Kleinstücke
von shinai
Kurzbeschreibung
Dies ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, Essays, Miniaturen und Parodien.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
15.03.2010
14.11.2018
9
5.605
2
Alle Kapitel
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15.03.2010
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Da liegt er also, der Garten Eden. Mit Tieren, Bäumen, Büschen und Blumen und mittendrin Adam und Eva, die unter den gütigen Augen Gottes durch die Vegetation tollen. Und da nähert sich schon die Schlange und zischelt Eva ins Ohr, wie gut doch verbotene Früchte schmecken, was Eva gleich ausprobiert, und Adam, der Depp, macht es ihr nach. Und damit ist diese schöne, aber erzählerisch langweilige Geschichte auch schon zu Ende, und eröffnet das weite spannende Feld von Mühen, Kriegen und Sünden.
Und das Feld der Ungereimtheiten, wie jeder von logisch denkenden Kindern geplagte Religionslehrer bestätigen kann. Woher kam Frau Kain? Warum die Sintflut? Sind Fische und Wasservögel per se gut oder hat Gott die einfach übersehen? Und: Warum überhaupt diesen verbotenen Baum in den Garten stellen? Gott hat Adam und Eva doch gemacht. Da musste er doch wissen, was geschehen würde. Schon weil er die Schlange in den Garten liess (die er auch gemacht hat, und diesem Exemplar sogar das Sprechen beibrachte – aber wir wollen es nicht übertreiben).
Aus Sicht der Menschheit ist die Geschichte klar – und das auf vielfache Weise. Die Vertreibung aus dem Paradies ist eine Metapher für das Erwachsenwerden: In der Kindheit ist der Mensch unwissend, darum unschuldig, und unverantwortlich. Mit dem Älterwerden lernt er, häuft Wissen an und ist nun, weil er weiss, verantwortlich. Und muss arbeiten, weil die Nochälteren wissen, dass er es kann. Dafür haben sie ihn ja hochgepäppelt.
Die Psychoanalyse sieht im Apfel und der Schlange das Erwachen der Sexualität – was denn sonst.
Atheisten könnten argumentieren, dass sich Denken und Gott nun mal nicht vertragen – wenn sie denn die Bibel als Argumentationsgrundlage akzeptieren würden.
Evolutionisten schliesslich könnten darin eine Metapher sehen; den Moment, in dem der Mensch zu denken beginnt und sich damit aus der Masse der Tiere erhebt. Und die Zyniker seufzen dazu und sagen, da sehe man mal wieder, dass die dümmsten Ideen vom Denken kommen und verweisen auf die Zivilisation als Ganzes – mit beredt hochgezogenen Augenbrauen.
So ist der Mensch, sagt Dieter Nuhr dazu, und reiht sich damit in die lange Reihe der ungläubig Hilflosen ein.
Seien wir ehrlich: Der denkende Mensch ist nur in seiner eigenen Vorstellung die Krone der Schöpfung. Faune und Flora dürften anderer Meinung sein; aber die fragt ja niemand.
Die Religion schliesslich vertritt seit geraumer Zeit eine klare Meinung: Der Mensch ist arm dran und das geschieht ihm Recht. Was den stöhnenden Religionslehrern natürlich nicht hilft. Aber Bastamentalität ist resistent und weicht sich nicht wegen ein paar Pädagogen auf. Soviel dazu.
Aber was ist mit dem Urheber des ganzen Dilemmas? Wie konnte Gott hunderte von Jahren damit durchkommen, ohne das jemand „Moment mal…“ rief? (Zugegeben, Kinder werden schon früher unbequeme Fragen gestellt haben, mit mehreren Ausrufezeichen, aber in der Wahrnehmung der Erwachsenen kam ihnen ungefähr derselbe Stellenwert zu wie Fauna und Flora. Und damit basta!)
Was ist nun Gott? Hat dich das vergnügte Herumtollen von Adam und Eva gelangweilt? Dachtest du dir: Himmel, die haben noch nicht einmal gewisse anatomische Möglichkeiten entdeckt. Und dabei habe ich mir damit solche Mühe gemacht! Einfach mal Lust auf einen anständigen Porno, hm, Gott? Oder war dir das Ganze dramaturgisch nicht interessant genug?
Man weiss es nicht, denn Gott ist seit dem neuen Testament eher redefaul. Überhaupt zieht er seit jeher Gespräche unter vier Augen vor. Wie damals mit Noah, Mose und Konsorten, die einfach das Glück hatten, eher paradiesisch gestimmte Zuhörer zu finden, die einfach alles glaubten. Zum Beispiel Sem:
„Wir sollen eine Arche bauen? Kein Problem, Paps. Aber muss ich wirklich alle Giftschlangen, Skorpione und Raubtiere – oh, na gut. Kein Problem… Ähm, wie komme ich denn nach Australien? Ich meine, wir könnten doch erst die Arche bauen und dann – ok, dann kümmere ich mich drum. So weit kann es ja nicht sein, und das Ruderboot hat nur ein kleines Leck. Kein Problem.“
Aber auch wer heute behauptet, Gott spreche mit ihm, kann auf ein Publikum hoffen. Und er bekommt eine nette Jacke mit ganz langen Ärmeln.
Doch betrachten wir die Situation im Garten Eden einmal genauer: Gott hat sich sechs Tage lang den Arsch aufgerissen, hat Mond und Sterne gemacht, Kontinente umher geschoben und ein kreatives Arsenal ohne gleichen beim Gestalten von Flora und Fauna verfeuert. Und nun sitzt er nach gewaltigen musischen Leistungen auf einer Wolke und sieht Adam und Eva zu. Die eigentlich nichts machen. Essen, schlafen, atmen, schlafen, essen, atmen, atmen – fast wie Big Brother, nur noch öder. Und das bis in alle Ewigkeit.
Hm.
Wie könnte man das interessanter gestalten, wird sich Gott gefragt haben.
Hm.
Vielleicht galoppiert in diesem Moment gerade die Schlange durch das Unterholz und stolperte einmal mehr über ihre zwanzig Füsse. Sie ist keine besonders gelungene Kreation, aber gegen Mittag des sechsten Tags fühlte sich Gott experimentell. Er winkt das Tier also zu sich und erklärt ihm geduldig, dass sie einander helfen könnten: Weniger Beine für die Schlange, mehr Unterhaltung für Gott.
Das Gespräch gestaltet sich mühsam, weil Schlangen nicht denken. Aber Auswendiglernen kann das Vieh und stakst bald darauf davon, um Eva zu verführen. Noch schnell den Baum mit den verbotenen Früchten gemacht, Eva und Adam ins Gebet genommen, und das Drama nimmt seinen Lauf. Und wie es das tut.
Kain erschlägt Abel, was so natürlich nicht geht, und Gott hat was zu strafen. Bei Abraham ist er sich nicht sicher, ob der sich noch an ihn erinnert, also lässt er ihn Isaak rösten – nur ein wenig. Esau lässt er eine Zweigstelle eröffnen (was Esau damals nicht bewusst ist; er wird nur um sein Erbteil betrogen), und dann gibt es kein Halten mehr: Sodom und Gomorrah, die zehn Plagen Ägyptens, diverse Kriege im heutigen Israel und Umgebung. Dann die Perser, Römer, und so weiter und so fort.
Aber wie schon gesagt: Mit dem Denken kommen die dummen Ideen. Die Menschen haben längst begriffen, wozu gewisse anatomische Möglichkeiten gut sind, und vermehren sich kreuz und quer über den ganzen Erdball. Plötzlich hat Gott tausende von Kanälen, auf denen überall dasselbe läuft.
Mist.
Das hat er nun davon. Und dabei plant er schon seit Dekaden den letzten Event mit allseitiger Beteiligung und Heulen und Zähneknirschen und so. Das Tier mit der Nummer ist schon in Arbeit. Und vor lauter Gebeten, Psalmen und Klagen kommt er zu nichts mehr.
Ein Stellvertreter muss her. So ein gutmütiger, auf den man alles abwälzen kann. Mit anderen Worten: Ein Sohn. Tja, das ist einfach. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Das sind natürlich nur Spekulationen. Es kann ganz anders gewesen sein. Vielleicht hatte Gott hehre Absichten. Vielleicht meinte er es gut mit Adam und Eva. Und der Schlange, die sich ohne Beine viel wohler fühlt. Vielleicht aber auch nicht. Sicher ist nur, dass das Ganze eine dubiose Angelegenheit bleibt.
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Da liegt er also, der Garten Eden. Mit Tieren, Bäumen, Büschen und Blumen und mittendrin Adam und Eva, die unter den gütigen Augen Gottes durch die Vegetation tollen. Und da nähert sich schon die Schlange und zischelt Eva ins Ohr, wie gut doch verbotene Früchte schmecken, was Eva gleich ausprobiert, und Adam, der Depp, macht es ihr nach. Und damit ist diese schöne, aber erzählerisch langweilige Geschichte auch schon zu Ende, und eröffnet das weite spannende Feld von Mühen, Kriegen und Sünden.
Und das Feld der Ungereimtheiten, wie jeder von logisch denkenden Kindern geplagte Religionslehrer bestätigen kann. Woher kam Frau Kain? Warum die Sintflut? Sind Fische und Wasservögel per se gut oder hat Gott die einfach übersehen? Und: Warum überhaupt diesen verbotenen Baum in den Garten stellen? Gott hat Adam und Eva doch gemacht. Da musste er doch wissen, was geschehen würde. Schon weil er die Schlange in den Garten liess (die er auch gemacht hat, und diesem Exemplar sogar das Sprechen beibrachte – aber wir wollen es nicht übertreiben).
Aus Sicht der Menschheit ist die Geschichte klar – und das auf vielfache Weise. Die Vertreibung aus dem Paradies ist eine Metapher für das Erwachsenwerden: In der Kindheit ist der Mensch unwissend, darum unschuldig, und unverantwortlich. Mit dem Älterwerden lernt er, häuft Wissen an und ist nun, weil er weiss, verantwortlich. Und muss arbeiten, weil die Nochälteren wissen, dass er es kann. Dafür haben sie ihn ja hochgepäppelt.
Die Psychoanalyse sieht im Apfel und der Schlange das Erwachen der Sexualität – was denn sonst.
Atheisten könnten argumentieren, dass sich Denken und Gott nun mal nicht vertragen – wenn sie denn die Bibel als Argumentationsgrundlage akzeptieren würden.
Evolutionisten schliesslich könnten darin eine Metapher sehen; den Moment, in dem der Mensch zu denken beginnt und sich damit aus der Masse der Tiere erhebt. Und die Zyniker seufzen dazu und sagen, da sehe man mal wieder, dass die dümmsten Ideen vom Denken kommen und verweisen auf die Zivilisation als Ganzes – mit beredt hochgezogenen Augenbrauen.
So ist der Mensch, sagt Dieter Nuhr dazu, und reiht sich damit in die lange Reihe der ungläubig Hilflosen ein.
Seien wir ehrlich: Der denkende Mensch ist nur in seiner eigenen Vorstellung die Krone der Schöpfung. Faune und Flora dürften anderer Meinung sein; aber die fragt ja niemand.
Die Religion schliesslich vertritt seit geraumer Zeit eine klare Meinung: Der Mensch ist arm dran und das geschieht ihm Recht. Was den stöhnenden Religionslehrern natürlich nicht hilft. Aber Bastamentalität ist resistent und weicht sich nicht wegen ein paar Pädagogen auf. Soviel dazu.
Aber was ist mit dem Urheber des ganzen Dilemmas? Wie konnte Gott hunderte von Jahren damit durchkommen, ohne das jemand „Moment mal…“ rief? (Zugegeben, Kinder werden schon früher unbequeme Fragen gestellt haben, mit mehreren Ausrufezeichen, aber in der Wahrnehmung der Erwachsenen kam ihnen ungefähr derselbe Stellenwert zu wie Fauna und Flora. Und damit basta!)
Was ist nun Gott? Hat dich das vergnügte Herumtollen von Adam und Eva gelangweilt? Dachtest du dir: Himmel, die haben noch nicht einmal gewisse anatomische Möglichkeiten entdeckt. Und dabei habe ich mir damit solche Mühe gemacht! Einfach mal Lust auf einen anständigen Porno, hm, Gott? Oder war dir das Ganze dramaturgisch nicht interessant genug?
Man weiss es nicht, denn Gott ist seit dem neuen Testament eher redefaul. Überhaupt zieht er seit jeher Gespräche unter vier Augen vor. Wie damals mit Noah, Mose und Konsorten, die einfach das Glück hatten, eher paradiesisch gestimmte Zuhörer zu finden, die einfach alles glaubten. Zum Beispiel Sem:
„Wir sollen eine Arche bauen? Kein Problem, Paps. Aber muss ich wirklich alle Giftschlangen, Skorpione und Raubtiere – oh, na gut. Kein Problem… Ähm, wie komme ich denn nach Australien? Ich meine, wir könnten doch erst die Arche bauen und dann – ok, dann kümmere ich mich drum. So weit kann es ja nicht sein, und das Ruderboot hat nur ein kleines Leck. Kein Problem.“
Aber auch wer heute behauptet, Gott spreche mit ihm, kann auf ein Publikum hoffen. Und er bekommt eine nette Jacke mit ganz langen Ärmeln.
Doch betrachten wir die Situation im Garten Eden einmal genauer: Gott hat sich sechs Tage lang den Arsch aufgerissen, hat Mond und Sterne gemacht, Kontinente umher geschoben und ein kreatives Arsenal ohne gleichen beim Gestalten von Flora und Fauna verfeuert. Und nun sitzt er nach gewaltigen musischen Leistungen auf einer Wolke und sieht Adam und Eva zu. Die eigentlich nichts machen. Essen, schlafen, atmen, schlafen, essen, atmen, atmen – fast wie Big Brother, nur noch öder. Und das bis in alle Ewigkeit.
Hm.
Wie könnte man das interessanter gestalten, wird sich Gott gefragt haben.
Hm.
Vielleicht galoppiert in diesem Moment gerade die Schlange durch das Unterholz und stolperte einmal mehr über ihre zwanzig Füsse. Sie ist keine besonders gelungene Kreation, aber gegen Mittag des sechsten Tags fühlte sich Gott experimentell. Er winkt das Tier also zu sich und erklärt ihm geduldig, dass sie einander helfen könnten: Weniger Beine für die Schlange, mehr Unterhaltung für Gott.
Das Gespräch gestaltet sich mühsam, weil Schlangen nicht denken. Aber Auswendiglernen kann das Vieh und stakst bald darauf davon, um Eva zu verführen. Noch schnell den Baum mit den verbotenen Früchten gemacht, Eva und Adam ins Gebet genommen, und das Drama nimmt seinen Lauf. Und wie es das tut.
Kain erschlägt Abel, was so natürlich nicht geht, und Gott hat was zu strafen. Bei Abraham ist er sich nicht sicher, ob der sich noch an ihn erinnert, also lässt er ihn Isaak rösten – nur ein wenig. Esau lässt er eine Zweigstelle eröffnen (was Esau damals nicht bewusst ist; er wird nur um sein Erbteil betrogen), und dann gibt es kein Halten mehr: Sodom und Gomorrah, die zehn Plagen Ägyptens, diverse Kriege im heutigen Israel und Umgebung. Dann die Perser, Römer, und so weiter und so fort.
Aber wie schon gesagt: Mit dem Denken kommen die dummen Ideen. Die Menschen haben längst begriffen, wozu gewisse anatomische Möglichkeiten gut sind, und vermehren sich kreuz und quer über den ganzen Erdball. Plötzlich hat Gott tausende von Kanälen, auf denen überall dasselbe läuft.
Mist.
Das hat er nun davon. Und dabei plant er schon seit Dekaden den letzten Event mit allseitiger Beteiligung und Heulen und Zähneknirschen und so. Das Tier mit der Nummer ist schon in Arbeit. Und vor lauter Gebeten, Psalmen und Klagen kommt er zu nichts mehr.
Ein Stellvertreter muss her. So ein gutmütiger, auf den man alles abwälzen kann. Mit anderen Worten: Ein Sohn. Tja, das ist einfach. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Das sind natürlich nur Spekulationen. Es kann ganz anders gewesen sein. Vielleicht hatte Gott hehre Absichten. Vielleicht meinte er es gut mit Adam und Eva. Und der Schlange, die sich ohne Beine viel wohler fühlt. Vielleicht aber auch nicht. Sicher ist nur, dass das Ganze eine dubiose Angelegenheit bleibt.