Almost Forgotten Memories
Kurzbeschreibung
V ist überraschenderweise zu Evey zurückgekehrt und erzählt ihr wie er überlebt hat. Von da an lebt Evey mit ihm zusammen in der Schattengallerie. Eines Tages hat Evey einen Traum, den sie erst nicht einordnen kann und der sie an ihre Kindheit denken lässt. Nach diesem Traum ist nichts mehr wie es vorher war, denn schließlich scheint Evey auf einer heißen Spur zu sein. Sie scheint V doch schon länger zu kennen, als sie anfangs dachte.... doch wie nimmt V das auf? Eine Mischung aus Drama und Romanze.... V and Evey ONLY :)
GeschichteMystery, Romance / P12 / Het
Evey Hammond
V
10.04.2010
26.04.2010
7
13.440
2
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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10.04.2010
2.281
Die ganze Wahrheit
Evey schlief unruhig die restliche Nacht, was ja auch kein Wunder war bei den vielen Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten. Noch immer konnte sie kaum glauben, was sie herausgefunden hatte und dass das alles wahr sein sollte. Sie hatte nicht den entsprechenden Mut aufgebracht V von ihrem Traum und ihren Vermutungen zu erzählen, aber sie wusste, dass sie das nicht ewig aufschieben konnte.
Nach über einer Stunde intensiven Hin- und Herüberlegens schlief Evey schließlich doch ein und als sie am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie einen Entschluss gefasst.
Nachdem Evey sich geduscht hatte, in ihr hellblaues Satinkleid eingekleidet hatte und anschließend ihre Perücke im Spiegel zurechtrückte- die ihr im übrigen V persönlich geschenkt hatte, um sein Unheil ein klein wenig wieder gut zu machen- machte sie sich auf den Weg zur Küche. Sie wusste, dass V dort bereits mit dem Frühstück auf sie wartete. Noch einmal fuhr sie nervös über ihre- jetzt glatten hellbraunen Haare, bevor sie den Raum betrat, in dem V schon am Herd stand und ihr Lieblingsfrühstück vorbereitete. Ihr entwischte ein kleines Lächeln, als sie ihn mit seiner Blümchenschürze sah. Das Bild V, “die Killermaschine” in einer Schürze für Hausfrauen zu sehen, kam ihr jedes Mal so paradox vor, dass sie innerlich nicht anders konnte als zu schmunzeln. Aber sie rief sich in Erinnerung, dass sie ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen hatte.
“Guten Morgen, Evey.”, begrüßte er sie. Evey stand noch immer in der Tür und versuchte ein Lächeln aufzusetzen, doch sie hatte das Gefühl, dass es etwas gekünstelt aussah. “Ein schöner Tag heute, nicht?”
Evey runzelte die Stirn. Was zum Teufel meinte er?
“Nun…”, begann sie zögerlich.
“Setz dich!”, bot er mit einer schwenkenden Handbewegung an, doch Evey rührte sich nicht. V starrte sie geschlagene zehn Sekunden lang an.
“Hast du keinen Hunger?”, fragte er.
“Doch. “, behauptete Evey, auch wenn es nicht stimmte. “Es ist nur…”
Weiter kam sie nicht.
“Bitte setz dich doch.”, forderte V sie erneut auf.
Evey nahm etwas unruhig auf ihrem Stuhl Platz, während V ihr einen Teller mit Toast vor die Nase stellte. Doch sie rührte es nicht an.
“Möchtest du mir vielleicht irgendetwas sagen?”
V setzte sich neben sie als er diese Frage stellte und blickte sie- so kam es Evey zumindest vor- mit einem erwartungsvollen Blick an.
Evey faltete ihre Hände nervös auf dem Tisch zusammen und betrachtete sie.
“Ich hatte heute Nacht einen Traum.”, sagte sie schließlich.
Jetzt war es raus, dachte Evey. Jetzt gab es kein zurück mehr.
V nickte nur und wartete, dass sie fortfuhr.
Evey lachte kurz auf, als sie weiter sprach:
“Nun, eigentlich war es ein ziemlich verrückter Traum.”, sagte sie und schüttelte etwas ungläubig den Kopf.
“Bei abstrusen und wirren Träumen ist Gefahr im Verzug.”, zitierte V und klang dabei merkwürdigerweise gut gelaunt.
Evey blinzelte mehrmals. Dann musste sie jedoch grinsen.
“Bist du jetzt unter die Traumdeuter gegangen, V?”
“Ich versuche nur dir zu helfen.”, antwortete er ruhig mit einer seiner typischen Handbewegungen. “Möchtest du mir von dem Traum erzählen?”
Evey nickte zaghaft.
“Aber ich glaube vorher musst du noch einiges wissen. Einiges… über meine Vergangenheit, meine ich.”
Sie musste plötzlich wieder an den Moment denken, als sie V zum ersten Mal von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und ihm anschließend ihre Hilfe angeboten hatte, nur um aus der Schattengallerie zu entkommen. Wahrscheinlich war auch V das aufgefallen, denn Evey sah wie seine Hände sich plötzlich verkrampften, fast so als hätte er Angst, sie würde wieder flüchten. Es sah so aus, als hätte er sie am liebten festgehalten… wie er es schon zuvor in ihrem Traum getan hatte. Wie um ihm zu sagen, dass das nicht passieren würde, legte sie vorsichtig ihre Hand auf seine und strich behutsam darüber. Das schien ihn immerhin ein Wenig zu beruhigen.
Als sie zu erzählen begann, zog sie ihre Hand jedoch wieder zurück, denn sie wusste, dass sie sich so nicht auf das Wesentliche konzentrieren könnte:
“Ich hab dir ja schon mal gesagt, dass meine Eltern anfingen sich politisch zu engagieren, kurz nachdem mein Bruder verstorben war.” Evey sah wie V nickte. “Sie sind einer geheimen Organisation beigetreten, wo andere Leute in ähnlicher Situation ebenfalls gegen das politische Regime ankämpften …oder es zumindest versuchten. Dort schlossen sie enge Freundschaften zu anderen Mitgliedern. Sie trafen sich auch oft bei uns zu Hause. Ich erinnere mich noch, wie ich immer aus dem Wohnzimmer geschickt wurde, wenn ein solches Treffen stattfand.”
Evey merkte an Vs Regungslosigkeit, dass er sich anscheinend gerade fragte, wo diese Geschichte hinführen würde. Dennoch unterbrach er sie nicht und ließ sie weiterreden:
“Eines Tages dann haben sie entschieden, dass es für mich das beste wäre, wenn auch sie mich mit ihren Ideologien vertraut machen, damit ich nicht wie alle anderen Kinder auf die falsche Bahn gerade… mich manipulieren lasse, denn auch das Schulsystem war ja auf die neue Regierung angepasst worden und Literatur wie Shakespeare war dort etwas verbotenes. Es gab so viele gute Schriftsteller, die plötzlich auf der schwarzen Liste standen, nicht mehr gelesen werden durften. Wenn man solche Literatur bei jemanden fand, dann wurde sie ohne zu Zögern verbrannt und die Besitzer der Bücher festgenommen. Meine Mum wollte jedoch, dass ich das lernte, was zu ihrer Zeit in der Schule gelehrt wurde: Shakespeare, Faust, Das Tagebuch der Anne Frank… all die Sachen, die Geschichte gemacht haben. Sie war selbst Deutsch- und Geschichtslehrerin und wollte deshalb für mich auch die bestmögliche Ausbildung in dieser Hinsicht. Leider war sie in ihrem Job selbst so beschäftigt, dass sie keine Zeit hatte mich zu unterrichten, ebenso wenig wie mein Dad, der seinem Beruf als Schriftsteller immer eifrig nachgegangen war, gerade in Zeiten wie diesen.”
Evey machte eine kurze Pause, um ihre Worte wirken zu lassen, doch V rührte sich noch immer nicht. Nebenbei biss sie immer in ihr Toast.
“Also dachte Mum darüber nach mir von jemanden anderem Privatunterricht geben zu lassen. “, fuhr Evey fort.
“Jemand, der ebenso an Literatur und Geschichte interessiert war, wie sie selbst und jemand, der ihre politischen Sichtweisen teilte. Wie es der Zufall wollte, gab es in ihrer Organisation ein Ehepaar, dessen Sohn ein ungemeines Interesse darin hegte Literatur und Kunstwerke zu ergattern, für die die Regierung ihn wahrscheinlich am liebsten mit dem Tod bestraft hätte, wenn sie davon erfuhr. Es stellte sich sogar heraus, dass er ein ehemaliger Schüler von meiner Mum gewesen war. Daher wusste sie, dass man sich auf ihn verlassen konnte und er ebenso intelligent wie vernünftig war. Zudem war ein richtiger Shakespeare- Fanatiker: Etwas, das meine Mum noch mehr an ihm schätzte.”
Evey hörte wie V hinter seiner Maske lächelte.
“Und nachdem meine Mum ihn gefragt hatte, erklärte er sich gerne bereit dafür mich unverbindlich zu unterrichten. Und so kam es, dass er regelmäßig zu uns kam und er nicht nur eine Art Lehrer für mich wurde, sondern auch ein guter Freund. Er war zwar ungefähr 10 Jahre älter als ich- ich war zu dem Zeitpunkt 9 Jahre alt-”, fügte sie schnell hinzu. “aber dennoch war unsere Freundschaft etwas besonderes. Abends vorm Schlafengehen hat er mir manchmal noch vorgelesen und gewartet bis ich eingeschlafen war. Ich weiß noch, wie er mir jedes Mal über den Kopf gestrichen hat, wenn er dachte, dass ich schlief und mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt hat, fast so als wäre er mein großer Bruder… Du fragst dich sicher, was das alles mit meinem Traum zu tun hat. Aber Geduld.”, sagte sie lächelnd.
“ Eines Tages als er wieder bei uns vorbeikommen wollte, kam er nicht.” Eveys Lächeln erstarb plötzlich, als sie das sagte. Sie schüttelte mit dem Kopf. “Er kam nicht.”, wiederholte sie tonlos. “Dabei war das gar nicht seine Art. Er war immer pünktlich. Er war bisher immer zum Unterricht erschienen. Ich erinnere mich noch, wie meine Mum panisch bei seinen Eltern anriefen. Auch sie waren total verzweifelt. Sie hatten ebenfalls nichts von ihm gehört. Wir rechneten alle mit dem Schlimmsten. Und als er sich die nächsten drei Tage noch immer nicht gemeldet hatte, wussten wir, dass er nicht mehr zurückkommen würde. Seine Wohnung blieb leer und seine Eltern waren sich sicher, dass er bereits in Larkhill war und dass sie dahintergekommen waren, was er hinter dem Rücken der Regierung trieb. Doch normalerweise erhielten die Familienmitglieder immer eine Nachricht, wenn das der Fall war und seine Eltern bereiteten sich schon darauf vor ebenfalls von den Fingermännern gefasst zu werden, doch sie bekamen nie eine Nachricht von ihm. Er war wie von Erdboden verschluckt. Und da er für mich wie ein guter Freund und ein Bruder gewesen war, war auch ich am Boden zerstört. Ich weinte und ich weiß noch, dass ich von da an Angst um meine Eltern hatte. Ich hatte Angst, dass mit ihnen das gleiche passieren würde. Und nicht lange danach wurde meine Angst Wirklichkeit…”
An dieser Stelle erstarb Eveys Stimme und ihr Blick war auf den leeren Teller vor ihr gerichtet. Sie war fast den Tränen nah, aber sie unterdrückte den Drang zu weinen. Vor V wollte sie stark sein. Schließlich war sie auch noch nicht fertig damit ihm alles zu erzählen. Ob ihm die Geschichte bekannt vorkam? Da Evey sein Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, konnte sie das nur erraten.
“Das tut mir Leid, Evey.”
Er senkte den Kopf, als er das sagte.
“Ja… den Rest kennst du ja.”, flüsterte sie. Sie holte noch einmal tief Luft, bevor Evey erneut zu sprechen begann: “In meinem Traum… da hab ich ihn wiedergesehen. Er stand vor mir und sah genauso aus wie damals.”
Evey holte plötzlich das Foto hervor, das sie heute Nach gefunden hatte und reichte es V. Er betrachtete es kommentarlos.
“Das war bei einem Ausflug nach Oxford im Jahr 1999.”, erklärte Evey kurz. “In meinem Traum sagte er mir, dass er sich freue mich wiederzusehen und ich der Grund wäre, warum er wieder zurückgekommen wäre.” Eveys Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie daran dachte. “Und dann… dann hat er mich in die Arme genommen.”
Von ihrem kribbelnden Gefühl in ihrem Bauch erzählte sie bewusst nichts.
“Ich hab ihn gefragt, wo er war , aber er erzählte mir nur irgendetwas von einem Feuer, das erst geduldet- Flüsse nicht mehr löschen oder so.” Evey konnte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern.
“Leicht wird ein kleines Feuer ausgetreten, das- erst geduldet- Flüsse nicht mehr löschen.”, hörte sie V tonlos sagen und Evey blickte überrascht auf.
“Ja, woher weißt du das?”, fragte sie vollkommen perplex.
“Das ist ein Zitat aus dem Stück ‘Henry the Sixth’ von Shakespeare. Müsstest du das nicht wissen?”, fragte er mit einem leicht amüsierten Ton in der Stimme.
“Ähm… nun.. an das Stück erinnere ich mich nur vage.”, gab sie ehrlich zu.
“Unser Unterbewusstsein vermag sich stets an mehr zu erinnern, als unser Bewusstsein... Ist denn noch mehr passiert?”, fragte V nun beinahe neugierig.
“Ja… ähm.” Sie zögerte kurz. “Das ist wohl der merkwürdigste Teil des Traums. Als ich zu ihm aufblickte… da…. hat sein Gesicht sich verändert.”
“Sein Gesicht?”, wiederholte V leicht ungläubig.
Evey nickte und starrte wieder auf sie Tischplatte vor ihr.
“Es hat sich in dein Gesicht verwandelt. Na ja, also in das von Guy Fawkes um genau zu sein.”
V schwieg eine geschlagene halbe Minute, ehe Evey aufsah und merkte, dass seine Hände sich wieder verkrampft hatten. Sie waren jetzt zu Fäusten geballt und Evey sah außerdem, dass sie leicht zitterten. Zu gern würde sie wissen, was in seinem Kopf vorging. Da er jedoch nichts sagte, entschied Evey weiterzureden.
“Aber… das seltsame war…. seine Stimme blieb gleich. Also besser gesagt er hat mit deiner Stimme gesprochen. Anfangs ist mir das nicht aufgefallen, aber dann…” Aus irgendeinem Grund wurde Evey heiser als sie sprach. Sie fragte sich, ob V bereits wusste, worauf sie hinauswollte. Einen letzten Hinweis würde sie ihm noch geben, aber aussprechen konnte sie ihren Verdacht nicht. Sie konnte es einfach nicht.
“Dreh das Foto herum!”, forderte sie ihn im Flüsterton auf und mied es dabei ihn anzusehen. Mit zitternden Händen tat er was Evey sagte und starrte gebannt auf das Wort und die Jahreszahl, die hinten in seiner eigenen sauberen Handschrift vermerkt war: Sommer 1999.”
Vs Finger krampften sich um das Foto. Dann murmelte er etwas unverständliches vor sich hin, das wie “Nein” klang, aber sicher war sie sich nicht. Evey presste ihre Lippen fest aufeinander, wie sie es immer tat, wenn die unsicher war. Schließlich ging alles so schnell, dass Evey dem Szenario kaum folgen konnte. V legte das Foto zurück auf den Tisch, erhob sich, machte kehrt und stürmte hinaus aus der Küche, während Evey ihm anfangs nur schweigend hinterher starren konnte. Erst jetzt fragte sie sich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, ihm von ihrem Traum zu erzählen, doch sie wusste, dass es jetzt nicht mehr rückgängig zu machen war. Ohne lange darüber nachzudenken lief sie V hinterher, doch er war bereits in seinem Zimmer und hatte die Tür verriegelt.
“Vauuuuu”, rief sie verzweifelt und hämmerte an die schwere Holztür. “V, bitte. Mach auf!”
Keine Antwort.
“Bitte lass uns darüber reden.”, bat sie drängend und legte ihre Stirn an die Tür, während sie mit den Händen noch immer versuchte auf das Holz zu klopfen. “Du kannst nicht immer versuchen mit allem alleine klar zu kommen. Es hilft, wenn man sich alles von der Seele reden kann, glaub mir. Ich hab es auch gerade getan, weil ich dir das nicht verschweigen wollte. V, bitte!”, jammerte sie erneut.
Wieder hörte sie nichts als Stille, dann schließlich, ohne Vorahnung, klickte das Schloss und die Tür öffnete sich.
“V, Gott sei Dank”, kam es ihr erleichtert von den Lippen.
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Nein, das war nicht das letzte Kapitel. Ich denke 2 oder 3 Kapitel könnt ihr schon noch erwarten :))
Reviews sind immer gern gesehen^^
Evey schlief unruhig die restliche Nacht, was ja auch kein Wunder war bei den vielen Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten. Noch immer konnte sie kaum glauben, was sie herausgefunden hatte und dass das alles wahr sein sollte. Sie hatte nicht den entsprechenden Mut aufgebracht V von ihrem Traum und ihren Vermutungen zu erzählen, aber sie wusste, dass sie das nicht ewig aufschieben konnte.
Nach über einer Stunde intensiven Hin- und Herüberlegens schlief Evey schließlich doch ein und als sie am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie einen Entschluss gefasst.
Nachdem Evey sich geduscht hatte, in ihr hellblaues Satinkleid eingekleidet hatte und anschließend ihre Perücke im Spiegel zurechtrückte- die ihr im übrigen V persönlich geschenkt hatte, um sein Unheil ein klein wenig wieder gut zu machen- machte sie sich auf den Weg zur Küche. Sie wusste, dass V dort bereits mit dem Frühstück auf sie wartete. Noch einmal fuhr sie nervös über ihre- jetzt glatten hellbraunen Haare, bevor sie den Raum betrat, in dem V schon am Herd stand und ihr Lieblingsfrühstück vorbereitete. Ihr entwischte ein kleines Lächeln, als sie ihn mit seiner Blümchenschürze sah. Das Bild V, “die Killermaschine” in einer Schürze für Hausfrauen zu sehen, kam ihr jedes Mal so paradox vor, dass sie innerlich nicht anders konnte als zu schmunzeln. Aber sie rief sich in Erinnerung, dass sie ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen hatte.
“Guten Morgen, Evey.”, begrüßte er sie. Evey stand noch immer in der Tür und versuchte ein Lächeln aufzusetzen, doch sie hatte das Gefühl, dass es etwas gekünstelt aussah. “Ein schöner Tag heute, nicht?”
Evey runzelte die Stirn. Was zum Teufel meinte er?
“Nun…”, begann sie zögerlich.
“Setz dich!”, bot er mit einer schwenkenden Handbewegung an, doch Evey rührte sich nicht. V starrte sie geschlagene zehn Sekunden lang an.
“Hast du keinen Hunger?”, fragte er.
“Doch. “, behauptete Evey, auch wenn es nicht stimmte. “Es ist nur…”
Weiter kam sie nicht.
“Bitte setz dich doch.”, forderte V sie erneut auf.
Evey nahm etwas unruhig auf ihrem Stuhl Platz, während V ihr einen Teller mit Toast vor die Nase stellte. Doch sie rührte es nicht an.
“Möchtest du mir vielleicht irgendetwas sagen?”
V setzte sich neben sie als er diese Frage stellte und blickte sie- so kam es Evey zumindest vor- mit einem erwartungsvollen Blick an.
Evey faltete ihre Hände nervös auf dem Tisch zusammen und betrachtete sie.
“Ich hatte heute Nacht einen Traum.”, sagte sie schließlich.
Jetzt war es raus, dachte Evey. Jetzt gab es kein zurück mehr.
V nickte nur und wartete, dass sie fortfuhr.
Evey lachte kurz auf, als sie weiter sprach:
“Nun, eigentlich war es ein ziemlich verrückter Traum.”, sagte sie und schüttelte etwas ungläubig den Kopf.
“Bei abstrusen und wirren Träumen ist Gefahr im Verzug.”, zitierte V und klang dabei merkwürdigerweise gut gelaunt.
Evey blinzelte mehrmals. Dann musste sie jedoch grinsen.
“Bist du jetzt unter die Traumdeuter gegangen, V?”
“Ich versuche nur dir zu helfen.”, antwortete er ruhig mit einer seiner typischen Handbewegungen. “Möchtest du mir von dem Traum erzählen?”
Evey nickte zaghaft.
“Aber ich glaube vorher musst du noch einiges wissen. Einiges… über meine Vergangenheit, meine ich.”
Sie musste plötzlich wieder an den Moment denken, als sie V zum ersten Mal von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und ihm anschließend ihre Hilfe angeboten hatte, nur um aus der Schattengallerie zu entkommen. Wahrscheinlich war auch V das aufgefallen, denn Evey sah wie seine Hände sich plötzlich verkrampften, fast so als hätte er Angst, sie würde wieder flüchten. Es sah so aus, als hätte er sie am liebten festgehalten… wie er es schon zuvor in ihrem Traum getan hatte. Wie um ihm zu sagen, dass das nicht passieren würde, legte sie vorsichtig ihre Hand auf seine und strich behutsam darüber. Das schien ihn immerhin ein Wenig zu beruhigen.
Als sie zu erzählen begann, zog sie ihre Hand jedoch wieder zurück, denn sie wusste, dass sie sich so nicht auf das Wesentliche konzentrieren könnte:
“Ich hab dir ja schon mal gesagt, dass meine Eltern anfingen sich politisch zu engagieren, kurz nachdem mein Bruder verstorben war.” Evey sah wie V nickte. “Sie sind einer geheimen Organisation beigetreten, wo andere Leute in ähnlicher Situation ebenfalls gegen das politische Regime ankämpften …oder es zumindest versuchten. Dort schlossen sie enge Freundschaften zu anderen Mitgliedern. Sie trafen sich auch oft bei uns zu Hause. Ich erinnere mich noch, wie ich immer aus dem Wohnzimmer geschickt wurde, wenn ein solches Treffen stattfand.”
Evey merkte an Vs Regungslosigkeit, dass er sich anscheinend gerade fragte, wo diese Geschichte hinführen würde. Dennoch unterbrach er sie nicht und ließ sie weiterreden:
“Eines Tages dann haben sie entschieden, dass es für mich das beste wäre, wenn auch sie mich mit ihren Ideologien vertraut machen, damit ich nicht wie alle anderen Kinder auf die falsche Bahn gerade… mich manipulieren lasse, denn auch das Schulsystem war ja auf die neue Regierung angepasst worden und Literatur wie Shakespeare war dort etwas verbotenes. Es gab so viele gute Schriftsteller, die plötzlich auf der schwarzen Liste standen, nicht mehr gelesen werden durften. Wenn man solche Literatur bei jemanden fand, dann wurde sie ohne zu Zögern verbrannt und die Besitzer der Bücher festgenommen. Meine Mum wollte jedoch, dass ich das lernte, was zu ihrer Zeit in der Schule gelehrt wurde: Shakespeare, Faust, Das Tagebuch der Anne Frank… all die Sachen, die Geschichte gemacht haben. Sie war selbst Deutsch- und Geschichtslehrerin und wollte deshalb für mich auch die bestmögliche Ausbildung in dieser Hinsicht. Leider war sie in ihrem Job selbst so beschäftigt, dass sie keine Zeit hatte mich zu unterrichten, ebenso wenig wie mein Dad, der seinem Beruf als Schriftsteller immer eifrig nachgegangen war, gerade in Zeiten wie diesen.”
Evey machte eine kurze Pause, um ihre Worte wirken zu lassen, doch V rührte sich noch immer nicht. Nebenbei biss sie immer in ihr Toast.
“Also dachte Mum darüber nach mir von jemanden anderem Privatunterricht geben zu lassen. “, fuhr Evey fort.
“Jemand, der ebenso an Literatur und Geschichte interessiert war, wie sie selbst und jemand, der ihre politischen Sichtweisen teilte. Wie es der Zufall wollte, gab es in ihrer Organisation ein Ehepaar, dessen Sohn ein ungemeines Interesse darin hegte Literatur und Kunstwerke zu ergattern, für die die Regierung ihn wahrscheinlich am liebsten mit dem Tod bestraft hätte, wenn sie davon erfuhr. Es stellte sich sogar heraus, dass er ein ehemaliger Schüler von meiner Mum gewesen war. Daher wusste sie, dass man sich auf ihn verlassen konnte und er ebenso intelligent wie vernünftig war. Zudem war ein richtiger Shakespeare- Fanatiker: Etwas, das meine Mum noch mehr an ihm schätzte.”
Evey hörte wie V hinter seiner Maske lächelte.
“Und nachdem meine Mum ihn gefragt hatte, erklärte er sich gerne bereit dafür mich unverbindlich zu unterrichten. Und so kam es, dass er regelmäßig zu uns kam und er nicht nur eine Art Lehrer für mich wurde, sondern auch ein guter Freund. Er war zwar ungefähr 10 Jahre älter als ich- ich war zu dem Zeitpunkt 9 Jahre alt-”, fügte sie schnell hinzu. “aber dennoch war unsere Freundschaft etwas besonderes. Abends vorm Schlafengehen hat er mir manchmal noch vorgelesen und gewartet bis ich eingeschlafen war. Ich weiß noch, wie er mir jedes Mal über den Kopf gestrichen hat, wenn er dachte, dass ich schlief und mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt hat, fast so als wäre er mein großer Bruder… Du fragst dich sicher, was das alles mit meinem Traum zu tun hat. Aber Geduld.”, sagte sie lächelnd.
“ Eines Tages als er wieder bei uns vorbeikommen wollte, kam er nicht.” Eveys Lächeln erstarb plötzlich, als sie das sagte. Sie schüttelte mit dem Kopf. “Er kam nicht.”, wiederholte sie tonlos. “Dabei war das gar nicht seine Art. Er war immer pünktlich. Er war bisher immer zum Unterricht erschienen. Ich erinnere mich noch, wie meine Mum panisch bei seinen Eltern anriefen. Auch sie waren total verzweifelt. Sie hatten ebenfalls nichts von ihm gehört. Wir rechneten alle mit dem Schlimmsten. Und als er sich die nächsten drei Tage noch immer nicht gemeldet hatte, wussten wir, dass er nicht mehr zurückkommen würde. Seine Wohnung blieb leer und seine Eltern waren sich sicher, dass er bereits in Larkhill war und dass sie dahintergekommen waren, was er hinter dem Rücken der Regierung trieb. Doch normalerweise erhielten die Familienmitglieder immer eine Nachricht, wenn das der Fall war und seine Eltern bereiteten sich schon darauf vor ebenfalls von den Fingermännern gefasst zu werden, doch sie bekamen nie eine Nachricht von ihm. Er war wie von Erdboden verschluckt. Und da er für mich wie ein guter Freund und ein Bruder gewesen war, war auch ich am Boden zerstört. Ich weinte und ich weiß noch, dass ich von da an Angst um meine Eltern hatte. Ich hatte Angst, dass mit ihnen das gleiche passieren würde. Und nicht lange danach wurde meine Angst Wirklichkeit…”
An dieser Stelle erstarb Eveys Stimme und ihr Blick war auf den leeren Teller vor ihr gerichtet. Sie war fast den Tränen nah, aber sie unterdrückte den Drang zu weinen. Vor V wollte sie stark sein. Schließlich war sie auch noch nicht fertig damit ihm alles zu erzählen. Ob ihm die Geschichte bekannt vorkam? Da Evey sein Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, konnte sie das nur erraten.
“Das tut mir Leid, Evey.”
Er senkte den Kopf, als er das sagte.
“Ja… den Rest kennst du ja.”, flüsterte sie. Sie holte noch einmal tief Luft, bevor Evey erneut zu sprechen begann: “In meinem Traum… da hab ich ihn wiedergesehen. Er stand vor mir und sah genauso aus wie damals.”
Evey holte plötzlich das Foto hervor, das sie heute Nach gefunden hatte und reichte es V. Er betrachtete es kommentarlos.
“Das war bei einem Ausflug nach Oxford im Jahr 1999.”, erklärte Evey kurz. “In meinem Traum sagte er mir, dass er sich freue mich wiederzusehen und ich der Grund wäre, warum er wieder zurückgekommen wäre.” Eveys Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie daran dachte. “Und dann… dann hat er mich in die Arme genommen.”
Von ihrem kribbelnden Gefühl in ihrem Bauch erzählte sie bewusst nichts.
“Ich hab ihn gefragt, wo er war , aber er erzählte mir nur irgendetwas von einem Feuer, das erst geduldet- Flüsse nicht mehr löschen oder so.” Evey konnte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern.
“Leicht wird ein kleines Feuer ausgetreten, das- erst geduldet- Flüsse nicht mehr löschen.”, hörte sie V tonlos sagen und Evey blickte überrascht auf.
“Ja, woher weißt du das?”, fragte sie vollkommen perplex.
“Das ist ein Zitat aus dem Stück ‘Henry the Sixth’ von Shakespeare. Müsstest du das nicht wissen?”, fragte er mit einem leicht amüsierten Ton in der Stimme.
“Ähm… nun.. an das Stück erinnere ich mich nur vage.”, gab sie ehrlich zu.
“Unser Unterbewusstsein vermag sich stets an mehr zu erinnern, als unser Bewusstsein... Ist denn noch mehr passiert?”, fragte V nun beinahe neugierig.
“Ja… ähm.” Sie zögerte kurz. “Das ist wohl der merkwürdigste Teil des Traums. Als ich zu ihm aufblickte… da…. hat sein Gesicht sich verändert.”
“Sein Gesicht?”, wiederholte V leicht ungläubig.
Evey nickte und starrte wieder auf sie Tischplatte vor ihr.
“Es hat sich in dein Gesicht verwandelt. Na ja, also in das von Guy Fawkes um genau zu sein.”
V schwieg eine geschlagene halbe Minute, ehe Evey aufsah und merkte, dass seine Hände sich wieder verkrampft hatten. Sie waren jetzt zu Fäusten geballt und Evey sah außerdem, dass sie leicht zitterten. Zu gern würde sie wissen, was in seinem Kopf vorging. Da er jedoch nichts sagte, entschied Evey weiterzureden.
“Aber… das seltsame war…. seine Stimme blieb gleich. Also besser gesagt er hat mit deiner Stimme gesprochen. Anfangs ist mir das nicht aufgefallen, aber dann…” Aus irgendeinem Grund wurde Evey heiser als sie sprach. Sie fragte sich, ob V bereits wusste, worauf sie hinauswollte. Einen letzten Hinweis würde sie ihm noch geben, aber aussprechen konnte sie ihren Verdacht nicht. Sie konnte es einfach nicht.
“Dreh das Foto herum!”, forderte sie ihn im Flüsterton auf und mied es dabei ihn anzusehen. Mit zitternden Händen tat er was Evey sagte und starrte gebannt auf das Wort und die Jahreszahl, die hinten in seiner eigenen sauberen Handschrift vermerkt war: Sommer 1999.”
Vs Finger krampften sich um das Foto. Dann murmelte er etwas unverständliches vor sich hin, das wie “Nein” klang, aber sicher war sie sich nicht. Evey presste ihre Lippen fest aufeinander, wie sie es immer tat, wenn die unsicher war. Schließlich ging alles so schnell, dass Evey dem Szenario kaum folgen konnte. V legte das Foto zurück auf den Tisch, erhob sich, machte kehrt und stürmte hinaus aus der Küche, während Evey ihm anfangs nur schweigend hinterher starren konnte. Erst jetzt fragte sie sich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, ihm von ihrem Traum zu erzählen, doch sie wusste, dass es jetzt nicht mehr rückgängig zu machen war. Ohne lange darüber nachzudenken lief sie V hinterher, doch er war bereits in seinem Zimmer und hatte die Tür verriegelt.
“Vauuuuu”, rief sie verzweifelt und hämmerte an die schwere Holztür. “V, bitte. Mach auf!”
Keine Antwort.
“Bitte lass uns darüber reden.”, bat sie drängend und legte ihre Stirn an die Tür, während sie mit den Händen noch immer versuchte auf das Holz zu klopfen. “Du kannst nicht immer versuchen mit allem alleine klar zu kommen. Es hilft, wenn man sich alles von der Seele reden kann, glaub mir. Ich hab es auch gerade getan, weil ich dir das nicht verschweigen wollte. V, bitte!”, jammerte sie erneut.
Wieder hörte sie nichts als Stille, dann schließlich, ohne Vorahnung, klickte das Schloss und die Tür öffnete sich.
“V, Gott sei Dank”, kam es ihr erleichtert von den Lippen.
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Nein, das war nicht das letzte Kapitel. Ich denke 2 oder 3 Kapitel könnt ihr schon noch erwarten :))
Reviews sind immer gern gesehen^^