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Trauer, Wut und eine Überdosis Glück

von kariker
Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
19.10.2009
17.11.2009
2
3.441
1
Alle Kapitel
8 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
 
19.10.2009 1.352
 
Weil "Auf Probe" was längeres wird, brauch ich ein bisschen Abwechslung zwischen drin.
Mein Dank an die Story-Idee geht wieder mal an Nadine.
Am Donnerstag, 22.10.09, läuft wieder mal die Folge "Außer Gefecht" im Fernsehen - sehr sehenswert! Um sie ein bisschen abzurunden, gibt es hier eine kleine Vorgeschichte dazu und das Versprechen: Nach Donnerstag gibts ein zweites Kapitel mit der Nachgeschichte!

Viel Spaß!

Disclaimer: Der Tatort, die Kommissare und die Folge "Außer Gefecht" gehören mir natürlich nicht. Nur die Gedanken drum rum...

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Leere Augen…

Graues Gesicht…

Franz schloss die Augen, um sein Spiegelbild nicht mehr sehen zu müssen und fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht.

‚Geh nicht ins Büro!’

Hatte er laut gesprochen?

Er öffnete die Augen wieder und sah sein Spiegelbild schwanken. Mit einem Blick nach unten griff er ans Waschbecken und hielt sich vor dem aufkommenden Schwindel fest.

‚Ich hab ein Recht auf zwei freie Tage…’

Er schloss die brennenden Augen wieder. Wenn er wenigstens heulen würde, das wäre angemessen, vielleicht auch befreiend. Aber seine Augen waren brennend trocken. Waren die ganze Nacht trocken geblieben.

Das Geräusch des Wasserhahns war überlaut. Ein paar Handvoll kaltes Wasser brachten für einen Moment ein bisschen Leben in sein Gesicht, aber das dumpfe Gefühl, die Hülle von Taubheit, die sich seit gestern um seinen Körper und vor allem um seine Seele gelegt hatte, blieb.

Ein Blick in den Spiegel zeigte ein unverändert steinernes Gesicht.

Er konnte nicht im Büro anrufen – dann würde er erklären müssen, was los war. Davor graute ihm zutiefst. Es zu sagen, hieß, die Schuld einzugestehen, die er die ganze Nacht versucht hatte, von sich fern zu halten…

‚Krank… ich kann mich krank melden’

Aber das wäre eine Lüge. Noch eine Lüge.

„Lügner!“

Diesmal hatte er laut gesprochen. Hasserfüllt!

„Feigling!“

Er erschrak vor seiner eigenen Stimme und starrte wieder in das Waschbecken.

Ivo würde sich Sorgen machen, würde vorbeikommen… würde merken, dass er nicht krank war, sondern dass etwas anderes los war und würde nicht locker lassen…

Krankmelden ging nicht!

Und die Vorstellung zu Hause zu bleiben, allein mit seinen Gedanken… nein – besser, er ging ins Büro.

Vielleicht konnte er so tun, als wäre alles in Ordnung.
Probeweise grinste er sein Spiegelbild an. Eine Fratze grinste zurück.
Vielleicht auch nicht…

„Ivo, sprich mich nicht an, okay? Mein Vater ist gestern gestorben…“

Franz hatte die Augen wieder geschlossen und biss die Zähne aufeinander. Wut stieg in ihm auf.

„…ist umgebracht worden… getötet!“

Er öffnete die Augen wieder und starrte hasserfüllt auf das Spiegelbild: „Weil Du nicht da warst! Weil Du ein Feigling bist und ein Lügner!“

Seine rauhe Stimme erschreckte ihn selbst.

Er schüttelte den Kopf - Selbstvorwürfe halfen jetzt auch nicht mehr!

Er musste es Ivo sagen!
Ivo war sein Freund… Aber er hatte Ivo auch schon oft genug als Entschuldigung missbraucht, um seinen Vater nicht besuchen zu müssen. ‚Wichtige Fälle’ waren immer wieder dazwischen gekommen. Ob Ivo ihn verstehen würde? Würde er ihm einen Vorwurf machen? Oder hätte er einfach Mitleid?

Aber Franz wusste, dass er heute weder einen vorwurfsvollen noch einen mitleidigen Blick ertragen konnte…

Sein Handy riss ihn aus den Gedanken. Er war froh, vom Spiegelbild abgelenkt zu werden und ging in den Flur um ranzugehen. Das Display zeigte ihm, wer dran war.

„Ivo?“

„Franz! Guten Morgen? Wo bist Du denn? Schläfst noch?“ Franz hörte Ivos Grinsen durch die Leitung und bemühte sich, seine Stimme locker klingen zu lassen.

„Ähm…, hab den Wecker net g’hört! Bin aber gleich auf’m Weg! Gibt’s was wichtiges?“

„Naa, mir war nur langweilig ohne Dich. Der Carlo kommt auch grad erst zur Tür rein!“

„Ich komm gleich, Ivo. Servus!“

„Bis gleich!“

Franz steckte das Handy in die Tasche, seufzte und griff nach seiner Jacke. Soviel zur Frage, ob er heute ins Büro gehen würde, oder nicht…

--

Wenig später stand Franz vor der Bürotür und atmete einmal durch, ehe er die Klinke drückte.
Carlo war im Nebenraum, Ivo blickte erwartungsvoll auf. Sein Gesicht strahlte, er war offensichtlich bester Laune. Aber nach wenigen Sekunden verdüsterte sich sein Blick.

„Franz! Wie schaust Du denn aus? Hast schlecht g’schlafen?“ fragte er besorgt.

Franz öffnete den Mund, aber im nächsten Moment kam Carlo aus dem Nachbarzimmer.
„Servus, Franz! Auch scho da?“

Franz nickte nur, zog seine Jacke aus und ging an seinen Platz.
„Gibt’s was neues?“ fragte er betont beiläufig.

Ivo schüttelte vom gegenüberliegenden Schreibtisch den Kopf, Carlo sagte gleichzeitig „Ja, hier!“ und ließ einen Aktenstapel auf Ivos Schreibtisch fallen. „Akten, von allen Leuten, die mit dem Ecstasy-Fall was zum tun ham!“

„Da kannst gleich dem Franz die Hälfte rüberlegen. Der braucht auch was zu tun. Des sieht man ihm doch an!“ Ivo blickte seinem Kollegen prüfend ins Gesicht. „Etz sag, was los is? Geht’s Dir net gut?“

Auch Carlo, der ihm die Hälfte der Akten hinlegte, sah ihn fragend an.
Aber Carlo konnte er jetzt nicht brauchen. Ivo vielleicht, aber Carlos flapsige Sprüche gingen gar nicht! Deswegen zuckte er nur mit den Achseln. „Weiß net. Vielleicht was aufg’schnappt…“

"Dann trinkst jetzt a heiße Zitrone und liest schön Akten. Des is reine Medizin!" Ivos Fröhlichkeit wäre unter anderen Umständen ansteckend gewesen.

Während der Tag verging, hatte Franz das Gefühl, sich in einem Film zu bewegen. Zu Ivos und Carlos Überraschung stürzte er sich tatsächlich wie ein Besessener in die Akten, um sich abzulenken.

Als er gegen Mittag auf dem Flur unterwegs war, konnte Franz der Versuchung nicht widerstehen und klopfte am Zimmer der Kollegen vom MK-1. Auf das „Herein“ betrat er das Büro.

„Servus, Stefan.“

„Der Franz! Grüß Dich. Was führt Dich her?“

„Sag amal, ihr habt’s doch diesen Fall mit den…“ er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme brüchig wurde und schluckte, „…den Morphium-Toten, oder?“

„Der Sterbehilfe-Fall? Ja. Warum?“

„Ach, wollt nur mal fragen, wie’s da aussieht. Is ja a … interessanter Fall!“ Franz fragte sich, ob er irgendwie glaubhaft klang.

„Stimmt scho, aber der liegt a bissl auf Eis! Weißt, wir ham drei andere Sachen zu tun und ob’s sich da streng genommen um Mord handelt, is ja nicht ganz klar.“

„Was denn sonst?“ Franz versuchte, seine hitzige Stimme unter Kontrolle zu halten.

„Naja, des waren ja alles arme Schweine. Eigentlich hat der sie ja erlöst. Gestern kam glaub ich a neuer Fall rein, ham mer uns noch gar net mit beschäftigt… wart a mal!“ Der Kollege runzelte nachdenklich die Stirn. „Bist Du mit dem verwandt? Ich glaub, der hieß auch Leitmayr…“

Franz zögerte nur einen Moment, dann sagte er mit einem gezwungenen Lachen: „Zufälle gibt’s, hm? Naja, Leitmayrs gibt’s halt viele hier in München… also, ich muss dann!“

„Was wolltest denn eigentlich?“

„War nur grad hier und … hat mich halt interessiert… weil’s a mal was anderes ist! Alles Gute!“

„Servus, Franz!“

Als er wieder auf dem Flur stand, hörte er im Geist die zweifelnde Stimme des Kollegen: ‚ob’s sich da streng genommen um Mord handelt, is ja nicht ganz klar’.

Was für eine Frage!

Er spürte eine grimmige Entschlossenheit in sich aufsteigen und wusste jetzt, was er zu tun hatte!

Er musste diesen Fall haben! Und zwar schnell, ehe die Kollegen nachforschten und eine Verbindung fanden!
Er, Franz, musste diesem Kerl das Handwerk legen! Wer, wenn nicht er?

Mit zusammengebissenen Zähnen betrat er das Büro wieder.

Ivo saß am Schreibtisch und sah auf.
„Na? Geht’s besser? Du kriegst wieder a bissl a Farb ins Gesicht!“ er lächelte.

Franz bemühte sich um ein Grinsen: „Ja, besser! Ivo, ich würd gern an Fall vom MK-1 übernehmen!“

Aber das hieß, dass Ivo genau so wenig von seiner Verbindung zu diesem Fall erfahren durfte, wie die Kollegen…

Während er seinem Freund darlegte, um was es sich handelte, spürte er einen Stich bei der Erkenntnis, wie sehr er ihn damit hinterging und für eine Sekunde stockte seine Stimme. Aber im nächsten Moment schob sich das Bild seines Vaters vor seine Augen, wie er ihn zuletzt gesehen hatte: Im Pflegeheim, hilflos wie ein Kind, mit der Hand nach seinem Sohn greifend…

Und Franz wusste, was er zu tun hatte!

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