Die Herrschaft des Phönix
von Mirjam Lea
Kurzbeschreibung
General Smith konnte aus der Gefangenschaft entkommen und schickt sich ein zweites Mal an, die Herrschaft in der EAAU zu übernehmen. Aber auch seine grausamen Methoden schaffen es nicht, jeden Widerstand erlahmen zu lassen... (Anmerkung: Es handelt sich um eine radikale Neufassung von der Innere Zirkel, die jetzt auf Gleichgewicht des Schreckens ausbaut.)
GeschichteDrama / P16 / Gen
Gordon B. Smith
Samuel Hirschmann
19.08.2009
28.09.2010
27
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19.08.2009
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Die ersten Stunden in Metropolis waren entsetzlich aufregend für Isabel, sie kam kaum zur Ruhe. Der letzte entspannte Moment war der des Anflugs auf die Hauptstadt gewesen, als sie Gelegenheit gehabt hatte, die Stadt aus der Vogelperspektive zu betrachten. Was für ein Anblick! Ihr Atem hatte für einen Augenblick ausgesetzt, so beeindruckt war sie gewesen. Der blaue, nur leicht bewölkte Himmel spiegelte sich in den glitzernden Fassaden der hoch aufragenden Häuser, die mit ihren Dächern die Wolken zu durchstoßen schienen. Dazwischen schlängelten sich baumumstandene Straßen hindurch, die in imposanten Plätzen mündeten oder zu grünen Oasen inmitten der Häuserflut führten. Isabel hatte Wasserflächen gesehen, die wie natürliche Seen wirkten, obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass sie künstlich von den Stadtplanern angelegt waren. Auch flachere, kuppelförmige Gebäude erkannte sie, das mussten die berühmten Theater der Stadt sein, in denen unzählige Musicals und Schauspiele dargeboten wurden. In Metropolis wurde der Traum von einer multikulturellen Gesellschaft verwirklicht, die Völker aller drei in der Union vereinigten Kontinente trugen zum schöpferischen Reichtum der Hauptstadt bei. Der General machte sie auch auf die Universitäten aufmerksam, in denen eine junge Generation von Wissenschaftlern ausgebildet wurde, die einmal zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Union beitragen würde. Die Geisteswissenschaften erwähnte er dabei nicht, aber auch diese waren dort vertreten, junge Historiker und Philosophen, die sich wahrscheinlich jetzt schon eifrig mit der aktuellen politischen Lage auseinandersetzten. Ob der General sich wohl darum sorgte, was diese jungen Menschen von ihm dachten? War es ihm gleichgültig, oder dachte er auch jetzt schon darüber nach, wie er sie sich gewogen stimmen konnte?
Kaum gelandet, waren sie von einem eskortierten Transporter abgeholt worden, der sie zum Regierungsgebäude bringen sollte, zu Smiths neuem Amtssitz, den Präsident Hirschmann erst vor ein paar Stunden geräumt hatte. Die Presse mutmaßte, der Präsident habe sich mit einem Schwächeanfall in seine Privatwohnung zurückgezogen und befände sich in ärztlicher Behandlung. Das aber mochte ein Gerücht sein. Vielleicht sammelte Hirschmann schon längst inoffiziell seine Berater um sich, um zu beratschlagen, wie man aus der gegenwärtigen Situation das Beste machen und Smith kompromissbereit stimmen konnte. Isabel glaubte nicht daran, dass Hirschmann einfach so aufgab. Er würde einen Weg suchen, sich mit dem General auf eine gemäßigte Politik zu einigen. Sie war sich nicht ganz sicher, wie Smith tatsächlich zu Hirschmann stand, sicherlich war es eher sein Verstand als sein Gefühl, der ihn bewog, überhaupt an Verhandlungen mit dem alten Mann zu denken. Smith hatte sich ihr gegenüber zwar nicht eindeutig geäußert, aber sie hatte aus manchen seiner Bemerkungen herausgehört, wie wenig der General die allgemeine Bewunderung für den ehemaligen Präsidenten teilte, was offensichtlich an dessen moderater Politik gegenüber den Asiaten lag.
Die Aufregung des Generals, welche dieser während der Fahrt zum Regierungspalast kaum verbergen konnte, übertrug sich auf Isabel. Selbst sein Hund wirkte nervös und gab zwischendurch immer wieder ein leises Winseln von sich. Der General beruhigte das Tier von Zeit zu Zeit durch ein leichtes Tätscheln auf die Flanken, worauf es sich zu seinen Füßen niederließ. Aber auch die anderen Offiziere, die im Wagen mitfuhren, waren in sichtlich euphorischer Stimmung. Es wurde gelacht und gescherzt. Manche Scherze waren harmlos, bezogen sich darauf, was man als erstes machen wolle, nun, da man sich wieder im pulsierenden Herz der EAAU befand, bestimmte Bars im Vergnügungsviertel aufsuchen, alte Freunde mit dem überraschenden Besuch erschrecken oder eine Sportveranstaltung in einem der Stadien ansehen. Andere Scherze klangen boshaft und rachsüchtig, die Namen von ehemaligen politischen Gegnern wurden ausgetauscht und wie man es ihnen heimzahlen wolle. Smith ließ seine Leute gewähren, hing wohl seinen eigenen Gedanken nach. Auch er hatte sicherlich noch die eine oder andere Rechnung offen. Isabel schwieg beklommen, ihre Begeisterung über den Sieg des Generals erhielt einen kleinen Dämpfer, war sie doch mit ihm gegangen, um für seine Sache zu kämpfen, nicht gegen irgendjemanden, schon gar nicht in der eigenen Bevölkerung. Vielleicht war sie die Sache zu naiv angegangen, denn sie hatte sich kaum Gedanken darüber gemacht, wie der General innenpolitisch vorgehen würde, sobald er einmal im Besitz der Macht war. Von einer Geheimpolizei war die Rede, die von den Anhängern des Generals schon in den letzten Monaten seines Exils im Untergrund organisiert worden war. Diese Männer und Frauen standen bereit, um Smiths Befehle auszuführen, offiziell, um die innere Sicherheit des Staates zu schützen. Aus den Gesprächen der Offiziere ließ sich aber nur zu deutlich heraushören, was das eigentliche Ziel dieser Truppe war: Das Verhaften von Smiths Gegnern, und das schnell und effektiv. Die Gespräche von Smiths Stab bestätigten nur, was Isabel schon gehört hatte: Es wurden Verhaftungslisten zusammengestellt, welche die neue Geheimpolizei alsbald abarbeiten sollte.
„Und Sie, Lieutenant Montero?“, fragte Major Hartmann, einer der Nachrichtenleute des Generals, „Was werden Sie als erstes tun, wenn Sie in Metropolis sind?“
„Ich werde mich erst einmal zurecht finden müssen“, erwiderte Isabel ausweichend. „Für mich ist Metropolis noch unbekanntes Gebiet.“
„Ach ja, ich vergaß, Sie sind ja eine neu Dazugestoßene!“ Der Major lachte, Isabel konnte nicht genau einordnen, ob es abfällig war oder nur amüsiert. „Da haben Sie ja noch nicht viel beizusteuern zu unseren schwarzen Listen. Wissen Sie, jeder von uns kennt hier Männer und Frauen, die sich gegen unsere Bewegung stark gemacht haben. Früher konnten diese Menschen ihren Mund weit aufreißen, jetzt werden sie schon stiller geworden sein, wenn sie sich nicht sogar schon in irgendwelche Erdlöcher verkrochen haben!“ Er lachte nochmals, diesmal in offensichtlicher Schadenfreude. Die anderen Offiziere im Transporter stimmten in sein Lachen mit ein.
„Verschrecken Sie mir Montero bloß nicht bevor sie richtig angekommen ist, Hartmann“, sagte Smith scherzhaft. „Ich brauche sie noch. So wie ich noch viele junge Gesichter wie ihres brauche. So wenig wie ich auf die Erfahrung unserer treuen Kameraden aus alten Zeiten verzichten kann, so sehr hoffe ich doch darauf, dass viele neue Anhänger aus der Mitte der Gesellschaft zu uns stoßen. Wir müssen uns daran gewöhnen, eine Volkspartei zu sein, kein Geheimclub mehr, aber das brauch ich Ihnen ja nicht zu erzählen.“
Er erntete beifälliges Gemurmel. „Unsere Public Relations Abteilung hat sich da auch schon einiges einfallen lassen, Sir“, mischte sich Colonel Dickenson, eine attraktive Mittvierzigerin stolz ein. „Wer Ihr Gesicht bis heute noch nicht kannte, wird es spätestens heute Abend nicht mehr vergessen können.“
„Na, das soll doch wohl keine Drohung sein?“, meinte der General lachend.
„Sie werden uns lediglich heute Nachmittag für eine Fotostrecke in Ihrem neuen Büro zur Verfügung stehen müssen“, fuhr Dickenson fort. „Ich bin sicher, Ihnen wird es nicht schwer fallen, als Sympathieträger aufzutreten!“
„Ich werde mein Bestes geben, Colonel“, versicherte Smith. „Was sagen Sie, Montero, soll ich eher als Zivilist auftreten oder als Militär? Ich will schließlich breite Schichten der Bevölkerung ansprechen.“
Isabel machte es ein wenig verlegen, dass sie in dieser wichtigen Angelegenheit um Rat gefragt wurde. Sie war froh, als sie bei ihrer Antwort nicht ins Stottern verfiel. „Nun, die Menschen kennen Sie als Angehörigen des Militärs, Sir. Ich sehe keinen Sinn darin, wenn Sie Ihren Hintergrund verbergen. Bei öffentlichen Auftritten können Sie nach Bedarf immer noch anders entscheiden.“
„Eine weise Entscheidung, Montero. Nun, ich werde mich wohl tatsächlich auch daran gewöhnen müssen, in Zukunft auch die Hände von Zivilisten zu schütteln. Ich hoffe, der Besuch von Kinderheimen bleibt mir erspart!“ Wieder stimmten die anderen Offiziere in sein Lachen mit ein.
Isabel war froh, als sie endlich das Regierungsviertel erreicht hatten und der Transporter vor dem Hochhaus zum Stehen kam, welches das Büro des Präsidenten beherbergte. Rechts davon befand sich das weitläufige Parlamentsgebäude, beides grenzte an einen von Grünflächen durchbrochenen Vorplatz, der wiederum in den berühmten Platz der Vereinigten drei Kontinente einmündete. Hier liefen die Hauptverkehrsadern der Hauptstadt zusammen, prächtige Alleen, auf denen es freilich kaum Verkehr gab, da dieser in die Luft verlegt worden war. Als die kleine Gruppe vor der Treppe ausstieg, die in das Regierungsgebäude hinaufführte, standen dort schon bewaffnete Truppen des Generals bereit, um seinen Einzug zu beschützen. Auch einige Laserbatterien waren aufgefahren worden, falls es doch noch zu Übergriffen präsidententreuer Einheiten kommen sollte. Nichts sollte dem Zufall überlassen bleiben. Rechts und links neben der Treppe wehten bereits die Fahnen der Reinigenden Flamme an den Masten, und wieder wunderte sich Isabel, woher diese Flaggen so schnell gekommen waren. Wie die Uniformen mussten sie in einer dem General ergebenen Fabrik im Geheimen gefertigt worden sein.
Neben ihr nahm Smith einen tiefen Atemzug, bevor er auf die Treppe zuging, als wolle er die salzhaltige Luft der Hauptstadt voll auskosten. Er schloß sogar einen Augenblick lang die Augen und verharrte auf der Stelle dabei. Die umstehenden Soldaten brachen in Jubel aus, hießen den neuen Machthaber willkommen. Ihre Stimmen hallten weit über den Platz als sie Smith Namen skandierten. Der General winkte ihnen leutselig zu und ging sogar raschen Schrittes zu einigen von ihnen hinüber und schüttelte ein paar Hände, wobei sein Hund ihm eifrig folgte. Dann entschuldigte er sich mit dringenden Staatsgeschäften und setzte seinen Weg fort.
Auch Isabel war von einem erhabenen Gefühl erfüllt, ausgelöst durch das gewaltige Regierungsgebäude, das hoch vor ihr aufragte und die jubelnden Soldaten um sich herum. Sie musste Acht geben, nicht in kindliches Staunen zu verfallen. Aber sie spürte auch die Macht, die von all dem ausging und war stolz, Teil dieser Bewegung zu sein. In diesen Momenten schwiegen die zweifelnden Stimmen in ihr und sie ließ sich fort reißen von der gehobenen Stimmung der Anhänger des Generals. Hier hatte sie endlich ihren Platz gefunden, hier wurde sie gebraucht, nicht nur als kleines Licht unter vielen, sondern als persönliche Mitarbeiterin dieses Mannes, der die EAAU aus der Krise führen wollte. Sein Charisma hatte sie schon längst gefangen genommen, mochten die Männer und Frauen der Reinigenden Flamme sein wie sie wollten. Nur Smith zählte, und seine Ziele waren die ihren. Diese Trennung von Bewegung und Anführer machte es ihrem Gewissen bequem. Was machte es schon, wenn sie sich nicht allem identifizieren konnte, wofür die Reinigenden Flamme stand, wenn sie ihren General über alles bewunderte?
Mit dynamischen Schritten eilte Smith auf die Eingangstür zu, fast hatte sein Gefolge Mühe, mit ihm Schritt zuhalten. Der Collie hechelte ein wenig, sprang aber tapfer die Stufen hoch. Isabel musste zwei Stufen auf einmal nehmen, um Smith folgen zu können. Sie sah seine Offiziere Blicke nach links und rechts werfen, gerne hätten wohl auch sie noch ein Bad in der Menge genommen. Der General aber bestimmte das Schritttempo. Vor ihnen glitten die breiten Türflügel beiseite und gaben den Blick auf die Eingangshalle frei. Auch dort ein Gewimmel von Menschen, Angestellte der Regierung, die noch nicht ihres Postens enthoben worden waren oder sich offen zu Smith und der Reinigenden Flamme bekannt hatten, Soldaten und Offiziere. Alle stoben auseinander, um für den neuen Regierungschef eine breite Gasse zu bilden, wie ein Meer, das sich auf ein geheimes Kommando hin teilte. Hinter dem Informationsschalter steckten ein paar Frauen in adretten Uniformen die Köpfe zusammen und tauschten sich aus, auch hier brandete Jubel auf.
„Hören Sie das, Montero?“, wandte sich Smith an sie. „Ist das nicht großartig? Die Menschen haben auf uns gewartet! Sie wissen, dass mit uns eine Wandlung zum Guten kommen wird. Selbst die Zivilisten jubeln uns zu!“
„Haben Sie hier schon unsere Leute unterbringen können?“, fragte Isabel vorsichtig, um das Wort Verhaftungen zu vermeiden.
„Ah, Sie meinen, ob, das Personal ausgetauscht wurde? Selbstverständlich mussten wie einige Änderungen vornehmen. Wir wollen uns doch keinen Ärger ins Haus holen, oder?“ Er berührte kurz mit der flachen Hand ihren Rücken, was ihre Haut angenehm kribbeln ließ. „Der Widerstand ist wie eine ansteckende Krankheit, man muss die von ihr befallenen Personen beizeiten in Quarantäne schicken, um die Gesunden zu schützen. Ich hoffe nur, dass wir gründlich genug waren.“
„Die Menschen jubeln Ihnen zu, Sir!“, mischte sich Dickenson ein. „Hier jedenfalls werden wir nicht mehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr, Dickenson! Ich hoffe nur, dass der Jubel sich nicht nur an der Oberfläche bewegt, sondern auch die innere Überzeugung dieser Menschen stimmt.“
„Dafür werden wir schon sorgen, Sir!“
„Jetzt geht es erst einmal hinauf in den 80. Stock, in mein neues Büro! Ich hoffe, Hirschmann hat es mir ordentlich hinterlassen!“
Wieder lachten sie und hielten auf die nächste Treppe zu, die zu einer Galerie führte, die an der Stirnseite der Eingangshalle entlang lief. Dort befanden sich auch die Aufzüge, welche die kleine Gruppe nach oben tragen sollten. Auch auf dieser Treppe standen Menschen, teilweise noch mit Akten unter dem Arm, mitten in der Arbeit gestört. Dazwischen gab es auch Militärpersonal in Uniform. Aus einer Gruppe von Offizieren löste sich ein Major und kam auf Smith zu, mit ausgestreckter Hand. Der General glaubte sich einem weiteren Gratulanten gegenüber und setzte sein strahlendstes Lächeln auf. Schon öffnete er den Mund, um dem Major seinen Dank auszusprechen.
Isabel reagierte fast zu spät. Sie sah die kurzläufige Laserpistole erst, als sie schon auf den General gerichtet war. Entschlossen setzte sie zum Sprung an und setzte alle Kraft in einen einzigen Stoß, der den vollkommen überraschten General zum Sturz brachte. Sengender Schmerz durchzuckte ihren linken Oberarm, dort, wo der für den General bestimmte Schuss sie getroffen hatte. Sie roch versengtes Fleisch und begriff, dass es ihr eigenes war. Neben ihr fing der Hund des Generals wie verrückt zu bellen an und schickte sich an, sich auf den Attentäter zu stürzen. Der General selbst lag auf den Stufen und sammelte sich. Einen Moment lang schienen alle wie gelähmt zu sein, weil niemand mit dieser Entwicklung gerechnet hatte. Diesen Augenblick nutzte der Major, um zu fliehen, so aussichtslos wie diese Flucht auch war. Aufgeregte Schreie erfüllten die Halle, als allgemeine Aufregung anstelle der vorübergehenden Lähmung trat. Menschen stoben auseinander, als erwarteten sie noch einen weiteren Anschlag.
„Nur festhalten, nicht erschießen!“, brüllte Major Hartmann. „Wir müssen wissen, wer dahinter steckt.“
Der fremde Major versuchte sich einen Weg durch die aufgescheuchte Menge zu bahnen und stieß Schaulustige beiseite, die einen Blick auf den Ort des Geschehens zu erhaschen hofften. Währenddessen erhob sich der General und klopfte seine Uniform ab, als habe er sie beschmutzt. Isabel atmete heftig. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie viel Glück sie gehabt hatte. Der Schuss hätte sie auch ins Herz treffen können, gerade auf diese kurze Distanz. Ihr Arm schmerzte höllisch.
Am Fuße der Treppe wurde der Flüchtige von kräftigen Armen gepackt, sein heftiger Widerstand war zwecklos, mochte er sich auch unter dem Griff seiner Bewacher winden. Zwei Soldaten waren nötig, um ihm die Hände auf den Rücken zu winden und ihn zu mit Handschellen zu fesseln. Dann wurde er abgeführt und wie Isabel vermutete, zum Verhör gebracht. Der Hund des Generals bellte unablässig weiter, ließ sich kaum beruhigen.
„Alles in Ordnung, Montero?“, fragte der General und legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Ja, Sir, es ist nur der Schrecken.“
„Ihr Arm sieht gar nicht gut aus, das müssen Sie sofort versorgen lassen.“ Er scheuchte einen seiner Soldaten davon, um einen Sanitäter zu holen.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie so grob zur Seite stoßen musste, Sir, aber etwas anders fiel mir auf die Schnelle nicht ein.“
„Eine Entschuldigung ist absolut unnötig, Montero“, erwiderte der General lächelnd. Offenbar hatte er seine Fassung schon wiedererlangt oder verstand es zumindest sehr gut, seinen Schrecken zu verbergen. „Sie haben mir eben die Haut gerettet, das werde ich Ihnen so schnell nicht vergessen. Sie haben was gut bei mir.“
„Das war doch selbstverständlich, Sir.“
„Nun, Sie haben Ihre Hausaufgaben offensichtlich besser gemacht, als einige der Sicherheitsleute hier. Verdammt, das hätte ins Auge gehen können. Wir werden wohl die Sicherheitsmaßnahmen um einiges verstärken müssen. Hartmann, ich will noch heute Nachmittag ein entsprechendes Dossier von Ihnen!“
„Wird erledigt, Sir.“
„Nun, dann wollen wir mal unseren Weg fortsetzen“, fuhr Smith gelassen fort, „schließlich führt man keine Regierung, indem man auf der Treppe herumsteht, nicht wahr? Hoffentlich funktionieren wenigstens die verdammten Aufzüge!“
***
Smith lächelte zufrieden in sich hinein, während der Lift ihn und seine Offiziere zu seinem neuen Büro hinauftrug. Montero hatte ihre Loyalität eben deutlich unter Beweis gestellt, er hatte nicht erwartet, dass sie sich für ihn in die Schusslinie werfen würde. Nun, ihre Wunde würde heilen, der herbeigerufene Sanitäter hatte den Arm rasch und professionell mit einem kühlenden Gel behandelt, in ein paar Tagen würde man nur noch wenig von der Verletzung sehen. Auch die beschädigte Uniform konnte man ersetzen, am besten durch ein etwas weiblicheres Modell, wie er es sich für seine persönliche Assistentin vorstellte. Smith dachte in diesen Dingen außerordentlich konservativ, Montero durfte ruhig wie eine attraktive Frau aussehen, wenn sie in seinem Vorzimmer ihren Dienst versah. Schließlich war sei ein hübsches Mädchen.
Dabei wäre ihr Opfer gar nicht nötig gewesen. Eigentlich war alles nach Plan verlaufen, bis sie eingegriffen hatte. Das geplante Attentat sollte durch einen seiner Sicherheitsleute verhindert werden, nun war es leider nicht zu der kleinen, heroischen Ansprache des angeblichen Terroristen gekommen, welche ihnen genügend Zeit verschaffen sollte, um den Major zu überwinden. Einen Aufruf gegen den General und die Reinigende Flamme unter dem Eindruck einer gezückten Waffe, was den Menschen zeigen sollte, zu welchen Methoden Smiths Gegner griffen, um ihn loszuwerden. Nun, der kleine Auftritt hatte auch so seinen Zweck erfüllt und lieferte einen willkommenen Anlass, um die Schraube der Sicherheitsbestimmungen in der Stadt enger anzuziehen. Schließlich war es auch im Interesse der Bevölkerung notwendig, weitere bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der neue Chef der gerade gegründeten sogenannten III. Abteilung hatte schon entsprechende Instruktionen erhalten. Schon patrouillierten die ersten Überwachungsfahrzeuge in der Stadt, und bald würde ein lückenloses Überwachungsnetz Metropolis überziehen. Inszenierte Attentate waren eine Sache, aber der General wollte jeden weiteren Widerstand im Keim ersticken.
Eine sanfte weibliche Computerstimme kündigte den achtzigsten Stock an und die Türen glitten leise beiseite. „Da wären wir, Montero!“ Smith lachte zufrieden. „Genießen Sie das Panorama, das sich Ihnen vom Fenster aus bietet, bevor wir beide in Arbeit ersticken!“
Kaum gelandet, waren sie von einem eskortierten Transporter abgeholt worden, der sie zum Regierungsgebäude bringen sollte, zu Smiths neuem Amtssitz, den Präsident Hirschmann erst vor ein paar Stunden geräumt hatte. Die Presse mutmaßte, der Präsident habe sich mit einem Schwächeanfall in seine Privatwohnung zurückgezogen und befände sich in ärztlicher Behandlung. Das aber mochte ein Gerücht sein. Vielleicht sammelte Hirschmann schon längst inoffiziell seine Berater um sich, um zu beratschlagen, wie man aus der gegenwärtigen Situation das Beste machen und Smith kompromissbereit stimmen konnte. Isabel glaubte nicht daran, dass Hirschmann einfach so aufgab. Er würde einen Weg suchen, sich mit dem General auf eine gemäßigte Politik zu einigen. Sie war sich nicht ganz sicher, wie Smith tatsächlich zu Hirschmann stand, sicherlich war es eher sein Verstand als sein Gefühl, der ihn bewog, überhaupt an Verhandlungen mit dem alten Mann zu denken. Smith hatte sich ihr gegenüber zwar nicht eindeutig geäußert, aber sie hatte aus manchen seiner Bemerkungen herausgehört, wie wenig der General die allgemeine Bewunderung für den ehemaligen Präsidenten teilte, was offensichtlich an dessen moderater Politik gegenüber den Asiaten lag.
Die Aufregung des Generals, welche dieser während der Fahrt zum Regierungspalast kaum verbergen konnte, übertrug sich auf Isabel. Selbst sein Hund wirkte nervös und gab zwischendurch immer wieder ein leises Winseln von sich. Der General beruhigte das Tier von Zeit zu Zeit durch ein leichtes Tätscheln auf die Flanken, worauf es sich zu seinen Füßen niederließ. Aber auch die anderen Offiziere, die im Wagen mitfuhren, waren in sichtlich euphorischer Stimmung. Es wurde gelacht und gescherzt. Manche Scherze waren harmlos, bezogen sich darauf, was man als erstes machen wolle, nun, da man sich wieder im pulsierenden Herz der EAAU befand, bestimmte Bars im Vergnügungsviertel aufsuchen, alte Freunde mit dem überraschenden Besuch erschrecken oder eine Sportveranstaltung in einem der Stadien ansehen. Andere Scherze klangen boshaft und rachsüchtig, die Namen von ehemaligen politischen Gegnern wurden ausgetauscht und wie man es ihnen heimzahlen wolle. Smith ließ seine Leute gewähren, hing wohl seinen eigenen Gedanken nach. Auch er hatte sicherlich noch die eine oder andere Rechnung offen. Isabel schwieg beklommen, ihre Begeisterung über den Sieg des Generals erhielt einen kleinen Dämpfer, war sie doch mit ihm gegangen, um für seine Sache zu kämpfen, nicht gegen irgendjemanden, schon gar nicht in der eigenen Bevölkerung. Vielleicht war sie die Sache zu naiv angegangen, denn sie hatte sich kaum Gedanken darüber gemacht, wie der General innenpolitisch vorgehen würde, sobald er einmal im Besitz der Macht war. Von einer Geheimpolizei war die Rede, die von den Anhängern des Generals schon in den letzten Monaten seines Exils im Untergrund organisiert worden war. Diese Männer und Frauen standen bereit, um Smiths Befehle auszuführen, offiziell, um die innere Sicherheit des Staates zu schützen. Aus den Gesprächen der Offiziere ließ sich aber nur zu deutlich heraushören, was das eigentliche Ziel dieser Truppe war: Das Verhaften von Smiths Gegnern, und das schnell und effektiv. Die Gespräche von Smiths Stab bestätigten nur, was Isabel schon gehört hatte: Es wurden Verhaftungslisten zusammengestellt, welche die neue Geheimpolizei alsbald abarbeiten sollte.
„Und Sie, Lieutenant Montero?“, fragte Major Hartmann, einer der Nachrichtenleute des Generals, „Was werden Sie als erstes tun, wenn Sie in Metropolis sind?“
„Ich werde mich erst einmal zurecht finden müssen“, erwiderte Isabel ausweichend. „Für mich ist Metropolis noch unbekanntes Gebiet.“
„Ach ja, ich vergaß, Sie sind ja eine neu Dazugestoßene!“ Der Major lachte, Isabel konnte nicht genau einordnen, ob es abfällig war oder nur amüsiert. „Da haben Sie ja noch nicht viel beizusteuern zu unseren schwarzen Listen. Wissen Sie, jeder von uns kennt hier Männer und Frauen, die sich gegen unsere Bewegung stark gemacht haben. Früher konnten diese Menschen ihren Mund weit aufreißen, jetzt werden sie schon stiller geworden sein, wenn sie sich nicht sogar schon in irgendwelche Erdlöcher verkrochen haben!“ Er lachte nochmals, diesmal in offensichtlicher Schadenfreude. Die anderen Offiziere im Transporter stimmten in sein Lachen mit ein.
„Verschrecken Sie mir Montero bloß nicht bevor sie richtig angekommen ist, Hartmann“, sagte Smith scherzhaft. „Ich brauche sie noch. So wie ich noch viele junge Gesichter wie ihres brauche. So wenig wie ich auf die Erfahrung unserer treuen Kameraden aus alten Zeiten verzichten kann, so sehr hoffe ich doch darauf, dass viele neue Anhänger aus der Mitte der Gesellschaft zu uns stoßen. Wir müssen uns daran gewöhnen, eine Volkspartei zu sein, kein Geheimclub mehr, aber das brauch ich Ihnen ja nicht zu erzählen.“
Er erntete beifälliges Gemurmel. „Unsere Public Relations Abteilung hat sich da auch schon einiges einfallen lassen, Sir“, mischte sich Colonel Dickenson, eine attraktive Mittvierzigerin stolz ein. „Wer Ihr Gesicht bis heute noch nicht kannte, wird es spätestens heute Abend nicht mehr vergessen können.“
„Na, das soll doch wohl keine Drohung sein?“, meinte der General lachend.
„Sie werden uns lediglich heute Nachmittag für eine Fotostrecke in Ihrem neuen Büro zur Verfügung stehen müssen“, fuhr Dickenson fort. „Ich bin sicher, Ihnen wird es nicht schwer fallen, als Sympathieträger aufzutreten!“
„Ich werde mein Bestes geben, Colonel“, versicherte Smith. „Was sagen Sie, Montero, soll ich eher als Zivilist auftreten oder als Militär? Ich will schließlich breite Schichten der Bevölkerung ansprechen.“
Isabel machte es ein wenig verlegen, dass sie in dieser wichtigen Angelegenheit um Rat gefragt wurde. Sie war froh, als sie bei ihrer Antwort nicht ins Stottern verfiel. „Nun, die Menschen kennen Sie als Angehörigen des Militärs, Sir. Ich sehe keinen Sinn darin, wenn Sie Ihren Hintergrund verbergen. Bei öffentlichen Auftritten können Sie nach Bedarf immer noch anders entscheiden.“
„Eine weise Entscheidung, Montero. Nun, ich werde mich wohl tatsächlich auch daran gewöhnen müssen, in Zukunft auch die Hände von Zivilisten zu schütteln. Ich hoffe, der Besuch von Kinderheimen bleibt mir erspart!“ Wieder stimmten die anderen Offiziere in sein Lachen mit ein.
Isabel war froh, als sie endlich das Regierungsviertel erreicht hatten und der Transporter vor dem Hochhaus zum Stehen kam, welches das Büro des Präsidenten beherbergte. Rechts davon befand sich das weitläufige Parlamentsgebäude, beides grenzte an einen von Grünflächen durchbrochenen Vorplatz, der wiederum in den berühmten Platz der Vereinigten drei Kontinente einmündete. Hier liefen die Hauptverkehrsadern der Hauptstadt zusammen, prächtige Alleen, auf denen es freilich kaum Verkehr gab, da dieser in die Luft verlegt worden war. Als die kleine Gruppe vor der Treppe ausstieg, die in das Regierungsgebäude hinaufführte, standen dort schon bewaffnete Truppen des Generals bereit, um seinen Einzug zu beschützen. Auch einige Laserbatterien waren aufgefahren worden, falls es doch noch zu Übergriffen präsidententreuer Einheiten kommen sollte. Nichts sollte dem Zufall überlassen bleiben. Rechts und links neben der Treppe wehten bereits die Fahnen der Reinigenden Flamme an den Masten, und wieder wunderte sich Isabel, woher diese Flaggen so schnell gekommen waren. Wie die Uniformen mussten sie in einer dem General ergebenen Fabrik im Geheimen gefertigt worden sein.
Neben ihr nahm Smith einen tiefen Atemzug, bevor er auf die Treppe zuging, als wolle er die salzhaltige Luft der Hauptstadt voll auskosten. Er schloß sogar einen Augenblick lang die Augen und verharrte auf der Stelle dabei. Die umstehenden Soldaten brachen in Jubel aus, hießen den neuen Machthaber willkommen. Ihre Stimmen hallten weit über den Platz als sie Smith Namen skandierten. Der General winkte ihnen leutselig zu und ging sogar raschen Schrittes zu einigen von ihnen hinüber und schüttelte ein paar Hände, wobei sein Hund ihm eifrig folgte. Dann entschuldigte er sich mit dringenden Staatsgeschäften und setzte seinen Weg fort.
Auch Isabel war von einem erhabenen Gefühl erfüllt, ausgelöst durch das gewaltige Regierungsgebäude, das hoch vor ihr aufragte und die jubelnden Soldaten um sich herum. Sie musste Acht geben, nicht in kindliches Staunen zu verfallen. Aber sie spürte auch die Macht, die von all dem ausging und war stolz, Teil dieser Bewegung zu sein. In diesen Momenten schwiegen die zweifelnden Stimmen in ihr und sie ließ sich fort reißen von der gehobenen Stimmung der Anhänger des Generals. Hier hatte sie endlich ihren Platz gefunden, hier wurde sie gebraucht, nicht nur als kleines Licht unter vielen, sondern als persönliche Mitarbeiterin dieses Mannes, der die EAAU aus der Krise führen wollte. Sein Charisma hatte sie schon längst gefangen genommen, mochten die Männer und Frauen der Reinigenden Flamme sein wie sie wollten. Nur Smith zählte, und seine Ziele waren die ihren. Diese Trennung von Bewegung und Anführer machte es ihrem Gewissen bequem. Was machte es schon, wenn sie sich nicht allem identifizieren konnte, wofür die Reinigenden Flamme stand, wenn sie ihren General über alles bewunderte?
Mit dynamischen Schritten eilte Smith auf die Eingangstür zu, fast hatte sein Gefolge Mühe, mit ihm Schritt zuhalten. Der Collie hechelte ein wenig, sprang aber tapfer die Stufen hoch. Isabel musste zwei Stufen auf einmal nehmen, um Smith folgen zu können. Sie sah seine Offiziere Blicke nach links und rechts werfen, gerne hätten wohl auch sie noch ein Bad in der Menge genommen. Der General aber bestimmte das Schritttempo. Vor ihnen glitten die breiten Türflügel beiseite und gaben den Blick auf die Eingangshalle frei. Auch dort ein Gewimmel von Menschen, Angestellte der Regierung, die noch nicht ihres Postens enthoben worden waren oder sich offen zu Smith und der Reinigenden Flamme bekannt hatten, Soldaten und Offiziere. Alle stoben auseinander, um für den neuen Regierungschef eine breite Gasse zu bilden, wie ein Meer, das sich auf ein geheimes Kommando hin teilte. Hinter dem Informationsschalter steckten ein paar Frauen in adretten Uniformen die Köpfe zusammen und tauschten sich aus, auch hier brandete Jubel auf.
„Hören Sie das, Montero?“, wandte sich Smith an sie. „Ist das nicht großartig? Die Menschen haben auf uns gewartet! Sie wissen, dass mit uns eine Wandlung zum Guten kommen wird. Selbst die Zivilisten jubeln uns zu!“
„Haben Sie hier schon unsere Leute unterbringen können?“, fragte Isabel vorsichtig, um das Wort Verhaftungen zu vermeiden.
„Ah, Sie meinen, ob, das Personal ausgetauscht wurde? Selbstverständlich mussten wie einige Änderungen vornehmen. Wir wollen uns doch keinen Ärger ins Haus holen, oder?“ Er berührte kurz mit der flachen Hand ihren Rücken, was ihre Haut angenehm kribbeln ließ. „Der Widerstand ist wie eine ansteckende Krankheit, man muss die von ihr befallenen Personen beizeiten in Quarantäne schicken, um die Gesunden zu schützen. Ich hoffe nur, dass wir gründlich genug waren.“
„Die Menschen jubeln Ihnen zu, Sir!“, mischte sich Dickenson ein. „Hier jedenfalls werden wir nicht mehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr, Dickenson! Ich hoffe nur, dass der Jubel sich nicht nur an der Oberfläche bewegt, sondern auch die innere Überzeugung dieser Menschen stimmt.“
„Dafür werden wir schon sorgen, Sir!“
„Jetzt geht es erst einmal hinauf in den 80. Stock, in mein neues Büro! Ich hoffe, Hirschmann hat es mir ordentlich hinterlassen!“
Wieder lachten sie und hielten auf die nächste Treppe zu, die zu einer Galerie führte, die an der Stirnseite der Eingangshalle entlang lief. Dort befanden sich auch die Aufzüge, welche die kleine Gruppe nach oben tragen sollten. Auch auf dieser Treppe standen Menschen, teilweise noch mit Akten unter dem Arm, mitten in der Arbeit gestört. Dazwischen gab es auch Militärpersonal in Uniform. Aus einer Gruppe von Offizieren löste sich ein Major und kam auf Smith zu, mit ausgestreckter Hand. Der General glaubte sich einem weiteren Gratulanten gegenüber und setzte sein strahlendstes Lächeln auf. Schon öffnete er den Mund, um dem Major seinen Dank auszusprechen.
Isabel reagierte fast zu spät. Sie sah die kurzläufige Laserpistole erst, als sie schon auf den General gerichtet war. Entschlossen setzte sie zum Sprung an und setzte alle Kraft in einen einzigen Stoß, der den vollkommen überraschten General zum Sturz brachte. Sengender Schmerz durchzuckte ihren linken Oberarm, dort, wo der für den General bestimmte Schuss sie getroffen hatte. Sie roch versengtes Fleisch und begriff, dass es ihr eigenes war. Neben ihr fing der Hund des Generals wie verrückt zu bellen an und schickte sich an, sich auf den Attentäter zu stürzen. Der General selbst lag auf den Stufen und sammelte sich. Einen Moment lang schienen alle wie gelähmt zu sein, weil niemand mit dieser Entwicklung gerechnet hatte. Diesen Augenblick nutzte der Major, um zu fliehen, so aussichtslos wie diese Flucht auch war. Aufgeregte Schreie erfüllten die Halle, als allgemeine Aufregung anstelle der vorübergehenden Lähmung trat. Menschen stoben auseinander, als erwarteten sie noch einen weiteren Anschlag.
„Nur festhalten, nicht erschießen!“, brüllte Major Hartmann. „Wir müssen wissen, wer dahinter steckt.“
Der fremde Major versuchte sich einen Weg durch die aufgescheuchte Menge zu bahnen und stieß Schaulustige beiseite, die einen Blick auf den Ort des Geschehens zu erhaschen hofften. Währenddessen erhob sich der General und klopfte seine Uniform ab, als habe er sie beschmutzt. Isabel atmete heftig. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie viel Glück sie gehabt hatte. Der Schuss hätte sie auch ins Herz treffen können, gerade auf diese kurze Distanz. Ihr Arm schmerzte höllisch.
Am Fuße der Treppe wurde der Flüchtige von kräftigen Armen gepackt, sein heftiger Widerstand war zwecklos, mochte er sich auch unter dem Griff seiner Bewacher winden. Zwei Soldaten waren nötig, um ihm die Hände auf den Rücken zu winden und ihn zu mit Handschellen zu fesseln. Dann wurde er abgeführt und wie Isabel vermutete, zum Verhör gebracht. Der Hund des Generals bellte unablässig weiter, ließ sich kaum beruhigen.
„Alles in Ordnung, Montero?“, fragte der General und legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Ja, Sir, es ist nur der Schrecken.“
„Ihr Arm sieht gar nicht gut aus, das müssen Sie sofort versorgen lassen.“ Er scheuchte einen seiner Soldaten davon, um einen Sanitäter zu holen.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie so grob zur Seite stoßen musste, Sir, aber etwas anders fiel mir auf die Schnelle nicht ein.“
„Eine Entschuldigung ist absolut unnötig, Montero“, erwiderte der General lächelnd. Offenbar hatte er seine Fassung schon wiedererlangt oder verstand es zumindest sehr gut, seinen Schrecken zu verbergen. „Sie haben mir eben die Haut gerettet, das werde ich Ihnen so schnell nicht vergessen. Sie haben was gut bei mir.“
„Das war doch selbstverständlich, Sir.“
„Nun, Sie haben Ihre Hausaufgaben offensichtlich besser gemacht, als einige der Sicherheitsleute hier. Verdammt, das hätte ins Auge gehen können. Wir werden wohl die Sicherheitsmaßnahmen um einiges verstärken müssen. Hartmann, ich will noch heute Nachmittag ein entsprechendes Dossier von Ihnen!“
„Wird erledigt, Sir.“
„Nun, dann wollen wir mal unseren Weg fortsetzen“, fuhr Smith gelassen fort, „schließlich führt man keine Regierung, indem man auf der Treppe herumsteht, nicht wahr? Hoffentlich funktionieren wenigstens die verdammten Aufzüge!“
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Smith lächelte zufrieden in sich hinein, während der Lift ihn und seine Offiziere zu seinem neuen Büro hinauftrug. Montero hatte ihre Loyalität eben deutlich unter Beweis gestellt, er hatte nicht erwartet, dass sie sich für ihn in die Schusslinie werfen würde. Nun, ihre Wunde würde heilen, der herbeigerufene Sanitäter hatte den Arm rasch und professionell mit einem kühlenden Gel behandelt, in ein paar Tagen würde man nur noch wenig von der Verletzung sehen. Auch die beschädigte Uniform konnte man ersetzen, am besten durch ein etwas weiblicheres Modell, wie er es sich für seine persönliche Assistentin vorstellte. Smith dachte in diesen Dingen außerordentlich konservativ, Montero durfte ruhig wie eine attraktive Frau aussehen, wenn sie in seinem Vorzimmer ihren Dienst versah. Schließlich war sei ein hübsches Mädchen.
Dabei wäre ihr Opfer gar nicht nötig gewesen. Eigentlich war alles nach Plan verlaufen, bis sie eingegriffen hatte. Das geplante Attentat sollte durch einen seiner Sicherheitsleute verhindert werden, nun war es leider nicht zu der kleinen, heroischen Ansprache des angeblichen Terroristen gekommen, welche ihnen genügend Zeit verschaffen sollte, um den Major zu überwinden. Einen Aufruf gegen den General und die Reinigende Flamme unter dem Eindruck einer gezückten Waffe, was den Menschen zeigen sollte, zu welchen Methoden Smiths Gegner griffen, um ihn loszuwerden. Nun, der kleine Auftritt hatte auch so seinen Zweck erfüllt und lieferte einen willkommenen Anlass, um die Schraube der Sicherheitsbestimmungen in der Stadt enger anzuziehen. Schließlich war es auch im Interesse der Bevölkerung notwendig, weitere bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der neue Chef der gerade gegründeten sogenannten III. Abteilung hatte schon entsprechende Instruktionen erhalten. Schon patrouillierten die ersten Überwachungsfahrzeuge in der Stadt, und bald würde ein lückenloses Überwachungsnetz Metropolis überziehen. Inszenierte Attentate waren eine Sache, aber der General wollte jeden weiteren Widerstand im Keim ersticken.
Eine sanfte weibliche Computerstimme kündigte den achtzigsten Stock an und die Türen glitten leise beiseite. „Da wären wir, Montero!“ Smith lachte zufrieden. „Genießen Sie das Panorama, das sich Ihnen vom Fenster aus bietet, bevor wir beide in Arbeit ersticken!“
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