstrativ seine Zähne, während er nach wie vor mit seinem Schlüssel zwischen seinen Fingern rumspielte. Ein Zeichen von Unsicherheit, welche jedoch niemand nach außen hin bemerken sollte, analysierte Sharon bereits sein Verhalten innerlich.
„Ich denke gerade....“ Er dehnte jedes einzelne Wort, kostete den Moment völlig aus, während sein Grinsen noch breiter wurde und geradezu vulgäre Züge annahm.
„Ich denke gerade daran, wie ich dich in nicht mal fünf Minuten über den Tisch werfen werde und dich mal so richtig ordentlich von hinten durchficke. Cool, oder?“ Nun lachte er diabolisch auf.
„Mr. Sixx!“
Verlegen fuhr sich Sharon durch ihr schulterlanges, blondes Haar. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen, bekräftigte sie sich. Dies war bei weitem kein Einzelfall und mit einer solch ordinären Art musste sie einfach fertig werden. Es war bestimmt nicht der letzte Ausspruch dieser Art, war Nikki Sixx doch bekannt dafür, Frauen mehr oder weniger als reine Sexobjekte zu sehen und sie auch so zu behandeln.
„Das ist reines Wunschdenken und für unsere heutige Sitzung nicht von Bedeutung.“
„Oh, schade eigentlich.“ Wieder dieses dreckige Lachen, bevor er fortfuhr, mit dem Schlüssel unter seinen Fingernagel zu fahren und den Dreck achtlos vom Schlüssel zu schnippen.
„Es geht mir vielmehr darum, was Sie fühlen, empfinden, was Sie so wütend macht und Sie dazu treibt....“
Er warf ihr unvermittelt einen zornigen Blick zu, seine braunen Augen funkelten angriffslustig. Blitzschnell beugte er sich vor, was sie für einen kurzen Moment zusammenzucken ließ. Unberechenbar war dieser Mann, das wusste sie und das fürchtete sie auch ein Stück weit.
„Was mich wütend macht, ja? Diese komplette Scheiße hier macht mich wütend! Was soll ich hier? Was soll mir dieses Psycho-Gequatsche bringen? Welcher Idiot ist hierfür verantwortlich und wie viel Kohle heimsen Sie sich ein, ohne etwas erreicht zu haben?“
„Mr. Sixx, ich....“
„Ach, komm schon! Ist doch alles Humbug! Schlimmer als diese angeblichen Wahrsagerinnen, die zwar auch so tun, als wüssten sie alles besser, aber wenigstens meinen sie noch, dies sei Magie und nicht ihr eigenes Können. Ihr seid doch alle ein Haufen Quacksalber, Fachidioten und Versager. IHR selbst seid doch Euer größtes Problem. Therapiert Euch doch einfach gegenseitig und lasst mich damit in Ruhe!“
Sharon hörte sich, ohne einzugreifen, die Vorwürfe in aller Ruhe an, ohne jegliche Emotionen preiszugeben. Dies war eine typische Abwehrhaltung ihrer Patienten und es brachte hier rein gar nichts, unentwegt einzugreifen und dadurch ein Vertrauensverhältnis im Keim zu ersticken. Es ist eigentlich wie mit einem Fußballspiel. Ein Schiedsrichter, der jedes kleinste Vergehen pfeift, unterbricht ununterbrochen das Spiel und hemmt somit den Spielfluss. Resultat daraus: die Spielfreude ist dahin, dass Spiel ist nicht ansehnlich und langweilt.
Nachdem Nikki sich also entladen durfte, blickte er sie nun fragend, geradezu verunsichert an. Als er jedoch keine Reaktion von ihr erhielt, schwenkte er wieder um ins Sexuelle und griff sie wieder einmal verbal an: „Du wurdest doch auch schon lange nicht mehr ordentlich rangenommen, oder? Du bist so verbissen, so unausgeglichen, so kalt. Also die Nummer würde dir bestimmt helfen. Aus psychologischer Sicht, versteht sich.“ Abfällig und aufgesetzt wirkte jetzt seine gekünstelte Lache.
Sharon atmete einfach tief durch, bevor sie begann: „Es geht hier nicht um mich, verstehen Sie? Es geht hier einzig und allein um Sie. Ich möchte Ihnen doch bloß helfen. Ich möchte Ihnen aufzeigen, wie Sie gegen ihre innere Zerrissenheit ankämpfen können, wie Sie Herr ihrer Gefühle werden und wie Sie schlussendlich auf all diese Hilfsmittel, die zwar den Schmerz für eine zeitlang verdrängen, aber langfristig nicht vertreiben, zukünftig verzichten können. Sie...“
„Ach nee! Schmerzen habe ich also auch noch?“
Er verdrehte genervt die Augen, lehnte sich wieder gelassen im Stuhl zurück und legte einen Fuß gegen die Kante des Schreibtischs. „Na, dann laß' mal hören. Rück rüber mit den beschissenen Vorschlägen. Ich bin ganz Ohr, Süße.“
„Ich bin schon auch auf Ihre Mithilfe angewiesen. Von daher würde ich vorschlagen, wir sprechen gemeinsam miteinander und werten am Ende auch gemeinsam meine Vorschläge für Sie aus. Ihr Mitspracherecht soll hierbei nicht übergangen werden und ich gebe Ihnen lediglich Denkanstöße auf den Weg, keine Vorschriften.“
„Mh, nun ja. Ist doch aber komplette scheiße. Da ist so eine beknackte Klinik doch besser. Die nimmt einem wenigstens für ein paar Tage die ganzen Gifte einfach weg. Was bringt es mir, darüber zu quatschen? WAS?“
Mit einem Mal schrie er Sharon an, erhob sich aus seinem Sessel und lehnte sich mit beiden Armen bedrohlich nahe vor ihr auf dem Schreibtisch auf.
Sharon jedoch kannte diese Ausraster nur zu gut , blieb ruhig sitzen und sprach unbeirrt weiter.
„Man muss erst einmal die Ursachen erkennen, um eine optimale Therapie zu beginnen, Mr. Sixx. Und genau da wollen wir heute ansetzen.“
„Gut“, entspannt ließ er sich wieder in den Stuhl zurückfallen, „zeig mir deine Titten, dann sag ich dir, was ich davon halte. Ist das ein Anfang?“
„Mit Sicherheit nicht, Mr. Sixx.“ Langsam wurden diese sexuellen Anspielungen anstrengend, jedoch überhörte Sharon diese geflissentlich. „Denn es geht hier um Sie, nicht um mich.“
„Ach so.“
Wieder sprang Nikki auf, in Null Komma nichts hatte er Gürtel und Hose geöffnet und ehe Sharon sich versah, stand dieser Mann mit den Hosen bis in die Kniekehle gerutscht, mit entblößtem Glied vor ihr.
„Na, was sagst du dazu? Willste mal fühlen?“
Etwas angewidert wandte sich Sharon von diesem Bild ab und meinte pikiert: „Bitte ziehen Sie sich wieder an, Mr. Sixx. Ich lege keinen Wert darauf, dies zum einen zu sehen noch zu befühlen. Ich bitte Sie auch, diese sexuellen Anspielungen zu unterlassen. Wir sind hier zu einem sachlichen Gespräch zusammengekommen und ich möchte auch, dass es dabei bleibt.“
„Oho. Wohl zu viel des Guten, was?“ Er lachte gehässig auf, brach jedoch abrupt ab und meinte vorwurfsvoll: „Und zu unserer Zusammenkunft, gute Frau. ICH habe nicht darum gebeten. Mir werden immer irgendwelche Sitzungen aufgezwungen, mit mangelndem Erfolg, und das war's.“
„Gut. Fragen Sie sich dann nicht manchmal selbst, ob was mit Ihnen nicht stimmt?“
Dies war endlich mal wieder ein Ansatz, der das Gespräch in die richtige Richtung lenken konnte und eventuell Früchte tragen würde. Doch leider ging dies wieder einmal in eine komplett falsche Richtung. Statt nun etwas von sich preiszugeben, murmelte er nur, während er seine Männlichkeit wieder in sichere Zonen brachte: „Mit mir was nicht stimmen? Nö! Ich bin stolz darauf, anders zu sein. Ich will überhaupt nicht so sein wie alle, nicht so sein, wie du. Verbittert, frustriert, innerlich stumpf und tot!“
Sharon musste schlucken, waren dies doch schon recht harte Worte von einem Patienten, die sie in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Er war wirklich ein sehr schwieriger Fall, so uneinsichtig wie ein Esel.
„ Mr. Sixx...“
„Ja“, flötete er mit einem Mal in bester Laune.
Uneinschätzbare Stimmungsschwankungen, dachte sie und spürte ein hartes Stück Arbeit auf sich zukommen.
„Mr. ...“
„Sixx, ich weiß! Nenn' mich doch einfach Nikki. Ich hasse es so förmlich und verklemmt. Kann mir schon vorstellen, wie es bei dir im Bett abgeht...“
„Mr. Sixx.“ Erhob sie nun langsam die Stimme, ging ihr seine Art doch langsam auf die Nerven. „Ich habe Sie doch gerade um etwas gebeten. Es wäre schön, wenn Sie es auch beherzigen würden.“
„Man, man, man. Dieses geschwollene Gesülze macht echt müde“, lenkte er ab. „Kann ich 'ne Runde pennen? Vielleicht kriegen Sie ja via Hypnose mehr aus mir raus.“
„So etwas mache ich nicht. Ich denke auch, jeder sollte nur das preisgeben, was er auch für sich selbst vertreten kann. Ich....“
„Na, dann sag ich jetzt gar nichts mehr, abgemacht? Vertretbar ist in meinem Leben nämlich gar nichts“, kicherte er, als er den mittlerweile doch etwas säuerlichen Blick von Sharon McLain mitbekam.
Nach gut fünf Minuten einer Diskussion, die einfach nur hin und her plänkelte und eigentlich auch zu nichts führte, stand Nikki unaufgefordert auf, durchstreifte mit langsamen Schritten das sterile Büro und berührte mit seinen Fingern ein Bild, welches er im Regal neben den Ordnern stehen sah. „Süß, die Kleine. Deine Tochter?“
Verlegen sah sie zu ihm rüber und meinte kleinlaut: „Ja.Aber das tut hier nichts zur Sache. Kommen Sie bitte...“
„Und der Alte daneben? Etwa dein Mann? Wow, der Kerl muss Kohle haben, oder? Andernfalls 'nen saucoolen Charakter, was ich aber bei der Fresse nicht denke.“ Er fuhr sich nachdenklich über das Kinn.
„Setzen Sie sich verdammt noch mal hin! Sie sind das Problem, nicht ich! Also halten Sie sich gefälligst daran.“ Ihre Stimme war ungehalten; seine forsche, ungehobelte Art brachte sie langsam aber sicher auf die Palme.
„Ich setze mich NICHT wieder in diesen Pseudo-Verhör-Sessel, kapiert? Ich habe dir nichts zu sagen. Meine Vergangenheit war scheiße, meine Gegenwart ist es auch und meine Zukunft ist ungewiss. Aber wenn man Scheiße und Scheiße addiert, weiß doch jeder letzte Idiot, was bei rauskommt, oder? Was gibt es da noch zu schwafeln? Wie sieht's bei dir aus? Geht die Rechnung auch bei dir auf? So ein Kerl auszuhalten... Keine einfache Angelegenheit, oder? Hat er dir dieses beschissene Studium finanziert? Hat sich der Aufwand wenigstens gelohnt?“
Sharon sackte geradezu auf dem Tisch zusammen, ihre Stirn wurde durch ihre Hand gestützt. Diese harte Nuss würde sie wohl niemals knacken können. Dieser Mann stellte laufend Fragen, beleidigte sie mit seinen sexuellen Anspielungen, war Schuld daran, dass Erinnerungen in ihr aufstiegen.
Er wanderte mit langsamen Schritten auf sie zu, stand nun direkt hinter ihr, seine Hände verweilten schwer wie Sandsäcke auf ihren Schultern, wie die Schuld, die sie immer mit sich rumzuschleppen hatte. Seine Stimme wechselte in einen gespielt väterlichen, verständnisvollen Tonfall: „Läuft also auch bei dir nicht alles rund, mh? Will der Alte einfach nicht abnippeln, obwohl du doch schon seit Ewigkeiten auf sein Erbe spekulierst, habe ich Recht?“
Das war eine Unverschämtheit, die sie eigentlich so nicht hätte durchgehen lassen, aber im Moment fühlte sie sich einfach nur schwach, von Nikki manipuliert und sie sah sich unfähig darin, diesem Menschen auch nur ansatzweise helfen zu können.
„Verdammt!“ Sie schleuderte wütend ihre Lesebrille über den Tisch. „Ich muss Ihnen hier nichts beantworten und ich will...“
„Schon klar. Unsereins wollen Sie wie eine Zitrone ausquetschen, aber selbst etwas von sich preisgeben ist nicht drin.“ Er wechselte seine Position, stand nun neben ihr, lässig an den Tisch gelehnt und sah sie beinahe ein wenig mitleidig an.
„Haben Sie's denn schon mal mit 'ner Therapie versucht? Kennen Sie überhaupt dieses Gefühl, dort drüben zu sitzen und einer wildfremden Person ihr komplettes, verkorkstes Leben anzuvertrauen? Für exakt eine Stunde? Keine Minute mehr? Und anschließend kommt auch schon der nächste Versager und der nächste und der übernächste? Bis die acht Stunden um sind und Sie friedlich, nicht mehr an die ganzen kranken Existenzen denkend, ins traute Heim kommen, mit dem Kindchen ein bisschen spielen und anschließend dem Alten das verkümmerte Würstchen kraulen müssen, wovor es dir den ganzen Tag über schon graut?“
„Seien Sie ruhig, Mr. Sixx. Ich verbiete Ihnen, so mit mir zu sprechen.“
„Wie denn sonst, gute Frau? Wie hätten Sie es denn gern? Wie wäre es mit 'Mach mich heiß, du geiles Luder'? Ich hab' es bestimmt besser drauf, als der alte Zausel.“
„Es reicht! Raus! Raus aus meiner Praxis und raus aus meinem Leben. Sie sind doch komplett durchgeknallt! Sie haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Ihnen ist wirklich nicht mehr zu helfen, Sie haben vollkommen recht. Gehen Sie wohin auch immer, aber gehen Sie!“
„Danke, danke. Das war es doch, was ich hören wollte.“
Er verbeugte sich noch ein letztes Mal vor Sharon, wie nach einem gelungenen Auftritt, schnappte sich seine Lederjacke und verließ blitzartig das Büro.
Sharon massierte sich beruhigend die Schläfen, rieb sich die Tränen von der Wange und schaute anklagend zu dem Familienbild hinüber. Es war wirklich unglaublich! Wer hätte auch gedacht, dass dieser Mann mit 89 Jahren immer noch so fit sein konnte, immer noch Bedürfnisse hatte und es allem Anschein nach niemals ein Ende haben würde. Gab es nicht sogar schon Menschen, die die Hunderter-Marke überschritten hatten?
Er hatte nicht vor, sein Innerstes nach außen zu kehren. Seine Schale war so hart, dass es anderen unmöglich war, sie auch nur ansatzweise zu knacken. Nur er selbst war dazu fähig, doch bei weitem nicht bereit. Seine Probleme waren tiefsitzend, schwer und sich damit auseinander zu setzen, verlangte Mut und Willenskraft. Im Grunde genommen hatte er Angst vor der Offenbarung und solange es Möglichkeiten zur Verdrängung gab, sah er nicht ein, warum er sich überhaupt jemanden öffnen sollte.
Er selbst war ein Hobby-Psychologe. Im Grunde genommen verfügte er über exzellente Menschenkenntnisse und wusste sofort nach der ersten Begegnung, mit welchen Problemen das ihm gegenüber zu kämpfen hatte. Statt diese Fähigkeit jedoch ausschließlich fürs Helfen einzusetzen, missbrauchte er seinen spitzfindigen Verstand genau gegen die Person. Der wunde Punkt eines jeden wurde ausfindig gemacht, angegriffen und mürbe geredet. An der Demütigung einer Person wuchs die Genugtuung, das nicht er alleine Hilfe brauchte, sondern jeder einzelne mit Problemen behaftet war, die man einfach nur an die Oberfläche bringen musste, um sie gerade den Menschen, die angaben, einem helfen zu können, unter die Nase zu reiben. Denn wie hieß es in der Bibel so schön?
„Wer frei von Schuld, der werfe den ersten Stein“
ganz spontan und kurzerhand häuften sich in meinem Kopf Gedankenfetzen zu folgendem OS, die ich unbedingt niederschreiben musste.
So sage ich nur: Viel Spaß beim Lesen und
...na klar, wer nicht...
ich würde mich ungemein über Meinungen von euch freuen... jaha, würde ich *lach*
Schönes Wochenende!!!
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Nikki saß breitbeinig in einem Ledersessel und inspizierte gelangweilt seine Finger. In der linken Hand hatte er seinen Autoschlüssel, mit dem er sich in aller Seelenruhe seine Fingernägel sauber machte. Wieder einmal hatte er die Auflage einzuhalten, einen Pflichtbesuch beim Psychologen wahrzunehmen, wieder einmal wusste er, dass weigern nichts brachte und er sich diesen ständigen Zwängen der Plattenbosse ergeben musste, wenn er nicht den Fortbestand der Band gefährden wollte.
Er hatte ein Suchtproblem, das stand außer Frage und er hatte schon unzählige Therapien hinter sich, aber genau diese anschließenden Psychositzungen waren es, die ihm regelmäßig den Rest gaben. Dieses sinnlose Rumgeseier, dieses Analysieren der angeblich für alles verantwortlichen Fehler im Hirn, Schuldzuweisungen, Ursachenforschung, Planerstellung der nächsten Schritte. Wie er das alles hasste!
Sinnlose Zeitverschwendung, pflegte er stets zu urteilen und davon war er auch nicht abzubringen.
Sharon McLain versuchte, sich von diesem Mann ein Bild zu machen, was aber alles andere als einfach war. Rein optisch gesehen die reinste Provokation, schwarzes Leder von Kopf bis Fuß. Das Haar glich einer wilden Explosion, oder aber man brachte den Vergleich, er würde ständig mit den Fingern in der Steckdose rumlaufen, was zumindest seine ständig unruhige Art erklären würde. Optik jedoch war für Sharon stets zweitrangig. Der Schlüssel zum Erfolg führte über seinen Geist, aber genauso verschlossen, wie er ihr gegenüber saß, so verschlossen wirkte auch seine Psyche auf sie.
Dies würde ein harter Brocken werden, soviel stand für sie schon mal fest. Sie setzte sich daher ruhig ihre Lesebrille auf, überflog kurz das schriftlich verfasste Protokoll über das Problem dieses Mannes und fragte ruhig, mit einem angenehmen Klang in der Stimme:„Was denken Sie gerade, Mr. Sixx?“
Er hob nur langsam den Kopf, grinste breit und zeigte demonstrativ seine Zähne, während er nach wie vor mit seinem Schlüssel zwischen seinen Fingern rumspielte. Ein Zeichen von Unsicherheit, welche jedoch niemand nach außen hin bemerken sollte, analysierte Sharon bereits sein Verhalten innerlich.
„Ich denke gerade....“ Er dehnte jedes einzelne Wort, kostete den Moment völlig aus, während sein Grinsen noch breiter wurde und geradezu vulgäre Züge annahm.
„Ich denke gerade daran, wie ich dich in nicht mal fünf Minuten über den Tisch werfen werde und dich mal so richtig ordentlich von hinten durchficke. Cool, oder?“ Nun lachte er diabolisch auf.
„Mr. Sixx!“
Verlegen fuhr sich Sharon durch ihr schulterlanges, blondes Haar. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen, bekräftigte sie sich. Dies war bei weitem kein Einzelfall und mit einer solch ordinären Art musste sie einfach fertig werden. Es war bestimmt nicht der letzte Ausspruch dieser Art, war Nikki Sixx doch bekannt dafür, Frauen mehr oder weniger als reine Sexobjekte zu sehen und sie auch so zu behandeln.
„Das ist reines Wunschdenken und für unsere heutige Sitzung nicht von Bedeutung.“
„Oh, schade eigentlich.“ Wieder dieses dreckige Lachen, bevor er fortfuhr, mit dem Schlüssel unter seinen Fingernagel zu fahren und den Dreck achtlos vom Schlüssel zu schnippen.
„Es geht mir vielmehr darum, was Sie fühlen, empfinden, was Sie so wütend macht und Sie dazu treibt....“
Er warf ihr unvermittelt einen zornigen Blick zu, seine braunen Augen funkelten angriffslustig. Blitzschnell beugte er sich vor, was sie für einen kurzen Moment zusammenzucken ließ. Unberechenbar war dieser Mann, das wusste sie und das fürchtete sie auch ein Stück weit.
„Was mich wütend macht, ja? Diese komplette Scheiße hier macht mich wütend! Was soll ich hier? Was soll mir dieses Psycho-Gequatsche bringen? Welcher Idiot ist hierfür verantwortlich und wie viel Kohle heimsen Sie sich ein, ohne etwas erreicht zu haben?“
„Mr. Sixx, ich....“
„Ach, komm schon! Ist doch alles Humbug! Schlimmer als diese angeblichen Wahrsagerinnen, die zwar auch so tun, als wüssten sie alles besser, aber wenigstens meinen sie noch, dies sei Magie und nicht ihr eigenes Können. Ihr seid doch alle ein Haufen Quacksalber, Fachidioten und Versager. IHR selbst seid doch Euer größtes Problem. Therapiert Euch doch einfach gegenseitig und lasst mich damit in Ruhe!“
Sharon hörte sich, ohne einzugreifen, die Vorwürfe in aller Ruhe an, ohne jegliche Emotionen preiszugeben. Dies war eine typische Abwehrhaltung ihrer Patienten und es brachte hier rein gar nichts, unentwegt einzugreifen und dadurch ein Vertrauensverhältnis im Keim zu ersticken. Es ist eigentlich wie mit einem Fußballspiel. Ein Schiedsrichter, der jedes kleinste Vergehen pfeift, unterbricht ununterbrochen das Spiel und hemmt somit den Spielfluss. Resultat daraus: die Spielfreude ist dahin, dass Spiel ist nicht ansehnlich und langweilt.
Nachdem Nikki sich also entladen durfte, blickte er sie nun fragend, geradezu verunsichert an. Als er jedoch keine Reaktion von ihr erhielt, schwenkte er wieder um ins Sexuelle und griff sie wieder einmal verbal an: „Du wurdest doch auch schon lange nicht mehr ordentlich rangenommen, oder? Du bist so verbissen, so unausgeglichen, so kalt. Also die Nummer würde dir bestimmt helfen. Aus psychologischer Sicht, versteht sich.“ Abfällig und aufgesetzt wirkte jetzt seine gekünstelte Lache.
Sharon atmete einfach tief durch, bevor sie begann: „Es geht hier nicht um mich, verstehen Sie? Es geht hier einzig und allein um Sie. Ich möchte Ihnen doch bloß helfen. Ich möchte Ihnen aufzeigen, wie Sie gegen ihre innere Zerrissenheit ankämpfen können, wie Sie Herr ihrer Gefühle werden und wie Sie schlussendlich auf all diese Hilfsmittel, die zwar den Schmerz für eine zeitlang verdrängen, aber langfristig nicht vertreiben, zukünftig verzichten können. Sie...“
„Ach nee! Schmerzen habe ich also auch noch?“
Er verdrehte genervt die Augen, lehnte sich wieder gelassen im Stuhl zurück und legte einen Fuß gegen die Kante des Schreibtischs. „Na, dann laß' mal hören. Rück rüber mit den beschissenen Vorschlägen. Ich bin ganz Ohr, Süße.“
„Ich bin schon auch auf Ihre Mithilfe angewiesen. Von daher würde ich vorschlagen, wir sprechen gemeinsam miteinander und werten am Ende auch gemeinsam meine Vorschläge für Sie aus. Ihr Mitspracherecht soll hierbei nicht übergangen werden und ich gebe Ihnen lediglich Denkanstöße auf den Weg, keine Vorschriften.“
„Mh, nun ja. Ist doch aber komplette scheiße. Da ist so eine beknackte Klinik doch besser. Die nimmt einem wenigstens für ein paar Tage die ganzen Gifte einfach weg. Was bringt es mir, darüber zu quatschen? WAS?“
Mit einem Mal schrie er Sharon an, erhob sich aus seinem Sessel und lehnte sich mit beiden Armen bedrohlich nahe vor ihr auf dem Schreibtisch auf.
Sharon jedoch kannte diese Ausraster nur zu gut , blieb ruhig sitzen und sprach unbeirrt weiter.
„Man muss erst einmal die Ursachen erkennen, um eine optimale Therapie zu beginnen, Mr. Sixx. Und genau da wollen wir heute ansetzen.“
„Gut“, entspannt ließ er sich wieder in den Stuhl zurückfallen, „zeig mir deine Titten, dann sag ich dir, was ich davon halte. Ist das ein Anfang?“
„Mit Sicherheit nicht, Mr. Sixx.“ Langsam wurden diese sexuellen Anspielungen anstrengend, jedoch überhörte Sharon diese geflissentlich. „Denn es geht hier um Sie, nicht um mich.“
„Ach so.“
Wieder sprang Nikki auf, in Null Komma nichts hatte er Gürtel und Hose geöffnet und ehe Sharon sich versah, stand dieser Mann mit den Hosen bis in die Kniekehle gerutscht, mit entblößtem Glied vor ihr.
„Na, was sagst du dazu? Willste mal fühlen?“
Etwas angewidert wandte sich Sharon von diesem Bild ab und meinte pikiert: „Bitte ziehen Sie sich wieder an, Mr. Sixx. Ich lege keinen Wert darauf, dies zum einen zu sehen noch zu befühlen. Ich bitte Sie auch, diese sexuellen Anspielungen zu unterlassen. Wir sind hier zu einem sachlichen Gespräch zusammengekommen und ich möchte auch, dass es dabei bleibt.“
„Oho. Wohl zu viel des Guten, was?“ Er lachte gehässig auf, brach jedoch abrupt ab und meinte vorwurfsvoll: „Und zu unserer Zusammenkunft, gute Frau. ICH habe nicht darum gebeten. Mir werden immer irgendwelche Sitzungen aufgezwungen, mit mangelndem Erfolg, und das war's.“
„Gut. Fragen Sie sich dann nicht manchmal selbst, ob was mit Ihnen nicht stimmt?“
Dies war endlich mal wieder ein Ansatz, der das Gespräch in die richtige Richtung lenken konnte und eventuell Früchte tragen würde. Doch leider ging dies wieder einmal in eine komplett falsche Richtung. Statt nun etwas von sich preiszugeben, murmelte er nur, während er seine Männlichkeit wieder in sichere Zonen brachte: „Mit mir was nicht stimmen? Nö! Ich bin stolz darauf, anders zu sein. Ich will überhaupt nicht so sein wie alle, nicht so sein, wie du. Verbittert, frustriert, innerlich stumpf und tot!“
Sharon musste schlucken, waren dies doch schon recht harte Worte von einem Patienten, die sie in dieser Form noch nicht erlebt hatte. Er war wirklich ein sehr schwieriger Fall, so uneinsichtig wie ein Esel.
„ Mr. Sixx...“
„Ja“, flötete er mit einem Mal in bester Laune.
Uneinschätzbare Stimmungsschwankungen, dachte sie und spürte ein hartes Stück Arbeit auf sich zukommen.
„Mr. ...“
„Sixx, ich weiß! Nenn' mich doch einfach Nikki. Ich hasse es so förmlich und verklemmt. Kann mir schon vorstellen, wie es bei dir im Bett abgeht...“
„Mr. Sixx.“ Erhob sie nun langsam die Stimme, ging ihr seine Art doch langsam auf die Nerven. „Ich habe Sie doch gerade um etwas gebeten. Es wäre schön, wenn Sie es auch beherzigen würden.“
„Man, man, man. Dieses geschwollene Gesülze macht echt müde“, lenkte er ab. „Kann ich 'ne Runde pennen? Vielleicht kriegen Sie ja via Hypnose mehr aus mir raus.“
„So etwas mache ich nicht. Ich denke auch, jeder sollte nur das preisgeben, was er auch für sich selbst vertreten kann. Ich....“
„Na, dann sag ich jetzt gar nichts mehr, abgemacht? Vertretbar ist in meinem Leben nämlich gar nichts“, kicherte er, als er den mittlerweile doch etwas säuerlichen Blick von Sharon McLain mitbekam.
Nach gut fünf Minuten einer Diskussion, die einfach nur hin und her plänkelte und eigentlich auch zu nichts führte, stand Nikki unaufgefordert auf, durchstreifte mit langsamen Schritten das sterile Büro und berührte mit seinen Fingern ein Bild, welches er im Regal neben den Ordnern stehen sah. „Süß, die Kleine. Deine Tochter?“
Verlegen sah sie zu ihm rüber und meinte kleinlaut: „Ja.Aber das tut hier nichts zur Sache. Kommen Sie bitte...“
„Und der Alte daneben? Etwa dein Mann? Wow, der Kerl muss Kohle haben, oder? Andernfalls 'nen saucoolen Charakter, was ich aber bei der Fresse nicht denke.“ Er fuhr sich nachdenklich über das Kinn.
„Setzen Sie sich verdammt noch mal hin! Sie sind das Problem, nicht ich! Also halten Sie sich gefälligst daran.“ Ihre Stimme war ungehalten; seine forsche, ungehobelte Art brachte sie langsam aber sicher auf die Palme.
„Ich setze mich NICHT wieder in diesen Pseudo-Verhör-Sessel, kapiert? Ich habe dir nichts zu sagen. Meine Vergangenheit war scheiße, meine Gegenwart ist es auch und meine Zukunft ist ungewiss. Aber wenn man Scheiße und Scheiße addiert, weiß doch jeder letzte Idiot, was bei rauskommt, oder? Was gibt es da noch zu schwafeln? Wie sieht's bei dir aus? Geht die Rechnung auch bei dir auf? So ein Kerl auszuhalten... Keine einfache Angelegenheit, oder? Hat er dir dieses beschissene Studium finanziert? Hat sich der Aufwand wenigstens gelohnt?“
Sharon sackte geradezu auf dem Tisch zusammen, ihre Stirn wurde durch ihre Hand gestützt. Diese harte Nuss würde sie wohl niemals knacken können. Dieser Mann stellte laufend Fragen, beleidigte sie mit seinen sexuellen Anspielungen, war Schuld daran, dass Erinnerungen in ihr aufstiegen.
Er wanderte mit langsamen Schritten auf sie zu, stand nun direkt hinter ihr, seine Hände verweilten schwer wie Sandsäcke auf ihren Schultern, wie die Schuld, die sie immer mit sich rumzuschleppen hatte. Seine Stimme wechselte in einen gespielt väterlichen, verständnisvollen Tonfall: „Läuft also auch bei dir nicht alles rund, mh? Will der Alte einfach nicht abnippeln, obwohl du doch schon seit Ewigkeiten auf sein Erbe spekulierst, habe ich Recht?“
Das war eine Unverschämtheit, die sie eigentlich so nicht hätte durchgehen lassen, aber im Moment fühlte sie sich einfach nur schwach, von Nikki manipuliert und sie sah sich unfähig darin, diesem Menschen auch nur ansatzweise helfen zu können.
„Verdammt!“ Sie schleuderte wütend ihre Lesebrille über den Tisch. „Ich muss Ihnen hier nichts beantworten und ich will...“
„Schon klar. Unsereins wollen Sie wie eine Zitrone ausquetschen, aber selbst etwas von sich preisgeben ist nicht drin.“ Er wechselte seine Position, stand nun neben ihr, lässig an den Tisch gelehnt und sah sie beinahe ein wenig mitleidig an.
„Haben Sie's denn schon mal mit 'ner Therapie versucht? Kennen Sie überhaupt dieses Gefühl, dort drüben zu sitzen und einer wildfremden Person ihr komplettes, verkorkstes Leben anzuvertrauen? Für exakt eine Stunde? Keine Minute mehr? Und anschließend kommt auch schon der nächste Versager und der nächste und der übernächste? Bis die acht Stunden um sind und Sie friedlich, nicht mehr an die ganzen kranken Existenzen denkend, ins traute Heim kommen, mit dem Kindchen ein bisschen spielen und anschließend dem Alten das verkümmerte Würstchen kraulen müssen, wovor es dir den ganzen Tag über schon graut?“
„Seien Sie ruhig, Mr. Sixx. Ich verbiete Ihnen, so mit mir zu sprechen.“
„Wie denn sonst, gute Frau? Wie hätten Sie es denn gern? Wie wäre es mit 'Mach mich heiß, du geiles Luder'? Ich hab' es bestimmt besser drauf, als der alte Zausel.“
„Es reicht! Raus! Raus aus meiner Praxis und raus aus meinem Leben. Sie sind doch komplett durchgeknallt! Sie haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Ihnen ist wirklich nicht mehr zu helfen, Sie haben vollkommen recht. Gehen Sie wohin auch immer, aber gehen Sie!“
„Danke, danke. Das war es doch, was ich hören wollte.“
Er verbeugte sich noch ein letztes Mal vor Sharon, wie nach einem gelungenen Auftritt, schnappte sich seine Lederjacke und verließ blitzartig das Büro.
Sharon massierte sich beruhigend die Schläfen, rieb sich die Tränen von der Wange und schaute anklagend zu dem Familienbild hinüber. Es war wirklich unglaublich! Wer hätte auch gedacht, dass dieser Mann mit 89 Jahren immer noch so fit sein konnte, immer noch Bedürfnisse hatte und es allem Anschein nach niemals ein Ende haben würde. Gab es nicht sogar schon Menschen, die die Hunderter-Marke überschritten hatten?
Er hatte nicht vor, sein Innerstes nach außen zu kehren. Seine Schale war so hart, dass es anderen unmöglich war, sie auch nur ansatzweise zu knacken. Nur er selbst war dazu fähig, doch bei weitem nicht bereit. Seine Probleme waren tiefsitzend, schwer und sich damit auseinander zu setzen, verlangte Mut und Willenskraft. Im Grunde genommen hatte er Angst vor der Offenbarung und solange es Möglichkeiten zur Verdrängung gab, sah er nicht ein, warum er sich überhaupt jemanden öffnen sollte.
Er selbst war ein Hobby-Psychologe. Im Grunde genommen verfügte er über exzellente Menschenkenntnisse und wusste sofort nach der ersten Begegnung, mit welchen Problemen das ihm gegenüber zu kämpfen hatte. Statt diese Fähigkeit jedoch ausschließlich fürs Helfen einzusetzen, missbrauchte er seinen spitzfindigen Verstand genau gegen die Person. Der wunde Punkt eines jeden wurde ausfindig gemacht, angegriffen und mürbe geredet. An der Demütigung einer Person wuchs die Genugtuung, das nicht er alleine Hilfe brauchte, sondern jeder einzelne mit Problemen behaftet war, die man einfach nur an die Oberfläche bringen musste, um sie gerade den Menschen, die angaben, einem helfen zu können, unter die Nase zu reiben. Denn wie hieß es in der Bibel so schön?
„Wer frei von Schuld, der werfe den ersten Stein“