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Morgen

von Rollrasen
Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / MaleSlash
Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
12.03.2010
12.03.2010
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Morgen


A/N: Sooo, meine zweite Tatort-Story und schon wieder war der Franz in Lebensgefahr^^° Vielleicht sollten wir uns Gedanken machen…
Auf jeden Fall kam der Tatort »Außer Gefecht« vor einer Woche oder so und ich habe ihn eigentlich auch nur halb mitbekommen, aber das Ende hat mich so ‚geflasht‘, dass ich nicht eher schlafen konnte, als das ich dieses Ding hier geschrieben hatte o.o Wenn man es sich so durchließt – es ist schon irgendwie verdammt kitschig, aber naja… Ein bisschen Zucker ist ja auch mal ganz nett :D

Ich hoffe also, dass ihr viel Spaß beim Lesen habt und mir vielleicht auch einen Kommi dalassen wollt (:

[PS: Ja, ich weiß, dass die zwei eigentlich mehr oder weniger in ihrem bayrischen Dialekt sprechen, aber ich bekomm es ums verrecken nicht hin, die Dialoge so zu schreiben  :o Man möge mir verzeihen! ]




Ich konnte später nie die richtigen Worte dafür finden, was mit mir geschehen war, für den Zustand, in dem ich mich mehrere Stunden lang befunden haben musste. Eine Mischung aus Traum und Realität, Schlaf und Ohnmacht, Schein und Sein. An meine gewiss sehr waghalsige Rettung seitens Ivo aus dem in 68 Meter Höhe an circa drei dünnen Stahlseilen hängenden Blechkasten namens Fahrstuhl waren mir keine Erinnerungen vergönnt, wohl aber an die holprige Fahrt im Krankenwagen.

Zahllose Arme, Hände und Gesichter, die auf mich herabstarrten, mich abtasteten, meinen Puls maßen, meine Atmung überwachten, mir in die Augen leuchteten und irgendwas von Pupillenreflexen vor sich hin blubberten.
Wichtig war nur eins. Ivo, der meine Hand hielt, meine Brücke zur Wirklichkeit.
Würde er mich loslassen, so befürchtete ich, würde ich sofort in irgendwelche surrealen, grellen Halbwelten abrutschten, würde viel zu helles Neon-Fahrstuhllicht sehen, das sich in blankgeputzten Brillengläsern spiegelte, mein eigenes Gesicht, das auf dem zerknitterten Zeitungsfoto zum Leben erwachte, sich in das meines Vaters verwandelte, von langer Krankheit, vom Tod gezeichnet, das plötzlich diese Brille trug…
Mein Vater, der mich beim Mensch-ärger-dich-nicht spielen immer hatte gewinnen lassen, der mich in den Arm genommen hatte, als meine erste große Liebe mir den Laufpass gab. Natürlich hatte ich mich gesträubt – gab es überhaupt etwas Peinlicheres? – hatte aber letztlich doch meinen Kopf an seine Schulter gedrückt. Und geweint. Jedenfalls ein bisschen.


Dann war nichts mehr.
Bis zu diesem Moment, als ich die Augen aufschlug, wobei aufschlagen definitiv das falsche Wort ist. Ich könnte schwören, mein Kopf wäre gespalten worden. Verdammt langsam und benommen blinzelte ich also unter meiner Lidern hervor, die ich sonst (wie jeder andere Mensch, vermute ich mal) kaum spürte, die nun aber bleischwer zu sein schienen.

Ein Krankenhauszimmer.
Ich hatte einen Blick dafür. Untrüglich. Für die verzweifelten Versuche, zu verbergen, dass diese Räume eigentlich nicht schön sondern zweckmäßig sein sollten. Gardinen, die niemand mit ein bisschen Schönheitsinn auf diese Art und in dieser Farbe aufgehangen hätte. Sonnenblumen von Van Gogh an der Wand. Zwar nicht wirklich hässlich, aber auch nicht schön. Nicht liebevoll, lebendig. Tot. Zweckmäßig eben!

Das war das Erste, was mit auffiel. Das Zweite war, dass Ivo nicht gegangen war, das Dritte, dass er immer noch meine Hand hielt.
Ivo schlief. Auf einem furchtbar unbequem aussehenden Stuhl, der Kopf war ihm auf meinen Bauch gesunken. Dieser Händedruck… Einst sehr fest, jetzt kaum noch spürbar, schwindend. Pro forma irgendwie. Ich zitterte. Zu wenig Wasser war die Isar runtergeflossen, seit ich sowas zum letzten Mal gespürt hatte. Johannes Peschen. Pro forma war scheiße! Ich brauchte Ivo. Grelle Halbwelten…
Ich packte zu, fest zu.

»Franz!« Ivo schreckte hoch. War für einen, vielleicht zwei Augenblicke furchtbar desorientiert und richtete sich auf. Fuhr sich mit der linken Hand durchs Haar. Ein sehr ungewohnter Anblick. Die rechte blieb da, wo sie war. Erst dann lächelte er. »Franz, du bist wach!«
Ich traute meiner Stimme nicht, ganz und gar nicht. Wollte nicken. Schlechte Idee. Versuchte es doch mit der Stimme: »Ich…glaube…schon…« Ein furchtbares Gekrächzte. Scheiß Stimme. Unzuverlässiges, verräterisches Ding.
»Willst du was trinken?« »Nnnnnein, ist okay…« Mein Hals war trocken wie die Wüste Gobi. »Vielleicht später…« Mein Mund auch. Ivo nickte nur. Es war kurz nach vier.


In Städten, vor allem in sehr großen Städten ist die Dämmerung etwas Seltsames. Es kommt einem so vor, als würde es ohnehin nie richtig dunkel werden und man muss eine ganze Weile sehr genau hinsehen, bis man einen Silberstreifen am Horizont als Zeichen eines nahenden Tages erkennen kann. Draußen war es jetzt bestimmt nass-kalt. Unsichtbar neblig. Und dann würden die ersten Vögel singen. Und es würde fast untergehen im Rauschen der Autos.


Ivo saß still da und schaute mich einfach nur an. Irgendwie konnte ich seinen Blick nicht deuten. Kam recht selten vor… »Wie geht’s dir denn?!« Tja, wie ging’s mir? Ich hatte versucht zu nicken, jetzt tat mir der Kopf weh. Sollte ich wirklich riskieren, herauszufinden, wie es mir ging?
Ivo musterte die Nachtischlampe, die zu verblassen schien. Es wurde Morgen.
»Was…was ist eigentlich genau passiert…? Also…im Fahrstuhl?« Berufskrankheit. Ich seufzte. Hätte wahrscheinlich exakt das Gleiche gefragt. »Ich weiß nicht, ob ich jetzt drüber sprechen möchte. Okay…? Später…!« »Ist okay. Soll ich nach der Schwester klingeln? Die kann dir was geben. Für die Schmerzen. Gegen die Schmerzen. Wie auch immer…« »Später.« »Okay!«

Er schloss kurz die Augen. »Darf ich dich trotzdem was fragen?« »Hm…!« »Im Fahrstuhl…« »Ja…?« So langsam ging es wieder, das Reden… »‘Eine Überdosis Glück‘?! ... Als ich im Fahrstuhl war. Kurz danach bist du ohnmächtig geworden.«
Ja, war mir bewusst…
»Ja. Er hat mir was gegeben…dieses Medikament, ich habe den Namen vergessen…es macht Glück, Endorphine, was weiß ich. Aber…zu viel Glück verursacht Schmerzen, starke Schmerzen. Und es stimmt. Ich habe gedacht…« »Glaubst du das wirklich?« »Was?!« »Das mit den Schmerzen…?«

»Ich weiß nicht… Kann sein. Was dachtest du denn, was es heißen sollte?« »Hm?« »Warum ich es gesagt habe?« »Ich weiß nicht…« Er hielt meine Hand immer noch. Nicht so locker, dass ich befürchten musste, er würde jeden Moment loslassen wollen, aber auch nicht so fest, als wolle er genau diesen Eindruck nicht erwecken, weil er stimmte. Genau richtig.
»Ich habe mich in den Schacht abgeseilt. Ich hätte sterben können. Daran habe ich nicht gedacht, keine Sekunde lang. Nur daran, dass du noch lebst, wenn ich endlich ankomme. Am liebsten wäre ich gesprungen…« Er fuhr sich erneut mit der Hand – der Linken – durch die Haare.
»Ich habe dich im Arm gehalten. Du sahst so…mein Gott!...aus, ich dachte, ich wäre viel zu spät… Wir wussten nicht, was der dir gegeben hatte. Morphin wirkt schnell, viel schneller… Peschen hatte Krebs – Endstadium; nichts mehr zu verlieren. Ich war so froh, deine Augen haben gezuckt, du hast geredet, hast mich erkannt. Ich hatte dich nicht verloren. Habe noch gesagt: ‘Jetzt übertreib mal nicht‘. Und bevor du ohnmächtig geworden bist, dachte ich, du wolltest mich…«

Seine Stimme versagte. Unzuverlässiges, verräterisches Ding. Ich lächelte leise. »Was dachtest du?« »Du warst total fertig, ich auch. Zu viel Glück vielleicht, verstehst du? Schmerzen…« »Was dachtest du?« »Es…es war dumm, nicht wahr?« »Wo ist eigentlich Carlo?« »Der? Keine Ahnung… Ging uns allen nicht gut heute Nacht.« Ein trauriges Lächeln.
Nicht halb so wunderbar haifischartig wie im Fahrstuhl. Vielleicht lag’s auch an der Distanz.

»Es war dumm…« »Hm…« Ich streckte den Arm aus, griff nach Ivos Hemd. Weiße Hemden. Kellnerjob. Pro forma. Wusste nicht, dass Ivo in dieser Nacht Hemden zerrissen hatte. Zumindest eins. Zog ihn zu mir herunter. Kurz überlegte ich mir, ob nicht jede noch so kleine Berührung meinen Schädel endgültig sprengen würde.
Dann schmeckte ich Ivos Lippen. Salzig. Weich. Und ganz viel Ivo, irgendwie. Weiche Bartstoppeln unter meinen Fingern. Meine Hand hielt er weiter fest. Realität. Viel zu viel, vielleicht…
Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel, rollte mir ins Ohr. Die fremde Zunge tastete sich vor. Vorsichtig. Hauchzart streifte sie Lippen, Zähne, unsere Zungen kollidierten, für einen winzigen Moment. Schmeckten.

Dann war es vorbei. Irgendwie.
Ich glaube, es war gut, zu riskieren, rauszufinden, wie es mir ging. Mein Herz schlug nämlich noch. Beruhigend, oder?! Alles andere würde werden… »Ich glaube übrigens nicht, dass es stimmt.« »Was?« »Das mit den Schmerzen! Glück verursacht keine Schmerzen, richtiges Glück jedenfalls nicht. So ein Glück zum Beispiel.« Ich streichelte langsam über seinen Handrücken.

Wer weiß schon, was heller strahlte; Ivos Augen oder die Sonne, die ihre ersten, feuchten Strahlen ins Zimmer zwinkern lies…?!
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