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Die Macht der Elemente

von GinaRayne
Kurzbeschreibung
GeschichteMystery / P12 / Gen
Catherine Corrigan Derek Rayne Philip Callahan Rachel Corrigan Reed Horton
30.05.2010
15.01.2012
1
1.909
 
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30.05.2010 1.909
 
Diese Geschichte spielt ungefähr ein halbes Jahr bevor Reed Horton, Mitglied des Legats von San Francisco, das Legat für immer verlässt.

Eine Person meiner Story muss ich näher erklären:

Gina Rayne: Gina ist meine eigene Erfindung. Sie ist die 18-jährige, uneheliche Tochter des Präzeptors Derek Rayne. Sie ist das Ergebnis eines One-Night-Stands Dereks mit seiner damaligen Freundin, die kurz danach von einem Dämon getötet wurde. Derek wusste nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt von ihm schwanger war. Gina kam auf der anderen Seite, sprich im Reich der Dämonen, zur Welt und ist deshalb ein Halbdämon. Ihre Mutter sorgte dafür, dass sie auf die Erde zurückkam und hier von einer Freundin ihrer Mutter als deren Kind aufgezogen wurde. Sie hat dämonische Kräfte, die sie aber nie einsetzt; hat Visionen und außerdem die Fähigkeit, mit ihren Händen zu heilen. Seit einem Jahr studiert sie an der San Francisco University Medizin.


Die Macht der Elemente


Regen! Schon wieder!
Aber gut, was wollte man schon erwarten von einem Tag im November? Dennoch wanderte Ginas Blick fast sehnsüchtig zu dem Foto über ihrem Bett, das sie, ihre Mutter und ihren Bruder bei ihrem letzten Urlaub im Sommer zeigte – zumindest hatte sie zu dem Zeitpunkt noch gedacht, dass es ihre Mutter und ihr Bruder seien. Mittlerweile wusste sie es besser. Trotzdem motivierte das Foto sie immer wieder dazu, ihre Arbeit fortzusetzen, wenn sie aufgeben wollte – sowohl ihre Arbeit für die Uni als auch die für das Legat, ihre neue Familie und die Hauptaufgabe ihres Lebens.
Sie hatte sich noch nicht wieder richtig ihren Aufzeichnungen zugewendet, da wurde sie erneut abgelenkt.
„Gina?!“ drang die Stimme ihres Vaters Derek an ihr Ohr. „Kannst du bitte mal runterkommen? Wir bekommen Besuch.“
Gina ließ den Stift sinken. Besuch? Samstagmorgen halb sieben? Das konnte nur entweder ein Scherz oder ein Irrtum sein. Sie überlegte noch, ob es sich lohnte dafür ihre Arbeit zu unterbrechen, da rief Derek erneut nach ihr, diesmal drängender. „Gina, bitte beeil dich! Ich fürchte, wir brauchen deine Hilfe!“
Wenn Derek sagte, sie brauchten ihre Hilfe, dann war in den meisten Fällen medizinische Hilfe gemeint, und dann musste es tatsächlich wichtig sein. Derek war schon zu lange Präzeptor, also Leiter des Legats, um unnötige Panik zu verursachen. Er konnte genau unterscheiden, ob ein Notfall vorlag oder nicht, und wenn er eine Situation als solchen einstufte, tat man gut daran, dieser Einschätzung zu glauben.
Gina ließ alles stehen und liegen und lief hinunter.
Derek erwartete sie bereits am Fuß der Treppe. „Ich glaube, ich muss mich korrigieren“, empfing er seine Tochter. „Du bekommst Besuch.“
Jetzt war Gina völlig verwirrt. Sie warf ihm einen irritierten Blick zu und öffnete die Eingangstür.
Im nächsten Moment glaubte sie einen Herzinfarkt zu bekommen. „Oh mein Gott, Philip!“ stieß sie hervor.
Philip Callahan war katholischer Priester und schon seit langer Zeit Mitglied des Legats. Gina und er kannten sich schon lange, aber so, wie er jetzt vor der Tür stand, hatte sie ihn noch nie gesehen. Seine Kleidung war total durchnässt, zerrissen und blutverschmiert, darunter wurden zahlreiche Schnitt- und Risswunden sichtbar. Zwei Finger seiner rechten Hand waren stark angeschwollen und blau verfärbt, also mit Sicherheit gebrochen. Er wirkte völlig erschöpft, zitterte am ganzen Leib und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können.
„Gina“, brachte er mit zitternder Stimme heraus. „Gina, ich…“
Energisch hob die junge Frau eine Hand. „Komm erstmal rein! Dann können wir über alles reden.“ Sie streckte die Hand aus, ergriff ihn am Arm und zog ihn mit sanfter Gewalt in den Flur.
Ohne Widerstand ließ Philip sich von ihr ins Wohnzimmer führen und dort auf die Couch fallen.
Gina und Derek, den der junge Mann bis hierher vollkommen ignoriert hatte, setzten sich ihm gegenüber.
„Philip, was ist denn passiert?“ fragte Gina drängend.
Der junge Mann zwang sich sie anzusehen, obwohl man ihm anmerkte, dass er es lieber nicht getan hätte, und öffnete den Mund, um ihre Frage zu beantworten. Aber es gelang ihm nicht. Bei der Erinnerung daran, was ihn hierher geführt hatte, verlor er seine mühsam bewahrte Fassung, konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzte ohne Vorwarnung auf.
Dass er so plötzlich in Tränen ausbrach, erschreckte Gina mehr als sein Anblick kurz vorher vor der Tür. Sie hatte ihn noch nie zuvor weinen sehen, denn obwohl der junge Priester ein sehr sensibler Mensch war, war er doch immer erstaunlich stark. Leise schob sie sich neben ihn auf die Couch und legte ihm beruhigend den Arm um die Schultern, bemüht sich von ihrem Schreck über seinen Gefühlsausbruch nichts anmerken zu lassen. Er lehnte den Kopf an ihre Schulter, und sie begann ihn behutsam zu streicheln. Weder sie noch Derek versuchten ihn zu unterbrechen. Sie wussten beide, dass die Tränen ihm helfen würden über das, was er erlebt hatte, hinweg zu kommen. Irgendwann würde er mit ihnen darüber sprechen können.
Es dauerte einige Zeit, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
Gina ließ ihn los, als sie merkte, dass er seine Fassung wieder gefunden hatte, glitt von der Couch herunter und ging davor in die Knie, um seine Verletzungen zu untersuchen. „Zieh dein Hemd aus und die Hose“, bat sie leise. „So kann ich deine Wunden nicht versorgen.“
Wortlos kam der junge Priester der Bitte nach, nur die rechte Hand zog er nicht aus dem Hemdsärmel heraus. Er hatte heftige Schmerzen.
Geschickt und sehr behutsam untersuchte Gina die vielen kleinen Wunden an seinen Beinen und seinem Oberkörper. Dann holte sie ihre Tasche, ein Tuch und etwas Wasser, säuberte die Verletzungen vorsichtig und desinfizierte sie. Dabei merkte sie, dass der junge Mann stark zitterte. „Frierst du?“ fragte sie leise.
Er nickte schwach.
„Wenn ich deine Wunden versorgt habe, mache ich dir ein Bad zurecht und besorg dir vor allem trockene Kleidung“, meinte sie. „Dann kannst du dich aufwärmen.“
Ein dankbarer Blick traf sie. Ihr fiel auf, wie müde seine Augen wirkten. Hat er überhaupt nicht geschlafen? fragte sie sich, aber sie stellte die Frage nicht laut. Er sollte nicht noch einmal die Fassung verlieren. Und außerdem konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sie jetzt zum ersten Mal an diesem Tag richtig wahrgenommen hatte.
Nachdem sie die vielen kleinen Risse und Schnitte in seiner Haut behandelt hatte, wandte sie sich seiner Hand zu, die offensichtlich das größere Problem darstellte. Die Versorgung der beiden gebrochenen Finger erwies sich allerdings als gar nicht so einfach, denn Philip zuckte jedes Mal zurück, wenn Gina die Hand berührte. Auch wenn er keinen Laut von sich gab, wusste sie, dass er starke Schmerzen haben musste. Also verabreichte sie ihm zuerst ein lokales Anästhetikum, das die Schmerzen weitgehend betäubte und ihr erlaubte, die Finger zu schienen und zu verbinden, bis er sie nicht mehr bewegen konnte. Dennoch sah sie, dass er bleich geworden war, als sie nach der Behandlung in sein Gesicht aufschaute. Sie setzte sich neben ihn und nahm ihn erneut in den Arm. Die Umarmung tat ihm gut, das merkte sie, aber sie spürte auch, dass seine Haut eiskalt und regelrecht klamm war von der feuchten Kälte, die ihn offenbar die ganze Nacht umgeben hatte. Seine Kleidung war noch immer ganz nass. Ruckartig stand Gina auf und eilte aus dem Zimmer.
Derek hatte die ganze Prozedur schweigend und ohne sich einzumischen verfolgt. Er wusste, dass er seine Tochter mehr gestört als ihr geholfen hätte. Innerlich aber schüttelte er immer wieder den Kopf über das intensive Verhältnis, das Gina und der junge Priester zueinander hatten – und das, obwohl es am Anfang gar nicht danach ausgesehen hatte, als würden sich die beiden überhaupt jemals verstehen. Und heute kam Philip nur noch wegen Gina ins Legat. Sie war es, die er anrief, wenn er zu einem Problem keine Lösung fand, sie bat er um Hilfe, wenn er allein keinen Erfolg bei etwas hatte, zu ihr kam er, wenn es ihm nicht gut ging.
Schweigend beobachtete der Präzeptor den Priester.
Philip fror. Immer wieder liefen Kälteschauer über seinen Körper, aber um sich wieder anzukleiden, fehlte ihm die Kraft. Zudem hätte er dafür beide Hände gebraucht, und das brachte er nicht über sich. Seine rechte Hand lag auf seinem Schoß, und obgleich Gina ihm ein Betäubungsmittel gespritzt hatte, tat jede unbedachte Bewegung der Hand weh. Aus diesem Grund saß er schon, seit Gina den Raum verlassen hatte, nahezu regungslos, mit gesenktem Kopf und dem Wunsch, allein zu sein und sich vor allen anderen verstecken zu können. Seine Gedanken kreisten um die letzte Nacht. Er war froh, dass Gina nicht darauf bestanden hatte, dass er ihr erzählte, was geschehen war. Die Angst, die die Erinnerung in ihm wachrief, war ebenso schlimm wie die Angst, die er in der Nacht ausgestanden hatte. Er fühlte sich so ausgeliefert wie noch nie zuvor. Wenigstens respektierte Derek, den er natürlich bemerkt hatte, dass er mit niemandem reden wollte.
Als Gina wieder in den Raum kam, hob Philip den Kopf. Aber im Grunde sah er sie überhaupt nicht. Er stand noch zu sehr unter Schock, und dieser Zustand führte dazu, dass er fast nichts von dem, was um ihn herum vorging, wirklich wahrnahm. Erst als ihm die junge Frau behutsam die Hand auf die Schulter legte, schreckte er aus seiner Lethargie hoch.
„Komm!“ flüsterte Gina. „Ich hab dir ein Bad zurechtgemacht und andere Kleidung hingelegt. Du musst dich wieder aufwärmen.“
Mit zitternden Knien erhob er sich und folgte ihr wortlos auf den Flur.
Mit gerunzelter Stirn sah Derek den beiden nach.
Gina führte Philip ins Badezimmer und wollte ihn dort allein lassen. Als sie aber seinen beunruhigten Blick bemerkte, kam sie ihm ein Stück entgegen und sagte: „Keine Angst, hier kann dir nichts passieren. Du bist hier sicher, glaub mir. Aber wenn etwas sein sollte – ich bin im Wohnzimmer, du kannst mich rufen. Ich höre dich, verlass dich darauf.“
Er nickte zögernd und wieder ohne ein Wort. Dann zog er die Badtür hinter sich zu, mit einer Geste, die deutlich machte, dass ihm das gar nicht wirklich gefiel.
Gina kehrte zu ihrem Vater zurück und setzte sich seufzend ihm gegenüber auf die Couch.
Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte Derek unvermittelt: „Was würde Philip machen, wenn er dich nicht hätte.“
Gina lächelte schwach. „Er tut mir leid.“
„Hat er dir irgendwas gesagt?“
„Nein. Er hat die ganze Zeit über kein Wort gesagt. Und das macht mir Sorgen, wenn ich ehrlich sein soll. So kenne ich Philip gar nicht.“
„Er wird früher oder später mit dir reden, Gina, da bin ich mir sicher. Er ist hier, weil er dir vertraut und weil er deine Hilfe will, also wird er dir auch sagen, was passiert ist.“ Plötzlich lächelte Derek: „Wenn du dir Sorgen um ihn machst, behandelst du ihn, als wäre er dein eigenes Kind, weißt du das?“
Gina schwieg.
„Nein, ich will dich nicht aufziehen“, beruhigte ihr Vater, der ihr Schweigen genau richtig deutete. „Ich meine das nicht böse. Es gefällt Philip, wie du dich um ihn kümmerst, sonst käme er nicht immer zu dir, wenn er ein Problem hat.“
Gina seufzte erneut. „Ich hoffe nur, ich kann ihm auch diesmal helfen. Er steht gewaltig unter Schock. Ich habe ihn noch nie so fertig erlebt.“ Sie schüttelte nachdenklich den Kopf: „Was ist bloß letzte Nacht passiert?“
Derek beugte sich vor und ergriff die Hände seiner Tochter. „Wir werden es erfahren, Gina. Und wir werden Philip helfen es zu verarbeiten – was immer es auch war.“ Er lehnte sich zurück und holte tief Luft. „Aber so fertig wie vorhin habe ich ihn auch noch nie erlebt“, fügte er leise hinzu.
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