Die Herrschaft des Phönix
von Mirjam Lea
Kurzbeschreibung
General Smith konnte aus der Gefangenschaft entkommen und schickt sich ein zweites Mal an, die Herrschaft in der EAAU zu übernehmen. Aber auch seine grausamen Methoden schaffen es nicht, jeden Widerstand erlahmen zu lassen... (Anmerkung: Es handelt sich um eine radikale Neufassung von der Innere Zirkel, die jetzt auf Gleichgewicht des Schreckens ausbaut.)
GeschichteDrama / P16 / Gen
Gordon B. Smith
Samuel Hirschmann
19.08.2009
28.09.2010
27
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19.08.2009
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Das Wetter schien sich an diesem Tage mit dem General verbündet zu haben, oder aber die frühlingshaften Temperaturen an diesem Tage lagen einfach daran, dass er die Wetterkontrolle für das besondere Ereignis wieder mit voller Energie versorgen ließ. Heute sollte Metropolis nicht frieren, und am wenigsten sollten die ausgewählten Gäste des Staatenlenkers unter kaltem Novemberwetter leiden. Die große Militärparade, für die es noch nicht einmal einen besonderen Anlass gab oder nur einen, der Smith allein bekannt war, sollte ein überwältigendes Ereignis werden, allerdings freuten sich die meisten geladenen Gäste wohl eher auf den anschließenden Empfang im Verteidigungsministerium, der auch gesellschaftlich einen Höhepunkt des Jahres darstellte. Nur die höchsten Offiziere würden mit ihren Begleitungen dort sein, zudem einige ausgesuchte Kommissare, die mit der Einladungskarte für ihren Einsatz im Dienste der Reinigenden Flamme belohnt wurden. Immerhin bestand eine – wenn auch nur geringe – Aussicht, der General persönlich könne die Veranstaltung mit seiner Anwesenheit beehren. Smith hielt angeblich nicht viel von solchen gesellschaftlichen Ereignissen, zu groß war zudem der Aufwand, der um seine Sicherheit betrieben werden musste. Andererseits wusste Smith das Bad in der Menge seiner Anhänger zu schätzen, also bestand eine Chance, dass er das Risiko, das mit dem Besuch verbunden war einzugehen bereit war.
Auch Kommissar Georges Latour schien um die Bedeutung des Tages zu wissen, er hatte sogar einen Dienstwagen für sich und Anna Corvillo geordert, der sie bis an die Personenkontrolle heranfahren sollte. Sophie Corvillo war schon längst auf den Beinen, als er Anna abholte, ihre Kindergruppe würde jubelnd und Fähnchen schwenkend am Straßenrand stehen, wenn die Parade an ihnen vorüber zog. Anschließend sollte sie bis zum frühen Abend in ihrer Tagesstätte bleiben, wo sich ihre Betreuerin um sie kümmern würde. Anna war es gar nicht recht, dass ihre Tochter mehr und mehr Zeit im Dunstkreis der Reinigenden Flamme verbrachte, aber sie wusste nicht, was sie dagegen unternehmen sollte, zumal Sophie sich im Kreise der anderen Kinder sehr wohl fühlte und es kaum verstanden hätte, wenn Anna sie von deren Aktivitäten fern gehalten hätte. Das bedeutete, abseits zu stehen, und abseits stehen konnte heute schon als Widerstand gegen den Staat ausgelegt werden.
Anna war nervös, und das nicht nur wegen der Frage, was sie zu diesem Anlass anziehen sollte. Was trug eine Frau bei einer Militärparade? Vor allem, was sollte sie anziehen, um möglichst in der Masse nicht aufzufallen? Denn untertauchen in der Masse wollte sie auf jeden Fall. Sie würde auf der Tribüne sitzen, auf der auch der General die Parade abnahm, eine Tatsache, die Latour fast vor Ehrfurcht erstarren ließ. Ihm war nicht verborgen geblieben, wie aufgeregt auch Anna war, und er schob es wohl darauf, sie wäre ebenso begeistert von der Tatsache, so nahe bei Smith zu sein. Sollte er das ruhig glauben. In Wahrheit allerdings zitterte Anna vor Angst. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, nahe an den General heranzukommen, verschwindend gering war, versetzte sie Anna in Panik. Sie durfte ihm einfach nicht begegnen, auf keinen Fall! Kurz hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Krankheit vorzuschützen, um Latour nicht begleiten zu müssen, hatte diesen Gedanken aber schnell wieder verworfen. Damit hätte sie sich nur wieder verdächtig gemacht, denn welcher Mensch, der dem Staat gegenüber loyal war, hätte sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen? Anna dachte immer wieder an Sophie, für sie musste sie das alles tun. Sie war nicht allein auf der Welt, trug nicht nur für sich die Verantwortung, sondern auch für ein kleines Mädchen, das zu ihrem Leidwesen gerade in die Fänge des von Anna verabscheuten Systems geriet.
Schließlich entschied sich Anna für ein ärmelloses schwarzes Etuikleid und flache Pumps. Dazu trug sie eine schlichte Perlenkette und einen dünnen Mantel. Ihr Haar steckte sie auf und verbarg es unter einem eleganten schwarzen Strohhut mit aufgebogener Krempe, die vorn von einer Schleife geschmückt wurde. Eine Sonnenbrille machte die Tarnung perfekt, so hoffte sie jedenfalls. Immer wieder redete sie sich ein, wie gering sie Aussicht war, dass Smith sie in der Menge entdeckte und dann auch noch erkannte. Sie war eine Frau unter vielen, und er hatte an diesem Tage bestimmt anderes im Blick. Aber die Angst vor Entdeckung blieb.
„Sie sehen bezaubernd aus“, meinte Kommissar Latour, als er sie abholte. „Wie ein Filmstar aus jenen alten Filmen, wie sie in der Mitte des letzten Jahrhunderts gedreht wurden, eine echte Dame!“
„Ich fürchtete schon, Sie würden mich in dem alten Fetzen gar nicht mitnehmen“, erwiderte Anna verlegen und folgte ihm in den Aufzug. „Ich habe mir das Kleid mal für eine Feier im Verlag gekauft, einer unserer Autoren hat seinen Fünfzigsten gefeiert und uns alle zu einem Glas Champagner eingeladen. Aber etwas Passenderes hatte ich nicht.“
„Sie sehen ganz wunderbar aus. Ich werde mich gewiss nicht für Sie schämen, und das, obwohl wir großartige Plätze haben. Wir sitzen direkt neben der Tribüne, die für den General und seine Stabsoffiziere reserviert ist. Wir werden ihn aus nächster Nähe sehen können!“
„Das ist wirklich großartig“, heuchelte Anna Begeisterung. Es war ihr unbegreiflich, wie ein erwachsener Mann wie Latour sich derart einem Personenkult hingeben konnte. Als wäre der General ein gottgesandtes Wesen mit übernatürlichen Kräften und einem gesegneten Verstand. Wäre er es nur gewesen, ein fehlerfreier Mensch, dann würde nun nicht die ganze Republik unter seinem eitlen Größenwahn leiden.
Eine junge, uniformierte Frau holte sie in einem langgestreckten Dienstwagen ab. Normalerweise benutzte Latour wie alle anderen Bürger die öffentlichen Verkehrsmittel, das wusste Anna, aber heute wollte er ihr wohl etwas besonders bieten. Außerdem war der Personennahverkehr zum Zentrum der Stadt hin fast vollkommen lahm gelegt, zu groß war die Angst, ein Attentäter könnte sich in die Parade einschleichen. Den heutigen Tag hatte man zum Staatsfeiertag erklärt, so musste wenigstens niemand zur Arbeit. Auch der Luftraum über dem Regierungsviertel war gesperrt. Die junge Chauffeurin musste einen weiten Bogen fliegen um sie ans Ziel zu bringen.
Metropolis hatte sich für das bevorstehende Ereignis herausgeputzt. Überall hingen die Fahnen der Reinigenden Flamme, sogar an manchen Privathäusern. Nicht alle Bürger der Stadt mussten gezwungen werden, dem General zuzujubeln, manche taten es freiwillig, sie hatten Flaggen an Fenster und Balkons gehängt, so als stünde ein sportlicher Wettkampf an, bei dem die bevorzugte Mannschaft angefeuert werden müsste. Auf den Videowänden war kaum noch kommerzielle Werbung zu sehen, überall lächelte einem der General entgegen, oder aber es liefen Propagandafilme der Armee, mit denen junge Menschen für den Dienst als Soldat angeworben werden sollten. Smith wollte seine Truppen um jeden Preis aufstocken, mochte die EAAU den VOR auch technisch überlegen sein, an Truppenstärke war sie es nicht. Der General brauchte Kanonenfutter für zukünftige Schlachtfelder. Anna fühlte sich wie in einer negativen Utopie gefangen, ein Albtraum war Wirklichkeit geworden.
Sie passierten einen Kontrollpunkt, aber die Uniform des Kommissars tat seine Wirkung, und sie wurden rasch hindurch gewinkt. Erst als sie die letzte Kontrolle vor dem Ministerium erreichten, wurden die Untersuchung strenger. Zwei Laserbatterien waren rechts und links der Durchfahrt aufgefahren und versperrten die Straße. Ein wahres Heer von Soldaten der III. Abteilung scharte sich um die Absperrung und kontrollierte die durchfahrenden Wagen. Es hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet, aber niemand wagte Protest. Als ihr Wagen endlich an der Reihe war, wurde er mit Sprengstoffdetektoren abgetastet und anschließend noch per Hand nach Waffen durchsucht. Die Fahrerin, Latour und Anna mussten aussteigen, woraufhin auch sie der selben Prozedur unterzogen wurden. Auch Annas kleine Handtasche, die zum Glück recht aufgeräumt war, blieb nicht verschont. Erst dann durften sie weiterfahren und auf den Parkplatz einbiegen, der den Ehrengästen vorbehalten war. Dort drängten sich schon die Fahrzeuge, und es dauerte weitere fünf Minuten, bis die junge Frau einen Parkplatz gefunden hatte. Nun ging es zu Fuß weiter, zum Glück nicht weit, denn Annas Schuhe drückten bereits jetzt.
Auf der Tribüne drängten sich bereits die Zuschauer, uniformierte Kommissare und Kommissarinnen mit ihren jeweiligen Begleitern in festlicher Kleidung. Die Frauen trugen fast ausnahmslos Kleider, die Männer Smoking mit Fliege und Kummerbund. Viele hatten sich Accessoires mit den Farben der Reinigenden Flamme angesteckt, Schleifen, Blumen oder Tücher. Lautes Stimmengewirr erfüllte die Luft. Latour lotste Anna geschickt durch die Menge, er hatte nicht zu viel versprochen, sie würden ganz vorne sitzen. Zu ihrem Leidwesen allerdings, denn vorn auf der Prachtstraße, auf der die Parade stattfinden sollte, vertrieb eine Militärkapelle den Wartenden die Zeit. Unüberhörbar schallten zackige Märsche, aber auch Ohrwürmer der letzten zehn Jahre über die Tribüne hinweg. Anna musste unwillkürlich an eine Karnevalsveranstaltung denken, wie sie in Europa oft stattfanden, aber sie hütete sich davor, diesen ketzerischen Gedanken auch auszusprechen. Endlich fanden sie die für sie reservierten Plätze und konnten sich trotz des Gedränges hinsetzen. Latour strahlte vor Aufregung, während Anna sich einen Überblick zu verschaffen versuchte. Auch ihnen gegenüber war eine große Tribüne aufgebaut, aber weiter unten die Straße entlang gab es lediglich Stehplätze hinter Absperrgittern. Dort hatten sich ebenfalls schon unzählige Zuschauer eingefunden, entweder freiwillig, oder aber, weil sie von ihren regierungseigenen Betrieben dafür freigestellt worden waren. Auch der Jubel für die Truppen wollte schließlich organisiert sein.
„Die ganze Stadt ist auf den Beinen!“, rief Latour über die laute Marschmusik hinweg. „Alle wollen unseren Truppen Mut für die Zukunft machen!“
„Aber es werden doch nur die Eliteeinheiten zu sehen sein, oder?“, rief Anna ebenso laut zurück.
„Ja, und unsere modernsten Waffen – außer natürlich denen, die noch geheim sind.“ Latour lachte über seinen eigenen Scherz. Natürlich, es würde auch eine Machtdemonstration nach außen hin sein. Die VOR, die über ihre Nachrichtensatelliten das Geschehen selbstverständlich interessiert beobachten würden, sollten schon einen Vorgeschmack auf das bekommen, womit sie sich demnächst anlegen würden. Der Kommissar sah auf seine Uhr. „Es kann jeden Moment losgehen, die Truppen sammeln sich nicht weit von hier.“
„Aber muss denn nicht erst der General hier sein? Er ist doch die wichtigste Person des Tages.“ Anna hoffte, ihre Stimme würde nicht allzu ironisch klingen.
„Er wird sicherlich bald erscheinen. Sehen Sie, dort links? Es ist schon alles für seinen Empfang vorbereitet, die ersten Stabsoffiziere sind auch schon da.“
Links neben ihnen, kaum zwanzig Meter entfernt, war die Festtribüne für den General und seinen Stab aufgebaut. Es wimmelte dort von Sicherheitsleuten mit schweren Handwaffen. Anders als auf ihrer Tribüne, wo sie auf Klappstühlen aus Plastik saßen, gab es dort bequeme Sessel, ein thronähnliches Ungetüm war für den General reserviert. Die Absperrung war mit blau roten Wimpeln verziert, und vorn hing eine riesige Flagge hinab. Nahe an der Brüstung waren einige Mikrophone installiert, auch einige Kameras gab es. Der General würde sich also auch mit einer Rede an sein Volk wenden. Neben Anna deutete eine Frau aufgeregt hinüber, auch sie schien ganz beseelt von der Vorstellung zu sein, so nahe bei Smith sitzen zu dürfen. Anna betete unterdessen darum, die Veranstaltung würde nur rasch vorbeigehen. Diese Heuchelei würde sie nicht lange durchhalten. Schon die aufgesetzt fröhliche Marschmusik brachte sie an den Rand der Selbstbeherrschung.
Wie auf ein unsichtbares Signal hin unterbrach die Kapelle plötzlich ihr aktuelles Musikstück und begann die neue Nationalhymne zu spielen. Dies ließ das Stimmengewirr auf den Tribünen verstummen, und wie auf ein Kommando hin erhoben sich alle Zuschauer von ihren Plätzen. Anna brauchte einen Moment, um die Situation zu begreifen und stand mit einiger Verzögerung auf, was ihr einen strafenden Seitenblick von ihrer Sitznachbarin einbrachte, Latour allerdings schien es nicht bemerkt zu haben. Alle Augen wandten sich der mittleren Tribüne zu. Zunächst erschienen dort noch weitere Soldaten, dann war es soweit, der General und sein Gefolge traten auf. Anna erkannte einige der Stabsoffiziere, General Conti, Colonel Dumont vom Geheimdienst, Manuel Rodriguez und Colonel Danielle Laloux. Es waren aber auch Offiziere dabei, an deren Gesichter sie sich zwar aus den Nachrichten erinnern konnte, deren Namen ihr aber entfallen waren. Meist sah sie sich die Meldungen gar nicht mehr richtig an, handelte es sich doch stets um die gleiche Propaganda. Smith sah wie immer blendend aus, groß und schlank, in einer tadellos sitzenden Uniform, die mit einer ansehnlichen Zahl von Orden verziert war. Er wirkte fast noch athletischer als damals vor sieben Jahren, seine Eitelkeit ließ ihn sicherlich hart für sein Aussehen trainieren. Schräg hinter ihm fiel Anna eine junge, dunkelhaarige Frau in einer Kommissarsuniform auf, die ihm unablässig bewundernde Blicke zuwarf. Unwillkürlich fragte sie sich, in welcher Beziehung diese Frau wohl zu Smith stand. Arbeitete sie nur für ihn oder gab es da etwa mehr? Der General hielt sein Privatleben streng geheim, man konnte es also nicht wissen. In alle Richtungen winkend, trat er an die Brüstung heran und wandte sich den Mikrophonen zu. Mit einer Handbewegung bedeutete er den Zuschauern, dass sie sich nun setzen dürften, was Anna ohne zu zögern tat. Erwartungsvolle Stille erfüllte die Luft über der Straße, trotz der riesigen Menge der Anwesenden fiel sogar ein leises Husten störend auf.
Smith begann zu sprechen. Seine volltönende Stimme schallte aus Dutzenden von Lautsprechern, wurde in jeden Winkel der Stadt übertragen. Anna sah sein Gesicht auch in einer Nahaufnahme auf einer Videowand auf dem Gebäude gegenüber. Er schien kaum gealtert zu sein, seitdem sie ihm das letzte Mal begegnet war, nur seine Schläfen begannen ein wenig zu ergrauen. Siebenundvierzig war er jetzt, wirkte aber um einige Jahre jünger.
„Bürgerinnen und Bürger, Kameradinnen und Kameraden“, begann er, „wir sind heute hier versammelt, um die Besten der Besten unserer starken Armee zu begrüßen und ihrer Leistung für unseren Staat Respekt zu zollen. Wir werden heute das Ergebnis harten Trainings sehen, aber auch die Früchte der fortschrittlichen Ingenieurskunst unserer Wissenschaftler und Techniker. Männer und Frauen, die viel auf sich nehmen, um unsere Heimat zu verteidigen, und technische Entwicklungen, die zum Schutz unseres Staates erschaffen wurden. Wir werden der Welt zeigen, dass wir bereit sind, uns der Bedrohung zu stellen, die uns aus Asien zu überrollen droht! Wir halten ihnen unsere besten Männer und Frauen entgegen und unsere überlegene Waffentechnik! Mit uns wird nicht zu spaßen sein, wir sind nicht länger ein eingeschüchtertes Land voller fehlgeleiteter Idealisten, die von einem Frieden träumen, der mit einem Gegner wie den VOR nicht zu erwarten ist!“ Hier machte er eine rhetorische Pause, um den Jubel und Beifall der Zuschauer entgegen zu nehmen, der ihm von allen Seiten entgegen brandete wie eine mächtige Woge. Sein braun gebranntes Gesicht schien fast zu leuchten unter dem Eindruck des frenetischen Applauses. Erst als dieser nach einige Zeit abebbte, fuhr er fort. Im Grunde sprach er stets über das Gleiche, nur mit immer neuen, gewählten Worten. Der Gegner im Osten wurde zu einem unmenschlichen Dämon aufgebauscht, der nur darauf wartete, die EAAU und ihre Bürger zu verschlingen. Auf Grund dieser Voraussetzungen war es nur gerechtfertigt, Vorsorge zu treffen und die Verteidigung der eigenen Existenz vorzubereiten. Nicht er, Smith, war der Aggressor, sondern die Regierung in Peking. Anna fragte sich, ob die Menschen in der asiatischen Union sich wohl täglich Reden unter den umgekehrten Vorzeichen anhören mussten. Sie selbst fand diese Propaganda nahezu unerträglich. Dennoch spendete sie höflichen Beifall, um nicht aufzufallen, verachtete sich aber selbst dafür. Vor sich selbst fand sie dafür nur eine Ausrede: Es hätte wohl kaum etwas gebracht, wenn sie gegen diese Aussagen protestiert hätte, niemand hätte sie wahrgenommen, und sie wäre wohl schneller verhaftet gewesen, als sie noch den zweiten Satz hätte vollenden können.
Die Rede näherte sich nach einige Minuten endlich ihrem Schluss, zeitgenau mit dem Beginn der Parade. Von fern klang die Musik einer weiteren Militärkapelle zu ihnen hinüber, die aber nicht das Brummen der Antriebsaggregate einiger Laserbatterien übertönte, welche die Parade anführten. Bald kamen diese silbrig glänzenden Ungetüme in Sicht, vor ihnen her marschierte im gleichmäßigen Schritt die Kapelle. Alle Augen wandten sich dem Beginn des Zuges zu. Es folgte Waffengattung um Waffengattung. Drei Einheiten der gefürchteten Tödlichen Garde marschierten auf, hell leuchteten die weißen Totenköpfe auf der Brust ihrer schwarzen Uniformen. Die Gesichter der Männer und Frauen unter ihren Helmvisieren wirkten stumpf und leer, aller Individualität beraubt. Der General entbot ihnen den militärischen Gruß, wie er es bei allen Einheiten tat, nur zwischenzeitlich senkte er kurz den Arm. Raketen auf schweren Transportern schwebten an ihnen vorbei, und sogar ein mächtiger Tauruszerstörer war auf eine Zugmaschine verladen worden und wurde der Menge vorgeführt. Er habe ein ganz neues, verbessertes Triebwerk, raunte Latour Anna zu, so wäre man der Raumflotte der Asiaten endgültig überlegen, denn Kriege würden heute schließlich auch dort geführt. Jedes neue Geschütz, jeder Trupp Soldaten wurde von der Menge mit Jubel begrüßt. Viele Zuschauer schwenkten kleine Wimpel mit der Reinigenden Flamme darauf. Anna fragte sich, ob außer ihr wohl noch andere Menschen in der Menge Zweifel am Sinn dieser Machtdemonstration hatten und genau wie sie aus Angst schwiegen. Oder wurden sie einfach vom Taumel der Menge mitgerissen? Der Gruppendruck war überwältigend, es war schwer, sich der Begeisterung der Zuschauer nicht anstecken zu lassen. Anna hingegen langweilte sich zunehmend, und hoffte, es möge bald vorbei sein. Bald verschwammen die ausdruckslosen Gesichter der an ihr vorüberziehenden Soldaten vor ihren Augen zu hellen Flecken ohne jedes individuelle Merkmal. Vom steifen Sitzen fingen ihre Knie an zu schmerzen, und ihre Füße kribbelten unangenehm.
Endlich, nach einer schier endlos erscheinenden anderthalb Stunde, zog die letzte Militärkapelle an ihnen vorbei. Auf dem Podium des Generals geriet Bewegung in die Offiziere, die ihrem Dienstherrn gratulieren wollten. Eine Blondine in Uniform überreichte Smith einen großen Blumenstrauß, wofür er sich mit einem Händedruck und seinem charmantesten Lächeln bedankte. Denn Smith konnte nicht nur markante Reden halten, er wusste auch nur zu genau, wie man anderen Menschen gegenüber gewinnend auftreten konnte. Auch Anna erinnerte sich nur zu gut daran.
In Begleitung einiger seiner Stabsoffiziere trat er schließlich an den Rand des Podiums heran, dort wo es an die Tribüne grenzte, auf der auch Latour und Anna saßen. Fast augenblicklich brach eine Massenhysterie dort aus, die Zuschauer hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen, alle drängten auf das Podium zu, um vielleicht einen Händedruck des Generals zu erhaschen oder ihn wenigstens aus der Nähe zu sehen. Anna wunderte sich, dass er ein solches Sicherheitsrisiko einging, aber wahrscheinlich schmeichelte ihm die Bewunderung seiner Anhänger zu sehr als dass er darauf verzichten wollte. Männer und Frauen drängten und schoben sich vorwärts, fast wäre sie umgerissen worden, weil sie nicht rechtzeitig aufgestanden war. Latour fasste fest ihre Hand, immerhin vergaß er sie nicht, obwohl es auch ihn drängte, seinem Idol nahe zu sein. In Anna hingegen flammte wieder die Panik auf. Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, sie würde eventuell in Smiths Blickfeld geraten. Sie konnte nur darauf hoffen, in der hysterischen Menge unterzugehen. Fast blieb ihr in der drängelnden Menschenmasse die Luft zum atmen fort, und ihre Ohren klingelten vom schrillen Schreien der Frauen neben ihr, die vollkommen die Fassung verloren. Ein Mann rammte ihr die Ellbogen in die Rippen, weil es ihm nicht schnell genug voran ging, Latour aber packte sie noch fester und zog sie hinter sich her. Klappstühle wurden umgerissen und von der Menge unfreiwillig mitgezerrt, und so manches edle Kleid nahm ernstlichen Schaden. Vorne drängten sich die ersten Soldaten durch die Menge und zogen Zuschauer von Smith fort, die sich nicht freiwillig aus der ersten Reihe lösen wollten, um anderen die Gelegenheit zu geben, dem General nahe zu kommen. Die ersten Zuschauer fielen in Ohnmacht, teils aus Hysterie, oder weil ihnen einfach die Luft abgeschnürt wurde. Die Soldaten hatten alle Hände voll zu tun, um auch diese Männer und Frauen unbeschadet aus der wogenden Masse heraus zu holen. Schade, dass man von einem Händedruck nicht schwanger werden kann, dachte Anna sarkastisch, sonst hätte sich wohl der sehnlichste Traum vieler der hier anwesenden Frauen erfüllt. Die Männer allerdings gebärdeten sich ebenso überdreht und aggressiv, schubsten und schoben, beschimpften die Leute neben sich und unternahmen alles, um möglichst schnell zum Podium heran zu kommen. Anna hielt verzweifelt ihren Hut fest, der ihr verräterisches Haar verbergen sollte. Gerne wäre sie nach hinten ausgewichen, aber vorn zerrte Latour an ihr und von hinten drängten unzählige Männer und Frauen nach. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, so viele Zuschauer auf der Tribüne gesehen zu haben, aber als sie sich kurz umwandte, um die Menge zu überblicken, sah sie, wie auch das Publikum der Nachbartribüne über die Absperrung kletterte, trotz der Soldaten, die dies zu verhindern versuchten. Vorn schüttelte der General unermüdlich Hände und sprach sogar hin und wieder ein paar Worte mit den Menschen, zu denen er sich herunter beugte.
Endlich kamen auch Latour und Anna vorn an. Ihr Herz raste wie wild, aber es gab kein Entkommen. Latour war an der Reihe und ergatterte seinen Händedruck. Stolz schob er auch Anna nach vorn, die wie gelähmt da stand und ihren Blick abwandte. Es kam zu einem außerordentlich peinlichen Moment, als Smith auch ihr seine Hand entgegenstreckte, sie sich aber nicht rühren konnte, den Händedruck zu erwidern. Sie hoffte, die Hutkrempe würde ihr Gesicht zuverlässig verbergen. Hinter und neben ihr wurden die Menschen zornig, sie solle schon weitergehen, aber Latour gab ihr einen aufmunternden Stoß in die Seite. Endlich, nach schier endlos erscheinenden Sekunden, streckte Anna ihre Hand aus, um es hinter sich zu bringen. Rasch wollte sie sie zurückziehen und aus dem Blickfeld des Generals verschwinden, aber zu ihrem Entsetzen hielt Smith ihre Hand fest.
„Aber wollen Sie mich denn nicht ansehen?“, fragte er aufmunternd über den Lärm hinweg. „Ich beiße Sie doch nicht.“
Anna sah zu ihm auf, die Hitze schoss ihr ins Gesicht. Vor Panik blieb ihr fast die Luft weg. „Selbstverständlich nicht, Sir“, stotterte sie und zog ihre Hand mit einem Ruck aus seinem Griff. „Nein, das tun Sie wohl nicht.“
Einen entsetzlichen Augenblick lang sah er sie an und das routinierte Lächeln machte einem erstaunten Ausdruck Platz. „Verzeihen Sie, ich dachte ich kenne Sie“, meinte er, „aber ich muss mich wohl getäuscht haben.“
Hinter ihm stand nun General Rodriguez, der sie mit Sicherheit auch erkannt hatte. Sein Gesicht war bleich, sein Mund zu einem Strich zusammen gekniffen. Smith hingegen hatte längst wieder zu seiner Fassung zurück gefunden. „Ich wünsche Ihnen alles Gute“, sagte er lächelnd. Dann trat er einen Schritt zurück und winkte noch einmal in die Menge. „Es tut mir Leid, meine Freunde, aber meine Verpflichtungen rufen mich!“ Mit diesen Worten verschwand er im Kreise seiner Offiziere und Wachen und ließ die enttäuschte Menge zurück. Anna erntete wütende Blicke. Man schien ihr die Verantwortung für den übereilten Rückzug des Generals zu geben. Auch Latour wirkte erstaunt. Er legte seinen Arm schützend um ihre Schultern und half ihr, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen.
„Sie müssen ihn an jemanden erinnert haben“, grübelte er. „Aber es muss eine positive Erinnerung gewesen sein, sonst hätte er Ihre Hand nicht so lange festgehalten.“
„Mir war seine Aufmerksamkeit ein wenig peinlich“, gab Anna zu. „So viele Leute wollten zu ihm. Und dann ist er auch noch gegangen, nachdem er mich getroffen hat. Ich fühle mich fast schuldig.“
„Das war bestimmt nur ein dummer Zufall“, beruhigte sie Latour. „Er ist ein viel beschäftigter Mann. Vielleicht haben ihm auch seine Sicherheitsleute geraten zu gehen, bevor die Situation vollkommen aus dem Ruder läuft. Die Menschen sind ja kaum noch zu halten.“
***
„Du musst wahnsinnig sein, hier aufzutauchen! Was hat dich bloß geritten, hier zu erscheinen, mitten im Zentrum seiner Macht?“ Manuel Rodriguez Stimme war nur ein Zischen, aber Anna erschien es, als brülle er sie lauthals an. Ängstlich sah sie sich in dem Seitenraum um, in den Rodriguez sie gezogen hatte, aber niemand außer ihnen hielt sich darin auf. Allerdings stand die Tür weit offen, da sie es nicht riskieren konnten, sie zu schließen. Kommissar Latour hatte sich ohnehin schon gewundert, warum der hochgestellte Geheimdienstoffizier sie gebeten hatte ihm zu folgen. Sie hatte die Angst in seinen Augen gesehen, es könne sich um eine Art Verhaftung handeln, in die er, der untadelige Beamte der III. Abteilung, mit hinein gezogen würde. Anna hatte ihm nur noch schnell ihren Teller mit Fischhäppchen in die Hand drücken können, den sie am Buffet mühsam ergattert hatte, dann hatte sie Manuel Rodriguez schon gedrängt, ihm zu folgen. Leise Kammermusik drang in den Raum, gespielt von einem kleinen Orchester, das an der Stirnseite des Saales auf einem Podium saß. Auch das Stimmengewirr der vielen Gäste drang zu ihnen herüber.
„Was hast du überhaupt mit einem Kommissar der III. Abteilung zu schaffen?“, fuhr Rodriguez mit seinen Vorwürfen fort. „Willst du dein Unglück noch herausfordern, indem du dich mit ihm anfreundest?“
„Wir sind Nachbarn“, verteidigte sich Anna. „Und er hat mich gebeten, ihn zu begleiten. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen, als er mich eingeladen hat? Ihm sagen, ich hätte keine Lust, zum größten Ereignis des Jahres zu begleiten? Das hätte mich doch nur noch verdächtiger gemacht! Der Mann konnte seinen Stolz darüber, Karten auf der besten Tribüne zu bekommen, kaum verbergen. Er wäre persönlich beleidigt gewesen, wenn ich nicht mitgekommen wäre!“
„Hättest du nicht eine Krankheit vorschieben können?“, fragte Rodriguez erbost. Auch er sah sich ängstlich um und warf hin und wieder einen Blick auf seine Uhr. Darin eingebaut, so hatte er Anna auf ihre besorgte Nachfrage erklärt, war ein kleines Gerät, das ihm verriet, wenn irgendwelche Abhörgeräte auf sie gerichtet waren. Denn auch seinen Gästen traute der General nicht. Auch wenn er sich bisher nicht auf dem Empfang hatte blicken lassen, so fürchtete er dennoch ums eine Sicherheit, und sein Misstrauen war unendlich. „Ihr Frauen habt doch ständig irgendetwas, Migräne, Bauchschmerzen oder sonst ein Wehwehchen! Du hättest dir doch nur etwas einfallen lassen müssen!“
„Meinst du, darauf wäre ich nicht selbst gekommen? Aber du denkst doch wohl nicht im Ernst, dass der Kommissar eine solche Ausflucht nicht erkannt, geschweige denn sie auch akzeptiert hätte! Wahrscheinlich hätte er mir einen Arzt ins Haus geschickt. Der Mann beobachtet mich schon seit ein paar Wochen, seitdem er weiß, dass ich Kontakt zu meinen japanischen Nachbarn habe. Nun versucht er, mich auf die Seite der Partei zu ziehen.“
„Das ist auch so eine Sache, deine asiatischen Nachbarn. Du musst es wohl unbedingt darauf ankommen lassen! Wie kannst du nur so ein Risiko eingehen, die Aufmerksamkeit der III. Abteilung auf sich zu ziehen? Du gefährdest damit auch mich!“
Nun wurde Anna wirklich wütend. So etwas kam ausgerechnet von Manuel Rodriguez, der im Untergrund gegen den General und seine Partei arbeitete. Seit Jahren schon beobachtete er Smith und seine Aktivitäten, und als dieser schließlich geputscht hatte, war entschieden worden, er solle sich zum Schein auf die Seite der Reinigenden Flamme stellen. Weil Smith große Stücke auf ihn hielt, war es auch relativ leicht gewesen, in seinen Stab aufgenommen zu werden. Aber Rodriguez hatte schon immer das große Ziel verfolgt, den General zur Strecke zu bringen und ordnete diesem Ziel alles andere unter. „Ich dachte, du hättest mehr Verständnis für ein wenig Zivilcourage“, erwiderte sie zornig. „Diese Menschen brauchen ab und zu ein freundliches Wort und eine nette Geste. Schließlich sind sie keine Aussätzigen!“
„In den Augen der Regierung sind sie das. Und wem, bitte schön, soll es nutzen, wenn du dir ihretwegen Ärger einhandelst? Du bringst nur dich und deine Tochter in Gefahr.“
„Lass das meine Sorge sein!“
„Es ist aber nicht nur dein Problem. Du weißt, dass wir laut deiner Akte entfernt verwandt miteinander sind, man könnte uns also in Verbindung bringen. Und dann ist es aus mit meiner Karriere und mit allem anderen.“
Anna wusste was er meinte, die Offiziere, mit denen er zusammen arbeitete. Alle waren gegen den General, aber nicht alle von ihnen vertraten eine Position, die den VOR nahe stand. Es waren auch konservative Generäle dabei, die zwar gegen Smith einstanden, aber dennoch ähnliche Ideen wie er vertraten, nur nicht ganz so radikal. Seit dem Putsch arbeiteten alle diese Offiziere im Widerstand zusammen, in einer losen Allianz, die jederzeit auseinander brechen konnte.
„Es wäre also vielleicht besser gewesen, wenn du mich nicht mit dir gezerrt hättest“, konterte Anna. „Jetzt wird man uns auf jeden Fall in Verbindung bringen, denn ein gutes Dutzend Gäste hat gesehen, wie wir zusammen verschwunden sind. Auch Kommissar Latour wird sich seine Gedanken machen. Was soll ich ihm jetzt sagen, wenn er fragt?“
„Wir haben uns doch für diese Fälle eine Ausrede zurecht gelegt. Du bist eine entfernte Cousine von mir, das reicht wohl als Erklärung.“ Er ballte die Hände zur Faust. „Das alles wäre nicht passiert, wenn du nicht hier aufgetaucht wärst“, wiederholte er seinen Vorwurf.
„Wer konnte schon ahnen, dass ich so nahe an den General heran komme? Ich dachte, seine Sicherheitsleute würden das gar nicht zulassen.“
„Er liebt eben das Bad in der Menge, vor allem, wenn die Menge aus seinen treuesten Anhängern besteht. Und ausgerechnet du musst in dieser Menge stehen.“
„Es ist nun einmal passiert. Wahrscheinlich hat es der General längst vergessen. Er sieht doch so viele Menschen jeden Tag, da wird er sich nicht ausgerechnet an mich erinnern.“
„Wenn mich nicht alles täuscht, hat er Dumont schon gebeten, Erkundigungen über dich einzuziehen“, gab Rodriguez zu. „Ich habe es nicht ganz mithören können, aber ich glaube, er gab dem Colonel eine kurze Beschreibung von dir. Smith ist kein Idiot. Und an Zufälle glaubt er auch nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn er schon ein Dossier über dich auf seinem Schreibtisch liegen hat.“
Annas Herz schien in ihren Magen zu sacken und ihre Knie wurden weich. „Das kann ich mir kaum vorstellen“, erwiderte sie schwach. Allerdings konnte sie es sehr wohl. Smith ließ sich nicht so leicht hinters Licht führen, und er würde wissen wollen, warum die Doppelgängerin einer Frau, die er für tot hielt, plötzlich vor ihm gestanden hatte. Ein wenig älter vielleicht, aber es waren ja auch sieben Jahre vergangen, seitdem er sie das letzte Mal gesehen hatte. Seine Frau, die bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen war. „Lass uns wieder hinein gehen“, fuhr sie fort. „Der Kommissar fragt sich bestimmt schon, wo ich so lange bleibe.“
Manuel Rodriguez nickte nur und machte sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg zurück zum Festsaal. Anna folgte ihm in einigem Abstand.
Am Türrahmen fiel ihr eine Frau auf, die dort mit einem Glas Champagner in der Hand stand. Es war die selbe dunkelhaarige Frau, die auf dem Podium hinter dem General gestanden hatte, nur hatte sie ihre Uniform gegen ein glitzerndes Abendkleid aus hauchdünnem Stoff getauscht, das ihre schlanke, athletische Gestalt vorteilhaft zur Geltung brachte. Sir trug elegante, schwindelerregend hohe Pumps. Ihre Blicke begegneten sich, und Anna fragte sich, ob sie wohl schon lange dort gestanden und eventuell etwas von ihrem Gespräch mitbekommen hatte. Denn vor menschlichen Ohren konnte Rodriguez Gerät noch nicht warnen, aber sie lauschten ebenso verhängnisvoll wie die Mikrophone der III. Abteilung. Die Frau maß Anna mit einem eiskalten Blick, was ihre Befürchtung noch bestätigte. Anna hoffte nur noch, dass die Frau ihre Panik nicht bemerkte und senkte den Blick. Was hatte sie dieser Frau getan, dass sie sie so vernichtend ansah? Rasch ging sie weiter und suchte in der Menge nach Kommissar Latour. Als sie ihn endlich in einer Gruppe angeregt plaudernder Menschen entdeckte, war sie fast froh, wieder zu ihm zurückkehren zu können. Auch er bemerkte sie und winkte ihr lächelnd zu.
Auch Kommissar Georges Latour schien um die Bedeutung des Tages zu wissen, er hatte sogar einen Dienstwagen für sich und Anna Corvillo geordert, der sie bis an die Personenkontrolle heranfahren sollte. Sophie Corvillo war schon längst auf den Beinen, als er Anna abholte, ihre Kindergruppe würde jubelnd und Fähnchen schwenkend am Straßenrand stehen, wenn die Parade an ihnen vorüber zog. Anschließend sollte sie bis zum frühen Abend in ihrer Tagesstätte bleiben, wo sich ihre Betreuerin um sie kümmern würde. Anna war es gar nicht recht, dass ihre Tochter mehr und mehr Zeit im Dunstkreis der Reinigenden Flamme verbrachte, aber sie wusste nicht, was sie dagegen unternehmen sollte, zumal Sophie sich im Kreise der anderen Kinder sehr wohl fühlte und es kaum verstanden hätte, wenn Anna sie von deren Aktivitäten fern gehalten hätte. Das bedeutete, abseits zu stehen, und abseits stehen konnte heute schon als Widerstand gegen den Staat ausgelegt werden.
Anna war nervös, und das nicht nur wegen der Frage, was sie zu diesem Anlass anziehen sollte. Was trug eine Frau bei einer Militärparade? Vor allem, was sollte sie anziehen, um möglichst in der Masse nicht aufzufallen? Denn untertauchen in der Masse wollte sie auf jeden Fall. Sie würde auf der Tribüne sitzen, auf der auch der General die Parade abnahm, eine Tatsache, die Latour fast vor Ehrfurcht erstarren ließ. Ihm war nicht verborgen geblieben, wie aufgeregt auch Anna war, und er schob es wohl darauf, sie wäre ebenso begeistert von der Tatsache, so nahe bei Smith zu sein. Sollte er das ruhig glauben. In Wahrheit allerdings zitterte Anna vor Angst. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, nahe an den General heranzukommen, verschwindend gering war, versetzte sie Anna in Panik. Sie durfte ihm einfach nicht begegnen, auf keinen Fall! Kurz hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Krankheit vorzuschützen, um Latour nicht begleiten zu müssen, hatte diesen Gedanken aber schnell wieder verworfen. Damit hätte sie sich nur wieder verdächtig gemacht, denn welcher Mensch, der dem Staat gegenüber loyal war, hätte sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen? Anna dachte immer wieder an Sophie, für sie musste sie das alles tun. Sie war nicht allein auf der Welt, trug nicht nur für sich die Verantwortung, sondern auch für ein kleines Mädchen, das zu ihrem Leidwesen gerade in die Fänge des von Anna verabscheuten Systems geriet.
Schließlich entschied sich Anna für ein ärmelloses schwarzes Etuikleid und flache Pumps. Dazu trug sie eine schlichte Perlenkette und einen dünnen Mantel. Ihr Haar steckte sie auf und verbarg es unter einem eleganten schwarzen Strohhut mit aufgebogener Krempe, die vorn von einer Schleife geschmückt wurde. Eine Sonnenbrille machte die Tarnung perfekt, so hoffte sie jedenfalls. Immer wieder redete sie sich ein, wie gering sie Aussicht war, dass Smith sie in der Menge entdeckte und dann auch noch erkannte. Sie war eine Frau unter vielen, und er hatte an diesem Tage bestimmt anderes im Blick. Aber die Angst vor Entdeckung blieb.
„Sie sehen bezaubernd aus“, meinte Kommissar Latour, als er sie abholte. „Wie ein Filmstar aus jenen alten Filmen, wie sie in der Mitte des letzten Jahrhunderts gedreht wurden, eine echte Dame!“
„Ich fürchtete schon, Sie würden mich in dem alten Fetzen gar nicht mitnehmen“, erwiderte Anna verlegen und folgte ihm in den Aufzug. „Ich habe mir das Kleid mal für eine Feier im Verlag gekauft, einer unserer Autoren hat seinen Fünfzigsten gefeiert und uns alle zu einem Glas Champagner eingeladen. Aber etwas Passenderes hatte ich nicht.“
„Sie sehen ganz wunderbar aus. Ich werde mich gewiss nicht für Sie schämen, und das, obwohl wir großartige Plätze haben. Wir sitzen direkt neben der Tribüne, die für den General und seine Stabsoffiziere reserviert ist. Wir werden ihn aus nächster Nähe sehen können!“
„Das ist wirklich großartig“, heuchelte Anna Begeisterung. Es war ihr unbegreiflich, wie ein erwachsener Mann wie Latour sich derart einem Personenkult hingeben konnte. Als wäre der General ein gottgesandtes Wesen mit übernatürlichen Kräften und einem gesegneten Verstand. Wäre er es nur gewesen, ein fehlerfreier Mensch, dann würde nun nicht die ganze Republik unter seinem eitlen Größenwahn leiden.
Eine junge, uniformierte Frau holte sie in einem langgestreckten Dienstwagen ab. Normalerweise benutzte Latour wie alle anderen Bürger die öffentlichen Verkehrsmittel, das wusste Anna, aber heute wollte er ihr wohl etwas besonders bieten. Außerdem war der Personennahverkehr zum Zentrum der Stadt hin fast vollkommen lahm gelegt, zu groß war die Angst, ein Attentäter könnte sich in die Parade einschleichen. Den heutigen Tag hatte man zum Staatsfeiertag erklärt, so musste wenigstens niemand zur Arbeit. Auch der Luftraum über dem Regierungsviertel war gesperrt. Die junge Chauffeurin musste einen weiten Bogen fliegen um sie ans Ziel zu bringen.
Metropolis hatte sich für das bevorstehende Ereignis herausgeputzt. Überall hingen die Fahnen der Reinigenden Flamme, sogar an manchen Privathäusern. Nicht alle Bürger der Stadt mussten gezwungen werden, dem General zuzujubeln, manche taten es freiwillig, sie hatten Flaggen an Fenster und Balkons gehängt, so als stünde ein sportlicher Wettkampf an, bei dem die bevorzugte Mannschaft angefeuert werden müsste. Auf den Videowänden war kaum noch kommerzielle Werbung zu sehen, überall lächelte einem der General entgegen, oder aber es liefen Propagandafilme der Armee, mit denen junge Menschen für den Dienst als Soldat angeworben werden sollten. Smith wollte seine Truppen um jeden Preis aufstocken, mochte die EAAU den VOR auch technisch überlegen sein, an Truppenstärke war sie es nicht. Der General brauchte Kanonenfutter für zukünftige Schlachtfelder. Anna fühlte sich wie in einer negativen Utopie gefangen, ein Albtraum war Wirklichkeit geworden.
Sie passierten einen Kontrollpunkt, aber die Uniform des Kommissars tat seine Wirkung, und sie wurden rasch hindurch gewinkt. Erst als sie die letzte Kontrolle vor dem Ministerium erreichten, wurden die Untersuchung strenger. Zwei Laserbatterien waren rechts und links der Durchfahrt aufgefahren und versperrten die Straße. Ein wahres Heer von Soldaten der III. Abteilung scharte sich um die Absperrung und kontrollierte die durchfahrenden Wagen. Es hatte sich bereits eine lange Schlange gebildet, aber niemand wagte Protest. Als ihr Wagen endlich an der Reihe war, wurde er mit Sprengstoffdetektoren abgetastet und anschließend noch per Hand nach Waffen durchsucht. Die Fahrerin, Latour und Anna mussten aussteigen, woraufhin auch sie der selben Prozedur unterzogen wurden. Auch Annas kleine Handtasche, die zum Glück recht aufgeräumt war, blieb nicht verschont. Erst dann durften sie weiterfahren und auf den Parkplatz einbiegen, der den Ehrengästen vorbehalten war. Dort drängten sich schon die Fahrzeuge, und es dauerte weitere fünf Minuten, bis die junge Frau einen Parkplatz gefunden hatte. Nun ging es zu Fuß weiter, zum Glück nicht weit, denn Annas Schuhe drückten bereits jetzt.
Auf der Tribüne drängten sich bereits die Zuschauer, uniformierte Kommissare und Kommissarinnen mit ihren jeweiligen Begleitern in festlicher Kleidung. Die Frauen trugen fast ausnahmslos Kleider, die Männer Smoking mit Fliege und Kummerbund. Viele hatten sich Accessoires mit den Farben der Reinigenden Flamme angesteckt, Schleifen, Blumen oder Tücher. Lautes Stimmengewirr erfüllte die Luft. Latour lotste Anna geschickt durch die Menge, er hatte nicht zu viel versprochen, sie würden ganz vorne sitzen. Zu ihrem Leidwesen allerdings, denn vorn auf der Prachtstraße, auf der die Parade stattfinden sollte, vertrieb eine Militärkapelle den Wartenden die Zeit. Unüberhörbar schallten zackige Märsche, aber auch Ohrwürmer der letzten zehn Jahre über die Tribüne hinweg. Anna musste unwillkürlich an eine Karnevalsveranstaltung denken, wie sie in Europa oft stattfanden, aber sie hütete sich davor, diesen ketzerischen Gedanken auch auszusprechen. Endlich fanden sie die für sie reservierten Plätze und konnten sich trotz des Gedränges hinsetzen. Latour strahlte vor Aufregung, während Anna sich einen Überblick zu verschaffen versuchte. Auch ihnen gegenüber war eine große Tribüne aufgebaut, aber weiter unten die Straße entlang gab es lediglich Stehplätze hinter Absperrgittern. Dort hatten sich ebenfalls schon unzählige Zuschauer eingefunden, entweder freiwillig, oder aber, weil sie von ihren regierungseigenen Betrieben dafür freigestellt worden waren. Auch der Jubel für die Truppen wollte schließlich organisiert sein.
„Die ganze Stadt ist auf den Beinen!“, rief Latour über die laute Marschmusik hinweg. „Alle wollen unseren Truppen Mut für die Zukunft machen!“
„Aber es werden doch nur die Eliteeinheiten zu sehen sein, oder?“, rief Anna ebenso laut zurück.
„Ja, und unsere modernsten Waffen – außer natürlich denen, die noch geheim sind.“ Latour lachte über seinen eigenen Scherz. Natürlich, es würde auch eine Machtdemonstration nach außen hin sein. Die VOR, die über ihre Nachrichtensatelliten das Geschehen selbstverständlich interessiert beobachten würden, sollten schon einen Vorgeschmack auf das bekommen, womit sie sich demnächst anlegen würden. Der Kommissar sah auf seine Uhr. „Es kann jeden Moment losgehen, die Truppen sammeln sich nicht weit von hier.“
„Aber muss denn nicht erst der General hier sein? Er ist doch die wichtigste Person des Tages.“ Anna hoffte, ihre Stimme würde nicht allzu ironisch klingen.
„Er wird sicherlich bald erscheinen. Sehen Sie, dort links? Es ist schon alles für seinen Empfang vorbereitet, die ersten Stabsoffiziere sind auch schon da.“
Links neben ihnen, kaum zwanzig Meter entfernt, war die Festtribüne für den General und seinen Stab aufgebaut. Es wimmelte dort von Sicherheitsleuten mit schweren Handwaffen. Anders als auf ihrer Tribüne, wo sie auf Klappstühlen aus Plastik saßen, gab es dort bequeme Sessel, ein thronähnliches Ungetüm war für den General reserviert. Die Absperrung war mit blau roten Wimpeln verziert, und vorn hing eine riesige Flagge hinab. Nahe an der Brüstung waren einige Mikrophone installiert, auch einige Kameras gab es. Der General würde sich also auch mit einer Rede an sein Volk wenden. Neben Anna deutete eine Frau aufgeregt hinüber, auch sie schien ganz beseelt von der Vorstellung zu sein, so nahe bei Smith sitzen zu dürfen. Anna betete unterdessen darum, die Veranstaltung würde nur rasch vorbeigehen. Diese Heuchelei würde sie nicht lange durchhalten. Schon die aufgesetzt fröhliche Marschmusik brachte sie an den Rand der Selbstbeherrschung.
Wie auf ein unsichtbares Signal hin unterbrach die Kapelle plötzlich ihr aktuelles Musikstück und begann die neue Nationalhymne zu spielen. Dies ließ das Stimmengewirr auf den Tribünen verstummen, und wie auf ein Kommando hin erhoben sich alle Zuschauer von ihren Plätzen. Anna brauchte einen Moment, um die Situation zu begreifen und stand mit einiger Verzögerung auf, was ihr einen strafenden Seitenblick von ihrer Sitznachbarin einbrachte, Latour allerdings schien es nicht bemerkt zu haben. Alle Augen wandten sich der mittleren Tribüne zu. Zunächst erschienen dort noch weitere Soldaten, dann war es soweit, der General und sein Gefolge traten auf. Anna erkannte einige der Stabsoffiziere, General Conti, Colonel Dumont vom Geheimdienst, Manuel Rodriguez und Colonel Danielle Laloux. Es waren aber auch Offiziere dabei, an deren Gesichter sie sich zwar aus den Nachrichten erinnern konnte, deren Namen ihr aber entfallen waren. Meist sah sie sich die Meldungen gar nicht mehr richtig an, handelte es sich doch stets um die gleiche Propaganda. Smith sah wie immer blendend aus, groß und schlank, in einer tadellos sitzenden Uniform, die mit einer ansehnlichen Zahl von Orden verziert war. Er wirkte fast noch athletischer als damals vor sieben Jahren, seine Eitelkeit ließ ihn sicherlich hart für sein Aussehen trainieren. Schräg hinter ihm fiel Anna eine junge, dunkelhaarige Frau in einer Kommissarsuniform auf, die ihm unablässig bewundernde Blicke zuwarf. Unwillkürlich fragte sie sich, in welcher Beziehung diese Frau wohl zu Smith stand. Arbeitete sie nur für ihn oder gab es da etwa mehr? Der General hielt sein Privatleben streng geheim, man konnte es also nicht wissen. In alle Richtungen winkend, trat er an die Brüstung heran und wandte sich den Mikrophonen zu. Mit einer Handbewegung bedeutete er den Zuschauern, dass sie sich nun setzen dürften, was Anna ohne zu zögern tat. Erwartungsvolle Stille erfüllte die Luft über der Straße, trotz der riesigen Menge der Anwesenden fiel sogar ein leises Husten störend auf.
Smith begann zu sprechen. Seine volltönende Stimme schallte aus Dutzenden von Lautsprechern, wurde in jeden Winkel der Stadt übertragen. Anna sah sein Gesicht auch in einer Nahaufnahme auf einer Videowand auf dem Gebäude gegenüber. Er schien kaum gealtert zu sein, seitdem sie ihm das letzte Mal begegnet war, nur seine Schläfen begannen ein wenig zu ergrauen. Siebenundvierzig war er jetzt, wirkte aber um einige Jahre jünger.
„Bürgerinnen und Bürger, Kameradinnen und Kameraden“, begann er, „wir sind heute hier versammelt, um die Besten der Besten unserer starken Armee zu begrüßen und ihrer Leistung für unseren Staat Respekt zu zollen. Wir werden heute das Ergebnis harten Trainings sehen, aber auch die Früchte der fortschrittlichen Ingenieurskunst unserer Wissenschaftler und Techniker. Männer und Frauen, die viel auf sich nehmen, um unsere Heimat zu verteidigen, und technische Entwicklungen, die zum Schutz unseres Staates erschaffen wurden. Wir werden der Welt zeigen, dass wir bereit sind, uns der Bedrohung zu stellen, die uns aus Asien zu überrollen droht! Wir halten ihnen unsere besten Männer und Frauen entgegen und unsere überlegene Waffentechnik! Mit uns wird nicht zu spaßen sein, wir sind nicht länger ein eingeschüchtertes Land voller fehlgeleiteter Idealisten, die von einem Frieden träumen, der mit einem Gegner wie den VOR nicht zu erwarten ist!“ Hier machte er eine rhetorische Pause, um den Jubel und Beifall der Zuschauer entgegen zu nehmen, der ihm von allen Seiten entgegen brandete wie eine mächtige Woge. Sein braun gebranntes Gesicht schien fast zu leuchten unter dem Eindruck des frenetischen Applauses. Erst als dieser nach einige Zeit abebbte, fuhr er fort. Im Grunde sprach er stets über das Gleiche, nur mit immer neuen, gewählten Worten. Der Gegner im Osten wurde zu einem unmenschlichen Dämon aufgebauscht, der nur darauf wartete, die EAAU und ihre Bürger zu verschlingen. Auf Grund dieser Voraussetzungen war es nur gerechtfertigt, Vorsorge zu treffen und die Verteidigung der eigenen Existenz vorzubereiten. Nicht er, Smith, war der Aggressor, sondern die Regierung in Peking. Anna fragte sich, ob die Menschen in der asiatischen Union sich wohl täglich Reden unter den umgekehrten Vorzeichen anhören mussten. Sie selbst fand diese Propaganda nahezu unerträglich. Dennoch spendete sie höflichen Beifall, um nicht aufzufallen, verachtete sich aber selbst dafür. Vor sich selbst fand sie dafür nur eine Ausrede: Es hätte wohl kaum etwas gebracht, wenn sie gegen diese Aussagen protestiert hätte, niemand hätte sie wahrgenommen, und sie wäre wohl schneller verhaftet gewesen, als sie noch den zweiten Satz hätte vollenden können.
Die Rede näherte sich nach einige Minuten endlich ihrem Schluss, zeitgenau mit dem Beginn der Parade. Von fern klang die Musik einer weiteren Militärkapelle zu ihnen hinüber, die aber nicht das Brummen der Antriebsaggregate einiger Laserbatterien übertönte, welche die Parade anführten. Bald kamen diese silbrig glänzenden Ungetüme in Sicht, vor ihnen her marschierte im gleichmäßigen Schritt die Kapelle. Alle Augen wandten sich dem Beginn des Zuges zu. Es folgte Waffengattung um Waffengattung. Drei Einheiten der gefürchteten Tödlichen Garde marschierten auf, hell leuchteten die weißen Totenköpfe auf der Brust ihrer schwarzen Uniformen. Die Gesichter der Männer und Frauen unter ihren Helmvisieren wirkten stumpf und leer, aller Individualität beraubt. Der General entbot ihnen den militärischen Gruß, wie er es bei allen Einheiten tat, nur zwischenzeitlich senkte er kurz den Arm. Raketen auf schweren Transportern schwebten an ihnen vorbei, und sogar ein mächtiger Tauruszerstörer war auf eine Zugmaschine verladen worden und wurde der Menge vorgeführt. Er habe ein ganz neues, verbessertes Triebwerk, raunte Latour Anna zu, so wäre man der Raumflotte der Asiaten endgültig überlegen, denn Kriege würden heute schließlich auch dort geführt. Jedes neue Geschütz, jeder Trupp Soldaten wurde von der Menge mit Jubel begrüßt. Viele Zuschauer schwenkten kleine Wimpel mit der Reinigenden Flamme darauf. Anna fragte sich, ob außer ihr wohl noch andere Menschen in der Menge Zweifel am Sinn dieser Machtdemonstration hatten und genau wie sie aus Angst schwiegen. Oder wurden sie einfach vom Taumel der Menge mitgerissen? Der Gruppendruck war überwältigend, es war schwer, sich der Begeisterung der Zuschauer nicht anstecken zu lassen. Anna hingegen langweilte sich zunehmend, und hoffte, es möge bald vorbei sein. Bald verschwammen die ausdruckslosen Gesichter der an ihr vorüberziehenden Soldaten vor ihren Augen zu hellen Flecken ohne jedes individuelle Merkmal. Vom steifen Sitzen fingen ihre Knie an zu schmerzen, und ihre Füße kribbelten unangenehm.
Endlich, nach einer schier endlos erscheinenden anderthalb Stunde, zog die letzte Militärkapelle an ihnen vorbei. Auf dem Podium des Generals geriet Bewegung in die Offiziere, die ihrem Dienstherrn gratulieren wollten. Eine Blondine in Uniform überreichte Smith einen großen Blumenstrauß, wofür er sich mit einem Händedruck und seinem charmantesten Lächeln bedankte. Denn Smith konnte nicht nur markante Reden halten, er wusste auch nur zu genau, wie man anderen Menschen gegenüber gewinnend auftreten konnte. Auch Anna erinnerte sich nur zu gut daran.
In Begleitung einiger seiner Stabsoffiziere trat er schließlich an den Rand des Podiums heran, dort wo es an die Tribüne grenzte, auf der auch Latour und Anna saßen. Fast augenblicklich brach eine Massenhysterie dort aus, die Zuschauer hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen, alle drängten auf das Podium zu, um vielleicht einen Händedruck des Generals zu erhaschen oder ihn wenigstens aus der Nähe zu sehen. Anna wunderte sich, dass er ein solches Sicherheitsrisiko einging, aber wahrscheinlich schmeichelte ihm die Bewunderung seiner Anhänger zu sehr als dass er darauf verzichten wollte. Männer und Frauen drängten und schoben sich vorwärts, fast wäre sie umgerissen worden, weil sie nicht rechtzeitig aufgestanden war. Latour fasste fest ihre Hand, immerhin vergaß er sie nicht, obwohl es auch ihn drängte, seinem Idol nahe zu sein. In Anna hingegen flammte wieder die Panik auf. Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, sie würde eventuell in Smiths Blickfeld geraten. Sie konnte nur darauf hoffen, in der hysterischen Menge unterzugehen. Fast blieb ihr in der drängelnden Menschenmasse die Luft zum atmen fort, und ihre Ohren klingelten vom schrillen Schreien der Frauen neben ihr, die vollkommen die Fassung verloren. Ein Mann rammte ihr die Ellbogen in die Rippen, weil es ihm nicht schnell genug voran ging, Latour aber packte sie noch fester und zog sie hinter sich her. Klappstühle wurden umgerissen und von der Menge unfreiwillig mitgezerrt, und so manches edle Kleid nahm ernstlichen Schaden. Vorne drängten sich die ersten Soldaten durch die Menge und zogen Zuschauer von Smith fort, die sich nicht freiwillig aus der ersten Reihe lösen wollten, um anderen die Gelegenheit zu geben, dem General nahe zu kommen. Die ersten Zuschauer fielen in Ohnmacht, teils aus Hysterie, oder weil ihnen einfach die Luft abgeschnürt wurde. Die Soldaten hatten alle Hände voll zu tun, um auch diese Männer und Frauen unbeschadet aus der wogenden Masse heraus zu holen. Schade, dass man von einem Händedruck nicht schwanger werden kann, dachte Anna sarkastisch, sonst hätte sich wohl der sehnlichste Traum vieler der hier anwesenden Frauen erfüllt. Die Männer allerdings gebärdeten sich ebenso überdreht und aggressiv, schubsten und schoben, beschimpften die Leute neben sich und unternahmen alles, um möglichst schnell zum Podium heran zu kommen. Anna hielt verzweifelt ihren Hut fest, der ihr verräterisches Haar verbergen sollte. Gerne wäre sie nach hinten ausgewichen, aber vorn zerrte Latour an ihr und von hinten drängten unzählige Männer und Frauen nach. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, so viele Zuschauer auf der Tribüne gesehen zu haben, aber als sie sich kurz umwandte, um die Menge zu überblicken, sah sie, wie auch das Publikum der Nachbartribüne über die Absperrung kletterte, trotz der Soldaten, die dies zu verhindern versuchten. Vorn schüttelte der General unermüdlich Hände und sprach sogar hin und wieder ein paar Worte mit den Menschen, zu denen er sich herunter beugte.
Endlich kamen auch Latour und Anna vorn an. Ihr Herz raste wie wild, aber es gab kein Entkommen. Latour war an der Reihe und ergatterte seinen Händedruck. Stolz schob er auch Anna nach vorn, die wie gelähmt da stand und ihren Blick abwandte. Es kam zu einem außerordentlich peinlichen Moment, als Smith auch ihr seine Hand entgegenstreckte, sie sich aber nicht rühren konnte, den Händedruck zu erwidern. Sie hoffte, die Hutkrempe würde ihr Gesicht zuverlässig verbergen. Hinter und neben ihr wurden die Menschen zornig, sie solle schon weitergehen, aber Latour gab ihr einen aufmunternden Stoß in die Seite. Endlich, nach schier endlos erscheinenden Sekunden, streckte Anna ihre Hand aus, um es hinter sich zu bringen. Rasch wollte sie sie zurückziehen und aus dem Blickfeld des Generals verschwinden, aber zu ihrem Entsetzen hielt Smith ihre Hand fest.
„Aber wollen Sie mich denn nicht ansehen?“, fragte er aufmunternd über den Lärm hinweg. „Ich beiße Sie doch nicht.“
Anna sah zu ihm auf, die Hitze schoss ihr ins Gesicht. Vor Panik blieb ihr fast die Luft weg. „Selbstverständlich nicht, Sir“, stotterte sie und zog ihre Hand mit einem Ruck aus seinem Griff. „Nein, das tun Sie wohl nicht.“
Einen entsetzlichen Augenblick lang sah er sie an und das routinierte Lächeln machte einem erstaunten Ausdruck Platz. „Verzeihen Sie, ich dachte ich kenne Sie“, meinte er, „aber ich muss mich wohl getäuscht haben.“
Hinter ihm stand nun General Rodriguez, der sie mit Sicherheit auch erkannt hatte. Sein Gesicht war bleich, sein Mund zu einem Strich zusammen gekniffen. Smith hingegen hatte längst wieder zu seiner Fassung zurück gefunden. „Ich wünsche Ihnen alles Gute“, sagte er lächelnd. Dann trat er einen Schritt zurück und winkte noch einmal in die Menge. „Es tut mir Leid, meine Freunde, aber meine Verpflichtungen rufen mich!“ Mit diesen Worten verschwand er im Kreise seiner Offiziere und Wachen und ließ die enttäuschte Menge zurück. Anna erntete wütende Blicke. Man schien ihr die Verantwortung für den übereilten Rückzug des Generals zu geben. Auch Latour wirkte erstaunt. Er legte seinen Arm schützend um ihre Schultern und half ihr, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen.
„Sie müssen ihn an jemanden erinnert haben“, grübelte er. „Aber es muss eine positive Erinnerung gewesen sein, sonst hätte er Ihre Hand nicht so lange festgehalten.“
„Mir war seine Aufmerksamkeit ein wenig peinlich“, gab Anna zu. „So viele Leute wollten zu ihm. Und dann ist er auch noch gegangen, nachdem er mich getroffen hat. Ich fühle mich fast schuldig.“
„Das war bestimmt nur ein dummer Zufall“, beruhigte sie Latour. „Er ist ein viel beschäftigter Mann. Vielleicht haben ihm auch seine Sicherheitsleute geraten zu gehen, bevor die Situation vollkommen aus dem Ruder läuft. Die Menschen sind ja kaum noch zu halten.“
***
„Du musst wahnsinnig sein, hier aufzutauchen! Was hat dich bloß geritten, hier zu erscheinen, mitten im Zentrum seiner Macht?“ Manuel Rodriguez Stimme war nur ein Zischen, aber Anna erschien es, als brülle er sie lauthals an. Ängstlich sah sie sich in dem Seitenraum um, in den Rodriguez sie gezogen hatte, aber niemand außer ihnen hielt sich darin auf. Allerdings stand die Tür weit offen, da sie es nicht riskieren konnten, sie zu schließen. Kommissar Latour hatte sich ohnehin schon gewundert, warum der hochgestellte Geheimdienstoffizier sie gebeten hatte ihm zu folgen. Sie hatte die Angst in seinen Augen gesehen, es könne sich um eine Art Verhaftung handeln, in die er, der untadelige Beamte der III. Abteilung, mit hinein gezogen würde. Anna hatte ihm nur noch schnell ihren Teller mit Fischhäppchen in die Hand drücken können, den sie am Buffet mühsam ergattert hatte, dann hatte sie Manuel Rodriguez schon gedrängt, ihm zu folgen. Leise Kammermusik drang in den Raum, gespielt von einem kleinen Orchester, das an der Stirnseite des Saales auf einem Podium saß. Auch das Stimmengewirr der vielen Gäste drang zu ihnen herüber.
„Was hast du überhaupt mit einem Kommissar der III. Abteilung zu schaffen?“, fuhr Rodriguez mit seinen Vorwürfen fort. „Willst du dein Unglück noch herausfordern, indem du dich mit ihm anfreundest?“
„Wir sind Nachbarn“, verteidigte sich Anna. „Und er hat mich gebeten, ihn zu begleiten. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen, als er mich eingeladen hat? Ihm sagen, ich hätte keine Lust, zum größten Ereignis des Jahres zu begleiten? Das hätte mich doch nur noch verdächtiger gemacht! Der Mann konnte seinen Stolz darüber, Karten auf der besten Tribüne zu bekommen, kaum verbergen. Er wäre persönlich beleidigt gewesen, wenn ich nicht mitgekommen wäre!“
„Hättest du nicht eine Krankheit vorschieben können?“, fragte Rodriguez erbost. Auch er sah sich ängstlich um und warf hin und wieder einen Blick auf seine Uhr. Darin eingebaut, so hatte er Anna auf ihre besorgte Nachfrage erklärt, war ein kleines Gerät, das ihm verriet, wenn irgendwelche Abhörgeräte auf sie gerichtet waren. Denn auch seinen Gästen traute der General nicht. Auch wenn er sich bisher nicht auf dem Empfang hatte blicken lassen, so fürchtete er dennoch ums eine Sicherheit, und sein Misstrauen war unendlich. „Ihr Frauen habt doch ständig irgendetwas, Migräne, Bauchschmerzen oder sonst ein Wehwehchen! Du hättest dir doch nur etwas einfallen lassen müssen!“
„Meinst du, darauf wäre ich nicht selbst gekommen? Aber du denkst doch wohl nicht im Ernst, dass der Kommissar eine solche Ausflucht nicht erkannt, geschweige denn sie auch akzeptiert hätte! Wahrscheinlich hätte er mir einen Arzt ins Haus geschickt. Der Mann beobachtet mich schon seit ein paar Wochen, seitdem er weiß, dass ich Kontakt zu meinen japanischen Nachbarn habe. Nun versucht er, mich auf die Seite der Partei zu ziehen.“
„Das ist auch so eine Sache, deine asiatischen Nachbarn. Du musst es wohl unbedingt darauf ankommen lassen! Wie kannst du nur so ein Risiko eingehen, die Aufmerksamkeit der III. Abteilung auf sich zu ziehen? Du gefährdest damit auch mich!“
Nun wurde Anna wirklich wütend. So etwas kam ausgerechnet von Manuel Rodriguez, der im Untergrund gegen den General und seine Partei arbeitete. Seit Jahren schon beobachtete er Smith und seine Aktivitäten, und als dieser schließlich geputscht hatte, war entschieden worden, er solle sich zum Schein auf die Seite der Reinigenden Flamme stellen. Weil Smith große Stücke auf ihn hielt, war es auch relativ leicht gewesen, in seinen Stab aufgenommen zu werden. Aber Rodriguez hatte schon immer das große Ziel verfolgt, den General zur Strecke zu bringen und ordnete diesem Ziel alles andere unter. „Ich dachte, du hättest mehr Verständnis für ein wenig Zivilcourage“, erwiderte sie zornig. „Diese Menschen brauchen ab und zu ein freundliches Wort und eine nette Geste. Schließlich sind sie keine Aussätzigen!“
„In den Augen der Regierung sind sie das. Und wem, bitte schön, soll es nutzen, wenn du dir ihretwegen Ärger einhandelst? Du bringst nur dich und deine Tochter in Gefahr.“
„Lass das meine Sorge sein!“
„Es ist aber nicht nur dein Problem. Du weißt, dass wir laut deiner Akte entfernt verwandt miteinander sind, man könnte uns also in Verbindung bringen. Und dann ist es aus mit meiner Karriere und mit allem anderen.“
Anna wusste was er meinte, die Offiziere, mit denen er zusammen arbeitete. Alle waren gegen den General, aber nicht alle von ihnen vertraten eine Position, die den VOR nahe stand. Es waren auch konservative Generäle dabei, die zwar gegen Smith einstanden, aber dennoch ähnliche Ideen wie er vertraten, nur nicht ganz so radikal. Seit dem Putsch arbeiteten alle diese Offiziere im Widerstand zusammen, in einer losen Allianz, die jederzeit auseinander brechen konnte.
„Es wäre also vielleicht besser gewesen, wenn du mich nicht mit dir gezerrt hättest“, konterte Anna. „Jetzt wird man uns auf jeden Fall in Verbindung bringen, denn ein gutes Dutzend Gäste hat gesehen, wie wir zusammen verschwunden sind. Auch Kommissar Latour wird sich seine Gedanken machen. Was soll ich ihm jetzt sagen, wenn er fragt?“
„Wir haben uns doch für diese Fälle eine Ausrede zurecht gelegt. Du bist eine entfernte Cousine von mir, das reicht wohl als Erklärung.“ Er ballte die Hände zur Faust. „Das alles wäre nicht passiert, wenn du nicht hier aufgetaucht wärst“, wiederholte er seinen Vorwurf.
„Wer konnte schon ahnen, dass ich so nahe an den General heran komme? Ich dachte, seine Sicherheitsleute würden das gar nicht zulassen.“
„Er liebt eben das Bad in der Menge, vor allem, wenn die Menge aus seinen treuesten Anhängern besteht. Und ausgerechnet du musst in dieser Menge stehen.“
„Es ist nun einmal passiert. Wahrscheinlich hat es der General längst vergessen. Er sieht doch so viele Menschen jeden Tag, da wird er sich nicht ausgerechnet an mich erinnern.“
„Wenn mich nicht alles täuscht, hat er Dumont schon gebeten, Erkundigungen über dich einzuziehen“, gab Rodriguez zu. „Ich habe es nicht ganz mithören können, aber ich glaube, er gab dem Colonel eine kurze Beschreibung von dir. Smith ist kein Idiot. Und an Zufälle glaubt er auch nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn er schon ein Dossier über dich auf seinem Schreibtisch liegen hat.“
Annas Herz schien in ihren Magen zu sacken und ihre Knie wurden weich. „Das kann ich mir kaum vorstellen“, erwiderte sie schwach. Allerdings konnte sie es sehr wohl. Smith ließ sich nicht so leicht hinters Licht führen, und er würde wissen wollen, warum die Doppelgängerin einer Frau, die er für tot hielt, plötzlich vor ihm gestanden hatte. Ein wenig älter vielleicht, aber es waren ja auch sieben Jahre vergangen, seitdem er sie das letzte Mal gesehen hatte. Seine Frau, die bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen war. „Lass uns wieder hinein gehen“, fuhr sie fort. „Der Kommissar fragt sich bestimmt schon, wo ich so lange bleibe.“
Manuel Rodriguez nickte nur und machte sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg zurück zum Festsaal. Anna folgte ihm in einigem Abstand.
Am Türrahmen fiel ihr eine Frau auf, die dort mit einem Glas Champagner in der Hand stand. Es war die selbe dunkelhaarige Frau, die auf dem Podium hinter dem General gestanden hatte, nur hatte sie ihre Uniform gegen ein glitzerndes Abendkleid aus hauchdünnem Stoff getauscht, das ihre schlanke, athletische Gestalt vorteilhaft zur Geltung brachte. Sir trug elegante, schwindelerregend hohe Pumps. Ihre Blicke begegneten sich, und Anna fragte sich, ob sie wohl schon lange dort gestanden und eventuell etwas von ihrem Gespräch mitbekommen hatte. Denn vor menschlichen Ohren konnte Rodriguez Gerät noch nicht warnen, aber sie lauschten ebenso verhängnisvoll wie die Mikrophone der III. Abteilung. Die Frau maß Anna mit einem eiskalten Blick, was ihre Befürchtung noch bestätigte. Anna hoffte nur noch, dass die Frau ihre Panik nicht bemerkte und senkte den Blick. Was hatte sie dieser Frau getan, dass sie sie so vernichtend ansah? Rasch ging sie weiter und suchte in der Menge nach Kommissar Latour. Als sie ihn endlich in einer Gruppe angeregt plaudernder Menschen entdeckte, war sie fast froh, wieder zu ihm zurückkehren zu können. Auch er bemerkte sie und winkte ihr lächelnd zu.
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