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Mortal Kombat: Existence

von Nemesis21
Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P16 / MaleSlash
05.01.2010
04.04.2011
8
36.530
 
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05.01.2010 4.771
 
ZWEITES KAPITEL: DÄMONEN DES WALDES


Lung Hai Tempel, Erde


An einem kleinen See, der das ganze Jahr über mit einer dicken Eisschicht überzogen war, lag, für alle ungebetenen Gäste verborgen, ein großer Gebäudekomplex. Dies war der Lung Hai Tempel, benannt nach dem See, der vor dem Tempel lag. Es war zwar eine maßlose Übertreibung, dieses kleine Gewässer „Meer des Drachens“ zu nennen. Aber die alten Meister der Lin Kuei hatten schon immer einen Hang zu hochtrabenden Namen, und daran hat sich auch nichts geändert, seitdem Sub-Zero das Amt des Großmeisters übernommen und den Clan reformiert hatte.

Schon seit der Gründung des Klans waren die Großmeister auf der Suche nach Abkömmlingen eines mystischen Volkes, das der Legende nach die Macht hatte, Kälte zu kontrollieren, denn sie planten die Züchtung von Killern, die ihre Missionen unter den widrigsten Umständen erfolgreich ausführen konnten. Um unerkannt zu bleiben, zogen sich die Gründer des Clans von der Außenwelt zurück. Weil die Mitglieder in der Tiefe des Waldes wohnten und nur selten von Außenstehenden gesehen wurden, bekamen sie bald ihren Namen: Lin Kuei, die „Dämonen des Waldes“.

Tatsächlich gab es zwei Mitglieder im Klan, denen Kälte absolut nichts ausmachte und außerdem die außergewöhnliche Fähigkeit besaßen, Dinge durch bloßes Anfassen gefrieren lassen zu können. Einer von ihnen war Sub-Zero, der jetzige Großmeister des Klans. Der andere war sein älterer Bruder. Wie sie beide in den Klan gekommen waren, daran konnte sich Sub-Zero nicht mehr erinnern. Solange er zurückdenken konnte, hatten er und sein Bruder in diesem Klan gelebt. Es blieb ihnen auch keine Zeit, über ihre Herkunft nachzudenken; der Klan schickte sie permanent auf Missionen aus.

Lange Zeit dienten die Großmeister des Klans dem Imperator Outworlds mit Ergebenheit. Auf jedem seiner Eroberungszüge waren Mitglieder des Lin Kueis mitgegangen, so auch Sub-Zero und sein Bruder. Es waren gefährliche Zeiten, doch die Brüder schafften es immer irgendwie, zu überleben, während ihre Kameraden einer nach dem anderen dahinschieden. Doch obwohl sie wussten, dass das Glück nicht ewig auf ihrer Seite stehen würde, hatten sie dem Klan nicht den Rücken gekehrt und nie seine Pläne hinterfragt. Im Gegenteil, sie waren mit Stolz für die Lin Kuei und an der Seite von Shao Kahns Truppen in den Krieg gezogen, und mit noch größerem Stolz triumphierend zurückgekehrt.

Als Gegenleistung für die Unterstützung bekam der Klan nicht nur eine angemessene Menge an Platin, Gold oder auch Edelsteinen, sondern zusätzlich eine vom Imperator persönlich unterzeichnete Erlaubnis, jederzeit Outworld betreten und wieder verlassen zu dürfen. Und dieser Vertrag war den alten Großmeister mehr wert als alles Platin, das es in Outworld gab. Der Vertrag war der eigentliche Grund, weshalb die alten Meister Shao Kahn die Treue geschworen hatten, denn den Legenden zufolge gab es irgendwo in jenem unwirtlichen Reich eine geheime Höhle, die vollständig aus Eis bestand, obwohl rund um dieser Höhle tropische Temperaturen herrschten. Die Erlaubnis, sich frei in Outworld herumbewegen zu dürfen, nutzten die alten Großmeister aus, um nach eben dieser Höhle zu suchen. Würden sie die Höhle finden, wären sie ihrem ursprünglichen Ziel ein ganzes Stück näher gekommen. Sie würden dann erfahren, woher die beiden Brüder kamen, und was das Geheimnis des legendären Volkes war, sofern es das besagte Volk überhaupt gab. Aber die Suche war ohne Erfolg geblieben.

Mittlerweile waren viele Jahrzehnte vergangen, seit der Lin Kuei seine ruhmreichen Tage erlebt hatte. Nach dem Sieg im letzten Kampf gegen Shao Kahn und seinen Schergen begannen die Strukturen innerhalb des Lin Kueis auseinander zu brechen. Sämtliche früheren Großmeister des Klans begingen entweder Selbstmord oder flohen ins Exil, und Sub-Zero kehrte zurück, um einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und einen Neuanfang zu machen. Er wollte den Klan reformieren, und die Erde gegen das Böse, das einst der Verbündete war, zu verteidigen.

Eines Tages entdeckte Sub-Zero antike Schriften, die in der geheimen Bücherkammer des Klans lagen und in denen überaus penibel über den Verlauf der Suche nach der Höhle protokolliert wurde. Zum ersten Mal seit langer Zeit stellte sich Sub-Zero wieder die Frage nach seiner Herkunft. Aber um ehrlich zu sein, glaubte Sub-Zero nicht an Mythen und Legenden, er glaubte nicht an das sagenumwobene Volk, nach welchem die alten Großmeister gesucht hatten. Vielmehr glaubte er, dass er seine Fähigkeiten einer Laune der Natur zu verdanken hatte, bis er eines besseren belehrt wurde.

Bis er auf sie traf...

Ein Jahr zuvor


Als die Umstrukturierung des Klans begann, verbannte Sub-Zero zuerst alle Mitglieder, die Anhänger der alten Großmeister waren. Am Ende blieben nur noch jene übrig, die Sub-Zero den Eid leisteten, und weil sie kaum mehr als eine Hand voll waren, entschloss sich Sub-Zero dazu, neue Mitglieder anzuwerben. Und so wurde der Lin Kuei mehr oder weniger zu einer öffentlichen Schule für Kampfkunst. Viele Leute kamen, viele von ihnen wurden wieder abgewiesen, weil ihnen entweder die Kraft oder der Wille oder beides fehlte.

Unter den Bewerbern war eine junge Frau, vielleicht Mitte oder Ende zwanzig. Sub-Zero erinnerte sich noch genau an ihre erste Begegnung. Er saß an seinem Schreibtisch in seinem Büro und sie saß ihm gegenüber. Er hatte ihr ein Glas Wasser eingeschenkt, an dem sie ab und zu nippte.

Als er sie erblickte, fiel ihm zuerst ihr Haar auf. Obwohl ihre Hautfarbe eher dunkel war, waren ihre Haare hell und schimmerten bläulich. Dann erkannte Sub-Zero den Grund für die eigenartige Haarfarbe. Ihr Haar war von winzigen Eiskristallen durchsetzt: sie hatte Reif auf dem Kopf.

„Ihr habt es nicht unter Kontrolle“, war das erste, was er zu ihr sagte.

„Wie bitte?“ fragte sie etwas verwirrt.

„Ihr könntet die Macht haben, die Kälte zu kontrollieren“, erklärte Sub-Zero. „Aber statt dessen kontrolliert die Kälte Euch. Der Reif in Eurem Haar verrät es mir.“

„Ich... ähm... habe das schon seit jeher“, sagte die junge Frau. „Ich weiß nicht, weshalb ich das habe. Ich habe schon alles versucht, um es loszuwerden, aber es kommt immer sofort wieder... Meine Freunde nennen mich deswegen... Frost.“

Sub-Zero nickte. Es war ihr offensichtlich peinlich, darüber zu sprechen.

„Habt Ihr schon mal Dinge eingefroren?“ fragte Sub-Zero.

„Ich habe eine Tiefkühltruhe zuhause“, sagte Frost mit einer solchen Unschuld, dass Sub-Zero lachen musste.

„Entschuldigt mich, aber habe ich etwas Komisches gesagt?“ fragte Frost.

„Nein“, sagte Sub-Zero. „Ich möchte Euch etwas zeigen.“ Er schenkte sich selbst ein Glas Wasser ein und stülpte es dann mit einer raschen Bewegung um, aber anstatt, dass sich das Wasser über den Schreibtisch ergoss, fiel eine kleine Säule aus Eis heraus, die genau die Form des Glases hatte. Und während Frost erstaunt zusah, ließ Sub-Zero den Eiszapfen ins Glas zurückfallen, wo er sich wieder verflüssigte.

„Wie habt Ihr das gemacht?“ fragte Frost erstaunt.

„Wir nennen diese Energie Kori“, erklärte Sub-Zero. „Bisher kennen wir nur wenige, die diese Energie beherrschen können. Ihr scheint eine von ihnen zu sein, oder sollte ich sagen, eine von uns.“

„Ihr meint, ich kann das auch?“

„Ich glaube, schon. Ich werde Euch lehren, Eure Kori zu kontrollieren“, sagte Sub-Zero. „Das heißt, wenn Ihr entschlossen seid, hier zu bleiben.“

„Das bin ich“, sagte Frost. Sie schien überglücklich zu sein. Ihre Augen begannen, zu leuchten. „Ich danke Euch, Großmeister Sub-Zero.“

„Bedanken könnt Ihr Euch später“, sagte Sub-Zero. „Wenn Ihr dem Hauspersonal Bescheid gebt, wird man Euch Eure Unterkunft zeigen.“

Frost stand auf, verbeugte sich kurz und ging zur Tür. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür, und Frost erschrak im ersten Augenblick ein wenig. Vor ihr stand ein Cyborg in einer gelb und weiß gefärbten Panzerung. An mehreren Stellen seines Körpers waren grün und rot blinkende Leuchtdioden angebracht. Falls er so etwas wie ein Gesicht hatte, lag es hinter einem dunklen Visier seines Helms verborgen. Aus dem Scheitel seines Helmes kamen drei kabelähnliche Antennen, die auf dem ersten Blick beinahe wie dünne Zöpfe aussahen.

„Verzeiht, ich wollte Euch nicht erschrecken“, sagte er mit einer monoton blechernen Stimme.

„Schon gut“, sagte Frost etwas zögerlich und setzte dann ihren Weg fort, während der Cyborg das Zimmer betrat.

„Ich schätze, mein Erscheinungsbild ist immer noch ziemlich befremdlich für Leute, die mich zum ersten Mal sehen“, sagte er, während er sich auf den Stuhl setzte, auf dem zuvor Frost gesessen hatte.

„Ja, selbst ich muss zugeben, dass du ziemlich einzigartig bist, Cyrax“, sagte Sub-Zero.

Cyrax war einer von ursprünglich drei Cyborgs gewesen, die von den alten Großmeistern programmiert wurden, um Sub-Zero zu töten, nachdem dieser den Klan verlassen hatte. Dank der Army-Spezialeinheit, die von Jax und Sonya Blade geleitet wurde, konnte ihm wieder ein Stück seiner Menschlichkeit zurückgegeben werden. Die anderen beiden Cyborgs nannten sich Sektor und Smoke. Sektor wurde irreparabel beschädigt nach dem letzten Mortal-Kombat-Turnier aufgefunden. Von Smoke, der zu Zeiten, als er noch menschlich war, ein enger Freund Sub-Zeros gewesen war, fehlte nach wie vor jede Spur. Und noch immer spürte Sub-Zero große Wut in sich aufsteigen, wenn er daran dachte, wie respektlos die früheren Großmeister das Leben anderer behandelt haben.

„Wie viele noch?“ fragte Cyrax plötzlich und riss damit Sub-Zero aus seinen Gedanken.

„Wie viele was noch?“

„Wie viele Anwärter erwartest du heute noch?“ formulierte Cyrax seine Frage aus.

„Sie war die Letzte für heute“, antwortete Sub-Zero.

„Lass' mich raten, du hast sie angenommen?“

„War das so offensichtlich?“

„Ich habe den Ausdruck in ihren Augen analysiert“, sagte Cyrax. „Mein Ergebnis ergab: achtundsiebzig Prozent Glücksgefühl, zweiundzwanzig Prozent Anspannung. Es gibt ansonsten nur noch zwei Gelegenheiten, bei denen eine Frau diesen Ausdruck zeigen: Wenn du ihr einen Heiratsantrag machst und wenn sie einen O...“

„Ich will das nicht wissen!“ rief Sub-Zero heraus.

Cyrax teilte es ihm trotzdem mit: „...wenn sie einen Ohrring mit Diamanten geschenkt bekommt. Woran hast du denn gedacht?“

„Schon gut“, erwiderte Sub-Zero knapp und versuchte sich Cyrax' Gesicht hinter seinem dunklen Visier vorzustellen. Aber wahrscheinlich verzog er keine Miene, weil er bei der Transformation jegliche Emotionen verloren hatte.

„Eines würde mich allerdings interessieren“, sagte Cyrax. „Du hast sie doch nur angenommen, weil sie die gleichen Fähigkeiten wie du hast, oder?“

„Wäre das so schlimm?“ fragte Sub-Zero.

„Hast du die Ergebnisse der Aufnahmeprüfung gesehen?“ fragte Cyrax zurück. „Für unsere Anforderungen ist sie ziemlich ungeeignet. Ich will damit nicht sagen, dass sie absolut unsportlich sei. Aber ihre Ausdauer ist nur mittelmäßig, und ihre Reaktionszeiten liegen im Keller. Jeden anderen mit den Werten hättest du schon abgewiesen.“

„Ausdauer und Reaktion kann man trainieren“, erwiderte Sub-Zero. „Sie hat eine Chance verdient.“

„Ich will dir keine Vorschriften machen, Sub-Zero“, sagte Cyrax. „Nimm' auf, wen immer du willst. Aber über eines solltest du dir im Klaren sein. Wenn Shao Kahn morgen hier einmarschieren wollte, wären wir vielleicht die letzte Barriere, die ihn aufhalten könnte.“

„Das habe ich nicht vergessen, Cyrax“, sagte Sub-Zero. „Und glaub' mir, ich weiß, wo ihre Schwächen liegen. Ich habe mich entschlossen, persönlich ihr Training zu übernehmen.“

„Wie ich schon sagte, die Entscheidungen liegen ganz bei dir, Großmeister Sub-Zero.“

Eine Weile lang schwiegen beide.

„Bist du schon fertig mit deinen Reisevorbereitungen?“ fragte Sub-Zero.

„Ja“, antwortete Cyrax. „Und morgen früh geht es los.“

Am nächsten Morgen wollte Cyrax nach Alaska reisen, um mit neun anderen Leuten die erste Jahresschicht im neuen Hauptquartier der OIA zu übernehmen. Nachdem Sonya und Jax die Beschädigungen an seinem Körper und seinen Schaltkreisen wieder repariert hatten, hatte er die Stelle in der neu gegründeten Agency übernommen. Er hatte es aus einem Pflichtgefühl heraus getan, und wäre er noch ein Mensch gewesen, hätte er es Dankbarkeit genannt.

„Pass' nur auf, da oben kann es ganz schön einsam werden“, sagte Sub-Zero.

„Wir sind Krieger der Lin Kuei“, erwiderte Cyrax. „Wir sind geboren für die Einsamkeit.“

Ein Jahr später


Frost stand in der Mitte einer großen runden Trainingshalle. Sie trug das schwarze eng ansitzende Kampfkostüm, das sie sich am Tag ihrer Ankunft ausgesucht hatte. Am Oberteil des Kostüms waren links und rechts zwei breite Streifen aus hellblauer Seide angenäht. Auf diesen Streifen war jeweils ein chinesischer Drache gestickt, in der Form einer Schlange, mit feurigem Schweif und spitzen Krallen an den vier Gliedmaßen. Und als Vollendung des Ganzen trug sie einen Stoffgürtel im gleichen Blau um ihre Hüften, der vielmehr als Zierde diente als die Kleidungsstücke zusammenzuhalten.

Die Trainingshalle war komplett leer. Dennoch verbeugte sich Frost nach allen vier Himmelsrichtungen. Dabei orientierte sie sich an den großen Fenstern des Saales. Schließlich begann sie ihre tägliche Kata, eine Reihe von Angriffs- und Abwehrstellungen, die in fließenden Bewegungen nahtlos ineinander übergingen. Sie begann in der Anfangsstellung des Yuan-Yang-Kampfstils, welche die des Kranich-Stils in gewisser Weise ähnelte. Sie stellte sich auf ein Bein und hob das andere an, bis Oberschenkel und Körper einen rechten Winkel bildeten. Die Arme hielt sie wie zwei Flügel weit auseinander gestreckt, einen Arm himmelwärts, den anderen in Richtung Boden. Den Körper hielt sie leicht zur Seite gedreht, so dass sie in einer ernsten Situation blitzschnell Gegner abwehren konnte, die sich von hinten näherten. Dann setzte sie sich in Bewegung, erst langsam und dann allmählich ihre Geschwindigkeit steigernd, bis sie die Geschwindigkeit erreicht hatte, die sie als angenehm empfand. Sie schlug in alle Richtungen, blockte unsichtbare Angriffe ab, wich ihnen behände aus und ging wieder zum Angriff über. Blitzschnell ließ sie die Kori-Energie durch ihre Arme fließen, so dass sie von einer Sekunde auf die nächste zwei Dolche mit gezackten Klingen aus Eis in der Hand hielt. Sie stach in die Richtungen ihrer imaginären Gegner, wirbelte herum und ließ die Dolche genauso schnell wieder verschwinden wie sie erschienen waren. Sie vollführte die Abläufe wieder und wieder, bis ein Geräusch die Stille durchbrach. Sie verharrte in einer Abwehrstellung. Dann verbeugte sie sich erneut und sah in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.

Am Rande des Trainingsraums stand Sub-Zero an die Wand gelehnt. Auch er trug seine blau-schwarze Kampftracht, die ihrer ähnlich war.

„Gut, sehr gut, deine Kata beherrschst du nun perfekt...“

„An der Stelle kommt immer ein ‚aber‘“, sagte Frost etwas außer Atem.

„Aber... gegen imaginäre Kämpfer zu kämpfen ist eine Sache. Eine ganz andere ist es, einem echten Gegner gegenüber zu stehen.“

„Ich weiß, das hast du mir schon oft gelehrt, Meister“, sagte Frost.

„Dann beweise mir, dass du deine Lektionen gelernt hast“, sagte Sub-Zero.

„Ich nehme deine Herausforderung an“, sagte Frost.

Sie stellten sich in der Mitte der Arena auf, zwei Armlängen voneinander entfernt. Dann verbeugten sie sich beide voreinander und nahmen die Anfangsstellung an. Während sich Frost wieder für Yuan-Yang entschied, nahm Sub-Zero eine einfachere und stabilere Haltung ein. Er stellte sich breitbeinig auf und hielt seine Hände auf der Höhe der Taille. Er hatte sich also für Shotokan entschieden, was nicht allzu überraschend war. Schließlich war das der Kampfstil, den er am besten beherrschte.

Sub-Zero griff zuerst an, er fuhr mit einem Arm aus und zielte auf Frosts Brusthöhe. Sie wehrte ihn mit ihrem Unterarm und konterte ihrerseits mit einem Schlag, der auf die Seite zielte, die sich durch Sub-Zeros Angriff geöffnet hatte. Doch auch ihr Lehrmeister war darauf vorbereitet. So lieferten sie sich gegenseitig eine Reihe von Schlägen, die aber vom jeweils anderen erfolgreich geblockt werden konnten. Dann, plötzlich und unerwartet, setzte Sub-Zero eine Finte ein: er setzte zu einem hohen Schlag an und vertraute darauf, dass Frost ihn abwehren würde, was sie auch tat. In dem Moment ließ sich Sub-Zero zu Boden sinken, streckte ein Bein aus und drehte sich ein Viertel um die eigene Achse. Es war nicht viel, reichte aber aus: Er traf sie mit dem Schienenbein an der Seite ihres Beines, störte ihr Gleichgewicht und brachte sie zu Fall.

„Lektion Nummer eins:“, sagte Sub-Zero. "Erwarte das Unerwartete, und zwar jederzeit.“

Er beugte sich zu ihr hinunter und reichte ihr die Hand. Sie stellten sich erneut auf, verbeugten sich und gingen in die zweite Runde, die mit dem gleichen Schlagabtausch wie in der Runde zuvor anfing. Doch dann entschied sich Frost, ihren Meister zu täuschen. Sie setzte zu einer ähnlichen Hoch-Tief-Kombination an. Doch sie unterschätzte ihn. Er wich dem ersten Schlag, der auf seinen Kopf gezielt war, aus, fing ihren zweiten Schlag auf seinen Magenbereich ab. Dann nutzte er ihre Schlagkraft aus und lenkte sie mit einem frontalen Schlag mit der Handfläche auf ihre angreifende Faust zurück. Frost bekam ein Gefühl, als krochen tausend Ameisen ihren Arm entlang. Den Bruchteil einer Sekunde lang war sie so abgelenkt und wurde von Sub-Zero erneut zu Boden geschickt.

„Lektion Nummer zwei: Benutze eine Täuschung nur dann, wenn du dir absolut sicher bist, es könnte sonst nach hinten losgehen.“

Er half ihr wieder auf und gingen in die dritte Runde. Dieses Mal bemerkte Sub-Zero sofort, dass Frost konzentrierter kämpfte. Ihre Schläge waren kontrollierter und ließen viel weniger Freiräume für Konterangriffe. Schließlich bekam Frost eine Faust von Sub-Zero zu fassen, zog ihn nah an sich heran und schlug ihm mit der offenen Handfläche gegen die Schulter. Der Meister wehrte den Schlag zwar erfolgreich ab, doch das ließ Frost genügend Zeit für einen tiefen Kick gegen seine Waden. Und dieses Mal war es Sub-Zero, der zu Boden fiel.

„Gut“, sagte er „jetzt hast du dich konzentriert und meinen Schwachpunkt entdeckt...“

Die Tür zur Arena wurde in dem Moment geöffnet, und einer der Lehrmeister kam herein.

„Großmeister, Lord Raiden ist hier, er würde dich gerne sehen“, sagte er.

„Lord Raiden?“ fragte Sub-Zero, während er aufstand. „Was will er?“

„Das wollte er mir nicht sagen“, antwortete der andere. „Er sagte nur, dass es wichtig sei.“

„Ich bin schon unterwegs“, sagte Sub-Zero.

*******


Der Gott des Donners schritt unruhig auf und ab, als Sub-Zero ihn empfing.

„Lord Raiden, es ist mir eine Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen“, sagte der Großmeister mit einer leichten Verbeugung.

„Wie ich sehen kann, hat sich hier einiges geändert“, sagte Raiden. „Dafür gebührt Euch Respekt.“

„Ich danke Euch für Eure Worte. Nun, wie kann ich Euch dienen?“

„Ich brauche Eure Hilfe, Großmeister Sub-Zero“, sagte Raiden mit grimmiger Miene. „Der Imperator von Outworld zieht ein riesiges Heer zusammen und beabsichtigt, zuerst Edenia, und dann die Erde anzugreifen. Ich fürchte, dass ein Krieg unabdingbar ist.“

„Das sind beunruhigende Neuigkeiten, Lord Raiden“, sagte Sub-Zero besorgt. „Ich fürchte, dass trotz unserer Bemühungen die Erde auf einen offenen Schlagabtausch nicht vorbereitet ist.“

„Da habt Ihr durchaus Recht“, sagte Raiden. „Deshalb müssen wir unsere Schritte umso besser planen. Es tut mir Leid, meine Zeit ist sehr knapp bemessen.“ Er überreichte Sub-Zero einen versiegelten Brief. „Es findet in drei Tagen eine Zusammenkunft statt. Dann werdet Ihr mehr erfahren. Doch nun muss ich Euch verlassen. Es müssen noch andere informiert werden.“

Raiden wollte sich gerade abwenden, um den Raum zu verlassen, als Sub-Zero ihn noch einmal ansprach.

„Ich würde gerne jemanden zu diesem Treffen mitbringen, wenn Ihr es erlaubt“, sagte er.

„Wer ist es?“

„Eine Schülerin von mir“, sagte Sub-Zero.

„Nun, wie ich bereits sagte, stehen wir vor einem Krieg. Ich fürchte, in einer solchen Situation bleibt keine Zeit für die Ausbildung Unerfahrener“, sagte Raiden.

„Sie mag eine Schülerin sein, aber sie hat durchaus Erfahrungen im Kampf.“

„Vertraut Ihr dieser Person?“

„Vollkommen, Lord Raiden“, sagte Sub-Zero. „Sie ist eine Lin Kuei und hat mir ihre Loyalität geschworen.“

„Wenn das so ist, benötigt Ihr keine Erlaubnis von mir“, sagte Raiden. „Ich wäre erfreut, Eure Schülerin kennen lernen zu dürfen.“

„Ich danke Euch, Lord Raiden“, sagte Sub-Zero und verbeugte sich noch einmal. Als er sich wieder aufrichtete, war Raiden verschwunden.

Los Angeles, USA


David Wieland huschte leise durch die schmalen Gänge eines Hotels, das definitiv schon bessere Tage gesehen hatte. Während er weiterlief, hoffte Wieland, dass ihm niemand entgegenkam. Ein jeder, der ihn gesehen hätte, hätte mit Sicherheit geschrien oder sonst ein verräterisches Geräusch gemacht, denn er trug eine Pistole am Gürtel, die er leider nicht verstecken konnte, da er nur ein einfaches T-Shirt trug.

„Warum muss ich immer die Drecksarbeit machen?“ dachte er. "Das war das letzte Mal. Ich werde langsam zu alt. Gleich morgen höre ich auf. Morgen ist der erste Tag vom Rest meines Lebens."

Doch David war sich bewusst, dass sein Vorhaben leichter gesagt als ausgeführt war. Und dass er seinen Job bis jetzt nicht aufgegeben hatte, hatte seine Gründe.

Der erste Grund war, dass der Job als Privatdetektiv nun einmal das war, für das sich Wieland entschieden hatte. Wenn er seinen Job jetzt an den Nagel hängte, wüsste er nicht, was er stattdessen machen sollte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Der zweite Grund war, dass es da draußen Menschen gab, die seine Hilfe brauchten, die auf ihn zählten. Er konnte sie nicht einfach so abweisen, nur weil er gerade nicht in der Stimmung war.

Und schließlich der dritte und wichtigste Grund: Wieland liebte eigentlich seinen Job, auch wenn er in diesem Moment anders darüber dachte. Er mochte dieses Gefühl, zu wissen, dass er jemanden geholfen hatte, der in Schwierigkeiten geraten war. Er war sich bewusst, dass er es nicht schaffte, ganz alleine die Welt zu verbessern. Aber auch nur einen einzigen Menschen wieder glücklich zu machen, war schon ein guter Anfang.

Seine neueste Klientin war eine ziemlich gutaussehende Frau mit brünetten Haaren, die ihren Ehemann verdächtigte, er würde sie mit einer anderen Frau betrügen, da er in letzter Zeit häufig erst mitten in der Nacht nachhause kam und ihr dann irgendwelche offensichtlich erfundenen Entschuldigungen auftischte. Also kam sie zu Wieland und bat ihn, ihren Ehemann zu observieren.

„Nichts einfacher als das“, dachte sich Wieland zuerst. Doch als seine Untersuchungen voranschritten, fand er heraus, dass es keine Frau war, mit der sich der Ehemann traf, sondern Keith Henrikson, ein gesuchter Waffenhändler. Ihm schuldete der Ehemann noch Geld. Aber bevor er weiteres unternehmen konnte, erfuhr er, dass die Ehefrau auf eigene Faust Ermittlungen angestellt hatte. Leider hatte sie sich ziemlich ungeschickt angestellt und wurde dabei von Henrikson entdeckt, der sie daraufhin kidnappen ließ. Und so kam es, dass sich Wieland auf der Suche nach ihr sich in diesem heruntergekommenen Hotel wiederfand.

Wieland hatte Glück, niemand hatte ihn gesehen. Das gesamte Hotel war ruhig. Er kam schließlich an dem Zimmer vorbei, in dem Wieland den Kidnapper und sein Opfer vermutete. Er entdeckte, dass die Tür nicht richtig geschlossen war. Sie war nur angelehnt. Wieland zog seine Waffe aus dem Gürtelhalfter und trat langsam ein.

Es war ein ganz normales Zimmer mit zwei großen Betten und einem Schrank für die Kleider. In der Mitte des Raumes jedoch stand ein Stuhl, auf der seine Klientin saß. Sie war mit einem Strick gefesselt worden, und ein Stück Isolierband klebte über ihrem Mund, so dass sie nur noch undeutlich Geräusche machen konnte, ihre Augen bewegten sich panisch hin und her. Ansonsten schien der Raum leer zu sein. Von Henrikson fehlte jede Spur, immerhin hatte er die Frau am Leben gelassen.

Als Wieland sich der Frau näherte, wurden sowohl die Geräusche, die sie machte, als auch ihre Augenbewegungen immer hektischer. Er erkannte, dass sie nicht willkürlich mit ihren Augen rollte, sondern vielmehr in eine bestimmte Richtung wies, in die Richtung der Tür...

Wieland wirbelte herum, doch es war zu spät. Henrikson sprang hinter der Tür hervor und kickte mit einem hohen Tritt Wielands Waffe aus seiner Hand. Sie flog in einem Bogen in die hinterste Ecke des Zimmers. Während Wieland sich noch von dem Überraschungsangriff erholte, kehrte Henrikson um und rannte aus dem Hotelzimmer.

„Verdammt nochmal!“ fluchte Wieland. Er entschied sich dafür, Henrikson zu verfolgen, anstatt seine Waffe aufzuheben. "Es tut mir leid, Lady, ich befreie Sie später!"

Er rannte aus dem Zimmer und sah gerade noch, wie Henrikson um eine Ecke verschwand. Mit großen Schritten lief Wieland hinterher. Es stellte sich heraus, dass sich sein Kontrahent in eine Sackgasse verrannt hatte, es war ein abgeschlossener Hinterhof. Er saß in der Falle.

„Das ist das Ende, Henrikson!“ rief Wieland. „Du kannst dich nicht mehr verstecken!“

„Na schön! Komm' her und wir tragen es aus wie richtige Männer!“ rief Henrikson zurück.

Während sich Wieland dem Waffenhändler näherte, sagte er: „Ich muss zugeben, dass du ziemlich gut in Kämpfen bist. Bisher haben mich nur wenige überrumpeln können...“

Plötzlich bemerkte er im äußersten Blickwinkel eine in seltsamen weißen Kleidern gewandete Gestalt. Einen Moment lang war er so sehr abgelenkt, dass er nicht bemerkte, dass er nur noch zwei Armlängen entfernt von Henrikson stand; der nutzte sogleich die Gelegenheit, holte aus, und schlug ihm mitten ins Gesicht. Sofort schrie Wieland schmerzerfüllt auf.

„Autsch! Scheiße! Musstest du so fest zuschlagen?“

„Äh, eigentlich solltest du laut Drehbuch was anderes sagen“, sagte Henrikson, und wenig später bemerkte er: „Du blutest ja...“

„Das versuche ich dir doch zu sagen!“

„Schnitt!“ rief die Stimme des Regisseurs aus dem Hintergrund. Sofort kamen Leute herbeigerannt und brachten Papiertücher.

„Es tut mir leid, dass ich das nicht gemerkt habe, Johnny“, sagte der Mann, der die Rolle Henriksons spielte. „aber wir sind doch den gesamten Ablauf fünfmal durchgegangen.“

„Schon gut“, sagte Johnny. „Ich hab' nicht aufgepasst.“

Mittlerweile war der Regisseur von seinem Hochsitz herabgestiegen und kam auf die beiden Schauspieler zu.

„Was zum Henker war denn das?“ fragte er.

„Es tut mir leid“, sagte Johnny, der noch immer seine Nase hielt. „ich habe es vermasselt.“

„Und wie ist es dazu gekommen, wenn ich fragen darf?“

„Ich wurde abgelenkt“, sagte Johnny.

„Abgelenkt? Wodurch denn?“

„Durch einen Mann“, antwortete Johnny.

„Durch einen Mann? Falls du es noch nicht bemerkt hast, hier sind Duzende von Männer“, erwiderte der Regisseur, woraufhin Johnny ihm einen Blick zuwarf, der hätte töten können. „Nun gut, ich glaube, es bringt jetzt nichts, noch weiter darüber zu diskutieren. Bist du in Ordnung? Kannst du weitermachen?“

„Ja, ich glaube schon“, antwortete Johnny. „Es tut nur höllisch weh. Gib' mir noch ein paar Minuten und lass mich eine Schmerztablette nehmen, okay?“

„Okay, Leute, eine halbe Stunde Pause!“ rief der Regisseur dem Stab zu.

Johnny Cage drehte sich um und kehrte zu seinem Wohnwagen zurück. In einem gewissen Sinne fühlte er sich genau wie David Wieland. Er hatte es satt, die Rolle des Action-Helden zu spielen. Er wollte stattdessen etwas Neues ausprobieren, vielleicht in einer Komödie oder einem Drama. Aber der Regisseur hatte ihn doch noch dazu überredet, ein letztes Mal die Rolle des David Wielands zu übernehmen.

Als er an seinem Wohnwagen ankam, sah er den weiß gekleideten Mann wieder. Also lag er richtig, der Mann, der ihn abgelenkt und zu dem kleinen Unfall geführt hat, war niemand geringeres als Raiden, Gott des Donners, einer der achtzehn Ältesten Götter, und, was am wichtigsten war, der Beschützer der Erde.

„Beeindruckende Vorstellung“, sagte Raiden. Seine Stimme war so ruhig wie immer. „Falls ich an diesem kleinen Unfall eben Schuld war, tut es mir leid. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.“

„Schon okay“, sagte Johnny. „Ich hatte schon ganz andere Verletzungen. Also, wie komme ich zu der Ehre Eures Besuches? Seid Ihr jetzt nicht einer der Ältesten Götter?“

„Ich muss dir leider eine schlechte Nachricht überbringen“, sagte Raiden. „Es kommt ein Krieg auf uns zu.“

Johnny brummte. „Shao Kahn versucht es wieder? Was machen denn die Ältesten Götter? Ihr solltes uns doch vor so etwas bewahren! Aber es sieht so aus, als müssten wir wieder mal selbst ran..."

Raiden lächelte, aber seine Augen schauten traurig. Das machte Johnny zu schaffen, wenn sogar ein Gott anfing, Gefühle zu zeigen, war definitiv etwas nicht in Ordnung.

„Dieses Mal ist es etwas anderes“, sagte Raiden. „Der Krieg ist diesmal unausweichlich. Er wurde bereits vor Äonen vorhergesagt. Es wird um Himmel und Erde gerungen werden. Und eine Niederlage würde das Ende aller Dinge bedeuten.“ Er gab Johnny ein Stück Papier. „Komm' an diesen Ort, in drei Tagen. Uns bleibt nicht viel Zeit.“

„Und was wird jetzt aus meinem Film?“ fragte Johnny und warf einen Blick auf das Stück Papier. Es waren Zahlen darauf gekritzelt. Als er wieder aufsah, war Raiden fort, er hatte sich wie in Luft auflöst, so wie er es immer tat. Er kam und ging, wie es ihm beliebte.

„Na toll“, murmelte Johnny. Er sah noch einmal auf das Papier. Die Zahlen darauf waren nicht einfach nur Zahlen, es waren Koordinaten, und sie kamen Johnny seltsam bekannt vor. Dann erinnerte er sich, das war der Ort, von wo aus das Schiff losfuhr, als er und die anderen zu der Insel fuhren, auf der das erste Mortal-Kombat-Turnier abgehalten worden war. Johnny Cage bekam ein schlechtes Gefühl in der Magengegend.

„Ich schätze, so toll ist der Film auch wieder nicht“, sagte Johnny zu sich selbst. „Es wird wohl wieder Zeit für ein wenig echte Action.“

Er ging in seinen Wohnwagen, packte schnell ein paar Sachen zusammen und verließ den Drehort, ohne jemandem auch nur ein Wort zu sagen.
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