Ka- Tet
von peterle
Kurzbeschreibung
Susannah verließ Roland im letzten Teil der dunklen Turm Reihe, um Eddie und Jake in einer anderen Welt zu finden und ihr Leben dort fortzuführen. Doch Rolands Welt lässt sie nicht los. Sie wird gezwungen sich zu erinnern und letztendlich zu handeln. Kann sie, ihr Ka- Tet, Roland dieses mal erlösen? Wir wissen, es geschehen einige Dinge auf Rolands Reisen für die es keine Erklärung gibt. Z. B. das Tonband in der Torweghöhle, das plötzliche Auftauchen seines Horns. Dieses Buch soll erklären was im Hintergrund geschieht.
GeschichteAbenteuer / P12 / Gen
21.12.2009
16.05.2010
7
11.423
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21.12.2009
1.814
Susannah sah nach wie vor Jake und seinem noch namenlosen neuen Freund zu.
Das Auftauchen des Hundes erschien ihr genauso ungewöhnlich wie die Art und Weise, in der sie ihr Haus gefunden hatten.
Eigentlich waren es nicht Eddie und sie gewesen, sondern Jake, der es gefunden hatte.
Bereits seit einigen Tagen hatten sie einen Immobilienmakler nach dem anderen aufgesucht, die sie von einem Haus zum nächsten komplimentiert hatten, doch Jake hatte an jedem einzelnen etwas auszusetzen gehabt.
Erst als sie nach Gardiner kamen, besserte sich Jakes Stimmung mit jeder Sekunde. Als sie jedoch das alte Farmgelände erreicht hatten, da hatte Jake regelrecht gejubelt.
„Hier, das ist es. Das gefällt mir. Sehen wir es uns doch einfach einmal an!“
Eddie wollte sich zunächst nicht einmal die Mühe machen, auszusteigen. Denn am Grundstück war nicht einmal ein „For Sale“ Schild aufgestellt worden. Er begann, mit Jake zu diskutieren.
„Komm schon, Kleiner. So, wie der Schuppen aussieht, bekommen wir es als „Heimwerkerobjekt“ für 99,95 plus einem Jahresabo für Schöner Wohnen und einem Farbfernseher. Außerdem scheint seit der Prohibition hier niemand mehr gewohnt zu haben.“
Jake ließ sich nicht beirren.
Er zog alle Register.
Es begann mit „Mensch Eddie...“ und einem Schmollmund und endete „Ich hasse dich!“ inklusive dicker Tränen in seinen großen, anklagenden blauen Augen.
Susannah klinkte sich aus dem Disput der beiden aus und sah sich um.
Das Haupthaus sah überhaupt nicht so mitgenommen aus, wie Eddie es auf den ersten flüchtigen Blick eingeschätzt hatte. Alle Fensterscheiben waren unversehrt, das Dach anscheinend in relativ guten Zustand. So, wie es schien, fehlten nur etwas Farbe und das Geländer der Veranda.
Im Übrigen fühlte es sich gut an.
Auf der Straße näherte sich langsam ein alter Truck. Obwohl er sehr langsam fuhr und jedem Schlagloch ausweichen wollte, schwankte und ächzte das Auto bedrohlich.
„Lass uns mal den Mann dort fragen, ob er den Besitzer kennt“, meinte sie zu Eddie und öffnete die Wagentür.
Eddie stöhnte und verdrehte die Augen.
„Was soll's. Der sieht zwar aus, wie Methusalems Bruder, aber gut. Dann mach ich mich wieder einmal zum Clown und gebe vor, daran interessiert zu sein.“
Er seufzte resigniert, stieg aus und trat dem alten Truck mit einer strahlenden Präsentation seines unverkennbaren „Du – kannst – mich – mal – aber – ich – sprech – trotzdem – mit – dir“ Grinsen entgegen.
Jake war begeistert.
„Glaub mir, Suze, das ist genau das Richtige!“
Er sollte Recht behalten.
Der Fahrer des Wagens, John Cullum, kannte scheinbar Alles und Jeden. So auch jemanden, der hier früher als Hausmeister tätig gewesen war.
Eine Stunde später hatte er den Hausschlüssel aufgetrieben und den Hauseigentümer ausfindig gemacht.
Selbst Eddie musste zugeben, dass das Haus in einem besseren Zustand war, als er zuerst angenommen hatte.
Die alte Lady, der das Haus gehörte, war scheinbar froh darüber, dass jemand überhaupt Interesse zeigte und gab sich mit einem Spottpreis, der selbst in dieser Gott verlassenen Gegend, weit unter dem gängigen Immobilienwert lag, zufrieden.
Bereits zwei Wochen später waren sie eingezogen.
Man sollte es nicht für möglich halten, doch entgegen Eddies anfänglichen Zweifeln, fühlten sich alle wohl.
Es war beinahe so, als hätten sich endlich ihr wahres Heim gefunden.
Besonders Jake schien endlich zufrieden zu sein. Bereits am Tage ihres Einzuges hätte man annehmen können, dass er bereits seit seiner Geburt hier gewohnt hatte.
Er verblüffte sie immer wieder damit, wie genau er sich in der Gegend auszukennen schien.
Als sie zum Beispiel einen Aufbewahrungsraum für Eddies besonders wertvolle Hölzer suchten, steuerte Jake zielsicher ein riesiges, scheinbar Jahrhunderte altes Brombeergestrüpp an und legte zu ihrer maßlosen Verblüffung eine Art Sturmkeller frei.
Das hieß jedoch nicht, dass Jake sich nicht mehr eigenartig benahm.
Ganz im Gegenteil. Susannah seufzte leise. Mit jedem Tag benahm der Bengel sich seltsamer.
Stundenlang streifte er in der Gegen umher, als würde er irgendetwas suchen, obwohl weder Eddie noch sie sich auch nur im Entferntesten denken konnten, was das sein sollte.
Morgens stürmte er noch vor dem Frühstück aus dem Haus, kehrte kurz darauf mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck zurück und nahm missmutig am Tisch Platz.
Beim dritten Mal meinte Eddie. Wenn er jeden Morgen einen derartigen Anlauf bräuchte, um nur auf seinen Stuhl zu kommen, könnte er ihm einen Schemel davor stellen.
Wider Erwarten schmunzelte Jake jedoch nicht einmal, sondern wurde nur noch trübseliger.
„Was ist denn mit dir los?“ fragte Susannah ihn besorgt.
Er warf ihr einen traurigen Blick zu.
„Alles ist richtig. Das Haus stimmt, der Wald ist der Richtige, selbst die Flitzer Lichter, die John mir gezeigt hat, passen genau. Aber ER fehlt immer noch.“
„Flitzer Lichter“, fragte Susannah und mit Erstaunen realisierte sie, wie ihr bei diesem Wort ein kalter Schauer über den Rücken lief.
„Er?“ kam von Eddie, der Jake fragend musterte.
Jakes Antwort kam nur zögernd.
„Nachdem was in New York passiert ist, wollte ich eigentlich nichts davon erzählen. Aber ich habe von diesem Haus geträumt. Immer wieder. Auch von dem Wald und den Steinringen. Ich habe vor einigen Tagen John Cullum nach großen Steinen oder Findlingen gefragt. Er erzählte mir, dass es hinten im Wald welche gibt.“ Jake goss sich bedächtig Milch über die Flakes und sah dann beide an.
„Er meinte, dass es eine alte Kultstätte der Micmac Indianer sei. So erzählen es sich zumindest die Alten. Und manchmal tauchen dort seltsame Lichter auf. Wer zu ihnen geht, ihnen folgt, verschwindet und taucht nie wieder auf, heißt es. Deshalb Flitzer Lichter!“
„Glaubst du an solchen Humbug?“, fragte Susannah ihn.
„Es ist wirklich etwas gruselig dort. Und gestern habe ich auch die Lichter gesehen. Es können aber auch nur eine Menge Glühwürmchen gewesen sein.“
Er wandte sich Eddie zu.
„Genauso habe ich immer von einem Hund geträumt, der hier auf mich wartet. Einer mit goldenen Augen. Und dass er mein bester Freund wird.“ Er holte tief Luft.
„Aber das war bestimmt nur Bumhug.“ Verblüffung machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Warum habe ich das so gesagt?“
Susannah bekam eine Gänsehaut, zuckte jedoch genauso mit den Schultern wie Eddie.
Als sie vor einigen Tagen erwachte und aus dem Fenster sah, saß der seltsame Hund vor dem Haus und wartete. Als würde er wissen, dass Jake jeden Moment durch die Tür kommen würde.
Und genauso war es dann auch.
Sie hörte ein Indianergeheul aus Jakes Zimmer und kurz darauf stürzte Jake aus dem Haus. Es sah aus, als würden sich alte Freunde nach einer langen, mühsamen Reise wieder treffen.
Auch heute spielte er bereits wieder seit dem Frühstück mit dieser seltsamen Kreatur am Waldrand.
Man hatte den Eindruck, die beiden würden sich bereits seit Jahren kennen.
Kurz darauf kehrten sie ins Haus zurück.
Jake strahlte sie an, als er die Küche betrat. Der Hund machte unmittelbar vor seinen Füßen ein außerordentlich wohlerzogenes Platz.
„Susannah, ich habe Hunger. Wann kommt Eddie nach Hause? Außerdem weiße ich jetzt, wie ich ihn nenne. Oy!“
„Oy!“ erklang eine tiefe, raue Stimme wie zur Bestätigung.
Susannah hatte prüfend zur Uhr gesehen, als Jake seinen Hunger verkündete. Doch als sie diese tiefe, raue Stimme hörte, setzte ihr Herzschlag aus.
In ihrem Kopf sah sie ihre kleine Familie wie Marionetten an Fäden aufgehängt und hörte eine ruhige Stimme mit ungewöhnlichem Akzent sagen:
„Ka.“
Seltsamer Weise antwortete Eddie in ihren Gedanken.
„Ka-ka!“
Eddie saß vor einer Tasse Kaffee in einem Restaurant in Bangor. Er hatte sich in seinem „Nobelzwirn“ gezwängt, da er hier mit einem seiner dünn besäten Kunden verabredet war.
In Gedanken amüsierte er sich.
Eddie Cantor Dean traf sich mit einem respektablen Kunden!
Vor zehn Jahren hätte er noch jedem, der auch nur Ähnliches angedeutet hätte, mit einem „Milzriss“ – wie man damals zu sagen pflegte - nach Hause geschickt.
Seine einzigen Kunden – wenn man sie überhaupt so bezeichnen konnte – waren Pfandhausbesitzer, denen er für fünf Dollar ein geklautes Autoradio andrehte. Jedenfalls, bis sie ihn nach Vietnam schickten.
Er war glücklicherweise nur drei Monate dort, bis Nixon endlich begriffen hatte, dass es eine selten dämliche Idee ist, amerikanische Jungens für irgendwelche asiatischen Diktatoren im Dschungel verrecken zu lassen.
Kurz nach seiner Rückkehr starb seine Mutter.
Nun war er für seinen kleinen Bruder verantwortlich. Es gab keinen Job, den er nicht angenommen hätte.
Er wischte Kotze in irgendwelchen herunter gekommenen Spelunken und erhielt für diese Sauerei noch nicht einmal den Mindestlohn.
Er war als Pizzafahrer und Briefbote unterwegs. Irgendwann bekam er einen Job als Nachtwächter in einer Kunstgalerie. Dort war die Bezahlung zwar auch beschissen, aber er arbeitete nur noch nachts – hatte somit mehr Zeit für Jake – und musste sich nicht mehr mit dem menschlichen Abschaum der Gesellschaft umgeben.
Dort hatte er sogar Zeit, seinem alten Hobby – der Holzschnitzerei – nachzugehen.
Nach einiger Zeit fiel einem Angestellten der Galerie sei Talent auf.
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Glück.
Es dauerte nicht lange, bis er Jake und sich mit dem Erlös aus den Verkäufen seiner Werke durchbringen konnte.
Nachdem sie dann Susannah gefunden hatten – oder sie die beiden – oder wie auch immer man es bezeichnen wollte, war es, als würden sie zusätzlich für irgendeine Tat belohnt werden.
Er stieg in die, für ihn völlig unglaublichen Gefilde, des fünfstelligen Jahreseinkommens auf.
Erst die Ereignisse der letzten Wochen, und seine regelmäßigen unangenehmen Träume, hatten einen Schatten auf ihr Glück geworfen.
Eigentlich war er alles andere als abergläubig, oder empfänglich für jegliche Storys, die man unter dem Sammelbegriff X-Faktor kategorisieren konnte. Alles in allem wurde es aber langsam unheimlich.
Den vorläufig letzten Rest hatten ihm die seltsame Haussuche und dieser irre Hund gegeben.
Nicht, dass ihm das Haus unangenehm gewesen wäre oder er Angst vor diesem Hund gehabt hätte, nein, das Gegenteil war der Fall. Ihm war, als hätten sie ein Etappenziel erreicht und würden sich vor dem nächsten Abschnitt eine Ruhepause gönnen.
Das war unheimlich.
"Wenn Sie Mr. Dean sind, dann erwarten Sie mich, schätze ich“, sagte plötzlich eine angenehme männliche Stimme hinter ihm.
Eddie wandte sich um und erstarrte.
Vor ihm stand ein in einem hellen Maßanzug gekleideter Schwarzer.
Er war groß, schlank, beinahe hager. Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen und von Wind und Wetter gegerbt. Er strahlte eine beinahe unheimliche Vitalität aus.
Man hätte auf die Idee kommen können, er könne die Sierra Madre zu Fuß durchqueren, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten. Seine dunklen Augen erweckten den Eindruck von Präzisionsgeräten.
Der Mann musterte ihn freundlich und streckte ihm seine rechte Hand entgegen, die Eddie, ohne nachzudenken, ergriff.
Er hatte einen unerwartet festen Händedruck.
Eddie hatte plötzlich das untrügliche Gefühl, dass das Gesamtbild seiner Garderobe, inklusive seiner teueren Pulsar Armbanduhr, nur eine kostspielige Verkleidung sei.
Er hatte den Mann bereits mehrfach gesehen.
„Ich bin Mr. Parker und ich glaube, dass wir viel zu besprechen haben“, unterbrach dieser seine Gedanken und nahm ohne Aufforderung Platz.
Eddies Gedanken rotierten weiter.
Er kannte diesen Mann. Nur trug er in dem Bild, dass er in seinem Kopf von ihm hatte, Jeans, abgewetzte Stiefel – die Eddie insgeheim als Mexicaner betitelte – und zwei riesige Revolver.
Es war der Mann aus seinen Träumen.
Das Auftauchen des Hundes erschien ihr genauso ungewöhnlich wie die Art und Weise, in der sie ihr Haus gefunden hatten.
Eigentlich waren es nicht Eddie und sie gewesen, sondern Jake, der es gefunden hatte.
Bereits seit einigen Tagen hatten sie einen Immobilienmakler nach dem anderen aufgesucht, die sie von einem Haus zum nächsten komplimentiert hatten, doch Jake hatte an jedem einzelnen etwas auszusetzen gehabt.
Erst als sie nach Gardiner kamen, besserte sich Jakes Stimmung mit jeder Sekunde. Als sie jedoch das alte Farmgelände erreicht hatten, da hatte Jake regelrecht gejubelt.
„Hier, das ist es. Das gefällt mir. Sehen wir es uns doch einfach einmal an!“
Eddie wollte sich zunächst nicht einmal die Mühe machen, auszusteigen. Denn am Grundstück war nicht einmal ein „For Sale“ Schild aufgestellt worden. Er begann, mit Jake zu diskutieren.
„Komm schon, Kleiner. So, wie der Schuppen aussieht, bekommen wir es als „Heimwerkerobjekt“ für 99,95 plus einem Jahresabo für Schöner Wohnen und einem Farbfernseher. Außerdem scheint seit der Prohibition hier niemand mehr gewohnt zu haben.“
Jake ließ sich nicht beirren.
Er zog alle Register.
Es begann mit „Mensch Eddie...“ und einem Schmollmund und endete „Ich hasse dich!“ inklusive dicker Tränen in seinen großen, anklagenden blauen Augen.
Susannah klinkte sich aus dem Disput der beiden aus und sah sich um.
Das Haupthaus sah überhaupt nicht so mitgenommen aus, wie Eddie es auf den ersten flüchtigen Blick eingeschätzt hatte. Alle Fensterscheiben waren unversehrt, das Dach anscheinend in relativ guten Zustand. So, wie es schien, fehlten nur etwas Farbe und das Geländer der Veranda.
Im Übrigen fühlte es sich gut an.
Auf der Straße näherte sich langsam ein alter Truck. Obwohl er sehr langsam fuhr und jedem Schlagloch ausweichen wollte, schwankte und ächzte das Auto bedrohlich.
„Lass uns mal den Mann dort fragen, ob er den Besitzer kennt“, meinte sie zu Eddie und öffnete die Wagentür.
Eddie stöhnte und verdrehte die Augen.
„Was soll's. Der sieht zwar aus, wie Methusalems Bruder, aber gut. Dann mach ich mich wieder einmal zum Clown und gebe vor, daran interessiert zu sein.“
Er seufzte resigniert, stieg aus und trat dem alten Truck mit einer strahlenden Präsentation seines unverkennbaren „Du – kannst – mich – mal – aber – ich – sprech – trotzdem – mit – dir“ Grinsen entgegen.
Jake war begeistert.
„Glaub mir, Suze, das ist genau das Richtige!“
Er sollte Recht behalten.
Der Fahrer des Wagens, John Cullum, kannte scheinbar Alles und Jeden. So auch jemanden, der hier früher als Hausmeister tätig gewesen war.
Eine Stunde später hatte er den Hausschlüssel aufgetrieben und den Hauseigentümer ausfindig gemacht.
Selbst Eddie musste zugeben, dass das Haus in einem besseren Zustand war, als er zuerst angenommen hatte.
Die alte Lady, der das Haus gehörte, war scheinbar froh darüber, dass jemand überhaupt Interesse zeigte und gab sich mit einem Spottpreis, der selbst in dieser Gott verlassenen Gegend, weit unter dem gängigen Immobilienwert lag, zufrieden.
Bereits zwei Wochen später waren sie eingezogen.
Man sollte es nicht für möglich halten, doch entgegen Eddies anfänglichen Zweifeln, fühlten sich alle wohl.
Es war beinahe so, als hätten sich endlich ihr wahres Heim gefunden.
Besonders Jake schien endlich zufrieden zu sein. Bereits am Tage ihres Einzuges hätte man annehmen können, dass er bereits seit seiner Geburt hier gewohnt hatte.
Er verblüffte sie immer wieder damit, wie genau er sich in der Gegend auszukennen schien.
Als sie zum Beispiel einen Aufbewahrungsraum für Eddies besonders wertvolle Hölzer suchten, steuerte Jake zielsicher ein riesiges, scheinbar Jahrhunderte altes Brombeergestrüpp an und legte zu ihrer maßlosen Verblüffung eine Art Sturmkeller frei.
Das hieß jedoch nicht, dass Jake sich nicht mehr eigenartig benahm.
Ganz im Gegenteil. Susannah seufzte leise. Mit jedem Tag benahm der Bengel sich seltsamer.
Stundenlang streifte er in der Gegen umher, als würde er irgendetwas suchen, obwohl weder Eddie noch sie sich auch nur im Entferntesten denken konnten, was das sein sollte.
Morgens stürmte er noch vor dem Frühstück aus dem Haus, kehrte kurz darauf mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck zurück und nahm missmutig am Tisch Platz.
Beim dritten Mal meinte Eddie. Wenn er jeden Morgen einen derartigen Anlauf bräuchte, um nur auf seinen Stuhl zu kommen, könnte er ihm einen Schemel davor stellen.
Wider Erwarten schmunzelte Jake jedoch nicht einmal, sondern wurde nur noch trübseliger.
„Was ist denn mit dir los?“ fragte Susannah ihn besorgt.
Er warf ihr einen traurigen Blick zu.
„Alles ist richtig. Das Haus stimmt, der Wald ist der Richtige, selbst die Flitzer Lichter, die John mir gezeigt hat, passen genau. Aber ER fehlt immer noch.“
„Flitzer Lichter“, fragte Susannah und mit Erstaunen realisierte sie, wie ihr bei diesem Wort ein kalter Schauer über den Rücken lief.
„Er?“ kam von Eddie, der Jake fragend musterte.
Jakes Antwort kam nur zögernd.
„Nachdem was in New York passiert ist, wollte ich eigentlich nichts davon erzählen. Aber ich habe von diesem Haus geträumt. Immer wieder. Auch von dem Wald und den Steinringen. Ich habe vor einigen Tagen John Cullum nach großen Steinen oder Findlingen gefragt. Er erzählte mir, dass es hinten im Wald welche gibt.“ Jake goss sich bedächtig Milch über die Flakes und sah dann beide an.
„Er meinte, dass es eine alte Kultstätte der Micmac Indianer sei. So erzählen es sich zumindest die Alten. Und manchmal tauchen dort seltsame Lichter auf. Wer zu ihnen geht, ihnen folgt, verschwindet und taucht nie wieder auf, heißt es. Deshalb Flitzer Lichter!“
„Glaubst du an solchen Humbug?“, fragte Susannah ihn.
„Es ist wirklich etwas gruselig dort. Und gestern habe ich auch die Lichter gesehen. Es können aber auch nur eine Menge Glühwürmchen gewesen sein.“
Er wandte sich Eddie zu.
„Genauso habe ich immer von einem Hund geträumt, der hier auf mich wartet. Einer mit goldenen Augen. Und dass er mein bester Freund wird.“ Er holte tief Luft.
„Aber das war bestimmt nur Bumhug.“ Verblüffung machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Warum habe ich das so gesagt?“
Susannah bekam eine Gänsehaut, zuckte jedoch genauso mit den Schultern wie Eddie.
Als sie vor einigen Tagen erwachte und aus dem Fenster sah, saß der seltsame Hund vor dem Haus und wartete. Als würde er wissen, dass Jake jeden Moment durch die Tür kommen würde.
Und genauso war es dann auch.
Sie hörte ein Indianergeheul aus Jakes Zimmer und kurz darauf stürzte Jake aus dem Haus. Es sah aus, als würden sich alte Freunde nach einer langen, mühsamen Reise wieder treffen.
Auch heute spielte er bereits wieder seit dem Frühstück mit dieser seltsamen Kreatur am Waldrand.
Man hatte den Eindruck, die beiden würden sich bereits seit Jahren kennen.
Kurz darauf kehrten sie ins Haus zurück.
Jake strahlte sie an, als er die Küche betrat. Der Hund machte unmittelbar vor seinen Füßen ein außerordentlich wohlerzogenes Platz.
„Susannah, ich habe Hunger. Wann kommt Eddie nach Hause? Außerdem weiße ich jetzt, wie ich ihn nenne. Oy!“
„Oy!“ erklang eine tiefe, raue Stimme wie zur Bestätigung.
Susannah hatte prüfend zur Uhr gesehen, als Jake seinen Hunger verkündete. Doch als sie diese tiefe, raue Stimme hörte, setzte ihr Herzschlag aus.
In ihrem Kopf sah sie ihre kleine Familie wie Marionetten an Fäden aufgehängt und hörte eine ruhige Stimme mit ungewöhnlichem Akzent sagen:
„Ka.“
Seltsamer Weise antwortete Eddie in ihren Gedanken.
„Ka-ka!“
Eddie saß vor einer Tasse Kaffee in einem Restaurant in Bangor. Er hatte sich in seinem „Nobelzwirn“ gezwängt, da er hier mit einem seiner dünn besäten Kunden verabredet war.
In Gedanken amüsierte er sich.
Eddie Cantor Dean traf sich mit einem respektablen Kunden!
Vor zehn Jahren hätte er noch jedem, der auch nur Ähnliches angedeutet hätte, mit einem „Milzriss“ – wie man damals zu sagen pflegte - nach Hause geschickt.
Seine einzigen Kunden – wenn man sie überhaupt so bezeichnen konnte – waren Pfandhausbesitzer, denen er für fünf Dollar ein geklautes Autoradio andrehte. Jedenfalls, bis sie ihn nach Vietnam schickten.
Er war glücklicherweise nur drei Monate dort, bis Nixon endlich begriffen hatte, dass es eine selten dämliche Idee ist, amerikanische Jungens für irgendwelche asiatischen Diktatoren im Dschungel verrecken zu lassen.
Kurz nach seiner Rückkehr starb seine Mutter.
Nun war er für seinen kleinen Bruder verantwortlich. Es gab keinen Job, den er nicht angenommen hätte.
Er wischte Kotze in irgendwelchen herunter gekommenen Spelunken und erhielt für diese Sauerei noch nicht einmal den Mindestlohn.
Er war als Pizzafahrer und Briefbote unterwegs. Irgendwann bekam er einen Job als Nachtwächter in einer Kunstgalerie. Dort war die Bezahlung zwar auch beschissen, aber er arbeitete nur noch nachts – hatte somit mehr Zeit für Jake – und musste sich nicht mehr mit dem menschlichen Abschaum der Gesellschaft umgeben.
Dort hatte er sogar Zeit, seinem alten Hobby – der Holzschnitzerei – nachzugehen.
Nach einiger Zeit fiel einem Angestellten der Galerie sei Talent auf.
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Glück.
Es dauerte nicht lange, bis er Jake und sich mit dem Erlös aus den Verkäufen seiner Werke durchbringen konnte.
Nachdem sie dann Susannah gefunden hatten – oder sie die beiden – oder wie auch immer man es bezeichnen wollte, war es, als würden sie zusätzlich für irgendeine Tat belohnt werden.
Er stieg in die, für ihn völlig unglaublichen Gefilde, des fünfstelligen Jahreseinkommens auf.
Erst die Ereignisse der letzten Wochen, und seine regelmäßigen unangenehmen Träume, hatten einen Schatten auf ihr Glück geworfen.
Eigentlich war er alles andere als abergläubig, oder empfänglich für jegliche Storys, die man unter dem Sammelbegriff X-Faktor kategorisieren konnte. Alles in allem wurde es aber langsam unheimlich.
Den vorläufig letzten Rest hatten ihm die seltsame Haussuche und dieser irre Hund gegeben.
Nicht, dass ihm das Haus unangenehm gewesen wäre oder er Angst vor diesem Hund gehabt hätte, nein, das Gegenteil war der Fall. Ihm war, als hätten sie ein Etappenziel erreicht und würden sich vor dem nächsten Abschnitt eine Ruhepause gönnen.
Das war unheimlich.
"Wenn Sie Mr. Dean sind, dann erwarten Sie mich, schätze ich“, sagte plötzlich eine angenehme männliche Stimme hinter ihm.
Eddie wandte sich um und erstarrte.
Vor ihm stand ein in einem hellen Maßanzug gekleideter Schwarzer.
Er war groß, schlank, beinahe hager. Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen und von Wind und Wetter gegerbt. Er strahlte eine beinahe unheimliche Vitalität aus.
Man hätte auf die Idee kommen können, er könne die Sierra Madre zu Fuß durchqueren, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten. Seine dunklen Augen erweckten den Eindruck von Präzisionsgeräten.
Der Mann musterte ihn freundlich und streckte ihm seine rechte Hand entgegen, die Eddie, ohne nachzudenken, ergriff.
Er hatte einen unerwartet festen Händedruck.
Eddie hatte plötzlich das untrügliche Gefühl, dass das Gesamtbild seiner Garderobe, inklusive seiner teueren Pulsar Armbanduhr, nur eine kostspielige Verkleidung sei.
Er hatte den Mann bereits mehrfach gesehen.
„Ich bin Mr. Parker und ich glaube, dass wir viel zu besprechen haben“, unterbrach dieser seine Gedanken und nahm ohne Aufforderung Platz.
Eddies Gedanken rotierten weiter.
Er kannte diesen Mann. Nur trug er in dem Bild, dass er in seinem Kopf von ihm hatte, Jeans, abgewetzte Stiefel – die Eddie insgeheim als Mexicaner betitelte – und zwei riesige Revolver.
Es war der Mann aus seinen Träumen.