Zukunft trifft Vergangenheit
von Kittykate
Kurzbeschreibung
Durch einen Zufall reisen 4 Kinder in die Vergangenheit und erleben ihr ganz besonderes Abenteuer.
KurzgeschichteAbenteuer / P12 / Gen
April Eagle
Colt
Fireball
Jesse Blue
Saber Rider
26.06.2010
26.06.2010
1
11.305
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Keuchend rannte ein achtjähriges Mädchen durch die Straßen. Ihr roter Schulranzen flog auf ihrem Rücken hin und her. Das schulterlange blonde Haar wehte im Laufwind und der Schweiß trat ihr auf die Stirn. Müde wischte sie sich mit dem Handrücken über ihre blauen Augen. Sie war viel zu spät dran. Seit ihre Mutter wieder in der Firma ihres Vaters arbeitete, kam es hin und wieder vor, dass sie vor der Schule in die Arbeit musste - wie auch an diesem Morgen. Dadurch musste sich das Mädchen auf seinen Wecker verlassen und nicht auf die sanfte Weckmethode ihrer Mutter. Ihre Mommy hatte sehr darauf geachtet, sie früh zur Selbständigkeit zu erziehen, doch es fehlte noch reichlich in dieser Erziehung. Immerhin schaffte es das blonde Mädchen nicht einmal pünktlich aufzustehen und ohne Hektik in die Schule zu gehen. Es kam nicht oft vor, aber wenn es mal passierte dann rannte sie, um noch vor dem Lehrer ins Klassenzimmer zu stürzen.
Sie rannte durch die Stadt. Hier und da wich sie einem entgegenkommenden Passanten aus, nahm einigen Fahrradfahrern die Vorfahrt und wäre fast vor ein Auto gelaufen, hätte der Fahrer des Wagens nicht geistesgegenwärtig auf die Bremse getreten. Kurz gesagt, es war ein Morgen wie jeder andere. Sie rannte durch die Straßen und kam ihrer Grundschule immer näher.
Auf ihrem Weg überholte sie immer mehr Schüler, die alle in die gleiche Richtung strömten. Alle gingen auf ein großes Backsteingebäude zu und drängten sich durch das breite Schultor, um sich auf den Hof und anschließend in ihren Klassenzimmern einzufinden.
Mit rasselndem Atem verlangsamte sie ihr Tempo, bis sie schließlich nur noch normal ging. Ihr Herz klopfte sehr schnell, aber mit Gewissheit würde sie nicht zu spät kommen und somit auch keine Strafarbeit erhalten. Vor dem Schultor traf sie sich jeden Morgen mit ihrer Freundin Nicole, ob sie noch da stand?
Das blonde Mädchen hatte die Freundin entdeckt und auch die Gesellschaft, in der sie sich befand. Es waren zwei Jungen aus ihrer Klasse, die Nicole ärgerten. Sie fühlte sich sofort verpflichtet ihrer Freundin zu helfen und trat hinter die beiden Jungs. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Lasst sie in Ruhe“, verkündete das achtjährige Mädchen.
Mit diesen Worten zog sie die Aufmerksam der drei Kinder auf sich. Die Jungs sahen sich zum Verwechseln ähnlich, hatten beide kurze dunkelblonde Haare und blaue Augen. Herausfordernd funkelte einer der beiden das Mädchen an. „Was willst du, Blondie?“
„Nenn, mich nicht, Blondie, Jim! Ich habe einen richtigen Namen!“
„Jaaa, ist schon klar“, antwortete sein Zwillingsbruder besserwisserisch. „Asil!“
„Asil“, lachte Jim, „das klingt wie ein Waschmittel!“
„Ihr seid blöd“, mischte sich das zweite Mädchen der Runde ein. Ihre Haare waren so dunkelbraun, dass sie schon fast ins Schwarze übergingen. Auch ihre blauen Augen funkelten die Jungen verärgert an.
Jetzt blickte Jim zu Nicole. „Heul doch!“
„Es reicht! Mein Name ist Lisa und du entschuldigst dich bei ihr“, erklang die Stimme noch drohender.
„Wenn ich das nicht tue, was willst du dann machen? Du bist ein Weichei! Das weiß jeder!“ Jim verschränkte ebenfalls die Arme vor seiner Brust.
„Ich bin kein Weichei!“
„Bist du doch!“
„Nein, das bin ich nicht!“
„Und wie du das bist!“
Ehe die beiden Streithähne sich an die Gurgel gehen konnten, erklang die Schulglocke. Alle vier erstarrten und stellten fest, dass sich nicht mehr viele Schüler außerhalb des Schulgebäudes aufhielten. „Oh, nein, wir kommen zu spät“, erklang es im Einklang aus vier Kinderkehlen und vergessen war der Streit. Schon rannten alle vier zu ihrem Klassenzimmer.
Keines der Kinder hatte die zwei Männer bemerkt, die in ihrer Nähe standen und ein Gespräch geführt hatten. Als die vier weggerannt waren, bemerkte einer von ihnen zum anderen: „Holen wir uns diese Kinder?“
„Die sind gut und sie streiten viel!“
„Ja, und sie sind schwach!“
„Nur wie holen wir sie?“
„Wir müssen ihnen hinterher, du Phantombirne!“ Beide verließen ihren Standort.
Die ersten zwei Stunden vergingen recht schnell und schon erklang der Pausengong. Auf dem Schulhof fanden sich alle Grundschüler ein und tobten. Nicole und Lisa ließen sich auf einer der Bänke nieder und aßen ihr Pausenbrot. „Du bist zu spät gekommen“, stellte das dunkelhaarige Mädchen fest.
„Mein Wecker ist nicht gegangen und meine Mutter musste heute früher in die Arbeit und konnte mich auch nicht wecken“, erzählte Lisa und biss herzhaft in ihr Pausenbrot.
„Ich bin froh, dass meine Mutter nicht arbeiten muss“, entgegnete Nicole.
„Dein Papi geht arbeiten. Bei uns muss aber Mommy das Geld verdienen.“
„Vermisst du deinen Papa sehr?“, hakte das dunkelhaarige Mädchen nach. Sie konnte sich ein Leben ohne Vater gar nicht vorstellen. Doch Lisas Eltern hatten sich vor langer Zeit getrennt. So richtig hatte das blonde Mädchen die Trennung nicht mitbekommen. Sie war damals zwei gewesen.
„Natürlich, auch wenn ich ihn gar nicht kenne!“ Lisa wurde traurig. Unbewusst griff sie sich an ihre Brust und spürte einen harten Gegenstand an ihrer Hand. Es war ihr Glücksbringer, den ihr Vater zu ihrem siebten Geburtstag geschickt hatte. Es war ein Anhänger und hatte die Form einer Katze mit einer erhobenen Pfote. Seit diesem Tag trug sie ihn täglich und hatte durch ihn schon oft das Glück auf ihrer Seite gehabt. Nachdem sie sein Geschenk erhalten hatte, fing sie an wieder nach ihrem Vater zu fragen, doch Antworten erhielt sie nur wie: Ich weiß nicht, wo er ist! Oder: Er hat uns verlassen! Frag nicht weiter! Mehr kann ich dir auch nicht sagen! Und jedes Mal hatte ihre Mutter traurig gewirkt. „Du hast es gut, Nicole. Du hast einen Papa, eine Mama, die zu Hause ist, einen kleinen Bruder und bekommst noch eine Schwester.“
„Ja, der Bauch meiner Mama ist schon ganz groß. Sie sagt, dass meine Schwester in zwei Monaten auf die Welt kommt.“
Die Zwillingsjungs stellten sich vor die beiden Mädchen und bauten sich vor der Bank auf. „Asil, du siehst aus als würdest du gleich heulen!“
Lisa wurde schlagartig wieder wütend. „Nein, tu ich nicht, Tom!“
„Oh, doch, wie ein Baby“, mischte sich Jim ein und imitierte Babygeschrei.
„Seid nicht so gemein“, erklang Nicoles Stimme, doch nach einem Blick der Jungs verstummte sie sofort wieder.
Wieder leerte sich langsam der Schulhof, denn die Pause war fast vorbei. Und wieder bemerkten das die vier Kinder nicht.
„Ihr spinnt doch. Passt bloß auf, dass ihr nicht gleich heult!“ Lisa war wütend von der Bank aufgesprungen und baute sich drohend vor den Jungs auf.
„Ja, da bin ich mal gespannt. Was willst du machen?“, provozierte Jim sie weiter.
Lisa spürte ihr Blut, das zu wallen und zu kochen begann. Sie konnte die Jungs nicht leiden. „Wie wäre es mit“, sie pausierte, als jemand an sie herantrat. Überrascht, wer das wohl sein könnte, drehten sich die Jungs um, während die Mädchen nur den Kopf heben mussten.
Vor den vier Kindern standen zwei fremde Männer, die nicht zur Schule gehörten.
Ängstlich sprang Nicole auf und verkroch sich hinter Lisa, der ebenfalls die Knie schlackerten. Diese Fremden hatten etwas Bedrohliches an sich und ihr Gefühl riet ihr, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Doch ihre Beine gehorchten nicht den Befehlen ihres Gehirns.
Ebenso erstarrt standen auch die Zwillinge den Männern gegenüber. Ihnen war ebenfalls angst und bange, aber sie konnten keinen einzigen klaren Gedanken fassen.
„Keine Angst, Kinder, wir tun euch nichts“, bemerkte einer der beiden Fremden amüsiert.
„Nein, noch tun wir euch nichts. Solange ihr euch anständig benehmt und uns keine Schwierigkeiten macht.“
Unbewusst rückten die Jungs näher an die Mädchen und so stand das Quartett ganz nah beieinander.
„Habt ihr gehört? Seid brav und leise, dann passiert euch nichts“, gab der Erste wieder, während er ganz langsam eine Waffe unter der Jacke hervorzog.
Nicole stiegen Tränen in die Augen, als sie die Pistole aussah. Diese Typen würden auf sie schießen. Sie würden eiskalt vier Kinder ermorden. Panik stieg in dem sensiblen Mädchen auf und sie rannte, so schnell sie konnte, weg. Durch die Reaktion des Mädchens waren die Männer kurzzeitig irritiert und diese Chance nutzten auch die übrig gebliebenen drei Kinder. Sie folgten Nicole, wobei Lisa fest an ihren Glücksbringer griff und betete, dass er ihr auch dieses Mal helfen würde.
Die Männer verfolgten die Kinder und schossen auf sie, da der Zweite inzwischen auch seine Waffe hervorgeholt hatte.
Nicole stolperte, fiel und blieb liegen. Sie konnte nicht mehr aufstehen. Die Angst lähmte sie. So hatte sie sich noch nie gefühlt. Jim und Tom blieben bei dem Mädchen stehen und wollten ihr aufhelfen, doch das dunkelhaarige Mädchen rührte sich nicht. Außer dem stetigen Zittern, das ihren Körper immer und immer wieder heimsuchte und die schnelle Atmung, bewegte sie sich nicht. Lisa stellte sich vor die drei und blickte den Fremden entgegen. Sie hatten sie gleich eingeholt. Ihre Waffen waren auf die Kinder gerichtet.
„Jetzt haben wir euch“, grinste einer der beiden hämisch und trat einen weiteren Schritt auf Lisa zu.
Alle vier schlossen ihre Augen und erwarteten bereits ihren Tod, als sich plötzlich ein heller Lichtkreis um die vier Kinder bildete und im nächsten Moment waren sie schon verschwunden.
Zurück blieben zwei verwirrte Männer. „Wo sind sie hin?“
„Ich weiß nicht. Was hast du gemacht?“
„Ich hab gar nichts gemacht!“
„Du Blechdose, irgendwas musst du gemacht haben!“
„Ich habe nichts gemacht!“
„Schnell, wir müssen sie finden, ehe wir Ärger bekommen!“
„Wenn das jemand herausfindet, werden sie uns in die Phantomkammer sperren!“
„Idiot, das darf keiner erfahren! Los, jetzt!“ Und schon lösten sich die beiden ebenfalls in Luft auf.
Lisa erwartete den tödlichen Schuss, doch nichts passierte. Vorsichtig lugte sie aus einem Auge hervor. Die Typen waren weg. „Sie sind weg!“ Erstaunt riss sie beide Augen auf und blickte sich um. Hinter ihr lag Nicole auf dem Boden und die Zwillinge knieten zu ihrer rechten und linken Seite. Auch die drei öffneten leicht die Augen und blickten sich verwirrt um. „Wo sind sie? Wo sind wir? Was ist passiert?“
Keines der Kinder wusste was geschehen war. Sie befanden sich in einer fremden Gegend. Nichts war mehr zu sehen, weder ihr Schulgebäude noch der Hof. Lisa wandte sich den drei Freunden zu und blickte sie ängstlich an. Tom und Jim halfen Nicole aufzustehen und so standen sich die vier kleinen Kinder gegenüber. Sie standen auf einer grünen Wiese und wo sie auch hinsahen alles um sie herum war grün. Es waren weit und breit keine Häuser zu sehen. Nur ein paar angrenzende Bäume zeigten einen Wald.
„Was machen wir hier?“, fragte Jim.
„Wie kommen wir hier her?“, hakte auch Nicole nach.
„Was sollen wir tun?“, ließ sich auch Lisa vernehmen.
Einzig und allein Tom blickte sich um. Er wusste nicht was sie tun sollten, aber die anderen drei schienen eine Entscheidung von ihm zu fordern. „Vielleicht sollten wir uns einfach mal umsehen? Wir könnten zufällig auf andere Menschen treffen. Und diese können uns sagen, wo wir hier sind“, entschied der Junge entschlossen.
Sein Vorschlag wurde angenommen und die kleine Gruppe marschierte los.
„Hier ist es wunderschön“, bemerkte Nicole, während sie sich umsah. Überall war es grün, das gab es bei ihnen zu Hause zwar auch, aber nicht in diesem Ausmaß.
„Trotzdem wissen wir nicht, ob es hier nicht gefährlich ist! Diese Typen könnten wieder auftauchen“, mischte sich Jim ein.
Keines der Kinder kannte die Fremden und wusste auch nicht, was sie von ihnen wollten. Sie alle wussten nur eines: Diese Männer waren gefährlich!
Turbinengeräusche erklangen in der Ferne. Überrascht blickten die Kinder auf. Die Geräusche wurden immer lauter und lauter. Etwas flog auf das Quartett zu.
Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie die Flugobjekte an. Es waren mehrere kleine Raumschiffe, die heranrasten.
„Was ist das?“, hakte Lisa unsicher nach. Ihre Stimme verlor sich in dem aufkommenden Lärm. Jim schrie ihr noch etwas entgegen, doch niemand verstand ihn. Die Raumschiffe flogen dicht über ihren Köpfen hinweg. Nicole wollte schon erleichtert aufatmen, als diese hochtechnischen Flugzeuge wieder umdrehten und dieses Mal auf die Kinder zu schossen. Die Vier bekamen es mit der Angst zu tun. Ihre einzige Möglichkeit war es davon zu laufen. Weg, nur weg rennen! Egal wohin…
Jim eilte voran, die Mädchen blieben dicht hinter ihm und Tom sicherte ab. Die Flugobjekte waren schneller und hatten die Kinder fast erreicht.
Alle vier ließen sich flach auf den Boden fallen. Gerade noch rechtzeitig, denn so schossen die Raumschiffe knapp über ihnen hinweg. „Los, wir müssen weiter!“, schrie Tom und sprang wieder auf. Er half Lisa und Nicole auf die Beine. Jim kniete auf den Boden und sah, dass die fremden Flugobjekte wieder drehten und erneut auf sie zu rasten. Keiner von den Vieren wusste noch weiter. Wo sollten sie sich in Sicherheit bringen? Wo sollten sie sich verstecken? Erschrocken und erstarrt sahen sie, dass die Raumschiffe mit jeder Sekunde näher kamen. An der Spitze der Raumschiffe öffneten sich Luken und eine Waffe fuhr aus. Nicole ahnte was passieren würde und begann zu schreien. „Sie schießen auf uns“, kreischte auch Lisa, während die Jungs ängstlich und zitternd verstummt waren.
Ein Schuss fiel und verfehlte die Kinder nur um haaresbreite. Doch schon erklangen von anderen Seiten Schüsse. Ein kleines weißes Raumschiff mit roten Fenstern kam herangedüst und schoss aus allen Kanonen auf die vielen Angreifer der Kinder.
Diese wichen aus und setzten zum Gegenangriff an. Keiner beachtete mehr das Quartett, das nach wie vor, wie gelähmt dem Schauspiel zusah.
Das flinke Raumschiff lockte die Angreifer von den Kindern weg und stellte sich in sicherer Entfernung dem Kampf.
Eines der Raumschiffe lenkte seine Aufmerksamkeit doch wieder den Vieren und griff erneut an. Ehe es allerdings auf die Kinder schießen konnte, düste ein Rennwagen herbei, schoss mit einer Waffe, die aus dem Dach ausgefahren war, und traf. Das Raumschiff explodierte. Der Rennwagen hingegen blieb mit einer Vollbremsung neben den Kindern stehen.
Mit großen Augen musterten sie das rotweiße Auto. Der Wagen öffnete sich und ein uniformierter Fahrer kam zum Vorschein. Sein Anzug war in rotweiß gehalten und er trug einen Helm. Seine Stimme klang metallisch, als er die Kinder ansprach: „Hier ist es zu gefährlich für euch. Springt rein, dann bring ich euch in Sicherheit!“
Jim und Tom, sowie auch Lisa und Nicole starrten den Fremden an. Sie wussten nicht was sie tun sollten. Wenn er sie ebenfalls töten wollte? Wie die beiden Männer auf dem Schulhof, oder die anderen aus den Raumschiffen? Konnten sie ihm trauen?
„Mom sagt, ich darf nicht zu Fremden ins Auto steigen“, erwiderte Nicole und sprach damit all ihren Freunden aus der Seele.
„Deine Mom hat Recht, aber mir könnt ihr vertrauen! Ich bin Fireball und ein Star Sheriff!“
„Star Sheriff?“ Lisa war verwirrt. Ihre Mutter hatte ihr früher vor dem Schlafen Geschichten erzählt. Sie handelten immer um die Star Sheriffs, die gegen die bösen Outrider gekämpft hatten, um den Frieden im neuen Grenzland wieder herzustellen.
Jim, Tom und Nicole hingegen sagte dieser Name überhaupt nichts. „Lasst uns verschwinden“, bemerkte Jim so leise, dass ihn nur seine Freunde hören konnten.
Nicole und Tom wollten soeben zustimmen, als Lisa sie unterbrach: „Wir können ihm vertrauen. Mommy hat erzählt, dass sie nette Leute sind.“
Ein Funkspruch dröhnte aus den Lautsprechern des Cockpits. „Hey, Fireball, beeil dich. Ich kann sie nicht mehr lange hinhalten!“
„Ist gut“, antwortete der Mann im Raumanzug dem Funker. „Also kommt schon! Wir haben nicht mehr viel Zeit!“, forderte er nun die Kinder auf und deutete mit seinem Daumen, dass sie in den Wagen klettern sollten.
Lisa setzte sich in Bewegung und stieg ein. „Kommt schon“, rief sie und zögernd kletterten die anderen auch ins Auto. Als Fireball alle Passagiere dabei hatte, schloss sich das Cockpit und er drückte das Gas durch. Zügig verließ er die Kampfarena und auch das kleine weiße Raumschiff zog sich zurück.
„Das war knapp, Turbofreak“, erklang wieder die Stimme über Funk. „Hast du die Kinder?“
Fireball konzentrierte sich aufs Fahren: „Ja, ich hab sie alle vier. Jetzt sind sie in Sicherheit!“
„Wir treffen uns auf Ramrod!“
„Bis gleich, Cowboy!“
Ramrod! Lisa glaubte nicht richtig zu hören. Ihre Mutter hatte ihr Geschichten erzählt. Das waren alles nur Geschichten. Träumte sie? Es gab die Star Sheriffs nicht, auch Ramrod war erfunden. Das waren Dinge, die ihre Mutter sich ausgedacht hatte, um sie nicht mit alten Märchen zu langweilen.
„Was ist Ramrod?“, hakte Jim neugierig nach.
Fireball lächelte. Die Kinder konnten es nicht sehen, aber sie hörten es an seiner Stimme. „Ramrod ist ein gigantisches Raumschiff. Mit diesem Raumschiff kämpfen wir gegen die Outrider. Die haben euch auch vorhin angegriffen.“
„Aber wir sind Kinder“, widersprach Tom beleidigt. „Wieso greifen sie Kinder an?“
„Den Outridern ist es egal, wen sie erschießen“, antwortete Fireball ernst und die Kinder verstummten wieder.
Als sie sich einem riesigen Raumschiff näherten, sahen sie, dass dieses angegriffen wurde. Der weiße Raumgleiter gab Feuerschutz und noch ein weiterer Mann in einem Anzug wie Fireball, ritt auf einem Robotpferd und kämpfte verbissen mit einem Säbel.
Die Kinder krallten sich in den Sitz des Fahrers und beobachteten den Kampf. „Verdammt“, fluchte der Fahrer und trat auf die Bremse.
Lisa, die von ihrer Mutter dazu erzogen worden war, nicht zu fluchen und zu schimpfen, teilte dies auch ihrem Retter mit. „Mom sagt immer, man darf nicht fluchen!“
„Schön, wenn das deine Mom sagt, aber ich tue es trotzdem. Haltet euch gut fest“, er fuhr wieder los und wich dabei den Angriffen der Outrider aus. „April, kannst du mich hören?“
„Ja, Fireball, wir stehen unter Beschuss! Wo bist du?“
„Ich bin gleich da! Warte nur noch darauf, dass du mich rein lässt!
„Ich fahr die Rampe aus!“
Und schon erkannten sie wie sich der Unterboden öffnete. Die Kinder starrten das Raumschiff an und sie wussten, dass gigantisch keine Untertreibung seitens Fireball war. Sie staunten über die Größe des Schiffes, je näher sie kamen.
Der Rennwagen fuhr die Rampe hinauf und verschwand im Inneren des Kampfgiganten. Die Kinder und Fireball stiegen aus dem Wagen aus und eilten zur Brücke.
April blickte aus Fireballs Satteleinheit heraus und entdeckte die Kinder, die ihm folgten. „Na, endlich bist du da! Wer sind diese Kinder?“
Fireball stellte sich neben sie. „Später! Rutsch rüber, Süße, und lass mich ans Steuer!“ April sprang auf und setzte sich in ihre Satteleinheit. Zu den Kindern rief sie. „Setzt euch in die Satteleinheiten, aber fasst nichts an!“
Die Jungs sprangen in den Sitz zu Fireballs rechten Seite, während Nicole sich in den zu seiner linken Seite setzte. Einzig und allein Lisa stand an gleicher Stelle und blickte der blonden Frau mit den langen Haaren nach.
Nicole rief nach ihr und auch Fireball drehte sich zu dem blonden Mädchen um. „Hey, Kleine, setz’ dich, bitte, sonst können wir nicht starten!“
Lisa rührte sich und sprang zu Nicole. „Okay, wir können starten!“, gab sie den Befehl und Fireball grinste in seinen Helm. „Gut, Boss, dann haltet euch mal fest!“ Er zog an dem Schubkontrollhebel und Ramrod erhob sich in die Luft. April übernahm die Steuerung der Waffen, während der Pilot viele Angriffe flog. Gemeinsam schafften die beiden einige der Outrider in die Phantomzone zurück zu schicken.
Doch die Feinde blieben nicht untätig und feuerten ebenfalls aus allen Kanonenrohren. Fireball konnte zwar den Giganten immer wieder ausweichen lassen, doch ein Treffer reichte aus um das Raumschiff zu erschüttern.
„Fire“, rief April besorgt. Ihre Finger glitten über die verschiedenen Tasten um zu sehen, ob sie einen Schaden davongetragen hatten.
„Keine Angst, ich habe alles unter Kontrolle!“
Ängstlich saßen die Kinder in den Satteleinheiten und beobachteten die auf sich zurasenden Raumschiffe, die Explosionen und Schüsse. Lisa griff sich wieder an ihren Glücksbringer und hielt ihn fest.
Über Funk erklang eine metallische Männerstimme: „April! Wir bekommen Gesellschaft! Da kommt ein Renegade! Lass uns rein!“
„Geht klar, Saber!“, antwortete die Blondine und drückte eine Taste um die Rampe auszufahren. Schon sprang sie auf und eilte zu den drei Satteleinheiten. „Kommt mit! Hier seid ihr nicht mehr sicher!“ Die Kinder kletterten aus ihren Sitzplätzen heraus und folgten April in einen Aufenthaltsraum. Die junge Frau deutete auf die Eckbank. Brav, wie die Kinder nun mal waren, setzten sie sich gehorsam und April drückte eine Taste an der Wand. Sofort fuhren Sicherheitsgurte heraus und schnallten die Kinder an. „Bleibt angeschnallt, denn es könnte etwas wacklig werden!“, ermahnte sie mit einer Dringlichkeit und wandte sich der Tür zu. Doch ehe diese sich schloss, fügte sie noch hinzu: „Wartet hier! Ich komme so schnell wie möglich wieder.“ Schon war sie verschwunden.
Zurück blieben vier fassungslose Kinder, die nicht wussten ob sie träumten oder nicht. Zu ungläubig und zu unreal erschien ihnen bis jetzt alles. Lisa, noch immer verwirrt von dem Anblick dieser ihr fremden Frau, flüsterte in die eingetretene Stille: „Sie sieht aus wie meine Mutter!“
Nicole blickte ihre Freundin ungläubig an. „Sie ist aber viel jünger als deine Mutter!“
Ein Ruckeln trat ein.
Erschrocken schrie Lisa auf und die Kinder schlossen ihre Augen in der Hoffnung, dass bald alles vorbei sein würde.
Der Riesencowboy kämpfte erbittert gegen die Renegade Einheit. Beide Riesenroboter schenkten sich nichts. Schließlich lag der feindliche Riese am Boden und Ramrod feuerte aus allen Kanonen und zerstörte ihn. Daraufhin verzogen sich die Outrider.
Fireball stand erleichtert auf und nahm sich seinen Helm ab. Dieses Mal hatten sie noch Glück gehabt, aber es war schon verdammt eng gewesen. „Wo sind die Kinder?“ Dabei sah er direkt April an, die ebenfalls aus ihrer Satteleinheit gestiegen war.
„Kinder?“, mischte sich Saber ein, der ebenfalls wie Colt auch, seinen Helm abgenommen hatte.
„Du hast sie hierher gebracht?“ Colt blickte Fireball entsetzt an.
„Hätte ich sie etwa allein im Wald stehen lassen sollen?“, tat der Rennfahrer die Fassungslosigkeit ab.
„Welche Kinder?“, warf Saber erneut ein, da ihm niemand etwas zu erklären schien. Er war der Chef dieses Teams und bekam überhaupt nichts mit. Das konnte nicht sein. Er wollte informiert werden und Antworten.
April ignorierte die Frage ihres Vorgesetzten und antwortete auf die ihr gestellte Frage. „Sie sind im Aufenthaltsraum.“
Gemeinsam verließen die Star Sheriffs die Brücke und traten in den Aufenthaltsraum ein. Dort saßen die Kinder nach wie vor auf der Bank, nur die Gurte waren wieder verschwunden. Erstaunt betrachtete das kleine Quartett, das große Quartett. Den Typ im rotweißen Anzug und das Mädchen kannten sie bereits, aber da stand auch ein Typ im blauweißen Anzug und der andere trug schwarzweiß.
„Jetzt seid ihr in Sicherheit“, stellte Fireball fest und grinste die Kinder an. „Aber sagt mal, wie heißt ihr eigentlich?“
Überrascht blickten die Kinder die jungen Erwachsenen an. Schließlich übernahm Jim das Wort: „Ich bin Jim, das ist mein Zwillingsbruder Tom und die Mädchen heißen Lisa und Nicole!“
April betrachtete jedes einzelne der Kids genau und merkte schnell, dass das blonde Mädchen sie ein wenig an sich selbst in diesem Alter erinnerte. „Wie alt seid ihr? Und wo sind eure Eltern?“, fragte sie nach. Immerhin mussten sie schnellstens zu ihren Eltern zurückgebracht werden.
„Ich bin acht Jahre alt“, antwortete Lisa und ließ April nicht eine Sekunde aus den Augen. „Und die anderen drei sind schon neun!“
„Wo unsere Eltern sind wissen wir nicht“, übernahm Nicole das Wort, obwohl ihr Blick an dem großen blonden Mann hängen blieb.
„Wer seid ihr?“, fragte Tom nach.
„Ich bin Saber Rider, das sind Colt, Fireball und April Eagle“, klärte der Highlander auf.
„Und ihr seid richtige Star Sheriffs?“ Jim konnte es kaum glauben. Seine blauen Augen waren weit aufgerissen und starrten jeden einzelnen der Fremden an.
Colt grinste übers ganze Gesicht und schnippte sich gegen seinen Cowboyhut. „Ja, natürlich, Kumpel, wir sind echte Star Sheriffs!“
„Guck mal, Tom, Papi hat auch so einen Hut!“, mischte sich Jim ein und grinste seinen Bruder an, doch schon seufzte April laut aus. „Es gibt noch mehr solcher Typen?“
Colt hingegen gefiel diese Aussage und konterte grinsend: „Euer Vater ist ein kluger Mann, Kumpel! So, und jetzt entschuldigt mich kurz. Ich möchte aus diesem Anzug raus.“ Mit diesen Worten drehte er sich zur Tür und ging. Auch Saber und Fireball folgten dem Scharfschützen und schlossen die Tür hinter sich.
Kaum war diese ins Schloss gefallen, brach Lisa ihr Schweigen. „Mommy, erkennst du mich denn nicht mehr?“
April fiel aus allen Wolken. Sie war gerade mal achtzehn Jahre alt, hatte keinen Freund, geschweige denn Kinder. Entsetzt und sprachlos starrte sie das blonde Mädchen an, dessen blaue Augen die Wissenschaftlerin hoffnungsvoll ansahen. „Wie kommst du darauf, dass ich deine Mutter bin?“ Ihre Stimme überschlug sich fast vor Wut über diese Dreistigkeit des fremden Mädchens.
„Du bist es!“, erwiderte Lisa überzeugt. „Mein Name ist Lisa Eagle. Ich bin acht Jahre alt und wir leben in einem Haus auf Yuma!“
April blieb die Luft weg. Nicht nur von der Tatsache, dass dieses Mädchen denselben Nachnamen wie April trug, sondern auch auf Yuma lebte. „Ich bin nicht deine Mutter. Ich bin selbst gerade achtzehn geworden, das hieße, ich hätte dich mit zehn Jahren bekommen müssen. Das geht niemals auf!“, wild gestikulierend lief sie im Zimmer auf und ab, doch versuchte sie wieder ruhiger zu werden. „Was macht ihr dann am anderen Ende der Galaxie, wenn ihr von Yuma seid? Wie kommt ihr hierher?“
„Das wissen wir nicht“ bemerkte Nicole kleinlaut.
April blickte verdattert einen nach dem anderen an und blieb schließlich bei Lisa hängen, die sehr verletzt auf den Boden sah und sichtlich mit den Tränen kämpfte. Die Wissenschaftlerin wollte nicht, dass dieses Mädchen wegen ihr weinte und so entschärfte sie ihre gesagten Worte. „Vielleicht sehe ich ihr nur ähnlich? Das kommt hin und wieder vor, Lisa…“
Das Mädchen nickte nur müde und schluckte ihre Tränen hinunter.
Keine Sekunde später öffnete sich die Tür zum Aufenthaltsraum wieder und die Jungs traten ein. „So“, zog Colt alle Aufmerksamkeit auf sich. „Was machen wir jetzt mit euch?“
April blickte zu ihren drei Freunden und lächelte. „Eines steht fest. Hier bleiben können sie nicht. Sie wohnen auf Yuma. Saber könntest du meinem Vater bescheid sagen, dass wir unseren Auftrag noch verschieben müssen?“
„Das geht nicht April! Die Outrider sind zu stark. Wir müssen sie so schnell als möglich ausschalten, ehe sie uns angreifen“, erwiderte Colt entsetzt, statt Saber.
Saber, der wie immer nach der richtigen Lösung suchte, sah sich im Zwiespalt. „Wir können die Kinder aber nicht auf unsere gefährliche Reise mitnehmen!“
„Aprils Vorschlag ist nur vernünftig“, mischte sich Fireball ein. Die Blondine lächelte ihm dankbar zu und nahm sich vor ihn in einer ruhigen Sekunde auf das soeben gefallene Gespräch anzusprechen. Sie wollte seine Meinung zu dieser ganzen Situation hören. Konnte das alles Zufall sein? Oder steckte mehr dahinter?
„Ich werde Commander Eagle anfunken und ihm unsere Situation schildern“, gab Saber nach und verließ den Aufenthaltsraum.
Fireball betrachtete die kleinen Gäste und grinste. „Habt ihr Hunger? Dann koch ich uns jetzt was Feines!“
Allgemeines Zustimmen durchfuhr den Raum und Fireball begab sich in die Küche und zauberte aus den ganzen Fertigpacks eine gesunde, aber für Kinder leckere Mahlzeit.
Gemeinsam saßen alle acht im Aufenthaltsraum und begutachteten die Kost. Etwas verwirrt blickte Lisa auf das Gericht, ehe sie verwirrt auf das Besteck blickte. Fireball hatte ihre Reaktion bemerkt. „Kann ich dir helfen? Hast du eine Frage?“
Schüchtern blickte das blonde Mädchen den jungen Mann an und deutete dann erst auf ihren Teller, dann auf das Besteck. „Das ist Reis, richtig?“
„Ja!“
„Aber das hier ist keine Gabel und ich habe auch keinen Löffel“, bemerkte sie wieder.
„Richtig. Das sind Essstäbchen“, nickte der Rennfahrer zustimmend.
„Wie soll ich Reis mit Stäbchen essen?“, hakte Lisa verwirrt nach, während ihre drei Freunde bereits herzhaft mit diesen Dingern aßen.
„Geht ganz einfach“, antwortete Fireball und zeigte ihr wie sie die Stäbchen in die Hand nehmen sollte. Auch April passte ganz genau auf, ohne es sich anmerken zu lassen.
„Hast du noch nie mit Stäbchen gegessen?“ mischte sich Colt ungläubig zwischen zwei Bissen ein.
Lisa verneinte und ihr Blick wich zu April, die sich augenscheinlich ebenfalls schwer damit tat. „Nein, meine Mutter kann damit auch nicht umgehen und daher hab ich es nie gelernt!“
Schlagartig ließ April die Stäbchen fallen und starrte Lisa an. Irgendwas in ihr sagte, dass dies alles kein Zufall sein konnte, doch wie, um alles in der Welt, sollte dieses Mädchen ihre Tochter sein? Sie war weder schwanger gewesen, noch konnte sie sich daran erinnern eine Geburt hinter sich zu haben.
Fireball entging nicht Aprils Verhalten. Wieso reagierte sie auf einmal so komisch? Niemanden schien es aufgefallen zu sein, denn Saber und Colt hatten ihre ganze Aufmerksamkeit auf das achtjährige Mädchen gerichtet. „Und was ist mit deinem Vater? Kann er auch nicht mit Stäbchen essen?“, fragte Colt weiter, neugierig wie er war.
„Ich habe keinen Vater“, flüsterte Lisa. Sie ließ ihre Hände sinken, ohne überhaupt einen Bissen gegessen zu haben, und schlug die Augen nieder.
Saber blieb der Mund offen stehen. Das arme Mädchen…
Fireball blickte nun von April zu Lisa und konnte sich nicht vorstellen, warum ein Mann seine Familie verließ. Noch dazu bei einer so hübschen Tochter. Sollte sie auch nur annähernd aussehen wie ihre Mutter, musste diese eine wahnsinnig gut aussehende Frau sein. Ihr trauriger Anblick ging dem jungen Piloten unter die Haut. So stand er auf und setzte sich kurz entschlossen zu Lisa. „Ich helfe dir! Verhungern lasse ich dich auf gar keinen Fall“, sagte er bestimmt und begann die Stäbchen in Lisas Hände in die richtige Stellung zu bringen. So half er ihr, bis sie den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte.
April beobachtete die beiden die ganze Zeit über. Irgendwie wirkte dieses Bild vertraut, als würden sich Fire und Lisa seit Ewigkeiten kennen. Es passte in diese Atmosphäre. Er kümmerte sich um das kleine Mädchen, während dieses ihn anblickte und strahlte. Wie Vater und Tochter, schoss ihr plötzlich durch den Kopf. Als wäre dies nicht genug, sponnen ihre Gedanken den Faden weiter. Sollte Lisa wirklich ihre Tochter sein, wäre Fire vielleicht sogar der Vater? Prompt errötete sie und schüttelte ihren Kopf. Diese Gedanken waren zu absurd. Erstens konnte Lisa nicht ihre Tochter sein und zweitens konnte schon gar nicht Fireball der Vater sein. Denn das hieße, es wäre etwas zwischen ihnen gelaufen und das konnte sie zu einhundert Prozent Wahrheitsgehalt verneinen. Fire suchte ihre Augen und fand sie. Er hielt sie gefangen, wie eine Spinne ihre Beute im Netz. Ob er etwas von ihren Gedankengängen erahnen konnte? Sie wusste es nicht. Nachdem er keinerlei Anstalten machte den Blickkontakt zu lösen, schlug April ihre Augen nieder und widmete sich wieder ihrem Essen.
Colt bekam von alledem nichts mit, zu sehr war er damit beschäftigt nicht zu viel Mitleid mit den Kindern zu bekommen. Ihm war klar, dass er zwar immer den harten Kerl rauskehrte, aber tief in seinem Inneren hatte er ein großes Herz. Ihn rührten solche traurigen Geschichte und das wollte er seinen Freunden nicht zeigen.
Saber hingegen machte sich die ganze Zeit Gedanken über die Kinder an sich. Es ist schon seltsam, dass diese Kinder aus Yuma stammten und sie sich hier auf Donar getroffen hatten. Wie kamen sie hierher? Sie wirkten wie Kinder und dennoch hatte Saber den Eindruck, dass sie ein wenig erwachsener waren als ihrem Alter entsprach. Ein dunkler Verdacht breitete sich in ihm aus. Sollten diese Kinder Outrider sein? Aber warum wurden sie dann von anderen Outridern angegriffen? Es ärgerte Saber keinen klaren Gedanken fassen zu können. Eines war ihm aber klar: Er würde diese Kinder beobachten.
„Vielen Dank für das Essen, Fireball. Der Befehl von Commander Eagle lautet nach Yuma zurückzukehren um die Kinder nicht zu gefährden. Fliegst du schon einmal los? Wir kümmern uns um den Rest.“
Fireball nickte und verließ den Raum, um sofort die neuen Befehle auszuführen.
Die Kinder begannen nach und nach zu gähnen. Es war ein spannender und aufregender Tag und mit vollem Magen drückte ihnen die Müdigkeit auf die Glieder. „Ich zeige euch, wo ihr euch ausruhen könnt.“ April führte die vier Kinder in ihr Zimmer und bereitete das Bett vor.
Saber und Colt blieben noch im Aufenthaltsraum sitzen und überlegten ihr weiteres Vorgehen.
April trat auf die Brücke, um nach den Jungs zu sehen, doch einzig und allein Fireball fand sie vor. Er saß in seiner Satteleinheit, steuerte mit Ramrod gerade die Atmosphäre an und flog hindurch.
April stellte sich an die große Fensterfront und beobachtete das schwarze, weite All. In der Ferne entdeckte sie Planeten und Sterne. „Die Kinder schlafen jetzt!“
„Es war ein anstrengender Tag für sie.“
„Wie kommen sie nach Donar?“ Ihre Augen verloren sich in der Ferne. „Wie schaffen es kleine Kinder von Yuma nach Donar zu reisen?“
Fireball beobachtete sie die ganze Zeit. Er spürte sein Herz ein paar Takte schneller schlagen, seit sie bei ihm war, doch unterdrückte er dieses wohligwarme Gefühl in der Magengegend. Irgendwie musste er sie sich aus dem Kopf schlagen – nur wie? Seine Augen wichen ebenfalls wieder in die Ferne.
April hatte nicht wirklich mit einer Antwort auf ihre Frage gerechnet, denn mehr oder weniger war sie auch an sich selbst gestellt. Zum anderen ließ sie ihr Gespräch mit Lisa nicht los. „Diese Kinder sind so seltsam. Können wir ihnen trauen?“ Sie drehte sich zu Fireball und sah ihn direkt und unverfangen mit ihren großen blauen Augen an. Der Pilot wusste nicht wie ihm geschah. Diese Gefühle, die sie in ihm auslöste, waren ihm gar nicht geheuer. Er war ein Star Sheriff. Beziehungen im KOK waren verboten und trotzdem wollte er nichts sehnlicher, als sie in seine Arme zu schließen. Wie lange würde er noch seine Gefühle für sie unterdrücken können? Er wollte ihr antworten, doch steckte ihm ein großer Kloß im Hals. Er brachte kein Wort heraus, selbst wenn er wollte.
„Ich möchte etwas mit dir besprechen“, fügte sie hinzu, während sie errötet weg sah. Ihre Gedanken fielen ihr wieder ein und sie wünschte es wäre mehr als nur ein Wunschdenken. Dennoch waren sie Teamkollegen und solche Gedanken waren nicht hilfreich für eine gute Zusammenarbeit.
„Lisa sieht dir sehr ähnlich“, bemerkte Fireball leise.
„Dir ist es auch aufgefallen?“, fast panisch blickte sie ihm in die Augen. „Sie hat zu mir Mommy gesagt! Fire, stell dir das mal vor?! Wie kommt sie darauf? Das muss ein Trick sein!“ April lief nervös auf und ab. „Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht! Ich weiß nur noch nicht was… Nur eines ist sicher, es hat etwas mit den Kindern zu tun.“
Fireball konnte sich das ganze nicht mehr mit ansehen. Er schaltete den Autopiloten ein und stieg aus seiner Satteleinheit. Er packte April mit einem festen Griff an der Schulter und zwang sie somit stehen zu bleiben. „Beruhige dich, es gibt bestimmt eine Erklärung. Du siehst ihrer Mutter ähnlich, vielleicht meint sie das. Es könnte ja sein, dass sie eine entfernte Cousine von dir ist und von der du bis jetzt einfach noch nichts gehört hast?“
April versank in den braunen Augen und hörte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Seine Worte drangen kaum zu ihr durch, denn die Schmetterlinge, die in ihrem Bauch zu fliegen begannen, lenkten sie zu sehr von dem Gespräch ab. Sie hing an seinen Lippen, versuchte zu lesen, was er ihr sagte, aber ihre Gedanken drifteten bereits in ein viel gefährlicheres Terrain ab. Was wäre, wenn sie ihn jetzt küssen würde?
So etwas durfte sie nicht denken…. Niemals… Nicht wenn sie zusammen auf Ramrod lebten und sich nach wie vor im Krieg befanden. Sie zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung, doch so recht wollte ihr nichts gehorchen. „Fire“, flüsterte sie tonlos.
Auch Fire erging es ähnlich. Er wehrte sich mannhaft April nicht zu nahe zu kommen, doch langsam übernahmen seine Gefühle die Kontrolle und er konnte nichts dagegen machen.
Niemand bemerkte das kleine blonde Mädchen, das sich aus Aprils Zimmer geschlichen hatte, um ihre Mutter noch einmal zu sehen und ihr alles zu erklären. Kaum betrat sie die Brücke, sah sie wie nah sich Fireball und April standen. Ihre Augen wurden größer und größer.
So gern wollte Fireball sie küssen, sie in seinen Armen halten und nie wieder los lassen, doch er durfte nicht. Er ließ ihre Schultern los und sah an ihr vorbei. Seine Augen verloren sich in der Ferne und er versuchte seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Entschuldigung! Ich wollte dich nicht belästigen“, murmelte April traurig. War dies doch eine klare Abfuhr gewesen.
Lisa zog sich zurück. Sie wollte nicht gesehen werden. Möglichst leise eilte sie zurück in das Zimmer, wo nach wie vor ihre Freunde schliefen.
„Du belästigst mich nicht! Das weißt du, April“, sprach Fireball sie sanft an, jedoch ohne sie anzusehen. Der Pilot merkte, wie sehr er sie eben verletzt hatte und wollte Schadensbegrenzung machen, sofern er noch etwas retten konnte.
„Ja, ich weiß.“ Sie trat zur Seite und ging an ihm vorbei. Erst langsam, dann schneller. Sie suchte ein ruhiges Plätzchen und stellte fest, dass der Aufenthaltsraum bereits geräumt war. Colt und Saber hatten sich an den Abwasch gemacht und hielten sich in der Küche auf.
Lisa trat in Aprils Zimmer ein und blickte in sechs wache Kinderaugen. „Wir müssen reden“, begann Jim ernst, wobei sein Zwillingsbruder Tom und Nicole sich noch unsicher anblickten.
Das blonde Mädchen setzte sich zu ihren vermeintlich schlafenden Freunden und wartete ab.
„Wir dürfen ihnen nichts sagen“, stellte Jim klar.
„Warum nicht? Sie ist meine Mutter“, beharrte Lisa auf.
„Ja, das wissen wir, aber wir dürfen das niemanden wissen lassen“, erwiderte Jim.
„Lisa, hast du denn gar nichts gemerkt? Wir sind in einer anderen Zeit!“
„Was?“, hauchte Lisa.
„Sieh her!“, forderte Tom auf und griff nach einem Kalender, den er auf dem Schreibtisch gesehen hatte. Lisa schluckte hart als sie die Jahreszahlen gelesen hatte. „Wir sind in der Vergangenheit!“
Dieser Satz schwebte über ihren Köpfen wie ein Geist.
„Wie sind wir hierher gekommen?“, flüsterte Lisa wieder.
Jim nickte den anderen beiden zu, ehe er antwortete. „Diese Typen müssen was damit zu tun haben. Die haben auf uns mit Waffen gezielt. Irgendwas haben sie mit uns gemacht!“
„Und wie kommen wir wieder in unsere Zeit?“
„Das wissen wir nicht!“ Nicole blickte ihre Freundin traurig an. Sie hatte Sehnsucht nach ihren Eltern und ihren Geschwistern.
„Nicht traurig sein“, munterte Tom das dunkelhaarige Mädchen auf, doch so ganz wirkte es nicht.
„Warum soll ich traurig sein? Ich vermisse meine Familie, obwohl mein Vater hier ist!“
„Ja, ich weiß. Lisas Mutter, dein Vater und unser Vater ist auch hier! Wir sind bei unseren Familien“, stimmte Tom zu.
„Sie wissen nichts von ihrer Zukunft. Und wir dürfen es ihnen nicht sagen“, ermahnte Jim erneut.
„April glaubt dir nicht. Das ist gut so.“ Nicole wusste, dass sie ihrer Freundin wehtat, aber es musste sein.
„Ich glaube, mein Vater ist auch hier“, eröffnete Lisa ihre Vermutung. „Ich kenne ihn nicht, aber so wie er meine Mutter ansieht, so sehen eure Väter eure Mütter auch an.“
„Dann kannst du ihn jetzt kennen lernen, aber wie gesagt, er darf nichts erfahren“, wiederholte Jim eindringlich, ehe sich alle vier wieder hinlegten. Der Tag war zu anstrengend, um noch länger wach zu bleiben.
Die zwei Männer standen wieder an ihrem Ausgangsort auf dem Schulhof. „Es hilft nichts. Sie sind spurlos verschwunden.“
„Wir müssen Kommandant Blue informieren!“
„Das ist allein deine Schuld, Phantombirne!“
„Nein, es ist deine Schuld, Blechdose!“
„Du wirst es ihm sagen!“
„Ich will aber nicht in die Phantomkammer gesperrt werden!“
„Ich auch nicht! Aber einer von uns muss dafür seinen Kopf hinhalten!“
„Ich bin es aber nicht!“
„Ich auch nicht! Lass uns eine Münze werfen!“
„Gut, was ist überhaupt eine Münze?“
„Keine Ahnung!“
Und schon lösten die beiden sich auf und verschwanden.
„Lasst uns auf dem Planeten landen, damit wir tanken können“, unterbrach Saber Rider die eingekehrte Stille. April hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Fireball war auch in sich gekehrt und Colt schlummerte in seiner Satteleinheit.
„Geht klar, Boss.“
„Sag mal, geht es dir gut?“ Saber beobachtete seinen Piloten, der zögernd und kurz antwortete. „Dann ist ja gut“, stellte der Recke fest und wandte sich wieder der Aussicht zu.
Sanft landete der Pilot Ramrod auf den Boden. Erleichtert sich mal wieder die Füße auf festem Planetenboden vertreten zu können, stiegen alle acht aus.
Sofort kam ein Tankraumschiff angeflogen. Ausgestattet war es mit einer hochtechnischen Tankanlage.
„Colt, du überwachst den Tankvorgang. Die Kinder bleiben bei euch. Ich werde in die Stadt gehen. Ich muss noch etwas recherchieren“, gab Saber seine Anweisungen. Er wollte sich gerade auf den Weg machen, als Nicole ihn antippte und mit großen blauen Augen zu ihm aufsah. „Darf ich mitkommen?“
Saber wollte verneinen. Doch dann sah er eine Chance, ein paar Dinge über die fremden Kinder herauszufinden, und so stimmte er doch zu.
Gemeinsam zogen sie los. Die Stadt war etwa eine viertel Stunde Fußmarsch von Ramrod entfernt.
April stieß Colt ihren Ellbogen sanft in die Seite. „Ich geh mich mal ein wenig umsehen.“
„Geh aber nicht zu weit weg, Prinzessin! Nicht, dass wir ohne dich starten“, grinste der Cowboy.
„Ihr könnt mich hier nicht zurücklassen, denn ohne mich seid ihr im All aufgeschmissen“, erwiderte April. „Niemand ist im navigieren so gut wie ich.“
„Das will ich auch gar nicht abstreiten“, verteidigte sich Colt. „Ich warne dich nur vor, falls es doch passieren sollte!“
„Ist gut, Colt! Bis später!“ Mit diesen Worten verschwand die junge Frau.
Fireball jagte Lisa, Jim und Tom. Sie spielten fangen und Fireball war gerade der Fänger. Doch als er Tom erwischt hatte, tauschten die Rollen. Ewig konnten sie so hin und her jagen. Zumindest hatten die Kinder diese Ausdauer. Der Pilot war hingegen relativ schnell außer Puste. „Hey, Colt. Ich brauch eine Pause! Können wir mal Rollentauschen?“
„Yeeehaaa“, rief der Cowboy aus und gab somit das Zeichen zum Angriff. Grölend und lachend rannten die Kinder davon, der Scharfschütze eilte hinterher. „Na, wartet, euch hab ich gleich!“
„Denkst du“, rief Jim zurück und er und sein Zwillingsbruder trennten sich. Colt sah jedem einzeln hinterher und entschied sich für den Frechdachs Jim.
Fireball ließ sich erledigt neben das Raumschiff in die Wiese plumpsen und beobachtete den Tankvorgang. Lisa setzte sich zu ihm. Sie wollte ihn kennen lernen. Sie wollte herausfinden, ob er ihr Vater sein könnte.
Der junge Rennfahrer blickte das Mädchen an und lächelte. Eine Ähnlichkeit, zwischen April und ihr, war nicht abzustreiten. Allerdings, wie konnte seine Kollegin die Mutter dieses Mädchens sein? „Darf ich dir eine Frage stellen?“
Lisa sah auf und die Unsicherheit stand in ihre Augen geschrieben. Sie hatte mit den anderen Kindern ausgemacht nichts zu erzählen. Aber wie konnte sie ihn anlügen? Sie durfte nicht lügen, dass hatte ihr ihre Mutter beigebracht.
„Wie alt ist deine Mami?“
Lisa strahlte. Diese Frage konnte sie ihm beantworten. „32 Jahre alt!“
Umso mehr grübelte Fireball. Sollte April ihre Mutter sein, hieße das, dieses Mädchen käme aus der Zukunft? Wie konnte das sein? Wie kam sie dann hierher?
Colt hatte Jim gefangen, das er wiederum durch einen lauten Jubelschrei bekannt gab. Auch der Junge hatte sichtlich seinen Spaß. Colt hatte in auf seine Schultern gesetzt und gemeinsam versuchten sie Tom zu fangen. Als er dies geschafft hatte, packte er den Jungen auf seine Arme und trabte mit ihnen so herum. Jauchzend und lachend genossen die Jungs dieses Spiel.
„Was weißt du von deinem Papi?“
„Nicht viel“, antwortete Lisa traurig und schon blickten ihre blauen Augen wieder den jungen Mann an. „Mommy erzählt nichts von ihm! Ich habe ihn auch nicht auf einem Photo gesehen! Mum hat kein einziges von ihm aufgehoben.“
„Das ist ja schade. Und meldet er sich überhaupt nicht? Nicht einmal zu deinem Geburtstag?“
Niedergeschmettert schüttelte sie ihr kleines Köpfchen.
Fireball schoss abermals durch den Kopf, wie ein Mann nur seine Familie im Stich lassen konnte.
„Nur einmal“, flüsterte das kleine Mädchen plötzlich. „Zu meinem siebten Geburtstag hat er mir das hier geschenkt.“ Sie zog ihr T-Shirt von ihrer Brust weg und holte einen kleinen Anhänger hervor, der ihr um den Hals hing. Es war ihr Glücksbringer. „Sieh mal, ist das nicht wunderschön?“
Seine Augen trafen auf den kleinen Anhänger. Wie gebannt blickten sie ihn an. Konnte es wirklich sein? War es wirklich wahr? „Dein Vater hat dir diesen Anhänger geschenkt?“
Das Mädchen nickte. Keine Sekunde ließ sie Fireball aus den Augen, der ihren Glücksbringer begutachtete.
„Weißt du was er bedeutet?“
Mit großen Augen blickte sie ihn an. „Das ist mein Glücksbringer.“
„Ja, das ist er wirklich. Ich kenne diese Anhänger. Sie stammen aus Japan, aus meiner Heimat“, erzählte Fireball. „Das ist Maneki Neko! Übersetzt heißt es: „Winkekatze“.
„Maneki Neko?“ Wie einen heiligen Namen sprach Lisa die japanische Bedeutung nach.
„Ja, sie soll Glück, Geld und Wohlstand herbeiwinken. Nach japanischem Glauben hat die Katze magische Kräfte. Besonders die Kaufleute sind davon überzeugt, dass die „Winkekatze“ mit ihrem possierlichen Winken gute Menschen und wohlhabenden Kunden zu sich zieht und so ihnen und ihrem Geschäft zu Geld und Wohlstand verhilft. In nahezu jedem Laden in Japan kann man deshalb den kleinen goldenen Glücksbringer bewundern. Es heißt auch, hat man sie zu Hause bleibt das Unglück fern.“
Mit ganz anderen Augen betrachtete Lisa ihren kostbaren Schatz, wie sie eben erfahren hatte.
„Ich habe auch so einen zu Hause“, erzählte Fireball weiter. „Ich habe ihn von meiner Mutter geschenkt bekommen als ich sieben Jahre alt war.“
„Weißt du, ich möchte meinen Vater gerne kennen lernen, aber Mommy möchte das nicht. Sie hat es erst vor ein paar Tagen zu Tante Robin gesagt.“
Der Pilot schluckte kräftig. Hatte er eben richtig gehört?
„Mommy sagt, dass er viel unterwegs ist, weißt du…“, unterbrach sie sich selbst: „…er ist Rennfahrer! Und sie hat gesagt, dass sie mit Daddy viel gestritten hatte und er jetzt mit einer anderen weg ist.“ Mit großen Augen sah sie ihn wieder an. „Ich weiß nicht, was sie damit gemeint hat. Was heißt das mit einer anderen weg?“
Fireball schluckte: Wie sollte er diesem Mädchen erklären, was ihre Mutter damit gemeint hatte? Es lag doch auf der Hand. Er hatte eine neue Freundin und würde nie mehr zurückkommen. Und das gefiel dem Rennfahrer noch weniger. Er fühlte sich angesprochen und je mehr er über dieses Gespräch nachdachte, wusste er, dass sie von ihm sprach. Nur eines gefiel ihm nicht. Warum sollte er April verlassen, wenn er mit ihr eine so wunderbare Tochter hatte? Irgendwas war faul. Das stank gewaltig nach einer Verschwörung.
Colt trat lachend und erschöpft auf Fireball zu. Müde ließ er sich in die Wiese fallen und zog den Hut tief ins Gesicht. Jim und Tom rannten ihm hinterher und sprangen auf Colt. Der eine kniete auf seinem Bauch, der andere zog ihm den Hut von der Nase und setzte ihn sich selbst auf. Doch schon verschwand der Kopf unter dem viel zu großen Cowboyhut. Der Scharfschütze wollte schon protestieren, als ihm aber der Anblick die Sprache verschlug. Er prustete los: „Na, Kumpel, da musst du aber noch rein wachsen“, lachte Colt herzhaft.
Saber Rider und Nicole kamen der Stadt langsam näher. „Wie seid ihr von Yuma nach Donar gekommen?“
„Das wissen wir nicht!“
„Und aus welchem Jahr kommt ihr?“
„Das weiß ich nicht“, antwortete Nicole.
Diese Fragerei wurde ihr langweilig. „Du bist wie mein Papa, weißt du das?“, gab sie stattdessen zurück.
Saber blickte sie verwirrt an. „Wie kommst du darauf?“
„Er ist sehr klug und sehr streng. Er fragt mich auch immer aus. Wenn wir eine Mathearbeit geschrieben haben und ich ihm nichts erzähle, fragt er solange nach bis ich eine Antwort gebe. Mami sagt immer „Sturkopf“ zu ihm, oder „Stragete“.“ Nicole überlegte kurz und korrigierte sich selbst. „Stragete… Stragte…“
„Stratege“, unterbrach Saber das kleine dunkelhaarige Mädchen.
„Ja, woher weißt du das?“ Mit ihren großen blauen Augen betrachtete sie den Mann, der in Zukunft ihr Vater sein würde. Sie wollte so gern ehrlich zu ihm sein, aber die Freunde hatten ausgemacht ihnen nichts zu sagen. Sie hielt sich an Abmachungen.
Der Highlander wollte ihr gerade antworten, als plötzlich wie aus dem Nichts Schüsse fielen. Sie verfehlten Saber nur knapp. Dieser zog blitzschnell seine Waffe und zielte in die Richtung aus der die Schüsse kamen. „Outrider“, rief er und schoss auf drei Phantomwesen. Nach drei Freifahrtgutscheinen zurück in die Phantomzone, schnappte sich Saber Nicole. Er hob sie hoch und rannte so schnell es ging zurück zu Ramrod. Seine Vermutungen hießen nichts Gutes, denn traf er drei von ihnen, war irgendwo auf diesem Planeten ein Nest versteckt. Hoffentlich kam er noch rechtzeitig zurück, um seine Freunde zu warnen.
Völlig außer Atem traf Saber mit Nicole bei Ramrod ein und unterbrach die ausgelassene Stimmung. „Outrider! Sie sind hier!“
Fireball sprang auf und zog sofort Lisa schützend an sich. Auch Colt und die Jungs erstarrten.
„Wo ist April?“, hakte Saber nach, als er seine Kollegin nicht vorfand.
„Sie wollte spazieren gehen“, antwortete Colt schuldbewusst.
„Und ihr lasst sie alleine?“ Der Chef des Teams starrte ungläubig seine Kollegen an. Über die Verantwortungslosigkeit würde er mit allen dreien in Ruhe reden, sollte April nichts zugestoßen sein.
„Euer Boss hat Recht! Das war sehr unvorsichtig von euch“, mischte sich eine ihnen sehr bekannte Stimme ein.
„Jesse Blue“, spukte der Cowboy aus, ohne ihn gesehen zu haben. Alle wandten sich der Richtung zu, aus der die Stimme erklang.
In etwa hundert Meter Entfernung standen etwa zwölf Outrider und Jesse Blue. „Ihr könntet ein bisschen freundlicher sein, da ich etwas habe, was euch fehlen dürfte!“ Zwei weitere Outrider traten vor und ihrer Mitte führten sie April, deren Hände auf ihrem Rücken von den Feinden festgehalten wurden.
Jederzeit bereit seinen ärgsten Feind anzugreifen, fauchte der Heißsporn: „Was willst du?!“
„Reg dich nicht so auf, Turbopfeife. Ich will die Kinder, mehr nicht!“
„Das sind unschuldige Kinder! Was willst du von ihnen?“ April schaute ihn bitterböse an. Sollte sie ihre Arme freibekommen, würde sie ihm eine knallen.
„Das geht euch nichts an“, winkte Jesse Blue ab.
„Natürlich geht uns das etwas an!“, fauchte April erneut. Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt und kam zu keinem anderen Grund als: „Wenn alles stimmt, dann sind wir sogar miteinander verwandt!“ Ihre Augen trafen Lisa, die sich eng an Fireball drückte. Die Angst stand in dem kleinen Mädchengesicht.
Jesse beobachtete sie. Und wie Recht du hast, schoss es dem Outriderkommandanten durch den Kopf. Sein Blick fiel auf Lisa, die sich direkt hinter ihrem Dad versteckte. Dieser Anblick verletzte Jesse, denn er wusste, dass dieses Mädchen die zukünftige Tochter von April und Fireball war. Dieser Gedanke machte Jesse rasend. Eigentlich wollte er nichts von seiner Zukunft wissen, doch Nemesis’ Langeweile trieb die Wissenschaftler dazu an ein großartiges Projekt zu starten. Sie wollten es schaffen in die Zukunft zu reisen. Nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen hatten sie es einmal geschafft zwei Outrider hinzuschicken, danach gab es allerdings eine Überhitzung und die Maschine wurde zerstört. Nemesis wurde so sauer über diesen Fehlschlag, dass er alle Wissenschaftler, die an diesem Projekt beteiligt waren, eliminiert hatte.
„Ich weiß, dass ihr miteinander verwandt seid, April!“ Jesse Blues Stimme nahm Sarkasmus an. „Glaubst du, ich sehe nicht die Ähnlichkeit zwischen dir und dem blonden Mädchen? Hältst du mich für so blind?!“
„Du weißt es?“ April war so überrascht, dass sie ihn mit ihren großen blauen Augen ansah. Doch schon schlug ihr Blick in Verärgerung um. „Schön, dann klär mich auf, wenn du alles besser weißt!“
Mit einem überheblichen Grinsen trat er näher an sie heran und hauchte: „Sie ist unser Kind!“
April wurde blass. All ihre Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. „Das kann nicht sein“, flüsterte sie zurück. Außer den Outridern um sie herum, verstand keiner etwas von dem Gesagten, aber Aprils Gesichtsausdruck sprach Bände. „Diese Kinder sind aus der Zukunft! Aus unserer Zukunft“, fügte Jesse Blue noch hinzu.
„Niemals“, schrie April ihn an. „Niemals, Jesse Blue, werde ich etwas mit dir anfangen!“
Lisa drängte sich noch enger an Fireball, der durch das vorangegangene Gespräch andere Dinge herausgelesen hatte. Die Beschreibung ihres Dads traf ohne Zweifel auf ihn zu und nicht auf Jesse. Und er schwor sich – sollten er und April einmal zusammenkommen, er würde sie nicht verlassen. Er wollte nicht so sein, wie sein eigener Vater, der ihn und seine Mutter vor langer Zeit verlassen hatte und nie wieder zurückgekehrt war. Seit dem Gespräch mit Lisa, schwor er sich anders zu sein, als sein Vater, und da konnte kommen was wollte.
„Nicht heute und auch nicht in Zukunft!“, riss Aprils Stimme Fireball aus seiner Gedankenwelt.
Jesse überkam die Wut und packte April ziemlich fest am Arm.
Die Teamkollegen trauten kaum ihren Augen, als Fireball auch schon losstürmen wollte. „Keine Bewegung, Star Sheriffs“, ermahnte Jesse sauer. „Sonst ist eure Navigatorin tot!“ Zum Zeichen wie ernst er es meinte, hielt ein Outrider der Gefangenen die Waffe an den Kopf. „Und jetzt ist Schluss mit dem Theater. Gebt mir die Kinder!“
„Was ist mit April?“, ließ sich Colt vermerken.
Saber Rider tüftelte die ganze Zeit über an einem Rettungsplan und die Diskussionen boten ihm genug Zeit dazu. Sollte sich die Gelegenheit bieten, würde er seine Kollegen loben.
„Erst die Kinder, dann bekommt ihr April!“
„Klar, doch“, entgegnete Fireball sarkastisch. „Für wie blöd hältst du uns?“
„Vergiss es, Jesse“, erwiderte Colt.
April blickte ihre Kollegen an und erkannte ein leichtes Kopfnicken von Sabers Seite. Er hatte einen Plan und würde sie retten. Sie, die Kinder und die Jungs kämen heil aus der Sache raus. Unauffällig zwinkerte sie ihm zu. Mit dieser Geste zeigte sie ihm, dass sie auf ein Kommando wartete.
Auch den restlichen Star Sheriffs entging dieses Zwinkern nicht. Nur Jesse und seine Outrider bemerkten nichts.
„Okay, wie ihr wollt“, drohte Jesse und der Outrider legte seinen Finger an den Abzug. Colt ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Die Hände in der Nähe seines Waffengürtels, bereit jeden Moment seinen Blaster zu ziehen.
„Wenn du mir schon nicht gehörst, soll dich auch kein anderer haben“, zischte er ihr zu. April blickte ihn vor Angst erstarrt an. Das konnte er unmöglich ernst meinen. Er, der ihr immer und immer wieder sagte, dass er sie vergötterte und liebte, wollte sie jetzt erschießen lassen? Die Ingenieurin schloss ihre Augen. Ein Schuss fiel und April ließ sich auf ihre Knie fallen. Der Schuss kam von Colt und hatte dem Outrider seine Waffe aus der Hand geschossen. Die Blondine überraschte ihre Bewacher, die sie nicht halten konnten und sie loslassen mussten. Damit war deren Schutzschild weg und Colt und Fireball schickten die zwei in ihre Dimension zurück.
„Fire, bring die Kinder weg“, gab Saber klare Anweisungen. „Colt, pass auf!“ Schon folgten die ersten Schüsse der Outrider.
April sprang auf ihre Füße und wollte zu ihren Freunden eilen, als sie aber Jesses festen Handgriff um ihren Oberarm spürte. „Netter Versuch!“
Der weibliche Star Sheriff funkelte ihn an. „Ach ja? Ich bin zu Tränen gerührt, wie viel ich dir doch bedeute!“
Jesse blickte ertappt aus. „Natürlich liebe ich dich! Aber irgendwie musste ich doch handeln“, erklärte er. Beinahe zärtlich half er April aufzustehen, doch kaum stand sie, warf sie ihr blondes Haar über die Schulter und fauchte: „Klar, doch Jesse!“ Mit viel Wut im Bauch packte sie seinen Arm. Früher, als Jesse noch im Kavallerie Oberkommando in der Ausbildung war, konnte April ihn im Karatekurs nicht über die Schulter werfen. Doch inzwischen war sie stärker geworden und so flog Jesse mit Leichtigkeit über ihre Schulter und landete mit seinem Rücken auf dem harten Grund. Völlig perplex starrte er die junge Frau an, die ihm herzhaft die Zunge rausstreckte und davon rannte. Colt und Saber gaben ihr Feuerschutz.
Begeistert von seiner weiblichen Kollegin, pfiff der Cowboy durch seine Zähne. „Nicht schlecht. Möchtest du deine Kräfte auch mal mit mir messen? Ich wette, mich legst du nicht so schnell auf die Matte!“
„Das werden wir ja sehen!“
Fireball sprang hinter einen Baum hervor. „April, pass auf die Kinder auf!“
Sie rannte zu ihm und nickte. „Danke, Süße!“, antwortete er und stürmte zu seinen Kollegen. Eine wilde Schießerei war im Gange. Die Star Sheriffs in ihrer Alltagskleidung kämpften verbissen gegen die uniformierten Outrider.
Jesse stand auf und ergriff die Flucht. Und war einmal der Kommandant weg, verdrückte sich auch schnell das Fußvolk.
Fireball, Colt und Saber steckten ihre Blaster weg und April kam mit den Kindern aus ihrem Versteck. „Sie sind weg. Das ging gerade noch einmal gut“, erklärte Saber.
„Geht es euch gut?“, hakte Fireball besorgt nach. Er besah jedes einzelne Kind genau um festzustellen, ob es Schrammen oder dergleichen fort getragen hatte, doch alle Vier waren unverletzt. Zu guter Letzt blieb sein Blick an April hängen. Diese hatte mehrere pflaumengroße blaue Flecken an ihren Oberarmen, die sie durch die Gefangenschaft erhalten hatte. Besorgt trat er zu ihr und strich sanft mit seinen Fingerkuppen drüber. „Geht es dir gut?“
April konnte in seinen Augen lesen, wie viel Sorgen er sich um sie machte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und sie nickte. „Es sind nur blaue Flecken!“
Lisa beobachtete die beiden. So wollte sie es zu Hause haben: Mama, Papa und sie als glückliche Familie. „Ich wünschte, du könntest mein Daddy sein“, bemerkte sie verträumt. Fireball drehte sich zu ihr und hob sie auf seinen Arm. So standen sie im Kreis wie eine kleine Familie.
„Wenn ich mal Kinder habe, dann möchte ich eine Tochter. Sie soll genauso hübsch und klug werden, wie du bist“, bemerkte auch April und errötete dabei.
Auch Lisa errötete. So hatte sie sich das immer vorgestellt. Aber eine Entschuldigung sollte noch fällig sein. „Es tut mir leid, dass ich immer geglaubt habe, du würdest dir die Geschichten über die Star Sheriffs ausdenken, um mich bei Laune zu halten. Doch jetzt weiß ich, du erzählst mir spannende Abenteuer, die du selbst erlebt hast!“ Erstaunt beobachtete April ihre zukünftige Tochter.
Nicole trat auf Saber zu und lächelte verlegen. „Mein Vater ist toll und einzigartig, wie du!“ Saber kniete sich zu ihr und schloss das kleine Mädchen in seine Arme. „Und du bist ein kluges und ehrliches Mädchen. Bewahre dir diese Eigenschaften! Deine Eltern sind bestimmt sehr stolz auf dich!“ Nicole wurde rot. Das war ein schönes Lob von ihrem Vater.
Colt kratzte sich ein wenig verlegen am Kopf, denn er stand den beiden Jungen gegenüber mit denen er viel Spaß gehabt hatte. Insgeheim wünschte er sich mit Robin auch zwei kleine Raufbolde wie Jim und Tom.
Auch die Jungs wussten nicht so recht, was sie Colt sagen sollten. „Du bist der tollste Dad der Welt“, bemerkte Tom. „Ja, in der Zukunft sind du und Mom die besten Eltern, die man sich wünschen kann“, ergänzte Jim. Mit diesen Worten sprach er aus, was sich Colt, Saber und April schon insgeheim überlegt hatten, aber keiner wagte auszusprechen. Einzig und allein Fireball wusste schon bescheid. Umso fieser grinste er jetzt Colt an. „Na, das glaub ich sogar. Mit Robin als Mutter und dir als Vater, da muss ja so etwas dabei rauskommen!“
Mit einem Mal wurde er so Rot wie eine Tomate und wiederholte stotternd die Worte, die er soeben gehört, aber nicht ganz glauben konnte. „Robin… u… und… ich?“ Er zog sich seinen Hut schnell ins Gesicht und alle lachten.
Lisa holte ihren Glücksbringer hervor und sah Fireball an. „Siehst du, er hat mir wieder Glück gebracht“, erzählte sie und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, begann er weiß zu leuchten. Alle starrten den kleinen Katzenanhänger an.
„Es ist soweit“, bemerkte Fireball und ließ Lisa auf den Boden. „Ihr könnt wieder nach Hause, in eure Zeit und zu euren Eltern.“
Die Kinder stellten sich zusammen und blickten die Star Sheriffs an. „Dann sehen wir uns gleich wieder“, stellte Nicole fest.
„Wir freuen uns“, gaben Jim und Tom dazu, wie aus einem Mund.
„Ja, das tun wir alle“, antwortete Colt für seine stummen Freunde und beobachtete erstaunt, wie alle Kinder den kleinen weiß glühenden Katzenanhänger berührten.
Keine Minute später waren sie verschwunden und mit ihnen alle Erinnerungen und all das Wissen an die Zukunft. Es war als wären diese Kinder nie wirklich da gewesen.
Nicole und Lisa fanden sich wieder sitzend auf der Bank vor, während Jim und Tom ihnen gegenüberstanden und sie ärgerten. Jemand stellte sich vor die Sonne und warf einen großen Schatten über die Kinder und die Bank. Ängstlich drehten sich die Jungs um, während Lisa und Nicole nur aufsehen mussten. Zu ihrer Erleichterung stand ihr Direktor vor ihnen.
„Was macht ihr hier draußen? Die Pause ist längst zu Ende. Habt ihr den Schulgong nicht gehört?“
„Entschuldigung. Wir düsen, wir flitzen“, antwortete Jim und eilte ins Schulhaus. Auch die restlichen drei Kinder folgten ihm. Der Direktor konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und machte sich ebenfalls weiter auf seinen Rundgang über das Schulgelände.
Sie konnten es kaum erwarten nach Hause zu kommen und sehnten das Ende des Schultags herbei. Und dann war es soweit. Die Kinder packten schnellstens ihre Sachen und wollten nur noch zu ihren Eltern, sie in die Arme schließen und einen schönen Tag mit ihnen verbringen.
Jim und Tom schlugen gleich einen anderen Weg ein, als die Mädchen. Sie freuten sich insgeheim auf ihre Eltern, doch blieben sie nach außen hin ganz ruhig. Langsam näherten sie sich dem kleinen weißen Einfamilienhaus, das einen idyllischen Eindruck machte. Der Vorgarten war gepflegt und überall blühten Blumen in den verschiedensten Farben. Es war das Werk ihrer Mutter, die sich sehr liebevoll um alle Pflanzen kümmerte.
Erwartungsvoll läuteten sie und warteten. Es dauerte keine Sekunde, als die Tür geöffnet wurde und Colt sich vor den Jungs aufbaute. „Howdy, Partner“, begrüßte er seine Söhne und hob sie einzeln nach einander hoch, um sie kräftig durch zu knuddeln. Die beiden ließen ihre Ranzen fallen und wurden prompt von ihrem Vater durchs ganze Haus gejagt. Erst als sich die Tür erneut öffnete und Mrs. Willcox über die Schulranzen stolperte, hatte das Fangspiel ein Ende. „Jim, Tom und Bill Willcox“, rief sie mit strenger Stimme durch das Haus. Prompt kamen alle drei schuldbewusst und mit eingezogenem Kopf zu der blonden Frau. Jim und Tom fielen ihrer Mutter glücklich um die Hüfte. „Wir haben dich soooo vermisst“, sagten die beiden im Chor. Und auch Colt schloss sich dieser Umarmung an und flüsterte ihr ganz zärtlich ins Ohr: „Robin, Schatz, ich hab dich soooo vermisst!“ Die blonde Frau wusste nicht wie ihr geschah, denn so viel Aufmerksamkeit bekam sie selten von ihren drei Männern und dennoch war sie stolz auf ihre Familie.
Nicole und Lisa gingen noch ein wenig den gleichen Weg, bis sie sich in verschiedene Richtungen trennten. „Wir sehen uns morgen!“
„Ja, gleicher Treffpunkt wie jeden Tag“, stimmte Nicole zu und zwinkerte: „Und verschlaf morgen nicht wieder!“
„Bestimmt nicht“, antwortete Lisa und schlug ihren Heimweg ein.
Nicole rannte die letzten Meter zu ihrem Elternhaus. Es war ein schönes Einfamilienhaus mit dunkelbraunen Holzlatten verkleidet. Alles wirkte strukturiert und durchdacht. Das fast schwarzhaarige Mädchen freute sich so sehr ihre Eltern zu sehen. Eilig drückte sie deshalb gleich mehrmals die Klingel. Es dauerte eine Weile bis ihre Mutter zur Tür kam, aber kaum stand sie ihrer Mutter gegenüber, war sie ihr auch schon um den großen, runden Bauch gefallen. Dort spürte sie auch ihr Schwesterchen, dass wohl Fußballspielen wollte, so wie sie trat.
„Was ist denn los, Schatz?“, fragte die schwarzhaarige Frau besorgt, doch Nicole grinste nur. „Ich freu mich dich zu sehen!“
Hinter der Mutter kam ein dreijähriger Bub angestapft, der übers ganze Gesicht strahlte.
„Mathew!“ Nicole löste sich von ihrer Mutter und stürmte ihrem Bruder lachend entgegen. Sie hob ihn hoch und knutschte ihn ab. Mathew gefiel das, denn er quietschte vergnügt.
In diesem Moment trat Nicoles Dad durch die immer noch offen stehende Tür. „Synthia?“, besorgt blickte er seine schwangere Frau an.
„Hallo, Saber“, lächelte sie beruhigend zurück und drückte ihm einen Begrüßungskuss auf die Lippen.
Nach einem überraschten Blick seitens seiner Frau, erklärte er ihr: „Ich habe mir heute für den Rest des Tages frei genommen. Freut ihr euch?“ Liebevoll strich er ihr über den Bauch.
„Und wie wir uns freuen, Daddy“, antwortete Nicole für Synthia. Sie eilte mit ihrem Bruder auf den Arm zu Saber. Dieser nahm ihr Mathew ab, um im nächsten Moment Nicole ebenfalls hochzuheben. Synthia stand Saber gegenüber und strahlte, stolz darüber so eine Familie zu haben.
Lisa näherte sich dem kleinen Einfamilienhaus. Der Vorgarten wirkte ein wenig verwildert, allerdings hatte ihre Mutter allerhand andere Dinge zu tun, als sich auch noch um den kleinen Vorgarten zu kümmern. Sie läutete an der Haustür, froh ihre Mutter wieder in die Arme zu schließen. Doch der Gedanke an ihren Vater, drückte die Stimmung ein wenig. Er würde nicht hier sein und auch nicht kommen. Eine Frau mit langen blonden Haaren öffnete die Tür. Sie war in eine Schürze gekleidet, also hatte sie soeben noch gekocht. Nur für wen? „Hallo, Engel, wie war die Schule?“
„Aufregend“, antwortete Lisa ehrlich, drückte ihre Mutter fest und folgte ihr in die Küche.
„Das ist schön! Was war denn so aufregend?“ Sie war schon wieder mit den verschiedenen Töpfen am hantieren, da diese weiter brodelten.
Lisa biss sich auf die Unterlippe, eine Angewohnheit, die ihre Mutter auch hatte. So, jetzt musste eine Ausrede her. „Wir haben etwas über die Natur gelernt und wie es früher aussah auf den Planeten!“
Es läutete erneut. Lisa blickte erstaunt auf.
„Oh, das ist Daddy. Er kommt heute zum Essen! Öffnest du deinem Großvater bitte die Tür?“
Eilig sprang das Mädchen auf und stürmte zur Tür. „Grandpa!“ Das blonde Mädchen fiel einem älteren Mann, mit graubraunem Haar, um den Hals.
„Hallo, mein Engel, hast du schon Schule aus?“
Munter nickte Lisa zur Antwort. Ihr Großvater stand wieder auf und die blonde Frau erschien kurz im Flur. „Hi, Daddy, ich bin in der Küche.“ Schon war sie wieder weg.
„April, ich hab aber noch jemanden mitgebracht. Ich hoffe das ist okay!“ Lisas Opa trat auf die Seite und gab den Blick auf einen Mann frei, der sich kaum in den letzten Jahren verändert hatte. Seine Koffer hatte er auf den Boden abgestellt und grinste das kleine Mädchen an. „Daddy!“, flüsterte sie überrascht und fiel ihm um den Hals. Tränen stiegen in ihr auf.
„Hey, meine Kleine, hast du mich vermisst?“
„Ganz doll“, schluchzte sie, denn die vielen Tränen konnte sie nicht mehr zurückhalten.
Aprils Dad schnappte sich die Koffer und trug sie schon mal ins Haus. Anschließend trat er in die Küche, um seiner Tochter über die Schulter zu schauen. „Sieht ganz gut aus“, stellte er mit Kennerblick fest. Die Blondine schmunzelte. „Wo ist Lisa?“
Ihr Vater grinste übers ganze Gesicht, doch kein Wort verließ seine Lippen. April blickte ihn nur irritiert an: „Und wo ist unser Besucher?“
Lisa, getragen von ihrem Vater, tauchte in der Küche auf. „Hier ist er, Mommy, und ich lass ihn nicht mehr los!“
April drehte sich um und blickte fassungslos zwischen ihrem Vater und Fireball hin und her.
„Hattest du nicht gesagt, dass du ihn zwei Wochen auf Geschäftsreise geschickt hast?“
„Ja“, nickte ihr Vater. „Aber Shinji hat alles so schnell für mich erledigt, dass er schon nach einer Woche zurück kommen konnte.“
„Geschäftsreise?“ Lisa stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
„Ja, aber sag mal, hast du mich wirklich so doll vermisst?“, hakte der braunhaarige Mann bei seiner Tochter neugierig nach.
Ehe Lisa antworten konnte, sprach April: „Engel, Daddy, war doch nur eine Woche weg. So groß kannst du ihn doch gar nicht vermisst haben!“
„Doch, hab ich“, bockte Lisa.
„Ich hab dich auch ganz doll vermisst. Nur deswegen hab ich alle Aufgaben, die mir dein Großvater gegeben hatte, auch so schnell erledigt.“ Fireball schien es nicht vergessen zu haben, sein Strahlen in den Augen ließ Lisa erkennen, dass sich alles geändert hatte. Er hatte seine Rennkarriere an den Nagel gehängt und arbeitete als rechte Hand von Commander Eagle, der nach wie vor Chef im KOK war. „Und weißt du wen ich noch ganz doll vermisst hab?“ Der Japaner setzte Lisa ab und wandte sich seiner über alles geliebten Frau zu, schloss sie in seine Arme und wollte sie nie wieder los lassen, bis Eagle vermerken ließ: „Das Essen brennt an!“
April drehte sich erschrocken von Fireball weg, der sie von hinten umarmte und sich fest an sie drückte. „Dein alter Herr kann anstrengend sein! Und dennoch bin ich froh mich für das KOK entschieden zu haben. Ich geb’ dich nie wieder her, April Eagle! Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch, Fire“, flüsterte sie glücklich zurück.
Eagle hatte seine Enkeltochter hochgehoben und brummte milde lächelnd. „Ich habe alles gehört, Shinji Hikari, aber ich werde es dir noch einmal durchgehen lassen.“ Ein herzhaftes Lachen drang durch den Raum und Lisa beobachtete glücklich ihre Eltern. Sie liebte ihre Familie. Sie liebte ihre Mutter, ihren Großvater und ihren Vater.
ENDE
Sie rannte durch die Stadt. Hier und da wich sie einem entgegenkommenden Passanten aus, nahm einigen Fahrradfahrern die Vorfahrt und wäre fast vor ein Auto gelaufen, hätte der Fahrer des Wagens nicht geistesgegenwärtig auf die Bremse getreten. Kurz gesagt, es war ein Morgen wie jeder andere. Sie rannte durch die Straßen und kam ihrer Grundschule immer näher.
Auf ihrem Weg überholte sie immer mehr Schüler, die alle in die gleiche Richtung strömten. Alle gingen auf ein großes Backsteingebäude zu und drängten sich durch das breite Schultor, um sich auf den Hof und anschließend in ihren Klassenzimmern einzufinden.
Mit rasselndem Atem verlangsamte sie ihr Tempo, bis sie schließlich nur noch normal ging. Ihr Herz klopfte sehr schnell, aber mit Gewissheit würde sie nicht zu spät kommen und somit auch keine Strafarbeit erhalten. Vor dem Schultor traf sie sich jeden Morgen mit ihrer Freundin Nicole, ob sie noch da stand?
Das blonde Mädchen hatte die Freundin entdeckt und auch die Gesellschaft, in der sie sich befand. Es waren zwei Jungen aus ihrer Klasse, die Nicole ärgerten. Sie fühlte sich sofort verpflichtet ihrer Freundin zu helfen und trat hinter die beiden Jungs. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Lasst sie in Ruhe“, verkündete das achtjährige Mädchen.
Mit diesen Worten zog sie die Aufmerksam der drei Kinder auf sich. Die Jungs sahen sich zum Verwechseln ähnlich, hatten beide kurze dunkelblonde Haare und blaue Augen. Herausfordernd funkelte einer der beiden das Mädchen an. „Was willst du, Blondie?“
„Nenn, mich nicht, Blondie, Jim! Ich habe einen richtigen Namen!“
„Jaaa, ist schon klar“, antwortete sein Zwillingsbruder besserwisserisch. „Asil!“
„Asil“, lachte Jim, „das klingt wie ein Waschmittel!“
„Ihr seid blöd“, mischte sich das zweite Mädchen der Runde ein. Ihre Haare waren so dunkelbraun, dass sie schon fast ins Schwarze übergingen. Auch ihre blauen Augen funkelten die Jungen verärgert an.
Jetzt blickte Jim zu Nicole. „Heul doch!“
„Es reicht! Mein Name ist Lisa und du entschuldigst dich bei ihr“, erklang die Stimme noch drohender.
„Wenn ich das nicht tue, was willst du dann machen? Du bist ein Weichei! Das weiß jeder!“ Jim verschränkte ebenfalls die Arme vor seiner Brust.
„Ich bin kein Weichei!“
„Bist du doch!“
„Nein, das bin ich nicht!“
„Und wie du das bist!“
Ehe die beiden Streithähne sich an die Gurgel gehen konnten, erklang die Schulglocke. Alle vier erstarrten und stellten fest, dass sich nicht mehr viele Schüler außerhalb des Schulgebäudes aufhielten. „Oh, nein, wir kommen zu spät“, erklang es im Einklang aus vier Kinderkehlen und vergessen war der Streit. Schon rannten alle vier zu ihrem Klassenzimmer.
Keines der Kinder hatte die zwei Männer bemerkt, die in ihrer Nähe standen und ein Gespräch geführt hatten. Als die vier weggerannt waren, bemerkte einer von ihnen zum anderen: „Holen wir uns diese Kinder?“
„Die sind gut und sie streiten viel!“
„Ja, und sie sind schwach!“
„Nur wie holen wir sie?“
„Wir müssen ihnen hinterher, du Phantombirne!“ Beide verließen ihren Standort.
Die ersten zwei Stunden vergingen recht schnell und schon erklang der Pausengong. Auf dem Schulhof fanden sich alle Grundschüler ein und tobten. Nicole und Lisa ließen sich auf einer der Bänke nieder und aßen ihr Pausenbrot. „Du bist zu spät gekommen“, stellte das dunkelhaarige Mädchen fest.
„Mein Wecker ist nicht gegangen und meine Mutter musste heute früher in die Arbeit und konnte mich auch nicht wecken“, erzählte Lisa und biss herzhaft in ihr Pausenbrot.
„Ich bin froh, dass meine Mutter nicht arbeiten muss“, entgegnete Nicole.
„Dein Papi geht arbeiten. Bei uns muss aber Mommy das Geld verdienen.“
„Vermisst du deinen Papa sehr?“, hakte das dunkelhaarige Mädchen nach. Sie konnte sich ein Leben ohne Vater gar nicht vorstellen. Doch Lisas Eltern hatten sich vor langer Zeit getrennt. So richtig hatte das blonde Mädchen die Trennung nicht mitbekommen. Sie war damals zwei gewesen.
„Natürlich, auch wenn ich ihn gar nicht kenne!“ Lisa wurde traurig. Unbewusst griff sie sich an ihre Brust und spürte einen harten Gegenstand an ihrer Hand. Es war ihr Glücksbringer, den ihr Vater zu ihrem siebten Geburtstag geschickt hatte. Es war ein Anhänger und hatte die Form einer Katze mit einer erhobenen Pfote. Seit diesem Tag trug sie ihn täglich und hatte durch ihn schon oft das Glück auf ihrer Seite gehabt. Nachdem sie sein Geschenk erhalten hatte, fing sie an wieder nach ihrem Vater zu fragen, doch Antworten erhielt sie nur wie: Ich weiß nicht, wo er ist! Oder: Er hat uns verlassen! Frag nicht weiter! Mehr kann ich dir auch nicht sagen! Und jedes Mal hatte ihre Mutter traurig gewirkt. „Du hast es gut, Nicole. Du hast einen Papa, eine Mama, die zu Hause ist, einen kleinen Bruder und bekommst noch eine Schwester.“
„Ja, der Bauch meiner Mama ist schon ganz groß. Sie sagt, dass meine Schwester in zwei Monaten auf die Welt kommt.“
Die Zwillingsjungs stellten sich vor die beiden Mädchen und bauten sich vor der Bank auf. „Asil, du siehst aus als würdest du gleich heulen!“
Lisa wurde schlagartig wieder wütend. „Nein, tu ich nicht, Tom!“
„Oh, doch, wie ein Baby“, mischte sich Jim ein und imitierte Babygeschrei.
„Seid nicht so gemein“, erklang Nicoles Stimme, doch nach einem Blick der Jungs verstummte sie sofort wieder.
Wieder leerte sich langsam der Schulhof, denn die Pause war fast vorbei. Und wieder bemerkten das die vier Kinder nicht.
„Ihr spinnt doch. Passt bloß auf, dass ihr nicht gleich heult!“ Lisa war wütend von der Bank aufgesprungen und baute sich drohend vor den Jungs auf.
„Ja, da bin ich mal gespannt. Was willst du machen?“, provozierte Jim sie weiter.
Lisa spürte ihr Blut, das zu wallen und zu kochen begann. Sie konnte die Jungs nicht leiden. „Wie wäre es mit“, sie pausierte, als jemand an sie herantrat. Überrascht, wer das wohl sein könnte, drehten sich die Jungs um, während die Mädchen nur den Kopf heben mussten.
Vor den vier Kindern standen zwei fremde Männer, die nicht zur Schule gehörten.
Ängstlich sprang Nicole auf und verkroch sich hinter Lisa, der ebenfalls die Knie schlackerten. Diese Fremden hatten etwas Bedrohliches an sich und ihr Gefühl riet ihr, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Doch ihre Beine gehorchten nicht den Befehlen ihres Gehirns.
Ebenso erstarrt standen auch die Zwillinge den Männern gegenüber. Ihnen war ebenfalls angst und bange, aber sie konnten keinen einzigen klaren Gedanken fassen.
„Keine Angst, Kinder, wir tun euch nichts“, bemerkte einer der beiden Fremden amüsiert.
„Nein, noch tun wir euch nichts. Solange ihr euch anständig benehmt und uns keine Schwierigkeiten macht.“
Unbewusst rückten die Jungs näher an die Mädchen und so stand das Quartett ganz nah beieinander.
„Habt ihr gehört? Seid brav und leise, dann passiert euch nichts“, gab der Erste wieder, während er ganz langsam eine Waffe unter der Jacke hervorzog.
Nicole stiegen Tränen in die Augen, als sie die Pistole aussah. Diese Typen würden auf sie schießen. Sie würden eiskalt vier Kinder ermorden. Panik stieg in dem sensiblen Mädchen auf und sie rannte, so schnell sie konnte, weg. Durch die Reaktion des Mädchens waren die Männer kurzzeitig irritiert und diese Chance nutzten auch die übrig gebliebenen drei Kinder. Sie folgten Nicole, wobei Lisa fest an ihren Glücksbringer griff und betete, dass er ihr auch dieses Mal helfen würde.
Die Männer verfolgten die Kinder und schossen auf sie, da der Zweite inzwischen auch seine Waffe hervorgeholt hatte.
Nicole stolperte, fiel und blieb liegen. Sie konnte nicht mehr aufstehen. Die Angst lähmte sie. So hatte sie sich noch nie gefühlt. Jim und Tom blieben bei dem Mädchen stehen und wollten ihr aufhelfen, doch das dunkelhaarige Mädchen rührte sich nicht. Außer dem stetigen Zittern, das ihren Körper immer und immer wieder heimsuchte und die schnelle Atmung, bewegte sie sich nicht. Lisa stellte sich vor die drei und blickte den Fremden entgegen. Sie hatten sie gleich eingeholt. Ihre Waffen waren auf die Kinder gerichtet.
„Jetzt haben wir euch“, grinste einer der beiden hämisch und trat einen weiteren Schritt auf Lisa zu.
Alle vier schlossen ihre Augen und erwarteten bereits ihren Tod, als sich plötzlich ein heller Lichtkreis um die vier Kinder bildete und im nächsten Moment waren sie schon verschwunden.
Zurück blieben zwei verwirrte Männer. „Wo sind sie hin?“
„Ich weiß nicht. Was hast du gemacht?“
„Ich hab gar nichts gemacht!“
„Du Blechdose, irgendwas musst du gemacht haben!“
„Ich habe nichts gemacht!“
„Schnell, wir müssen sie finden, ehe wir Ärger bekommen!“
„Wenn das jemand herausfindet, werden sie uns in die Phantomkammer sperren!“
„Idiot, das darf keiner erfahren! Los, jetzt!“ Und schon lösten sich die beiden ebenfalls in Luft auf.
Lisa erwartete den tödlichen Schuss, doch nichts passierte. Vorsichtig lugte sie aus einem Auge hervor. Die Typen waren weg. „Sie sind weg!“ Erstaunt riss sie beide Augen auf und blickte sich um. Hinter ihr lag Nicole auf dem Boden und die Zwillinge knieten zu ihrer rechten und linken Seite. Auch die drei öffneten leicht die Augen und blickten sich verwirrt um. „Wo sind sie? Wo sind wir? Was ist passiert?“
Keines der Kinder wusste was geschehen war. Sie befanden sich in einer fremden Gegend. Nichts war mehr zu sehen, weder ihr Schulgebäude noch der Hof. Lisa wandte sich den drei Freunden zu und blickte sie ängstlich an. Tom und Jim halfen Nicole aufzustehen und so standen sich die vier kleinen Kinder gegenüber. Sie standen auf einer grünen Wiese und wo sie auch hinsahen alles um sie herum war grün. Es waren weit und breit keine Häuser zu sehen. Nur ein paar angrenzende Bäume zeigten einen Wald.
„Was machen wir hier?“, fragte Jim.
„Wie kommen wir hier her?“, hakte auch Nicole nach.
„Was sollen wir tun?“, ließ sich auch Lisa vernehmen.
Einzig und allein Tom blickte sich um. Er wusste nicht was sie tun sollten, aber die anderen drei schienen eine Entscheidung von ihm zu fordern. „Vielleicht sollten wir uns einfach mal umsehen? Wir könnten zufällig auf andere Menschen treffen. Und diese können uns sagen, wo wir hier sind“, entschied der Junge entschlossen.
Sein Vorschlag wurde angenommen und die kleine Gruppe marschierte los.
„Hier ist es wunderschön“, bemerkte Nicole, während sie sich umsah. Überall war es grün, das gab es bei ihnen zu Hause zwar auch, aber nicht in diesem Ausmaß.
„Trotzdem wissen wir nicht, ob es hier nicht gefährlich ist! Diese Typen könnten wieder auftauchen“, mischte sich Jim ein.
Keines der Kinder kannte die Fremden und wusste auch nicht, was sie von ihnen wollten. Sie alle wussten nur eines: Diese Männer waren gefährlich!
Turbinengeräusche erklangen in der Ferne. Überrascht blickten die Kinder auf. Die Geräusche wurden immer lauter und lauter. Etwas flog auf das Quartett zu.
Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie die Flugobjekte an. Es waren mehrere kleine Raumschiffe, die heranrasten.
„Was ist das?“, hakte Lisa unsicher nach. Ihre Stimme verlor sich in dem aufkommenden Lärm. Jim schrie ihr noch etwas entgegen, doch niemand verstand ihn. Die Raumschiffe flogen dicht über ihren Köpfen hinweg. Nicole wollte schon erleichtert aufatmen, als diese hochtechnischen Flugzeuge wieder umdrehten und dieses Mal auf die Kinder zu schossen. Die Vier bekamen es mit der Angst zu tun. Ihre einzige Möglichkeit war es davon zu laufen. Weg, nur weg rennen! Egal wohin…
Jim eilte voran, die Mädchen blieben dicht hinter ihm und Tom sicherte ab. Die Flugobjekte waren schneller und hatten die Kinder fast erreicht.
Alle vier ließen sich flach auf den Boden fallen. Gerade noch rechtzeitig, denn so schossen die Raumschiffe knapp über ihnen hinweg. „Los, wir müssen weiter!“, schrie Tom und sprang wieder auf. Er half Lisa und Nicole auf die Beine. Jim kniete auf den Boden und sah, dass die fremden Flugobjekte wieder drehten und erneut auf sie zu rasten. Keiner von den Vieren wusste noch weiter. Wo sollten sie sich in Sicherheit bringen? Wo sollten sie sich verstecken? Erschrocken und erstarrt sahen sie, dass die Raumschiffe mit jeder Sekunde näher kamen. An der Spitze der Raumschiffe öffneten sich Luken und eine Waffe fuhr aus. Nicole ahnte was passieren würde und begann zu schreien. „Sie schießen auf uns“, kreischte auch Lisa, während die Jungs ängstlich und zitternd verstummt waren.
Ein Schuss fiel und verfehlte die Kinder nur um haaresbreite. Doch schon erklangen von anderen Seiten Schüsse. Ein kleines weißes Raumschiff mit roten Fenstern kam herangedüst und schoss aus allen Kanonen auf die vielen Angreifer der Kinder.
Diese wichen aus und setzten zum Gegenangriff an. Keiner beachtete mehr das Quartett, das nach wie vor, wie gelähmt dem Schauspiel zusah.
Das flinke Raumschiff lockte die Angreifer von den Kindern weg und stellte sich in sicherer Entfernung dem Kampf.
Eines der Raumschiffe lenkte seine Aufmerksamkeit doch wieder den Vieren und griff erneut an. Ehe es allerdings auf die Kinder schießen konnte, düste ein Rennwagen herbei, schoss mit einer Waffe, die aus dem Dach ausgefahren war, und traf. Das Raumschiff explodierte. Der Rennwagen hingegen blieb mit einer Vollbremsung neben den Kindern stehen.
Mit großen Augen musterten sie das rotweiße Auto. Der Wagen öffnete sich und ein uniformierter Fahrer kam zum Vorschein. Sein Anzug war in rotweiß gehalten und er trug einen Helm. Seine Stimme klang metallisch, als er die Kinder ansprach: „Hier ist es zu gefährlich für euch. Springt rein, dann bring ich euch in Sicherheit!“
Jim und Tom, sowie auch Lisa und Nicole starrten den Fremden an. Sie wussten nicht was sie tun sollten. Wenn er sie ebenfalls töten wollte? Wie die beiden Männer auf dem Schulhof, oder die anderen aus den Raumschiffen? Konnten sie ihm trauen?
„Mom sagt, ich darf nicht zu Fremden ins Auto steigen“, erwiderte Nicole und sprach damit all ihren Freunden aus der Seele.
„Deine Mom hat Recht, aber mir könnt ihr vertrauen! Ich bin Fireball und ein Star Sheriff!“
„Star Sheriff?“ Lisa war verwirrt. Ihre Mutter hatte ihr früher vor dem Schlafen Geschichten erzählt. Sie handelten immer um die Star Sheriffs, die gegen die bösen Outrider gekämpft hatten, um den Frieden im neuen Grenzland wieder herzustellen.
Jim, Tom und Nicole hingegen sagte dieser Name überhaupt nichts. „Lasst uns verschwinden“, bemerkte Jim so leise, dass ihn nur seine Freunde hören konnten.
Nicole und Tom wollten soeben zustimmen, als Lisa sie unterbrach: „Wir können ihm vertrauen. Mommy hat erzählt, dass sie nette Leute sind.“
Ein Funkspruch dröhnte aus den Lautsprechern des Cockpits. „Hey, Fireball, beeil dich. Ich kann sie nicht mehr lange hinhalten!“
„Ist gut“, antwortete der Mann im Raumanzug dem Funker. „Also kommt schon! Wir haben nicht mehr viel Zeit!“, forderte er nun die Kinder auf und deutete mit seinem Daumen, dass sie in den Wagen klettern sollten.
Lisa setzte sich in Bewegung und stieg ein. „Kommt schon“, rief sie und zögernd kletterten die anderen auch ins Auto. Als Fireball alle Passagiere dabei hatte, schloss sich das Cockpit und er drückte das Gas durch. Zügig verließ er die Kampfarena und auch das kleine weiße Raumschiff zog sich zurück.
„Das war knapp, Turbofreak“, erklang wieder die Stimme über Funk. „Hast du die Kinder?“
Fireball konzentrierte sich aufs Fahren: „Ja, ich hab sie alle vier. Jetzt sind sie in Sicherheit!“
„Wir treffen uns auf Ramrod!“
„Bis gleich, Cowboy!“
Ramrod! Lisa glaubte nicht richtig zu hören. Ihre Mutter hatte ihr Geschichten erzählt. Das waren alles nur Geschichten. Träumte sie? Es gab die Star Sheriffs nicht, auch Ramrod war erfunden. Das waren Dinge, die ihre Mutter sich ausgedacht hatte, um sie nicht mit alten Märchen zu langweilen.
„Was ist Ramrod?“, hakte Jim neugierig nach.
Fireball lächelte. Die Kinder konnten es nicht sehen, aber sie hörten es an seiner Stimme. „Ramrod ist ein gigantisches Raumschiff. Mit diesem Raumschiff kämpfen wir gegen die Outrider. Die haben euch auch vorhin angegriffen.“
„Aber wir sind Kinder“, widersprach Tom beleidigt. „Wieso greifen sie Kinder an?“
„Den Outridern ist es egal, wen sie erschießen“, antwortete Fireball ernst und die Kinder verstummten wieder.
Als sie sich einem riesigen Raumschiff näherten, sahen sie, dass dieses angegriffen wurde. Der weiße Raumgleiter gab Feuerschutz und noch ein weiterer Mann in einem Anzug wie Fireball, ritt auf einem Robotpferd und kämpfte verbissen mit einem Säbel.
Die Kinder krallten sich in den Sitz des Fahrers und beobachteten den Kampf. „Verdammt“, fluchte der Fahrer und trat auf die Bremse.
Lisa, die von ihrer Mutter dazu erzogen worden war, nicht zu fluchen und zu schimpfen, teilte dies auch ihrem Retter mit. „Mom sagt immer, man darf nicht fluchen!“
„Schön, wenn das deine Mom sagt, aber ich tue es trotzdem. Haltet euch gut fest“, er fuhr wieder los und wich dabei den Angriffen der Outrider aus. „April, kannst du mich hören?“
„Ja, Fireball, wir stehen unter Beschuss! Wo bist du?“
„Ich bin gleich da! Warte nur noch darauf, dass du mich rein lässt!
„Ich fahr die Rampe aus!“
Und schon erkannten sie wie sich der Unterboden öffnete. Die Kinder starrten das Raumschiff an und sie wussten, dass gigantisch keine Untertreibung seitens Fireball war. Sie staunten über die Größe des Schiffes, je näher sie kamen.
Der Rennwagen fuhr die Rampe hinauf und verschwand im Inneren des Kampfgiganten. Die Kinder und Fireball stiegen aus dem Wagen aus und eilten zur Brücke.
April blickte aus Fireballs Satteleinheit heraus und entdeckte die Kinder, die ihm folgten. „Na, endlich bist du da! Wer sind diese Kinder?“
Fireball stellte sich neben sie. „Später! Rutsch rüber, Süße, und lass mich ans Steuer!“ April sprang auf und setzte sich in ihre Satteleinheit. Zu den Kindern rief sie. „Setzt euch in die Satteleinheiten, aber fasst nichts an!“
Die Jungs sprangen in den Sitz zu Fireballs rechten Seite, während Nicole sich in den zu seiner linken Seite setzte. Einzig und allein Lisa stand an gleicher Stelle und blickte der blonden Frau mit den langen Haaren nach.
Nicole rief nach ihr und auch Fireball drehte sich zu dem blonden Mädchen um. „Hey, Kleine, setz’ dich, bitte, sonst können wir nicht starten!“
Lisa rührte sich und sprang zu Nicole. „Okay, wir können starten!“, gab sie den Befehl und Fireball grinste in seinen Helm. „Gut, Boss, dann haltet euch mal fest!“ Er zog an dem Schubkontrollhebel und Ramrod erhob sich in die Luft. April übernahm die Steuerung der Waffen, während der Pilot viele Angriffe flog. Gemeinsam schafften die beiden einige der Outrider in die Phantomzone zurück zu schicken.
Doch die Feinde blieben nicht untätig und feuerten ebenfalls aus allen Kanonenrohren. Fireball konnte zwar den Giganten immer wieder ausweichen lassen, doch ein Treffer reichte aus um das Raumschiff zu erschüttern.
„Fire“, rief April besorgt. Ihre Finger glitten über die verschiedenen Tasten um zu sehen, ob sie einen Schaden davongetragen hatten.
„Keine Angst, ich habe alles unter Kontrolle!“
Ängstlich saßen die Kinder in den Satteleinheiten und beobachteten die auf sich zurasenden Raumschiffe, die Explosionen und Schüsse. Lisa griff sich wieder an ihren Glücksbringer und hielt ihn fest.
Über Funk erklang eine metallische Männerstimme: „April! Wir bekommen Gesellschaft! Da kommt ein Renegade! Lass uns rein!“
„Geht klar, Saber!“, antwortete die Blondine und drückte eine Taste um die Rampe auszufahren. Schon sprang sie auf und eilte zu den drei Satteleinheiten. „Kommt mit! Hier seid ihr nicht mehr sicher!“ Die Kinder kletterten aus ihren Sitzplätzen heraus und folgten April in einen Aufenthaltsraum. Die junge Frau deutete auf die Eckbank. Brav, wie die Kinder nun mal waren, setzten sie sich gehorsam und April drückte eine Taste an der Wand. Sofort fuhren Sicherheitsgurte heraus und schnallten die Kinder an. „Bleibt angeschnallt, denn es könnte etwas wacklig werden!“, ermahnte sie mit einer Dringlichkeit und wandte sich der Tür zu. Doch ehe diese sich schloss, fügte sie noch hinzu: „Wartet hier! Ich komme so schnell wie möglich wieder.“ Schon war sie verschwunden.
Zurück blieben vier fassungslose Kinder, die nicht wussten ob sie träumten oder nicht. Zu ungläubig und zu unreal erschien ihnen bis jetzt alles. Lisa, noch immer verwirrt von dem Anblick dieser ihr fremden Frau, flüsterte in die eingetretene Stille: „Sie sieht aus wie meine Mutter!“
Nicole blickte ihre Freundin ungläubig an. „Sie ist aber viel jünger als deine Mutter!“
Ein Ruckeln trat ein.
Erschrocken schrie Lisa auf und die Kinder schlossen ihre Augen in der Hoffnung, dass bald alles vorbei sein würde.
Der Riesencowboy kämpfte erbittert gegen die Renegade Einheit. Beide Riesenroboter schenkten sich nichts. Schließlich lag der feindliche Riese am Boden und Ramrod feuerte aus allen Kanonen und zerstörte ihn. Daraufhin verzogen sich die Outrider.
Fireball stand erleichtert auf und nahm sich seinen Helm ab. Dieses Mal hatten sie noch Glück gehabt, aber es war schon verdammt eng gewesen. „Wo sind die Kinder?“ Dabei sah er direkt April an, die ebenfalls aus ihrer Satteleinheit gestiegen war.
„Kinder?“, mischte sich Saber ein, der ebenfalls wie Colt auch, seinen Helm abgenommen hatte.
„Du hast sie hierher gebracht?“ Colt blickte Fireball entsetzt an.
„Hätte ich sie etwa allein im Wald stehen lassen sollen?“, tat der Rennfahrer die Fassungslosigkeit ab.
„Welche Kinder?“, warf Saber erneut ein, da ihm niemand etwas zu erklären schien. Er war der Chef dieses Teams und bekam überhaupt nichts mit. Das konnte nicht sein. Er wollte informiert werden und Antworten.
April ignorierte die Frage ihres Vorgesetzten und antwortete auf die ihr gestellte Frage. „Sie sind im Aufenthaltsraum.“
Gemeinsam verließen die Star Sheriffs die Brücke und traten in den Aufenthaltsraum ein. Dort saßen die Kinder nach wie vor auf der Bank, nur die Gurte waren wieder verschwunden. Erstaunt betrachtete das kleine Quartett, das große Quartett. Den Typ im rotweißen Anzug und das Mädchen kannten sie bereits, aber da stand auch ein Typ im blauweißen Anzug und der andere trug schwarzweiß.
„Jetzt seid ihr in Sicherheit“, stellte Fireball fest und grinste die Kinder an. „Aber sagt mal, wie heißt ihr eigentlich?“
Überrascht blickten die Kinder die jungen Erwachsenen an. Schließlich übernahm Jim das Wort: „Ich bin Jim, das ist mein Zwillingsbruder Tom und die Mädchen heißen Lisa und Nicole!“
April betrachtete jedes einzelne der Kids genau und merkte schnell, dass das blonde Mädchen sie ein wenig an sich selbst in diesem Alter erinnerte. „Wie alt seid ihr? Und wo sind eure Eltern?“, fragte sie nach. Immerhin mussten sie schnellstens zu ihren Eltern zurückgebracht werden.
„Ich bin acht Jahre alt“, antwortete Lisa und ließ April nicht eine Sekunde aus den Augen. „Und die anderen drei sind schon neun!“
„Wo unsere Eltern sind wissen wir nicht“, übernahm Nicole das Wort, obwohl ihr Blick an dem großen blonden Mann hängen blieb.
„Wer seid ihr?“, fragte Tom nach.
„Ich bin Saber Rider, das sind Colt, Fireball und April Eagle“, klärte der Highlander auf.
„Und ihr seid richtige Star Sheriffs?“ Jim konnte es kaum glauben. Seine blauen Augen waren weit aufgerissen und starrten jeden einzelnen der Fremden an.
Colt grinste übers ganze Gesicht und schnippte sich gegen seinen Cowboyhut. „Ja, natürlich, Kumpel, wir sind echte Star Sheriffs!“
„Guck mal, Tom, Papi hat auch so einen Hut!“, mischte sich Jim ein und grinste seinen Bruder an, doch schon seufzte April laut aus. „Es gibt noch mehr solcher Typen?“
Colt hingegen gefiel diese Aussage und konterte grinsend: „Euer Vater ist ein kluger Mann, Kumpel! So, und jetzt entschuldigt mich kurz. Ich möchte aus diesem Anzug raus.“ Mit diesen Worten drehte er sich zur Tür und ging. Auch Saber und Fireball folgten dem Scharfschützen und schlossen die Tür hinter sich.
Kaum war diese ins Schloss gefallen, brach Lisa ihr Schweigen. „Mommy, erkennst du mich denn nicht mehr?“
April fiel aus allen Wolken. Sie war gerade mal achtzehn Jahre alt, hatte keinen Freund, geschweige denn Kinder. Entsetzt und sprachlos starrte sie das blonde Mädchen an, dessen blaue Augen die Wissenschaftlerin hoffnungsvoll ansahen. „Wie kommst du darauf, dass ich deine Mutter bin?“ Ihre Stimme überschlug sich fast vor Wut über diese Dreistigkeit des fremden Mädchens.
„Du bist es!“, erwiderte Lisa überzeugt. „Mein Name ist Lisa Eagle. Ich bin acht Jahre alt und wir leben in einem Haus auf Yuma!“
April blieb die Luft weg. Nicht nur von der Tatsache, dass dieses Mädchen denselben Nachnamen wie April trug, sondern auch auf Yuma lebte. „Ich bin nicht deine Mutter. Ich bin selbst gerade achtzehn geworden, das hieße, ich hätte dich mit zehn Jahren bekommen müssen. Das geht niemals auf!“, wild gestikulierend lief sie im Zimmer auf und ab, doch versuchte sie wieder ruhiger zu werden. „Was macht ihr dann am anderen Ende der Galaxie, wenn ihr von Yuma seid? Wie kommt ihr hierher?“
„Das wissen wir nicht“ bemerkte Nicole kleinlaut.
April blickte verdattert einen nach dem anderen an und blieb schließlich bei Lisa hängen, die sehr verletzt auf den Boden sah und sichtlich mit den Tränen kämpfte. Die Wissenschaftlerin wollte nicht, dass dieses Mädchen wegen ihr weinte und so entschärfte sie ihre gesagten Worte. „Vielleicht sehe ich ihr nur ähnlich? Das kommt hin und wieder vor, Lisa…“
Das Mädchen nickte nur müde und schluckte ihre Tränen hinunter.
Keine Sekunde später öffnete sich die Tür zum Aufenthaltsraum wieder und die Jungs traten ein. „So“, zog Colt alle Aufmerksamkeit auf sich. „Was machen wir jetzt mit euch?“
April blickte zu ihren drei Freunden und lächelte. „Eines steht fest. Hier bleiben können sie nicht. Sie wohnen auf Yuma. Saber könntest du meinem Vater bescheid sagen, dass wir unseren Auftrag noch verschieben müssen?“
„Das geht nicht April! Die Outrider sind zu stark. Wir müssen sie so schnell als möglich ausschalten, ehe sie uns angreifen“, erwiderte Colt entsetzt, statt Saber.
Saber, der wie immer nach der richtigen Lösung suchte, sah sich im Zwiespalt. „Wir können die Kinder aber nicht auf unsere gefährliche Reise mitnehmen!“
„Aprils Vorschlag ist nur vernünftig“, mischte sich Fireball ein. Die Blondine lächelte ihm dankbar zu und nahm sich vor ihn in einer ruhigen Sekunde auf das soeben gefallene Gespräch anzusprechen. Sie wollte seine Meinung zu dieser ganzen Situation hören. Konnte das alles Zufall sein? Oder steckte mehr dahinter?
„Ich werde Commander Eagle anfunken und ihm unsere Situation schildern“, gab Saber nach und verließ den Aufenthaltsraum.
Fireball betrachtete die kleinen Gäste und grinste. „Habt ihr Hunger? Dann koch ich uns jetzt was Feines!“
Allgemeines Zustimmen durchfuhr den Raum und Fireball begab sich in die Küche und zauberte aus den ganzen Fertigpacks eine gesunde, aber für Kinder leckere Mahlzeit.
Gemeinsam saßen alle acht im Aufenthaltsraum und begutachteten die Kost. Etwas verwirrt blickte Lisa auf das Gericht, ehe sie verwirrt auf das Besteck blickte. Fireball hatte ihre Reaktion bemerkt. „Kann ich dir helfen? Hast du eine Frage?“
Schüchtern blickte das blonde Mädchen den jungen Mann an und deutete dann erst auf ihren Teller, dann auf das Besteck. „Das ist Reis, richtig?“
„Ja!“
„Aber das hier ist keine Gabel und ich habe auch keinen Löffel“, bemerkte sie wieder.
„Richtig. Das sind Essstäbchen“, nickte der Rennfahrer zustimmend.
„Wie soll ich Reis mit Stäbchen essen?“, hakte Lisa verwirrt nach, während ihre drei Freunde bereits herzhaft mit diesen Dingern aßen.
„Geht ganz einfach“, antwortete Fireball und zeigte ihr wie sie die Stäbchen in die Hand nehmen sollte. Auch April passte ganz genau auf, ohne es sich anmerken zu lassen.
„Hast du noch nie mit Stäbchen gegessen?“ mischte sich Colt ungläubig zwischen zwei Bissen ein.
Lisa verneinte und ihr Blick wich zu April, die sich augenscheinlich ebenfalls schwer damit tat. „Nein, meine Mutter kann damit auch nicht umgehen und daher hab ich es nie gelernt!“
Schlagartig ließ April die Stäbchen fallen und starrte Lisa an. Irgendwas in ihr sagte, dass dies alles kein Zufall sein konnte, doch wie, um alles in der Welt, sollte dieses Mädchen ihre Tochter sein? Sie war weder schwanger gewesen, noch konnte sie sich daran erinnern eine Geburt hinter sich zu haben.
Fireball entging nicht Aprils Verhalten. Wieso reagierte sie auf einmal so komisch? Niemanden schien es aufgefallen zu sein, denn Saber und Colt hatten ihre ganze Aufmerksamkeit auf das achtjährige Mädchen gerichtet. „Und was ist mit deinem Vater? Kann er auch nicht mit Stäbchen essen?“, fragte Colt weiter, neugierig wie er war.
„Ich habe keinen Vater“, flüsterte Lisa. Sie ließ ihre Hände sinken, ohne überhaupt einen Bissen gegessen zu haben, und schlug die Augen nieder.
Saber blieb der Mund offen stehen. Das arme Mädchen…
Fireball blickte nun von April zu Lisa und konnte sich nicht vorstellen, warum ein Mann seine Familie verließ. Noch dazu bei einer so hübschen Tochter. Sollte sie auch nur annähernd aussehen wie ihre Mutter, musste diese eine wahnsinnig gut aussehende Frau sein. Ihr trauriger Anblick ging dem jungen Piloten unter die Haut. So stand er auf und setzte sich kurz entschlossen zu Lisa. „Ich helfe dir! Verhungern lasse ich dich auf gar keinen Fall“, sagte er bestimmt und begann die Stäbchen in Lisas Hände in die richtige Stellung zu bringen. So half er ihr, bis sie den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte.
April beobachtete die beiden die ganze Zeit über. Irgendwie wirkte dieses Bild vertraut, als würden sich Fire und Lisa seit Ewigkeiten kennen. Es passte in diese Atmosphäre. Er kümmerte sich um das kleine Mädchen, während dieses ihn anblickte und strahlte. Wie Vater und Tochter, schoss ihr plötzlich durch den Kopf. Als wäre dies nicht genug, sponnen ihre Gedanken den Faden weiter. Sollte Lisa wirklich ihre Tochter sein, wäre Fire vielleicht sogar der Vater? Prompt errötete sie und schüttelte ihren Kopf. Diese Gedanken waren zu absurd. Erstens konnte Lisa nicht ihre Tochter sein und zweitens konnte schon gar nicht Fireball der Vater sein. Denn das hieße, es wäre etwas zwischen ihnen gelaufen und das konnte sie zu einhundert Prozent Wahrheitsgehalt verneinen. Fire suchte ihre Augen und fand sie. Er hielt sie gefangen, wie eine Spinne ihre Beute im Netz. Ob er etwas von ihren Gedankengängen erahnen konnte? Sie wusste es nicht. Nachdem er keinerlei Anstalten machte den Blickkontakt zu lösen, schlug April ihre Augen nieder und widmete sich wieder ihrem Essen.
Colt bekam von alledem nichts mit, zu sehr war er damit beschäftigt nicht zu viel Mitleid mit den Kindern zu bekommen. Ihm war klar, dass er zwar immer den harten Kerl rauskehrte, aber tief in seinem Inneren hatte er ein großes Herz. Ihn rührten solche traurigen Geschichte und das wollte er seinen Freunden nicht zeigen.
Saber hingegen machte sich die ganze Zeit Gedanken über die Kinder an sich. Es ist schon seltsam, dass diese Kinder aus Yuma stammten und sie sich hier auf Donar getroffen hatten. Wie kamen sie hierher? Sie wirkten wie Kinder und dennoch hatte Saber den Eindruck, dass sie ein wenig erwachsener waren als ihrem Alter entsprach. Ein dunkler Verdacht breitete sich in ihm aus. Sollten diese Kinder Outrider sein? Aber warum wurden sie dann von anderen Outridern angegriffen? Es ärgerte Saber keinen klaren Gedanken fassen zu können. Eines war ihm aber klar: Er würde diese Kinder beobachten.
„Vielen Dank für das Essen, Fireball. Der Befehl von Commander Eagle lautet nach Yuma zurückzukehren um die Kinder nicht zu gefährden. Fliegst du schon einmal los? Wir kümmern uns um den Rest.“
Fireball nickte und verließ den Raum, um sofort die neuen Befehle auszuführen.
Die Kinder begannen nach und nach zu gähnen. Es war ein spannender und aufregender Tag und mit vollem Magen drückte ihnen die Müdigkeit auf die Glieder. „Ich zeige euch, wo ihr euch ausruhen könnt.“ April führte die vier Kinder in ihr Zimmer und bereitete das Bett vor.
Saber und Colt blieben noch im Aufenthaltsraum sitzen und überlegten ihr weiteres Vorgehen.
April trat auf die Brücke, um nach den Jungs zu sehen, doch einzig und allein Fireball fand sie vor. Er saß in seiner Satteleinheit, steuerte mit Ramrod gerade die Atmosphäre an und flog hindurch.
April stellte sich an die große Fensterfront und beobachtete das schwarze, weite All. In der Ferne entdeckte sie Planeten und Sterne. „Die Kinder schlafen jetzt!“
„Es war ein anstrengender Tag für sie.“
„Wie kommen sie nach Donar?“ Ihre Augen verloren sich in der Ferne. „Wie schaffen es kleine Kinder von Yuma nach Donar zu reisen?“
Fireball beobachtete sie die ganze Zeit. Er spürte sein Herz ein paar Takte schneller schlagen, seit sie bei ihm war, doch unterdrückte er dieses wohligwarme Gefühl in der Magengegend. Irgendwie musste er sie sich aus dem Kopf schlagen – nur wie? Seine Augen wichen ebenfalls wieder in die Ferne.
April hatte nicht wirklich mit einer Antwort auf ihre Frage gerechnet, denn mehr oder weniger war sie auch an sich selbst gestellt. Zum anderen ließ sie ihr Gespräch mit Lisa nicht los. „Diese Kinder sind so seltsam. Können wir ihnen trauen?“ Sie drehte sich zu Fireball und sah ihn direkt und unverfangen mit ihren großen blauen Augen an. Der Pilot wusste nicht wie ihm geschah. Diese Gefühle, die sie in ihm auslöste, waren ihm gar nicht geheuer. Er war ein Star Sheriff. Beziehungen im KOK waren verboten und trotzdem wollte er nichts sehnlicher, als sie in seine Arme zu schließen. Wie lange würde er noch seine Gefühle für sie unterdrücken können? Er wollte ihr antworten, doch steckte ihm ein großer Kloß im Hals. Er brachte kein Wort heraus, selbst wenn er wollte.
„Ich möchte etwas mit dir besprechen“, fügte sie hinzu, während sie errötet weg sah. Ihre Gedanken fielen ihr wieder ein und sie wünschte es wäre mehr als nur ein Wunschdenken. Dennoch waren sie Teamkollegen und solche Gedanken waren nicht hilfreich für eine gute Zusammenarbeit.
„Lisa sieht dir sehr ähnlich“, bemerkte Fireball leise.
„Dir ist es auch aufgefallen?“, fast panisch blickte sie ihm in die Augen. „Sie hat zu mir Mommy gesagt! Fire, stell dir das mal vor?! Wie kommt sie darauf? Das muss ein Trick sein!“ April lief nervös auf und ab. „Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht! Ich weiß nur noch nicht was… Nur eines ist sicher, es hat etwas mit den Kindern zu tun.“
Fireball konnte sich das ganze nicht mehr mit ansehen. Er schaltete den Autopiloten ein und stieg aus seiner Satteleinheit. Er packte April mit einem festen Griff an der Schulter und zwang sie somit stehen zu bleiben. „Beruhige dich, es gibt bestimmt eine Erklärung. Du siehst ihrer Mutter ähnlich, vielleicht meint sie das. Es könnte ja sein, dass sie eine entfernte Cousine von dir ist und von der du bis jetzt einfach noch nichts gehört hast?“
April versank in den braunen Augen und hörte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Seine Worte drangen kaum zu ihr durch, denn die Schmetterlinge, die in ihrem Bauch zu fliegen begannen, lenkten sie zu sehr von dem Gespräch ab. Sie hing an seinen Lippen, versuchte zu lesen, was er ihr sagte, aber ihre Gedanken drifteten bereits in ein viel gefährlicheres Terrain ab. Was wäre, wenn sie ihn jetzt küssen würde?
So etwas durfte sie nicht denken…. Niemals… Nicht wenn sie zusammen auf Ramrod lebten und sich nach wie vor im Krieg befanden. Sie zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung, doch so recht wollte ihr nichts gehorchen. „Fire“, flüsterte sie tonlos.
Auch Fire erging es ähnlich. Er wehrte sich mannhaft April nicht zu nahe zu kommen, doch langsam übernahmen seine Gefühle die Kontrolle und er konnte nichts dagegen machen.
Niemand bemerkte das kleine blonde Mädchen, das sich aus Aprils Zimmer geschlichen hatte, um ihre Mutter noch einmal zu sehen und ihr alles zu erklären. Kaum betrat sie die Brücke, sah sie wie nah sich Fireball und April standen. Ihre Augen wurden größer und größer.
So gern wollte Fireball sie küssen, sie in seinen Armen halten und nie wieder los lassen, doch er durfte nicht. Er ließ ihre Schultern los und sah an ihr vorbei. Seine Augen verloren sich in der Ferne und er versuchte seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Entschuldigung! Ich wollte dich nicht belästigen“, murmelte April traurig. War dies doch eine klare Abfuhr gewesen.
Lisa zog sich zurück. Sie wollte nicht gesehen werden. Möglichst leise eilte sie zurück in das Zimmer, wo nach wie vor ihre Freunde schliefen.
„Du belästigst mich nicht! Das weißt du, April“, sprach Fireball sie sanft an, jedoch ohne sie anzusehen. Der Pilot merkte, wie sehr er sie eben verletzt hatte und wollte Schadensbegrenzung machen, sofern er noch etwas retten konnte.
„Ja, ich weiß.“ Sie trat zur Seite und ging an ihm vorbei. Erst langsam, dann schneller. Sie suchte ein ruhiges Plätzchen und stellte fest, dass der Aufenthaltsraum bereits geräumt war. Colt und Saber hatten sich an den Abwasch gemacht und hielten sich in der Küche auf.
Lisa trat in Aprils Zimmer ein und blickte in sechs wache Kinderaugen. „Wir müssen reden“, begann Jim ernst, wobei sein Zwillingsbruder Tom und Nicole sich noch unsicher anblickten.
Das blonde Mädchen setzte sich zu ihren vermeintlich schlafenden Freunden und wartete ab.
„Wir dürfen ihnen nichts sagen“, stellte Jim klar.
„Warum nicht? Sie ist meine Mutter“, beharrte Lisa auf.
„Ja, das wissen wir, aber wir dürfen das niemanden wissen lassen“, erwiderte Jim.
„Lisa, hast du denn gar nichts gemerkt? Wir sind in einer anderen Zeit!“
„Was?“, hauchte Lisa.
„Sieh her!“, forderte Tom auf und griff nach einem Kalender, den er auf dem Schreibtisch gesehen hatte. Lisa schluckte hart als sie die Jahreszahlen gelesen hatte. „Wir sind in der Vergangenheit!“
Dieser Satz schwebte über ihren Köpfen wie ein Geist.
„Wie sind wir hierher gekommen?“, flüsterte Lisa wieder.
Jim nickte den anderen beiden zu, ehe er antwortete. „Diese Typen müssen was damit zu tun haben. Die haben auf uns mit Waffen gezielt. Irgendwas haben sie mit uns gemacht!“
„Und wie kommen wir wieder in unsere Zeit?“
„Das wissen wir nicht!“ Nicole blickte ihre Freundin traurig an. Sie hatte Sehnsucht nach ihren Eltern und ihren Geschwistern.
„Nicht traurig sein“, munterte Tom das dunkelhaarige Mädchen auf, doch so ganz wirkte es nicht.
„Warum soll ich traurig sein? Ich vermisse meine Familie, obwohl mein Vater hier ist!“
„Ja, ich weiß. Lisas Mutter, dein Vater und unser Vater ist auch hier! Wir sind bei unseren Familien“, stimmte Tom zu.
„Sie wissen nichts von ihrer Zukunft. Und wir dürfen es ihnen nicht sagen“, ermahnte Jim erneut.
„April glaubt dir nicht. Das ist gut so.“ Nicole wusste, dass sie ihrer Freundin wehtat, aber es musste sein.
„Ich glaube, mein Vater ist auch hier“, eröffnete Lisa ihre Vermutung. „Ich kenne ihn nicht, aber so wie er meine Mutter ansieht, so sehen eure Väter eure Mütter auch an.“
„Dann kannst du ihn jetzt kennen lernen, aber wie gesagt, er darf nichts erfahren“, wiederholte Jim eindringlich, ehe sich alle vier wieder hinlegten. Der Tag war zu anstrengend, um noch länger wach zu bleiben.
Die zwei Männer standen wieder an ihrem Ausgangsort auf dem Schulhof. „Es hilft nichts. Sie sind spurlos verschwunden.“
„Wir müssen Kommandant Blue informieren!“
„Das ist allein deine Schuld, Phantombirne!“
„Nein, es ist deine Schuld, Blechdose!“
„Du wirst es ihm sagen!“
„Ich will aber nicht in die Phantomkammer gesperrt werden!“
„Ich auch nicht! Aber einer von uns muss dafür seinen Kopf hinhalten!“
„Ich bin es aber nicht!“
„Ich auch nicht! Lass uns eine Münze werfen!“
„Gut, was ist überhaupt eine Münze?“
„Keine Ahnung!“
Und schon lösten die beiden sich auf und verschwanden.
„Lasst uns auf dem Planeten landen, damit wir tanken können“, unterbrach Saber Rider die eingekehrte Stille. April hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Fireball war auch in sich gekehrt und Colt schlummerte in seiner Satteleinheit.
„Geht klar, Boss.“
„Sag mal, geht es dir gut?“ Saber beobachtete seinen Piloten, der zögernd und kurz antwortete. „Dann ist ja gut“, stellte der Recke fest und wandte sich wieder der Aussicht zu.
Sanft landete der Pilot Ramrod auf den Boden. Erleichtert sich mal wieder die Füße auf festem Planetenboden vertreten zu können, stiegen alle acht aus.
Sofort kam ein Tankraumschiff angeflogen. Ausgestattet war es mit einer hochtechnischen Tankanlage.
„Colt, du überwachst den Tankvorgang. Die Kinder bleiben bei euch. Ich werde in die Stadt gehen. Ich muss noch etwas recherchieren“, gab Saber seine Anweisungen. Er wollte sich gerade auf den Weg machen, als Nicole ihn antippte und mit großen blauen Augen zu ihm aufsah. „Darf ich mitkommen?“
Saber wollte verneinen. Doch dann sah er eine Chance, ein paar Dinge über die fremden Kinder herauszufinden, und so stimmte er doch zu.
Gemeinsam zogen sie los. Die Stadt war etwa eine viertel Stunde Fußmarsch von Ramrod entfernt.
April stieß Colt ihren Ellbogen sanft in die Seite. „Ich geh mich mal ein wenig umsehen.“
„Geh aber nicht zu weit weg, Prinzessin! Nicht, dass wir ohne dich starten“, grinste der Cowboy.
„Ihr könnt mich hier nicht zurücklassen, denn ohne mich seid ihr im All aufgeschmissen“, erwiderte April. „Niemand ist im navigieren so gut wie ich.“
„Das will ich auch gar nicht abstreiten“, verteidigte sich Colt. „Ich warne dich nur vor, falls es doch passieren sollte!“
„Ist gut, Colt! Bis später!“ Mit diesen Worten verschwand die junge Frau.
Fireball jagte Lisa, Jim und Tom. Sie spielten fangen und Fireball war gerade der Fänger. Doch als er Tom erwischt hatte, tauschten die Rollen. Ewig konnten sie so hin und her jagen. Zumindest hatten die Kinder diese Ausdauer. Der Pilot war hingegen relativ schnell außer Puste. „Hey, Colt. Ich brauch eine Pause! Können wir mal Rollentauschen?“
„Yeeehaaa“, rief der Cowboy aus und gab somit das Zeichen zum Angriff. Grölend und lachend rannten die Kinder davon, der Scharfschütze eilte hinterher. „Na, wartet, euch hab ich gleich!“
„Denkst du“, rief Jim zurück und er und sein Zwillingsbruder trennten sich. Colt sah jedem einzeln hinterher und entschied sich für den Frechdachs Jim.
Fireball ließ sich erledigt neben das Raumschiff in die Wiese plumpsen und beobachtete den Tankvorgang. Lisa setzte sich zu ihm. Sie wollte ihn kennen lernen. Sie wollte herausfinden, ob er ihr Vater sein könnte.
Der junge Rennfahrer blickte das Mädchen an und lächelte. Eine Ähnlichkeit, zwischen April und ihr, war nicht abzustreiten. Allerdings, wie konnte seine Kollegin die Mutter dieses Mädchens sein? „Darf ich dir eine Frage stellen?“
Lisa sah auf und die Unsicherheit stand in ihre Augen geschrieben. Sie hatte mit den anderen Kindern ausgemacht nichts zu erzählen. Aber wie konnte sie ihn anlügen? Sie durfte nicht lügen, dass hatte ihr ihre Mutter beigebracht.
„Wie alt ist deine Mami?“
Lisa strahlte. Diese Frage konnte sie ihm beantworten. „32 Jahre alt!“
Umso mehr grübelte Fireball. Sollte April ihre Mutter sein, hieße das, dieses Mädchen käme aus der Zukunft? Wie konnte das sein? Wie kam sie dann hierher?
Colt hatte Jim gefangen, das er wiederum durch einen lauten Jubelschrei bekannt gab. Auch der Junge hatte sichtlich seinen Spaß. Colt hatte in auf seine Schultern gesetzt und gemeinsam versuchten sie Tom zu fangen. Als er dies geschafft hatte, packte er den Jungen auf seine Arme und trabte mit ihnen so herum. Jauchzend und lachend genossen die Jungs dieses Spiel.
„Was weißt du von deinem Papi?“
„Nicht viel“, antwortete Lisa traurig und schon blickten ihre blauen Augen wieder den jungen Mann an. „Mommy erzählt nichts von ihm! Ich habe ihn auch nicht auf einem Photo gesehen! Mum hat kein einziges von ihm aufgehoben.“
„Das ist ja schade. Und meldet er sich überhaupt nicht? Nicht einmal zu deinem Geburtstag?“
Niedergeschmettert schüttelte sie ihr kleines Köpfchen.
Fireball schoss abermals durch den Kopf, wie ein Mann nur seine Familie im Stich lassen konnte.
„Nur einmal“, flüsterte das kleine Mädchen plötzlich. „Zu meinem siebten Geburtstag hat er mir das hier geschenkt.“ Sie zog ihr T-Shirt von ihrer Brust weg und holte einen kleinen Anhänger hervor, der ihr um den Hals hing. Es war ihr Glücksbringer. „Sieh mal, ist das nicht wunderschön?“
Seine Augen trafen auf den kleinen Anhänger. Wie gebannt blickten sie ihn an. Konnte es wirklich sein? War es wirklich wahr? „Dein Vater hat dir diesen Anhänger geschenkt?“
Das Mädchen nickte. Keine Sekunde ließ sie Fireball aus den Augen, der ihren Glücksbringer begutachtete.
„Weißt du was er bedeutet?“
Mit großen Augen blickte sie ihn an. „Das ist mein Glücksbringer.“
„Ja, das ist er wirklich. Ich kenne diese Anhänger. Sie stammen aus Japan, aus meiner Heimat“, erzählte Fireball. „Das ist Maneki Neko! Übersetzt heißt es: „Winkekatze“.
„Maneki Neko?“ Wie einen heiligen Namen sprach Lisa die japanische Bedeutung nach.
„Ja, sie soll Glück, Geld und Wohlstand herbeiwinken. Nach japanischem Glauben hat die Katze magische Kräfte. Besonders die Kaufleute sind davon überzeugt, dass die „Winkekatze“ mit ihrem possierlichen Winken gute Menschen und wohlhabenden Kunden zu sich zieht und so ihnen und ihrem Geschäft zu Geld und Wohlstand verhilft. In nahezu jedem Laden in Japan kann man deshalb den kleinen goldenen Glücksbringer bewundern. Es heißt auch, hat man sie zu Hause bleibt das Unglück fern.“
Mit ganz anderen Augen betrachtete Lisa ihren kostbaren Schatz, wie sie eben erfahren hatte.
„Ich habe auch so einen zu Hause“, erzählte Fireball weiter. „Ich habe ihn von meiner Mutter geschenkt bekommen als ich sieben Jahre alt war.“
„Weißt du, ich möchte meinen Vater gerne kennen lernen, aber Mommy möchte das nicht. Sie hat es erst vor ein paar Tagen zu Tante Robin gesagt.“
Der Pilot schluckte kräftig. Hatte er eben richtig gehört?
„Mommy sagt, dass er viel unterwegs ist, weißt du…“, unterbrach sie sich selbst: „…er ist Rennfahrer! Und sie hat gesagt, dass sie mit Daddy viel gestritten hatte und er jetzt mit einer anderen weg ist.“ Mit großen Augen sah sie ihn wieder an. „Ich weiß nicht, was sie damit gemeint hat. Was heißt das mit einer anderen weg?“
Fireball schluckte: Wie sollte er diesem Mädchen erklären, was ihre Mutter damit gemeint hatte? Es lag doch auf der Hand. Er hatte eine neue Freundin und würde nie mehr zurückkommen. Und das gefiel dem Rennfahrer noch weniger. Er fühlte sich angesprochen und je mehr er über dieses Gespräch nachdachte, wusste er, dass sie von ihm sprach. Nur eines gefiel ihm nicht. Warum sollte er April verlassen, wenn er mit ihr eine so wunderbare Tochter hatte? Irgendwas war faul. Das stank gewaltig nach einer Verschwörung.
Colt trat lachend und erschöpft auf Fireball zu. Müde ließ er sich in die Wiese fallen und zog den Hut tief ins Gesicht. Jim und Tom rannten ihm hinterher und sprangen auf Colt. Der eine kniete auf seinem Bauch, der andere zog ihm den Hut von der Nase und setzte ihn sich selbst auf. Doch schon verschwand der Kopf unter dem viel zu großen Cowboyhut. Der Scharfschütze wollte schon protestieren, als ihm aber der Anblick die Sprache verschlug. Er prustete los: „Na, Kumpel, da musst du aber noch rein wachsen“, lachte Colt herzhaft.
Saber Rider und Nicole kamen der Stadt langsam näher. „Wie seid ihr von Yuma nach Donar gekommen?“
„Das wissen wir nicht!“
„Und aus welchem Jahr kommt ihr?“
„Das weiß ich nicht“, antwortete Nicole.
Diese Fragerei wurde ihr langweilig. „Du bist wie mein Papa, weißt du das?“, gab sie stattdessen zurück.
Saber blickte sie verwirrt an. „Wie kommst du darauf?“
„Er ist sehr klug und sehr streng. Er fragt mich auch immer aus. Wenn wir eine Mathearbeit geschrieben haben und ich ihm nichts erzähle, fragt er solange nach bis ich eine Antwort gebe. Mami sagt immer „Sturkopf“ zu ihm, oder „Stragete“.“ Nicole überlegte kurz und korrigierte sich selbst. „Stragete… Stragte…“
„Stratege“, unterbrach Saber das kleine dunkelhaarige Mädchen.
„Ja, woher weißt du das?“ Mit ihren großen blauen Augen betrachtete sie den Mann, der in Zukunft ihr Vater sein würde. Sie wollte so gern ehrlich zu ihm sein, aber die Freunde hatten ausgemacht ihnen nichts zu sagen. Sie hielt sich an Abmachungen.
Der Highlander wollte ihr gerade antworten, als plötzlich wie aus dem Nichts Schüsse fielen. Sie verfehlten Saber nur knapp. Dieser zog blitzschnell seine Waffe und zielte in die Richtung aus der die Schüsse kamen. „Outrider“, rief er und schoss auf drei Phantomwesen. Nach drei Freifahrtgutscheinen zurück in die Phantomzone, schnappte sich Saber Nicole. Er hob sie hoch und rannte so schnell es ging zurück zu Ramrod. Seine Vermutungen hießen nichts Gutes, denn traf er drei von ihnen, war irgendwo auf diesem Planeten ein Nest versteckt. Hoffentlich kam er noch rechtzeitig zurück, um seine Freunde zu warnen.
Völlig außer Atem traf Saber mit Nicole bei Ramrod ein und unterbrach die ausgelassene Stimmung. „Outrider! Sie sind hier!“
Fireball sprang auf und zog sofort Lisa schützend an sich. Auch Colt und die Jungs erstarrten.
„Wo ist April?“, hakte Saber nach, als er seine Kollegin nicht vorfand.
„Sie wollte spazieren gehen“, antwortete Colt schuldbewusst.
„Und ihr lasst sie alleine?“ Der Chef des Teams starrte ungläubig seine Kollegen an. Über die Verantwortungslosigkeit würde er mit allen dreien in Ruhe reden, sollte April nichts zugestoßen sein.
„Euer Boss hat Recht! Das war sehr unvorsichtig von euch“, mischte sich eine ihnen sehr bekannte Stimme ein.
„Jesse Blue“, spukte der Cowboy aus, ohne ihn gesehen zu haben. Alle wandten sich der Richtung zu, aus der die Stimme erklang.
In etwa hundert Meter Entfernung standen etwa zwölf Outrider und Jesse Blue. „Ihr könntet ein bisschen freundlicher sein, da ich etwas habe, was euch fehlen dürfte!“ Zwei weitere Outrider traten vor und ihrer Mitte führten sie April, deren Hände auf ihrem Rücken von den Feinden festgehalten wurden.
Jederzeit bereit seinen ärgsten Feind anzugreifen, fauchte der Heißsporn: „Was willst du?!“
„Reg dich nicht so auf, Turbopfeife. Ich will die Kinder, mehr nicht!“
„Das sind unschuldige Kinder! Was willst du von ihnen?“ April schaute ihn bitterböse an. Sollte sie ihre Arme freibekommen, würde sie ihm eine knallen.
„Das geht euch nichts an“, winkte Jesse Blue ab.
„Natürlich geht uns das etwas an!“, fauchte April erneut. Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt und kam zu keinem anderen Grund als: „Wenn alles stimmt, dann sind wir sogar miteinander verwandt!“ Ihre Augen trafen Lisa, die sich eng an Fireball drückte. Die Angst stand in dem kleinen Mädchengesicht.
Jesse beobachtete sie. Und wie Recht du hast, schoss es dem Outriderkommandanten durch den Kopf. Sein Blick fiel auf Lisa, die sich direkt hinter ihrem Dad versteckte. Dieser Anblick verletzte Jesse, denn er wusste, dass dieses Mädchen die zukünftige Tochter von April und Fireball war. Dieser Gedanke machte Jesse rasend. Eigentlich wollte er nichts von seiner Zukunft wissen, doch Nemesis’ Langeweile trieb die Wissenschaftler dazu an ein großartiges Projekt zu starten. Sie wollten es schaffen in die Zukunft zu reisen. Nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen hatten sie es einmal geschafft zwei Outrider hinzuschicken, danach gab es allerdings eine Überhitzung und die Maschine wurde zerstört. Nemesis wurde so sauer über diesen Fehlschlag, dass er alle Wissenschaftler, die an diesem Projekt beteiligt waren, eliminiert hatte.
„Ich weiß, dass ihr miteinander verwandt seid, April!“ Jesse Blues Stimme nahm Sarkasmus an. „Glaubst du, ich sehe nicht die Ähnlichkeit zwischen dir und dem blonden Mädchen? Hältst du mich für so blind?!“
„Du weißt es?“ April war so überrascht, dass sie ihn mit ihren großen blauen Augen ansah. Doch schon schlug ihr Blick in Verärgerung um. „Schön, dann klär mich auf, wenn du alles besser weißt!“
Mit einem überheblichen Grinsen trat er näher an sie heran und hauchte: „Sie ist unser Kind!“
April wurde blass. All ihre Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. „Das kann nicht sein“, flüsterte sie zurück. Außer den Outridern um sie herum, verstand keiner etwas von dem Gesagten, aber Aprils Gesichtsausdruck sprach Bände. „Diese Kinder sind aus der Zukunft! Aus unserer Zukunft“, fügte Jesse Blue noch hinzu.
„Niemals“, schrie April ihn an. „Niemals, Jesse Blue, werde ich etwas mit dir anfangen!“
Lisa drängte sich noch enger an Fireball, der durch das vorangegangene Gespräch andere Dinge herausgelesen hatte. Die Beschreibung ihres Dads traf ohne Zweifel auf ihn zu und nicht auf Jesse. Und er schwor sich – sollten er und April einmal zusammenkommen, er würde sie nicht verlassen. Er wollte nicht so sein, wie sein eigener Vater, der ihn und seine Mutter vor langer Zeit verlassen hatte und nie wieder zurückgekehrt war. Seit dem Gespräch mit Lisa, schwor er sich anders zu sein, als sein Vater, und da konnte kommen was wollte.
„Nicht heute und auch nicht in Zukunft!“, riss Aprils Stimme Fireball aus seiner Gedankenwelt.
Jesse überkam die Wut und packte April ziemlich fest am Arm.
Die Teamkollegen trauten kaum ihren Augen, als Fireball auch schon losstürmen wollte. „Keine Bewegung, Star Sheriffs“, ermahnte Jesse sauer. „Sonst ist eure Navigatorin tot!“ Zum Zeichen wie ernst er es meinte, hielt ein Outrider der Gefangenen die Waffe an den Kopf. „Und jetzt ist Schluss mit dem Theater. Gebt mir die Kinder!“
„Was ist mit April?“, ließ sich Colt vermerken.
Saber Rider tüftelte die ganze Zeit über an einem Rettungsplan und die Diskussionen boten ihm genug Zeit dazu. Sollte sich die Gelegenheit bieten, würde er seine Kollegen loben.
„Erst die Kinder, dann bekommt ihr April!“
„Klar, doch“, entgegnete Fireball sarkastisch. „Für wie blöd hältst du uns?“
„Vergiss es, Jesse“, erwiderte Colt.
April blickte ihre Kollegen an und erkannte ein leichtes Kopfnicken von Sabers Seite. Er hatte einen Plan und würde sie retten. Sie, die Kinder und die Jungs kämen heil aus der Sache raus. Unauffällig zwinkerte sie ihm zu. Mit dieser Geste zeigte sie ihm, dass sie auf ein Kommando wartete.
Auch den restlichen Star Sheriffs entging dieses Zwinkern nicht. Nur Jesse und seine Outrider bemerkten nichts.
„Okay, wie ihr wollt“, drohte Jesse und der Outrider legte seinen Finger an den Abzug. Colt ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Die Hände in der Nähe seines Waffengürtels, bereit jeden Moment seinen Blaster zu ziehen.
„Wenn du mir schon nicht gehörst, soll dich auch kein anderer haben“, zischte er ihr zu. April blickte ihn vor Angst erstarrt an. Das konnte er unmöglich ernst meinen. Er, der ihr immer und immer wieder sagte, dass er sie vergötterte und liebte, wollte sie jetzt erschießen lassen? Die Ingenieurin schloss ihre Augen. Ein Schuss fiel und April ließ sich auf ihre Knie fallen. Der Schuss kam von Colt und hatte dem Outrider seine Waffe aus der Hand geschossen. Die Blondine überraschte ihre Bewacher, die sie nicht halten konnten und sie loslassen mussten. Damit war deren Schutzschild weg und Colt und Fireball schickten die zwei in ihre Dimension zurück.
„Fire, bring die Kinder weg“, gab Saber klare Anweisungen. „Colt, pass auf!“ Schon folgten die ersten Schüsse der Outrider.
April sprang auf ihre Füße und wollte zu ihren Freunden eilen, als sie aber Jesses festen Handgriff um ihren Oberarm spürte. „Netter Versuch!“
Der weibliche Star Sheriff funkelte ihn an. „Ach ja? Ich bin zu Tränen gerührt, wie viel ich dir doch bedeute!“
Jesse blickte ertappt aus. „Natürlich liebe ich dich! Aber irgendwie musste ich doch handeln“, erklärte er. Beinahe zärtlich half er April aufzustehen, doch kaum stand sie, warf sie ihr blondes Haar über die Schulter und fauchte: „Klar, doch Jesse!“ Mit viel Wut im Bauch packte sie seinen Arm. Früher, als Jesse noch im Kavallerie Oberkommando in der Ausbildung war, konnte April ihn im Karatekurs nicht über die Schulter werfen. Doch inzwischen war sie stärker geworden und so flog Jesse mit Leichtigkeit über ihre Schulter und landete mit seinem Rücken auf dem harten Grund. Völlig perplex starrte er die junge Frau an, die ihm herzhaft die Zunge rausstreckte und davon rannte. Colt und Saber gaben ihr Feuerschutz.
Begeistert von seiner weiblichen Kollegin, pfiff der Cowboy durch seine Zähne. „Nicht schlecht. Möchtest du deine Kräfte auch mal mit mir messen? Ich wette, mich legst du nicht so schnell auf die Matte!“
„Das werden wir ja sehen!“
Fireball sprang hinter einen Baum hervor. „April, pass auf die Kinder auf!“
Sie rannte zu ihm und nickte. „Danke, Süße!“, antwortete er und stürmte zu seinen Kollegen. Eine wilde Schießerei war im Gange. Die Star Sheriffs in ihrer Alltagskleidung kämpften verbissen gegen die uniformierten Outrider.
Jesse stand auf und ergriff die Flucht. Und war einmal der Kommandant weg, verdrückte sich auch schnell das Fußvolk.
Fireball, Colt und Saber steckten ihre Blaster weg und April kam mit den Kindern aus ihrem Versteck. „Sie sind weg. Das ging gerade noch einmal gut“, erklärte Saber.
„Geht es euch gut?“, hakte Fireball besorgt nach. Er besah jedes einzelne Kind genau um festzustellen, ob es Schrammen oder dergleichen fort getragen hatte, doch alle Vier waren unverletzt. Zu guter Letzt blieb sein Blick an April hängen. Diese hatte mehrere pflaumengroße blaue Flecken an ihren Oberarmen, die sie durch die Gefangenschaft erhalten hatte. Besorgt trat er zu ihr und strich sanft mit seinen Fingerkuppen drüber. „Geht es dir gut?“
April konnte in seinen Augen lesen, wie viel Sorgen er sich um sie machte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und sie nickte. „Es sind nur blaue Flecken!“
Lisa beobachtete die beiden. So wollte sie es zu Hause haben: Mama, Papa und sie als glückliche Familie. „Ich wünschte, du könntest mein Daddy sein“, bemerkte sie verträumt. Fireball drehte sich zu ihr und hob sie auf seinen Arm. So standen sie im Kreis wie eine kleine Familie.
„Wenn ich mal Kinder habe, dann möchte ich eine Tochter. Sie soll genauso hübsch und klug werden, wie du bist“, bemerkte auch April und errötete dabei.
Auch Lisa errötete. So hatte sie sich das immer vorgestellt. Aber eine Entschuldigung sollte noch fällig sein. „Es tut mir leid, dass ich immer geglaubt habe, du würdest dir die Geschichten über die Star Sheriffs ausdenken, um mich bei Laune zu halten. Doch jetzt weiß ich, du erzählst mir spannende Abenteuer, die du selbst erlebt hast!“ Erstaunt beobachtete April ihre zukünftige Tochter.
Nicole trat auf Saber zu und lächelte verlegen. „Mein Vater ist toll und einzigartig, wie du!“ Saber kniete sich zu ihr und schloss das kleine Mädchen in seine Arme. „Und du bist ein kluges und ehrliches Mädchen. Bewahre dir diese Eigenschaften! Deine Eltern sind bestimmt sehr stolz auf dich!“ Nicole wurde rot. Das war ein schönes Lob von ihrem Vater.
Colt kratzte sich ein wenig verlegen am Kopf, denn er stand den beiden Jungen gegenüber mit denen er viel Spaß gehabt hatte. Insgeheim wünschte er sich mit Robin auch zwei kleine Raufbolde wie Jim und Tom.
Auch die Jungs wussten nicht so recht, was sie Colt sagen sollten. „Du bist der tollste Dad der Welt“, bemerkte Tom. „Ja, in der Zukunft sind du und Mom die besten Eltern, die man sich wünschen kann“, ergänzte Jim. Mit diesen Worten sprach er aus, was sich Colt, Saber und April schon insgeheim überlegt hatten, aber keiner wagte auszusprechen. Einzig und allein Fireball wusste schon bescheid. Umso fieser grinste er jetzt Colt an. „Na, das glaub ich sogar. Mit Robin als Mutter und dir als Vater, da muss ja so etwas dabei rauskommen!“
Mit einem Mal wurde er so Rot wie eine Tomate und wiederholte stotternd die Worte, die er soeben gehört, aber nicht ganz glauben konnte. „Robin… u… und… ich?“ Er zog sich seinen Hut schnell ins Gesicht und alle lachten.
Lisa holte ihren Glücksbringer hervor und sah Fireball an. „Siehst du, er hat mir wieder Glück gebracht“, erzählte sie und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, begann er weiß zu leuchten. Alle starrten den kleinen Katzenanhänger an.
„Es ist soweit“, bemerkte Fireball und ließ Lisa auf den Boden. „Ihr könnt wieder nach Hause, in eure Zeit und zu euren Eltern.“
Die Kinder stellten sich zusammen und blickten die Star Sheriffs an. „Dann sehen wir uns gleich wieder“, stellte Nicole fest.
„Wir freuen uns“, gaben Jim und Tom dazu, wie aus einem Mund.
„Ja, das tun wir alle“, antwortete Colt für seine stummen Freunde und beobachtete erstaunt, wie alle Kinder den kleinen weiß glühenden Katzenanhänger berührten.
Keine Minute später waren sie verschwunden und mit ihnen alle Erinnerungen und all das Wissen an die Zukunft. Es war als wären diese Kinder nie wirklich da gewesen.
Nicole und Lisa fanden sich wieder sitzend auf der Bank vor, während Jim und Tom ihnen gegenüberstanden und sie ärgerten. Jemand stellte sich vor die Sonne und warf einen großen Schatten über die Kinder und die Bank. Ängstlich drehten sich die Jungs um, während Lisa und Nicole nur aufsehen mussten. Zu ihrer Erleichterung stand ihr Direktor vor ihnen.
„Was macht ihr hier draußen? Die Pause ist längst zu Ende. Habt ihr den Schulgong nicht gehört?“
„Entschuldigung. Wir düsen, wir flitzen“, antwortete Jim und eilte ins Schulhaus. Auch die restlichen drei Kinder folgten ihm. Der Direktor konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und machte sich ebenfalls weiter auf seinen Rundgang über das Schulgelände.
Sie konnten es kaum erwarten nach Hause zu kommen und sehnten das Ende des Schultags herbei. Und dann war es soweit. Die Kinder packten schnellstens ihre Sachen und wollten nur noch zu ihren Eltern, sie in die Arme schließen und einen schönen Tag mit ihnen verbringen.
Jim und Tom schlugen gleich einen anderen Weg ein, als die Mädchen. Sie freuten sich insgeheim auf ihre Eltern, doch blieben sie nach außen hin ganz ruhig. Langsam näherten sie sich dem kleinen weißen Einfamilienhaus, das einen idyllischen Eindruck machte. Der Vorgarten war gepflegt und überall blühten Blumen in den verschiedensten Farben. Es war das Werk ihrer Mutter, die sich sehr liebevoll um alle Pflanzen kümmerte.
Erwartungsvoll läuteten sie und warteten. Es dauerte keine Sekunde, als die Tür geöffnet wurde und Colt sich vor den Jungs aufbaute. „Howdy, Partner“, begrüßte er seine Söhne und hob sie einzeln nach einander hoch, um sie kräftig durch zu knuddeln. Die beiden ließen ihre Ranzen fallen und wurden prompt von ihrem Vater durchs ganze Haus gejagt. Erst als sich die Tür erneut öffnete und Mrs. Willcox über die Schulranzen stolperte, hatte das Fangspiel ein Ende. „Jim, Tom und Bill Willcox“, rief sie mit strenger Stimme durch das Haus. Prompt kamen alle drei schuldbewusst und mit eingezogenem Kopf zu der blonden Frau. Jim und Tom fielen ihrer Mutter glücklich um die Hüfte. „Wir haben dich soooo vermisst“, sagten die beiden im Chor. Und auch Colt schloss sich dieser Umarmung an und flüsterte ihr ganz zärtlich ins Ohr: „Robin, Schatz, ich hab dich soooo vermisst!“ Die blonde Frau wusste nicht wie ihr geschah, denn so viel Aufmerksamkeit bekam sie selten von ihren drei Männern und dennoch war sie stolz auf ihre Familie.
Nicole und Lisa gingen noch ein wenig den gleichen Weg, bis sie sich in verschiedene Richtungen trennten. „Wir sehen uns morgen!“
„Ja, gleicher Treffpunkt wie jeden Tag“, stimmte Nicole zu und zwinkerte: „Und verschlaf morgen nicht wieder!“
„Bestimmt nicht“, antwortete Lisa und schlug ihren Heimweg ein.
Nicole rannte die letzten Meter zu ihrem Elternhaus. Es war ein schönes Einfamilienhaus mit dunkelbraunen Holzlatten verkleidet. Alles wirkte strukturiert und durchdacht. Das fast schwarzhaarige Mädchen freute sich so sehr ihre Eltern zu sehen. Eilig drückte sie deshalb gleich mehrmals die Klingel. Es dauerte eine Weile bis ihre Mutter zur Tür kam, aber kaum stand sie ihrer Mutter gegenüber, war sie ihr auch schon um den großen, runden Bauch gefallen. Dort spürte sie auch ihr Schwesterchen, dass wohl Fußballspielen wollte, so wie sie trat.
„Was ist denn los, Schatz?“, fragte die schwarzhaarige Frau besorgt, doch Nicole grinste nur. „Ich freu mich dich zu sehen!“
Hinter der Mutter kam ein dreijähriger Bub angestapft, der übers ganze Gesicht strahlte.
„Mathew!“ Nicole löste sich von ihrer Mutter und stürmte ihrem Bruder lachend entgegen. Sie hob ihn hoch und knutschte ihn ab. Mathew gefiel das, denn er quietschte vergnügt.
In diesem Moment trat Nicoles Dad durch die immer noch offen stehende Tür. „Synthia?“, besorgt blickte er seine schwangere Frau an.
„Hallo, Saber“, lächelte sie beruhigend zurück und drückte ihm einen Begrüßungskuss auf die Lippen.
Nach einem überraschten Blick seitens seiner Frau, erklärte er ihr: „Ich habe mir heute für den Rest des Tages frei genommen. Freut ihr euch?“ Liebevoll strich er ihr über den Bauch.
„Und wie wir uns freuen, Daddy“, antwortete Nicole für Synthia. Sie eilte mit ihrem Bruder auf den Arm zu Saber. Dieser nahm ihr Mathew ab, um im nächsten Moment Nicole ebenfalls hochzuheben. Synthia stand Saber gegenüber und strahlte, stolz darüber so eine Familie zu haben.
Lisa näherte sich dem kleinen Einfamilienhaus. Der Vorgarten wirkte ein wenig verwildert, allerdings hatte ihre Mutter allerhand andere Dinge zu tun, als sich auch noch um den kleinen Vorgarten zu kümmern. Sie läutete an der Haustür, froh ihre Mutter wieder in die Arme zu schließen. Doch der Gedanke an ihren Vater, drückte die Stimmung ein wenig. Er würde nicht hier sein und auch nicht kommen. Eine Frau mit langen blonden Haaren öffnete die Tür. Sie war in eine Schürze gekleidet, also hatte sie soeben noch gekocht. Nur für wen? „Hallo, Engel, wie war die Schule?“
„Aufregend“, antwortete Lisa ehrlich, drückte ihre Mutter fest und folgte ihr in die Küche.
„Das ist schön! Was war denn so aufregend?“ Sie war schon wieder mit den verschiedenen Töpfen am hantieren, da diese weiter brodelten.
Lisa biss sich auf die Unterlippe, eine Angewohnheit, die ihre Mutter auch hatte. So, jetzt musste eine Ausrede her. „Wir haben etwas über die Natur gelernt und wie es früher aussah auf den Planeten!“
Es läutete erneut. Lisa blickte erstaunt auf.
„Oh, das ist Daddy. Er kommt heute zum Essen! Öffnest du deinem Großvater bitte die Tür?“
Eilig sprang das Mädchen auf und stürmte zur Tür. „Grandpa!“ Das blonde Mädchen fiel einem älteren Mann, mit graubraunem Haar, um den Hals.
„Hallo, mein Engel, hast du schon Schule aus?“
Munter nickte Lisa zur Antwort. Ihr Großvater stand wieder auf und die blonde Frau erschien kurz im Flur. „Hi, Daddy, ich bin in der Küche.“ Schon war sie wieder weg.
„April, ich hab aber noch jemanden mitgebracht. Ich hoffe das ist okay!“ Lisas Opa trat auf die Seite und gab den Blick auf einen Mann frei, der sich kaum in den letzten Jahren verändert hatte. Seine Koffer hatte er auf den Boden abgestellt und grinste das kleine Mädchen an. „Daddy!“, flüsterte sie überrascht und fiel ihm um den Hals. Tränen stiegen in ihr auf.
„Hey, meine Kleine, hast du mich vermisst?“
„Ganz doll“, schluchzte sie, denn die vielen Tränen konnte sie nicht mehr zurückhalten.
Aprils Dad schnappte sich die Koffer und trug sie schon mal ins Haus. Anschließend trat er in die Küche, um seiner Tochter über die Schulter zu schauen. „Sieht ganz gut aus“, stellte er mit Kennerblick fest. Die Blondine schmunzelte. „Wo ist Lisa?“
Ihr Vater grinste übers ganze Gesicht, doch kein Wort verließ seine Lippen. April blickte ihn nur irritiert an: „Und wo ist unser Besucher?“
Lisa, getragen von ihrem Vater, tauchte in der Küche auf. „Hier ist er, Mommy, und ich lass ihn nicht mehr los!“
April drehte sich um und blickte fassungslos zwischen ihrem Vater und Fireball hin und her.
„Hattest du nicht gesagt, dass du ihn zwei Wochen auf Geschäftsreise geschickt hast?“
„Ja“, nickte ihr Vater. „Aber Shinji hat alles so schnell für mich erledigt, dass er schon nach einer Woche zurück kommen konnte.“
„Geschäftsreise?“ Lisa stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
„Ja, aber sag mal, hast du mich wirklich so doll vermisst?“, hakte der braunhaarige Mann bei seiner Tochter neugierig nach.
Ehe Lisa antworten konnte, sprach April: „Engel, Daddy, war doch nur eine Woche weg. So groß kannst du ihn doch gar nicht vermisst haben!“
„Doch, hab ich“, bockte Lisa.
„Ich hab dich auch ganz doll vermisst. Nur deswegen hab ich alle Aufgaben, die mir dein Großvater gegeben hatte, auch so schnell erledigt.“ Fireball schien es nicht vergessen zu haben, sein Strahlen in den Augen ließ Lisa erkennen, dass sich alles geändert hatte. Er hatte seine Rennkarriere an den Nagel gehängt und arbeitete als rechte Hand von Commander Eagle, der nach wie vor Chef im KOK war. „Und weißt du wen ich noch ganz doll vermisst hab?“ Der Japaner setzte Lisa ab und wandte sich seiner über alles geliebten Frau zu, schloss sie in seine Arme und wollte sie nie wieder los lassen, bis Eagle vermerken ließ: „Das Essen brennt an!“
April drehte sich erschrocken von Fireball weg, der sie von hinten umarmte und sich fest an sie drückte. „Dein alter Herr kann anstrengend sein! Und dennoch bin ich froh mich für das KOK entschieden zu haben. Ich geb’ dich nie wieder her, April Eagle! Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch, Fire“, flüsterte sie glücklich zurück.
Eagle hatte seine Enkeltochter hochgehoben und brummte milde lächelnd. „Ich habe alles gehört, Shinji Hikari, aber ich werde es dir noch einmal durchgehen lassen.“ Ein herzhaftes Lachen drang durch den Raum und Lisa beobachtete glücklich ihre Eltern. Sie liebte ihre Familie. Sie liebte ihre Mutter, ihren Großvater und ihren Vater.
ENDE