Die Herrschaft des Phönix
von Mirjam Lea
Kurzbeschreibung
General Smith konnte aus der Gefangenschaft entkommen und schickt sich ein zweites Mal an, die Herrschaft in der EAAU zu übernehmen. Aber auch seine grausamen Methoden schaffen es nicht, jeden Widerstand erlahmen zu lassen... (Anmerkung: Es handelt sich um eine radikale Neufassung von der Innere Zirkel, die jetzt auf Gleichgewicht des Schreckens ausbaut.)
GeschichteDrama / P16 / Gen
Gordon B. Smith
Samuel Hirschmann
19.08.2009
28.09.2010
27
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19.08.2009
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„Segovia, ich habe Sie zum Direktor der VEGA ernannt, weil ich dachte, Sie hätten die Sache dort im Griff!“ Der General gab sich sichtlich Mühe, seine Wut im Zaum zu halten, aber eine zorngeschwollene Ader an der Schläfe verriet, wie es wirklich in ihm aussah. Smiths Art war es nicht, sich unbeherrscht zu geben, also musste es um eine wirklich wichtige Angelegenheit gehen. „Ich verfolge die Berichte über das Delta Programm nun schon seit Jahren und sah jetzt endlich die Chance gekommen, Zugriff darauf zu erhalten. Und jetzt erzählen Sie mir, dass es dem Personal gelungen ist, die Pläne verschwinden zu lassen. Wie konnte Ihnen das passieren? Wie konnten Sie sich derart hinters Licht führen lassen? Sie verfügen doch über jahrelange Erfahrung in der Industrie, da sollte so etwas doch ausgeschlossen sein!“
Der kleine dürre Mann, der wie ein Häuflein Elend in einem Sessel vor Smiths Schreibtisch saß, wand sich sichtlich unter dem vernichtenden Blick seines Dienstherrn. Immer wieder schob er seine dunkel gerahmte Brille auf der Nase zurecht, als könne ihm das helfen, seiner Nervosität Herr zu werden. „Niemand hat eine solche Entwicklung vorhersehen können, Sir“, verteidigte er sich. „Der stellvertretende Direktor Tarnowski hat mir sogar umfangreiches Informationsmaterial vorgelegt, das auf den ersten Blick sehr professionell und authentisch aussah. Sie wissen, dass ich kein Ingenieur bin, es dauerte eine ganze Weile, bis mir die Tatsache bewusst wurde, dass es sich um nichtssagende Daten handelte. Bis dahin war schon alles zu spät. Wir haben zwar noch versucht, die Informatikerin zu fassen, welche die echten Daten wahrscheinlich außer Haus gebracht hat, aber sie hatte das entsprechende Speichermedium schon längst verschwinden lassen.“
„Aber Sie haben Sie doch gefasst, oder? Also lassen Sie sie verhören, wohin sie das Material gebracht hat.“
Professor Segovia, vor kurzem erst zum neuen Direktor der VEGA ernannt, schien auf seinem Sitz zusammenzusinken wie ein getadelter Schüler vor seinem Schulleiter. Isabel sah von ihrem Platz an der Tür aus, wie er rot wurde. Sogar seine Kopfhaut unter dem schütteren Haar schien dunkelrot anzulaufen. Sie wagte sich keinen Schritt weiter heran und harrte mit ihrem Tablett, das Kaffee für die beiden Männer trug, am Eingang des Büros atemlos aus. „Sir“, fuhr Segovia verlegen fort, „da liegt das Problem. Zwar haben wir diese Lavinia Drosczek in unserem Gewahrsam, aber das nutzt uns nicht viel. Es gibt eine Videoaufzeichnung von der Verfolgungsjagd, die sie sich mit unseren Leuten geliefert hat. Zu Beginn dieser Aufzeichnung sieht man, wie sie ihren Hopper anhält. Wir haben die Sequenz vergrößern lassen, und man sieht dabei, wie sie etwas ins Wasser wirft. Höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um den Datenwürfel, auf dem die technischen Einzelheiten der Delta VII gespeichert waren. Und das mitten im Atlantik! Wir haben keine Chance, diese Pläne jemals wiederzufinden!“ Zum Schluss nahm Segovias Stimme einen fast weinerlichen Tonfall an, als wolle er gleich ein Taschentuch zücken und eine Selbstanklage beginnen.
Der General schwieg einen Moment und fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschnittene dunkelblonde Haar, eine Geste, die Isabel schon häufig bei ihm beobachtet hatte. Meistens verhieß sie nichts Gutes. Langsam stand Smith auf und wandte sich der bis auf den Boden reichenden Fensterfront zu, die hinter seinem Schreibtisch lag. Er stellte sich dicht davor, als wolle er mit der Nase das Glas berühren, schlug dann aber mit den flachen Handflächen ein paar Mal gegen die Scheiben, was ein dumpfes Geräusch erzeugte. Hätte Isabel nicht gewusst, dass die Scheiben bruchsicher waren, so hätte sie gefürchtet, er würde sie mit seinen bloßen Fäusten einschlagen. Es lief längst nicht alles so reibungslos, wie der General es sich erhofft hatte. In der Hauptstadt gab es noch immer vereinzelte Unruheherde und nun auch noch das. Isabel wagte kaum, sich bemerkbar zu machen.
„Was stehen Sie da an der Tür, Montero?“, sagte er schließlich streng und ließ sich mit einem Seufzer in seinen Sessel zurücksinken. „Kommen Sie schon herein und bringen Sie uns den Kaffee, auch wenn der Professor sich kaum eine Erfrischung verdient hat.“
„Sofort, Sir.“ Isabel schluckte. Smith hatte ihr gegenüber noch nie einen solchen Ton angeschlagen, aber sie sagte sich, dass sie es nicht persönlich nehmen dürfe. Er war wütend auf Segovia, nicht auf sie, gleichwohl konnte sie in dieser Situation nicht darauf hoffen, mit allzu großer Freundlichkeit behandelt zu werden. Dennoch versetzte es ihr einen kleinen Stich. Hastig setzte sie die Tassen vor den beiden Männern ab, bei Segovias Tasse zitterte sie ein wenig und verschüttete ein wenig des heißen Getränks auf die Untertasse.
„Passen Sie gefälligst auf!“, schnauzte sie Segovia harsch an. „Sie ruinieren mir noch den Anzug.“
„Um Ihren Anzug sollten Sie sich im Moment wohl die geringsten Sorgen machen“, sagte der General gereizt. „Am liebsten würde ich Sie mit einem Ruderboot hinaus schicken und Sie samt Ihres überteuerten Jacketts ins Wasser werfen um Sie so lange tauchen zu lassen, bis Sie diesen Datenträger finden! Mit einem Teesieb zum Suchen!“
Isabel musste sich ein Lächeln verkneifen. Sie mochte diesen Segovia nicht, mit ihrer Bemerkung hatte er verraten, was für ein unsympathischer, kriecherischer Mensch er war, der wohl gern nach unten trat.
„Sir, das würde ich sicherlich tun, wenn ich nur einen Hoffnungsschimmer darin sehen würde.“
Isabel wandte sich zum Gehen, aber der General hielt sie zurück. „Nein, bleiben Sie, Montero. Sie dürfen das ruhig mit anhören. Nehmen Sie sich einen Sessel.“
Isabel tat, wie ihr geheißen worden war. Sie schlug die Beine übereinander und zupfte an dem ihr ungewohnten Rock herum, um ihn über die Knie zu ziehen. Noch hatte sie sich nicht an die neue Uniform gewöhnt, die eher wie ein Damenkostüm geschnitten war. Vor allem die Pumps machten ihr zu schaffen, auch wenn sie nur einen flachen Absatz hatten. Sie war Armeestiefel gewöhnt, in denen ihre Füße bequem Platz hatten. Der General aber hatte sie wissen lassen, dass er sie lieber in einer typischen Innendienstuniform für Frauen sehen wolle und sie war seinem Wunsch selbstverständlich nachgekommen.
„Sir, ich habe bereits angeordnet, dass ein Team von fähigen Ingenieuren zusammengestellt wird“, fuhr Segovia zu seiner Verteidigung fort. „Wir werden unser bestes geben, um die Pläne dieses Schiffes so schnell wie möglich zu rekonstruieren.“
„Und wie lange soll das dauern, Segovia? Drei Monate? Ein halbes Jahr? Diese Zeit habe ich nicht! Ich habe den Menschen eine Politik der Stärke gegenüber den VOR versprochen, und dazu brauche ich dieses Schiff! Ohne Überlegenheit im All haben wir keine Chance, die Asiaten bei ihrer Bevölkerungsstärke in ihre Schranken zu verweisen! Wissen wir wenigstens, wo sich der Prototyp zur Zeit befindet?“
„Wir nehmen an, auf der Venus, Sir.“
„Noch so eine gute Nachricht, Segovia“, erwiderte der General mit beißendem Spott. „Ebenso gut könnte er außerhalb unseres Sonnensystems herumschwirren. Die Venus hat sich bisher nicht geäußert, wie sie zu der neuen politischen Entwicklung steht. Wahrscheinlich reibt sich der Gouverneur in diesem Moment die Hände, weil er ein richtiges Schnäppchen gemacht hat. Vielleicht wird er das Schiff sogar als Verhandlungsbasis für einen Pakt mit unseren Feinden benutzen! Nicht auszudenken, wenn er es einsetzt, um ein Bündnis mit den VOR zu schließen!“
Isabel wunderte sich, was an diesem Schiff so besonderes war, dass der General es unbedingt in seinen Besitz bringen wollte. Auch sie hatte schon einmal aus Gerüchten etwas über die neue Delta Klasse erfahren, aber etwas Genaues konnte sie sich nicht darunter vorstellen. So konnte sie nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich war der Prototyp besonders schnell und wendig. Oder besaß er ein revolutionäres Waffensystem?
Segovia unternahm einen weiteren verzweifelten Versuch, sich zu verteidigen. Fast tat er Isabel Leid, wie er sich vor Verlegenheit auf seinem Stuhl wand. „Sir, unsere Kontaktleute auf der Venus halten es nicht für ausgeschlossen, dass Commander Harris, der Kommandant des Schiffes, die Testflüge wie geplant fortsetzen wird.“
„Für nicht ausgeschlossen, sagen Sie?“, fragte der General mit eisigem Unterton. „Ich persönlich halte es für nicht ausgeschlossen, dass Harris zu intelligent für einen solchen Schritt ist. Er müsste geradezu ein Idiot sein, wenn er sich freiwillig von der Venus fortbewegt. Es sei denn natürlich, er wäre ein Freund unserer Sache. Haben wir Informationen darüber, welche politischen Ansichten dieser Commander vertritt?“
„Nach meinen Informationen war er früher ein Major der strategischen Raumflotte, ist aber dann in den zivilen Dienst übergewechselt.“
„Das hört sich nicht nach einem begeisterten Militär an. Und noch weniger nach einem Anhänger unserer Bewegung.“
„Vielleicht hatte er ja Probleme mit seinen Vorgesetzten“, wagte Isabel vorsichtig zu bemerken. „Das wäre ein Punkt, bei dem man einhaken könnte.“
„Nun wenigstens mal ein vernünftiger Vorschlag, vielleicht ist dieser Harris ja tatsächlich offen für ein paar Karriereoptionen von unserer Seite.“ Der General nickte zufrieden. „Das müssen wir ihm nur noch über unsere Kontaktleute übermitteln.“
„Und Sie glauben wirklich, er geht darauf ein?“, fragte Segovia skeptisch. Es schien ihm gar nicht zu behagen, dass der General einem kleinen Lieutenant zuhörte. „Was tun wir, wenn er stur bleibt?“
„Jede Besatzung ist ersetzbar. Es wäre zwar bedauerlich, da Harris und sein Team inzwischen wohl eine eingespielte Besatzung sind, aber es ist ja nicht so, dass wir nicht über erfahrene Piloten verfügen würden. Das ist also unser geringstes Problem.“
„Sie meinen, wir könnten das Schiff entführen?“, fragte Segovia entgeistert.
„Wenn es sein muss.“
Es klopfte leise, und auf Aufforderung des Generals betrat einer seiner Adjutanten im Rang eines Majors das Büro. Der Mann machte ein überaus zufriedenes Gesicht als er an den Schreibtisch herantrat und Haltung annahm. Mit einer ungeduldigen Geste gab der General zu verstehen, er könne sich jetzt rühren und Meldung erstatten. Der Major zog ein Datenpad aus seiner Brusttasche und reichte es dem General, der einen interessierten Blick darauf warf. Isabel hielt den Atem an. Das Pad musste interessante Neuigkeiten enthalten sonst hätte Smith nicht so viel Aufmerksamkeit darauf verschwendet. Auch Segovia wirkte angespannt, insgeheim hoffte er wohl auf eine Verbesserung der Lage. Für ihn stand einiges auf dem Spiel. Sekunden schienen zu endlosen Minuten zu werden, bis Smith endlich von der Nachricht aufsah und sich an den Major wandte.
„Ist diese Meldung bestätigt, Major?“
„Ja, Sir, unser Geheimdienst hat sie überprüft, nachdem der Kontaktmann sie durchgegeben hatte. Wir wollten absolut sicher sein, bevor wir sie Ihnen vorlegen.“
Der General wandte sich an Segovia. „Nun, Professor, es scheint, als ob Ihr Arsch soeben noch einmal gerettet wurde. Sie kriegen noch eine zweite Chance, aber das ist auch Ihre letzte.“
Der Professor sah Smith ratlos an. „Wie meinen Sie das, Sir?“
„Nun, ich weiß nicht, ob Harris verrückt oder einfach dreist ist, jedenfalls hat er beschlossen, die Testflüge mit der Delta VII trotz der veränderten politischen Lage fortzusetzen. Es heißt, er habe Kurs auf die Erde genommen.“ Der General wandte sich wieder an den Major. „Sorgen Sie dafür, dass Harris gebührend empfangen wird, schicken Sie ihm zwei Geschwader entgegen, ich will kein Risiko eingehen.“
„Sollen wir das Schiff nach Metropolis umleiten, Sir?“
„Nein, ich will, das sich die Lage hier erst noch ein wenig beruhigt. Bringen Sie das Schiff zur Landung auf Asinara, der Stützpunkt ist abgelegen genug. Harris soll noch im Unklaren bleiben.“
***
Licht an, Licht aus, Licht an. Das ging nun schon eine ganze Weile so, in unregelmäßigen Intervallen. Man konnte sich nie darauf einrichten, wie lange es dunkel oder hell bleiben würde. Mal schalteten sie die kalte, grelle Neonbeleuchtung für eine halbe Stunde ein, dann wieder folgten Licht und Dunkelheit im Abstand von wenigen Sekunden, wie eine hektisch blinkende Reklame. Der ständige Wechsel zerrte an den Nerven und machte es unmöglich, sich auch nur einen Moment lang zu entspannen, geschweige denn etwas Schlaf zu finden. Seit vier Tagen ging das nun so, zudem war das Fenster der kargen Gefängniszelle mit schwarzer Folie verklebt. Lavinia Drosczek hatte schon bald jedes Gefühl dafür verloren, ob es Tag war oder Nacht. Gerne hätte sie ein wenig geschlafen, um sich von den Strapazen der stundenlangen Verhöre zu erholen, denen sie durch die Geheimpolizei unterzogen worden war. Die III. Abteilung, wie sie sich nannten, die Stütze von Smiths neu errichtetem Terrorregime. Auch in dem Raum, in dem die Verhöre stattfanden, waren die Fenster zugeklebt.
Sie hielt sich erschöpft den Kopf. Jeden Augenblick konnten sie kommen und ihr weitere Fragen stellen. Hatte sie allein die Idee gehabt, den Datenwürfel mit den Konstruktionsplänen von Delta VII zu stehlen oder hatte es Mitwisser gegeben? Was wusste sie vom Delta Projekt? Konnte sie der Reinigenden Flamme helfen, die fehlenden Dateien zu rekonstruieren? Die Worte des verhörenden Kommissars prasselten unablässig auf sie nieder wie ein Hagelschauer. Sie fand kaum Gelegenheit, ihre Antworten zu überdenken. Die beiden bewaffneten Beamten, die stets hinter ihrem Rücken standen, taten ein Übriges, um ihre Nervosität zu steigern. Bisher wenigstens hatten sie sie wenigstens nicht körperlich misshandelt, wenn man einmal von dem brutalen Schlafentzug absah. Aber sie schlugen sie nicht, nur der Tonfall des Kommissars klang harsch und brutal. Andere traf es schlimmer, das konnte sie den schrecklichen Schreien entnehmen, die hin uns wieder zu ihr drangen, sowohl im Verhörraum als auch in ihrer Zelle. Es waren schreckliche Schmerzensschreie, die ihr durch Mark und Bein gingen und von unendlichen Qualen kündeten. Die III. Abteilung ging mit unsäglicher Brutalität gegen die hier inhaftierten Frauen vor. Lavinia grübelte beinahe ständig darüber nach, warum sie bisher verschont geblieben war. Hofften der Kommissar noch immer auf ihre Kooperation und wollte es sich nicht ganz mit ihr verderben? Sie wusste es nicht. Aber die Angst nagte an ihr, er könne irgendwann diese Zurückhaltung aufgeben und auch ihr diese schrecklichen Qualen antun. Es war ein zermürbendes Gefühl, derart von der Laune des Kommissars abhängig zu sein. Der Mann war wie geschaffen für seinen Beruf, sadistisch in seiner Art, sie zu befragen und zynisch im Umgang mit Menschen. Manchmal fragte sich Lavinia, ob sie noch einmal so mutig handeln würde, jetzt, da ihr die Konsequenzen so deutlich vor Augen standen. Sie hatte den langen Arm der Reinigenden Flamme unterschätzt und ihr Mut und ihr Durchhaltevermögen hatten sich längst verabschiedet.
Sie saß auf der Kante ihre schmalen Metallbettes und machte sich Gedanken darüber, wie es mit ihr weiter gehen würde, als der Öffnungsmechanismus der Türklappe bewegte. Immerhin brachten sie ihr regelmäßig etwas zu essen, auch wenn es von grauenhafter Qualität war. Lavinias Augen brannten vor Müdigkeit und sie brachte kaum die Kraft auf, sich die wenigen Schritte bis zur Tür zu bewegen, aber ihr Magen verlangte nach Nahrung. Hastig griff sie nach dem Blechtablett, bevor der Wärter auf die Idee kommen konnte, es einfach wieder mitzunehmen. Es gab einen Blechbecher mit einem undefinierbaren dünnen Tee und eine ebenso dünne, helle Suppe. Eine Scheibe Weißbrot vervollständigte das Menü, sie war so trocken, dass sich die Ränder schon aufrollten, aber wenigstens nicht verschimmelt. Auch das hatte es schon gegeben, trotz ihres Hungers hatte Lavinia sich nicht überwinden können, dieses Brot herunter zu würgen. Mit ihrem kargen Mahl setzte sich Lavinia an den kleinen Klapptisch ihrer Zelle und begann zu essen. Hoffentlich schalteten sie nicht gerade jetzt wieder das Licht aus. Vorsichtig probierte sie von der Suppe, die nach nichts schmeckte. Wahrscheinlich war es eine dünne Mehlbrühe, die lediglich mit ein paar verschrumpelten Möhrenstücken angereichert war. Nun, besser als nichts. Lavinia löffelte hungrig die Suppe in sich hinein und weichte das Brot darin ein, um es weich zu machen.
Sie sehnte sich nach einer Dusche. Seitdem sie in der Zelle war, hatte sie noch nicht einmal ihre Wäsche wechseln können, die Wärter hatten ihr nichts gebracht. Sie trug noch immer die Kleidung, die sie am Tag ihrer Verhaftung angehabt hatte. Inzwischen stank sie bestimmt nicht nur nach Angstschweiß. An dem kleinen Waschbecken in der Zelle konnte sie sich nur notdürftig waschen, und Seife gab es auch nicht. Mittlerweile juckte ihre Haut an mehreren Stellen und ihr Haar hing strähnig herab. Eine weitere Methode sie zu demütigen, sie in einen so erbärmlichen Zustand zu versetzen. Bald würde sie sich vor sich selbst ekeln.
Mit einem Rest Brot wischte sie die Reste der Suppe aus der Metallschale, dann trank sie eilig den Tee aus. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, woraus er aufgebrüht worden war, aber immerhin war es eine Abwechslung zu dem bitter schmeckenden Wasser aus dem Waschbecken.
Als sie gerade das Tablett an die Tür zurückstellen wollte, hörte sie, wie die Verriegelung aufgehoben wurde. Zischend glitt das Türblatt beiseite und eine hagere Wärterin in der schwarzen Uniform der neuen Machthaber betrat ohne zu klopfen die Zelle. Unwillkürlich wich Lavinia ein Stück zurück. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, sie hatte Angst, was auf sie zukommen würde. Neue Fragen, die sie nicht beantworten konnte, weil die Antworten ohnehin bereits vorgegeben waren.
„Drosczek, mitkommen“, befahl die Wärterin barsch. Auf ihren Kragenspiegeln prangte das Zeichen der Reinigenden Flamme. Lavinia dachte kurz darüber nach, ob diese Frau wohl schon vorher Vollzugsbeamtin gewesen und in den Dienst der neuen Machthaber übernommen worden war oder ob sie sich in den letzten Tagen freiwillig gemeldet hatte.
Auf dem Gang warteten zwei weitere Beamte, die Lavinia in ihre Mitte nahmen, als wäre es ihr möglich gewesen, die Wärterin zu überwältigen und zu entkommen. Jeder umklammerte einen ihrer Ellenbogen.
Kommissar Latour erwartete sie bereits in seinem wenig einladenden Büro. Er saß hinter einem zwar weitläufigen, aber schon reichlich abgewohnten Schreibtisch, auf dem sich einige Akten stapelten. Eine Lampe mit grünem Glasschirm tauchte den Raum in eine ungesunde Farbe, sogar die Wände sahen aus, als wären sei deprimiert. An der Wand hinter Latour hing ein gerahmtes Foto von General Smith in Uniform, der darauf zufrieden lächelte. Er konnte es sich wohl schon leisten, über seine Gegner zu triumphieren.
„Guten Tag, Miss Drosczek“, begrüßte sie Latour mit ironischem Unterton. „Das Gefängnisleben scheint Ihnen nicht gut zu bekommen, wenn ich das so sagen darf.“ Er rümpfte die Nase. „Für eine der besten Wissenschaftlerinnen der VEGA sehen sie reichlich heruntergekommen aus.“ Er grinste und musterte sie ausgiebig.
Lavinia hielt dem Blick des mittelgroßen Mannes stand. Sie war eine große Frau, wahrscheinlich reichte er ihr noch nicht einmal bis zur Nasenspitze. „Das liegt nicht nur an mir, das wissen Sie.“
„Nun, wir wollen uns darüber nicht streiten“, erwiderte Latour etwas versöhnlicher. Wider Erwarten bot er ihr sogar einen Stuhl an, und sie setzte sich überrascht. Was hatte der Kommissar nun wieder vor? Freundliche Gesten ohne Hintergedanken passten nicht zu ihm. „Wissen Sie, wir sind ja keine Unmenschen, und es ist uns durchaus bewusst, dass wir Ihnen einige Unannehmlichkeiten bereitet haben. Aber auf Grund der Umstände war das leider unvermeidlich, zumal Sie selbst zu ihrer unglücklichen Situation nicht unerheblich beigetragen haben.“ Er beugte sich vor. „Aber wir sind durchaus geneigt einzuräumen, dass Sie aus einer Fehleinschätzung der Lage heraus so unüberlegt gehandelt und uns um wichtige Erkenntnisse gebracht haben. Der General selbst hat ein Interesse an einer Lösung für unser kleines Problem und wäre eventuell bereit, Ihnen eine zweite Chance einzuräumen.“
Lavinia fragte sich, worauf Latour hinaus wollte. „Nun, ich weiß nicht, was Sie von mir erwarten, Kommissar. Ich habe ja bereits eingeräumt, den Datenkristall mit den Bauplänen dieses Raumschiffes im Meer versenkt zu haben. Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihnen diesen Speicherwürfel nicht wieder beschaffen, oder wollen sie mich mit einem Ruderboot auf dem Meer aussetzen?“
„Miss Drosczek, Sie sollten nicht polemisch werden“, sagte der Kommissar mit drohendem Unterton. „Wir können Sie auch in Ihre Zelle zurückstecken und dort vergessen. Oder Sie wegen Hochverrats in einem Schnellgerichtsverfahren zum Tode verurteilen lassen. Sie sollten sich also anhören, was wir Ihnen vorzuschlagen haben.“
Lavinias Spannung wuchs. Das Regime war bereit, mit ihr einen Handel einzugehen, aber was würde ihr Einsatz sein? Ihr Gewissen verbot ihr, über einen solchen Handel auch nur nachzudenken, aber die Tage im Gefängnis hatten ihr zur Genüge einen Vorgeschmack gegeben, was es bedeutete, sich mit der Reinigenden Flamme anzulegen. Lange würde sie das nicht mehr durchstehen. Sie war in der Demokratie der EAAU aufgewachsen und hatte sich solche Haftbedingungen bisher noch nicht einmal vorstellen können. Eine geborene Widerstandskämpferin war sie auch nicht, ihr Mut ging nicht über alltägliche Zivilcourage hinaus. Ein Regime wie das des Generals war in ihrer Lebensplanung einfach nicht vorgesehen gewesen. „Was also haben Sie mir vorzuschlagen, Kommissar? Alle Informationen, die ich Ihnen geben konnte, haben Sie bereits von mir. Ich wüsste nicht, was ich Ihnen darüber hinaus zu bieten hätte.“
„Sie sollten nicht zu bescheiden sein, Drosczek“, fuhr Latour fort. „Die Beurteilungen Ihrer Leistung bei der VEGA sprechen für sich. Sie gelten als ausgezeichnete Informatikerin. Das wäre unter anderem etwas, was Sie uns zu bieten hätten.“
„Erhoffen Sie von mir eine Rekonstruktion der Pläne in den VEGA Computern? Selbst wenn ich dem zustimmen würde, das kann ich nicht. Die Daten wurden gelöscht, unwiederbringlich. Der beste Informatiker kann sie nicht zurückholen.“ Sie hoffte, nicht zu verzweifelt zu klingen, auch wenn sie es war. Wenn das ihr Ticket zurück in die Freiheit war, so konnte sie den Preis nicht zahlen. Tarnowski und sie hatten alle Dateien, die in den Computern schlummerten, unwiderruflich gelöscht. Die einzige Sicherungskopie die es gab, lag auf dem Grund des Atlantiks.
„Damit haben Sie tatsächlich ein nicht wieder gut zu machendes Verbrechen gegen den Staat begangen, und wir haben bereits befürchtet, es gäbe keine Möglichkeit, die Pläne zu rekonstruieren. Was wir allerdings aufbauen können, ist ein Pool von fähigen Wissenschaftlern, die uns helfen, das Programm wieder aufleben zu lassen.“ Latour grinste schief. „Aber keine Sorge, auf das Delta Projekt lassen wir Sie garantiert nicht wieder los, schließlich sind wir nicht so dumm, den selben Fehler zweimal zu begehen. Aber wie Sie vielleicht wissen, steht unsere Bewegung dem wissenschaftlichen Fortschritt generell sehr offen gegenüber. Und da kommen Sie ins Spiel. Wir würden Ihnen eine adäquate Position in einem unserer Teams anbieten. Unter kontrollierten Bedingungen selbstverständlich, in einem von der Öffentlichkeit abgeschotteten Labor. Wir wollen Sie schließlich nicht in Versuchung führen, ein zweites Mal mit sensiblen Daten die Flucht zu ergreifen. Aber Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen wären sicherlich besser als in diesem Gefängnis.“
„Und was wäre das für ein Projekt?“
„Das würden Sie vor Ort erfahren.“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Dann wandern Sie in Ihre Zelle zurück und werden zu gegebener Zeit durch eines unserer Gerichte abgeurteilt.“
Lavinias Magen krampfte sich zusammen. Es war ein Pakt mit dem Teufel, und ihr Gewissen drängte sie, dem Kommissar eine heftige Ablehnung entgegen zu schleudern. Wie standen wohl ihre Chancen, vor einem Gericht der Reinigenden Flamme Gnade zu finden? Wohl sehr gering. Sie biss sich auf die Unterlippe und schmeckte Blut. In ihren Kleidern fühlte sie sich schmutzig und erbärmlich und alles in ihr sehnte sich danach, aus diesem Gefängnis heraus zu kommen. Aber für den General und sein Regime arbeiten, konnte sie das wirklich? „Würden Sie mir eine Bedenkzeit einräumen?“
„Warten Sie nicht zu lange“, ermahnte sie der Kommissar. „Wir brauchen zwar fähige Leute, aber wir werden Sie nicht anbetteln, für uns zu arbeiten.“
Nun, wahrscheinlich brauchte der General wirklich dringend fähige Leute, was ihre Verhandlungsposition stärkte, auch wenn der Kommissar das leugnete. „Das erwarte ich auch nicht. Aber wie wäre es, wenn Sie mich ein paar Stunden darüber schlafen ließen?“
„Unsere kleine Lichttherapie ist Ihnen wohl nicht bekommen, was?“
„Nicht sonderlich. Aber Sie wollen doch sicher, dass ich meine Entscheidung mit einem klaren Kopf treffe, oder?“
„In Ordnung, ich werde das Personal entsprechend anweisen. Aber strapazieren Sie meine Geduld nicht, Droszcek!“
Damit war sie entlassen.
Der kleine dürre Mann, der wie ein Häuflein Elend in einem Sessel vor Smiths Schreibtisch saß, wand sich sichtlich unter dem vernichtenden Blick seines Dienstherrn. Immer wieder schob er seine dunkel gerahmte Brille auf der Nase zurecht, als könne ihm das helfen, seiner Nervosität Herr zu werden. „Niemand hat eine solche Entwicklung vorhersehen können, Sir“, verteidigte er sich. „Der stellvertretende Direktor Tarnowski hat mir sogar umfangreiches Informationsmaterial vorgelegt, das auf den ersten Blick sehr professionell und authentisch aussah. Sie wissen, dass ich kein Ingenieur bin, es dauerte eine ganze Weile, bis mir die Tatsache bewusst wurde, dass es sich um nichtssagende Daten handelte. Bis dahin war schon alles zu spät. Wir haben zwar noch versucht, die Informatikerin zu fassen, welche die echten Daten wahrscheinlich außer Haus gebracht hat, aber sie hatte das entsprechende Speichermedium schon längst verschwinden lassen.“
„Aber Sie haben Sie doch gefasst, oder? Also lassen Sie sie verhören, wohin sie das Material gebracht hat.“
Professor Segovia, vor kurzem erst zum neuen Direktor der VEGA ernannt, schien auf seinem Sitz zusammenzusinken wie ein getadelter Schüler vor seinem Schulleiter. Isabel sah von ihrem Platz an der Tür aus, wie er rot wurde. Sogar seine Kopfhaut unter dem schütteren Haar schien dunkelrot anzulaufen. Sie wagte sich keinen Schritt weiter heran und harrte mit ihrem Tablett, das Kaffee für die beiden Männer trug, am Eingang des Büros atemlos aus. „Sir“, fuhr Segovia verlegen fort, „da liegt das Problem. Zwar haben wir diese Lavinia Drosczek in unserem Gewahrsam, aber das nutzt uns nicht viel. Es gibt eine Videoaufzeichnung von der Verfolgungsjagd, die sie sich mit unseren Leuten geliefert hat. Zu Beginn dieser Aufzeichnung sieht man, wie sie ihren Hopper anhält. Wir haben die Sequenz vergrößern lassen, und man sieht dabei, wie sie etwas ins Wasser wirft. Höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um den Datenwürfel, auf dem die technischen Einzelheiten der Delta VII gespeichert waren. Und das mitten im Atlantik! Wir haben keine Chance, diese Pläne jemals wiederzufinden!“ Zum Schluss nahm Segovias Stimme einen fast weinerlichen Tonfall an, als wolle er gleich ein Taschentuch zücken und eine Selbstanklage beginnen.
Der General schwieg einen Moment und fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschnittene dunkelblonde Haar, eine Geste, die Isabel schon häufig bei ihm beobachtet hatte. Meistens verhieß sie nichts Gutes. Langsam stand Smith auf und wandte sich der bis auf den Boden reichenden Fensterfront zu, die hinter seinem Schreibtisch lag. Er stellte sich dicht davor, als wolle er mit der Nase das Glas berühren, schlug dann aber mit den flachen Handflächen ein paar Mal gegen die Scheiben, was ein dumpfes Geräusch erzeugte. Hätte Isabel nicht gewusst, dass die Scheiben bruchsicher waren, so hätte sie gefürchtet, er würde sie mit seinen bloßen Fäusten einschlagen. Es lief längst nicht alles so reibungslos, wie der General es sich erhofft hatte. In der Hauptstadt gab es noch immer vereinzelte Unruheherde und nun auch noch das. Isabel wagte kaum, sich bemerkbar zu machen.
„Was stehen Sie da an der Tür, Montero?“, sagte er schließlich streng und ließ sich mit einem Seufzer in seinen Sessel zurücksinken. „Kommen Sie schon herein und bringen Sie uns den Kaffee, auch wenn der Professor sich kaum eine Erfrischung verdient hat.“
„Sofort, Sir.“ Isabel schluckte. Smith hatte ihr gegenüber noch nie einen solchen Ton angeschlagen, aber sie sagte sich, dass sie es nicht persönlich nehmen dürfe. Er war wütend auf Segovia, nicht auf sie, gleichwohl konnte sie in dieser Situation nicht darauf hoffen, mit allzu großer Freundlichkeit behandelt zu werden. Dennoch versetzte es ihr einen kleinen Stich. Hastig setzte sie die Tassen vor den beiden Männern ab, bei Segovias Tasse zitterte sie ein wenig und verschüttete ein wenig des heißen Getränks auf die Untertasse.
„Passen Sie gefälligst auf!“, schnauzte sie Segovia harsch an. „Sie ruinieren mir noch den Anzug.“
„Um Ihren Anzug sollten Sie sich im Moment wohl die geringsten Sorgen machen“, sagte der General gereizt. „Am liebsten würde ich Sie mit einem Ruderboot hinaus schicken und Sie samt Ihres überteuerten Jacketts ins Wasser werfen um Sie so lange tauchen zu lassen, bis Sie diesen Datenträger finden! Mit einem Teesieb zum Suchen!“
Isabel musste sich ein Lächeln verkneifen. Sie mochte diesen Segovia nicht, mit ihrer Bemerkung hatte er verraten, was für ein unsympathischer, kriecherischer Mensch er war, der wohl gern nach unten trat.
„Sir, das würde ich sicherlich tun, wenn ich nur einen Hoffnungsschimmer darin sehen würde.“
Isabel wandte sich zum Gehen, aber der General hielt sie zurück. „Nein, bleiben Sie, Montero. Sie dürfen das ruhig mit anhören. Nehmen Sie sich einen Sessel.“
Isabel tat, wie ihr geheißen worden war. Sie schlug die Beine übereinander und zupfte an dem ihr ungewohnten Rock herum, um ihn über die Knie zu ziehen. Noch hatte sie sich nicht an die neue Uniform gewöhnt, die eher wie ein Damenkostüm geschnitten war. Vor allem die Pumps machten ihr zu schaffen, auch wenn sie nur einen flachen Absatz hatten. Sie war Armeestiefel gewöhnt, in denen ihre Füße bequem Platz hatten. Der General aber hatte sie wissen lassen, dass er sie lieber in einer typischen Innendienstuniform für Frauen sehen wolle und sie war seinem Wunsch selbstverständlich nachgekommen.
„Sir, ich habe bereits angeordnet, dass ein Team von fähigen Ingenieuren zusammengestellt wird“, fuhr Segovia zu seiner Verteidigung fort. „Wir werden unser bestes geben, um die Pläne dieses Schiffes so schnell wie möglich zu rekonstruieren.“
„Und wie lange soll das dauern, Segovia? Drei Monate? Ein halbes Jahr? Diese Zeit habe ich nicht! Ich habe den Menschen eine Politik der Stärke gegenüber den VOR versprochen, und dazu brauche ich dieses Schiff! Ohne Überlegenheit im All haben wir keine Chance, die Asiaten bei ihrer Bevölkerungsstärke in ihre Schranken zu verweisen! Wissen wir wenigstens, wo sich der Prototyp zur Zeit befindet?“
„Wir nehmen an, auf der Venus, Sir.“
„Noch so eine gute Nachricht, Segovia“, erwiderte der General mit beißendem Spott. „Ebenso gut könnte er außerhalb unseres Sonnensystems herumschwirren. Die Venus hat sich bisher nicht geäußert, wie sie zu der neuen politischen Entwicklung steht. Wahrscheinlich reibt sich der Gouverneur in diesem Moment die Hände, weil er ein richtiges Schnäppchen gemacht hat. Vielleicht wird er das Schiff sogar als Verhandlungsbasis für einen Pakt mit unseren Feinden benutzen! Nicht auszudenken, wenn er es einsetzt, um ein Bündnis mit den VOR zu schließen!“
Isabel wunderte sich, was an diesem Schiff so besonderes war, dass der General es unbedingt in seinen Besitz bringen wollte. Auch sie hatte schon einmal aus Gerüchten etwas über die neue Delta Klasse erfahren, aber etwas Genaues konnte sie sich nicht darunter vorstellen. So konnte sie nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich war der Prototyp besonders schnell und wendig. Oder besaß er ein revolutionäres Waffensystem?
Segovia unternahm einen weiteren verzweifelten Versuch, sich zu verteidigen. Fast tat er Isabel Leid, wie er sich vor Verlegenheit auf seinem Stuhl wand. „Sir, unsere Kontaktleute auf der Venus halten es nicht für ausgeschlossen, dass Commander Harris, der Kommandant des Schiffes, die Testflüge wie geplant fortsetzen wird.“
„Für nicht ausgeschlossen, sagen Sie?“, fragte der General mit eisigem Unterton. „Ich persönlich halte es für nicht ausgeschlossen, dass Harris zu intelligent für einen solchen Schritt ist. Er müsste geradezu ein Idiot sein, wenn er sich freiwillig von der Venus fortbewegt. Es sei denn natürlich, er wäre ein Freund unserer Sache. Haben wir Informationen darüber, welche politischen Ansichten dieser Commander vertritt?“
„Nach meinen Informationen war er früher ein Major der strategischen Raumflotte, ist aber dann in den zivilen Dienst übergewechselt.“
„Das hört sich nicht nach einem begeisterten Militär an. Und noch weniger nach einem Anhänger unserer Bewegung.“
„Vielleicht hatte er ja Probleme mit seinen Vorgesetzten“, wagte Isabel vorsichtig zu bemerken. „Das wäre ein Punkt, bei dem man einhaken könnte.“
„Nun wenigstens mal ein vernünftiger Vorschlag, vielleicht ist dieser Harris ja tatsächlich offen für ein paar Karriereoptionen von unserer Seite.“ Der General nickte zufrieden. „Das müssen wir ihm nur noch über unsere Kontaktleute übermitteln.“
„Und Sie glauben wirklich, er geht darauf ein?“, fragte Segovia skeptisch. Es schien ihm gar nicht zu behagen, dass der General einem kleinen Lieutenant zuhörte. „Was tun wir, wenn er stur bleibt?“
„Jede Besatzung ist ersetzbar. Es wäre zwar bedauerlich, da Harris und sein Team inzwischen wohl eine eingespielte Besatzung sind, aber es ist ja nicht so, dass wir nicht über erfahrene Piloten verfügen würden. Das ist also unser geringstes Problem.“
„Sie meinen, wir könnten das Schiff entführen?“, fragte Segovia entgeistert.
„Wenn es sein muss.“
Es klopfte leise, und auf Aufforderung des Generals betrat einer seiner Adjutanten im Rang eines Majors das Büro. Der Mann machte ein überaus zufriedenes Gesicht als er an den Schreibtisch herantrat und Haltung annahm. Mit einer ungeduldigen Geste gab der General zu verstehen, er könne sich jetzt rühren und Meldung erstatten. Der Major zog ein Datenpad aus seiner Brusttasche und reichte es dem General, der einen interessierten Blick darauf warf. Isabel hielt den Atem an. Das Pad musste interessante Neuigkeiten enthalten sonst hätte Smith nicht so viel Aufmerksamkeit darauf verschwendet. Auch Segovia wirkte angespannt, insgeheim hoffte er wohl auf eine Verbesserung der Lage. Für ihn stand einiges auf dem Spiel. Sekunden schienen zu endlosen Minuten zu werden, bis Smith endlich von der Nachricht aufsah und sich an den Major wandte.
„Ist diese Meldung bestätigt, Major?“
„Ja, Sir, unser Geheimdienst hat sie überprüft, nachdem der Kontaktmann sie durchgegeben hatte. Wir wollten absolut sicher sein, bevor wir sie Ihnen vorlegen.“
Der General wandte sich an Segovia. „Nun, Professor, es scheint, als ob Ihr Arsch soeben noch einmal gerettet wurde. Sie kriegen noch eine zweite Chance, aber das ist auch Ihre letzte.“
Der Professor sah Smith ratlos an. „Wie meinen Sie das, Sir?“
„Nun, ich weiß nicht, ob Harris verrückt oder einfach dreist ist, jedenfalls hat er beschlossen, die Testflüge mit der Delta VII trotz der veränderten politischen Lage fortzusetzen. Es heißt, er habe Kurs auf die Erde genommen.“ Der General wandte sich wieder an den Major. „Sorgen Sie dafür, dass Harris gebührend empfangen wird, schicken Sie ihm zwei Geschwader entgegen, ich will kein Risiko eingehen.“
„Sollen wir das Schiff nach Metropolis umleiten, Sir?“
„Nein, ich will, das sich die Lage hier erst noch ein wenig beruhigt. Bringen Sie das Schiff zur Landung auf Asinara, der Stützpunkt ist abgelegen genug. Harris soll noch im Unklaren bleiben.“
***
Licht an, Licht aus, Licht an. Das ging nun schon eine ganze Weile so, in unregelmäßigen Intervallen. Man konnte sich nie darauf einrichten, wie lange es dunkel oder hell bleiben würde. Mal schalteten sie die kalte, grelle Neonbeleuchtung für eine halbe Stunde ein, dann wieder folgten Licht und Dunkelheit im Abstand von wenigen Sekunden, wie eine hektisch blinkende Reklame. Der ständige Wechsel zerrte an den Nerven und machte es unmöglich, sich auch nur einen Moment lang zu entspannen, geschweige denn etwas Schlaf zu finden. Seit vier Tagen ging das nun so, zudem war das Fenster der kargen Gefängniszelle mit schwarzer Folie verklebt. Lavinia Drosczek hatte schon bald jedes Gefühl dafür verloren, ob es Tag war oder Nacht. Gerne hätte sie ein wenig geschlafen, um sich von den Strapazen der stundenlangen Verhöre zu erholen, denen sie durch die Geheimpolizei unterzogen worden war. Die III. Abteilung, wie sie sich nannten, die Stütze von Smiths neu errichtetem Terrorregime. Auch in dem Raum, in dem die Verhöre stattfanden, waren die Fenster zugeklebt.
Sie hielt sich erschöpft den Kopf. Jeden Augenblick konnten sie kommen und ihr weitere Fragen stellen. Hatte sie allein die Idee gehabt, den Datenwürfel mit den Konstruktionsplänen von Delta VII zu stehlen oder hatte es Mitwisser gegeben? Was wusste sie vom Delta Projekt? Konnte sie der Reinigenden Flamme helfen, die fehlenden Dateien zu rekonstruieren? Die Worte des verhörenden Kommissars prasselten unablässig auf sie nieder wie ein Hagelschauer. Sie fand kaum Gelegenheit, ihre Antworten zu überdenken. Die beiden bewaffneten Beamten, die stets hinter ihrem Rücken standen, taten ein Übriges, um ihre Nervosität zu steigern. Bisher wenigstens hatten sie sie wenigstens nicht körperlich misshandelt, wenn man einmal von dem brutalen Schlafentzug absah. Aber sie schlugen sie nicht, nur der Tonfall des Kommissars klang harsch und brutal. Andere traf es schlimmer, das konnte sie den schrecklichen Schreien entnehmen, die hin uns wieder zu ihr drangen, sowohl im Verhörraum als auch in ihrer Zelle. Es waren schreckliche Schmerzensschreie, die ihr durch Mark und Bein gingen und von unendlichen Qualen kündeten. Die III. Abteilung ging mit unsäglicher Brutalität gegen die hier inhaftierten Frauen vor. Lavinia grübelte beinahe ständig darüber nach, warum sie bisher verschont geblieben war. Hofften der Kommissar noch immer auf ihre Kooperation und wollte es sich nicht ganz mit ihr verderben? Sie wusste es nicht. Aber die Angst nagte an ihr, er könne irgendwann diese Zurückhaltung aufgeben und auch ihr diese schrecklichen Qualen antun. Es war ein zermürbendes Gefühl, derart von der Laune des Kommissars abhängig zu sein. Der Mann war wie geschaffen für seinen Beruf, sadistisch in seiner Art, sie zu befragen und zynisch im Umgang mit Menschen. Manchmal fragte sich Lavinia, ob sie noch einmal so mutig handeln würde, jetzt, da ihr die Konsequenzen so deutlich vor Augen standen. Sie hatte den langen Arm der Reinigenden Flamme unterschätzt und ihr Mut und ihr Durchhaltevermögen hatten sich längst verabschiedet.
Sie saß auf der Kante ihre schmalen Metallbettes und machte sich Gedanken darüber, wie es mit ihr weiter gehen würde, als der Öffnungsmechanismus der Türklappe bewegte. Immerhin brachten sie ihr regelmäßig etwas zu essen, auch wenn es von grauenhafter Qualität war. Lavinias Augen brannten vor Müdigkeit und sie brachte kaum die Kraft auf, sich die wenigen Schritte bis zur Tür zu bewegen, aber ihr Magen verlangte nach Nahrung. Hastig griff sie nach dem Blechtablett, bevor der Wärter auf die Idee kommen konnte, es einfach wieder mitzunehmen. Es gab einen Blechbecher mit einem undefinierbaren dünnen Tee und eine ebenso dünne, helle Suppe. Eine Scheibe Weißbrot vervollständigte das Menü, sie war so trocken, dass sich die Ränder schon aufrollten, aber wenigstens nicht verschimmelt. Auch das hatte es schon gegeben, trotz ihres Hungers hatte Lavinia sich nicht überwinden können, dieses Brot herunter zu würgen. Mit ihrem kargen Mahl setzte sich Lavinia an den kleinen Klapptisch ihrer Zelle und begann zu essen. Hoffentlich schalteten sie nicht gerade jetzt wieder das Licht aus. Vorsichtig probierte sie von der Suppe, die nach nichts schmeckte. Wahrscheinlich war es eine dünne Mehlbrühe, die lediglich mit ein paar verschrumpelten Möhrenstücken angereichert war. Nun, besser als nichts. Lavinia löffelte hungrig die Suppe in sich hinein und weichte das Brot darin ein, um es weich zu machen.
Sie sehnte sich nach einer Dusche. Seitdem sie in der Zelle war, hatte sie noch nicht einmal ihre Wäsche wechseln können, die Wärter hatten ihr nichts gebracht. Sie trug noch immer die Kleidung, die sie am Tag ihrer Verhaftung angehabt hatte. Inzwischen stank sie bestimmt nicht nur nach Angstschweiß. An dem kleinen Waschbecken in der Zelle konnte sie sich nur notdürftig waschen, und Seife gab es auch nicht. Mittlerweile juckte ihre Haut an mehreren Stellen und ihr Haar hing strähnig herab. Eine weitere Methode sie zu demütigen, sie in einen so erbärmlichen Zustand zu versetzen. Bald würde sie sich vor sich selbst ekeln.
Mit einem Rest Brot wischte sie die Reste der Suppe aus der Metallschale, dann trank sie eilig den Tee aus. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, woraus er aufgebrüht worden war, aber immerhin war es eine Abwechslung zu dem bitter schmeckenden Wasser aus dem Waschbecken.
Als sie gerade das Tablett an die Tür zurückstellen wollte, hörte sie, wie die Verriegelung aufgehoben wurde. Zischend glitt das Türblatt beiseite und eine hagere Wärterin in der schwarzen Uniform der neuen Machthaber betrat ohne zu klopfen die Zelle. Unwillkürlich wich Lavinia ein Stück zurück. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, sie hatte Angst, was auf sie zukommen würde. Neue Fragen, die sie nicht beantworten konnte, weil die Antworten ohnehin bereits vorgegeben waren.
„Drosczek, mitkommen“, befahl die Wärterin barsch. Auf ihren Kragenspiegeln prangte das Zeichen der Reinigenden Flamme. Lavinia dachte kurz darüber nach, ob diese Frau wohl schon vorher Vollzugsbeamtin gewesen und in den Dienst der neuen Machthaber übernommen worden war oder ob sie sich in den letzten Tagen freiwillig gemeldet hatte.
Auf dem Gang warteten zwei weitere Beamte, die Lavinia in ihre Mitte nahmen, als wäre es ihr möglich gewesen, die Wärterin zu überwältigen und zu entkommen. Jeder umklammerte einen ihrer Ellenbogen.
Kommissar Latour erwartete sie bereits in seinem wenig einladenden Büro. Er saß hinter einem zwar weitläufigen, aber schon reichlich abgewohnten Schreibtisch, auf dem sich einige Akten stapelten. Eine Lampe mit grünem Glasschirm tauchte den Raum in eine ungesunde Farbe, sogar die Wände sahen aus, als wären sei deprimiert. An der Wand hinter Latour hing ein gerahmtes Foto von General Smith in Uniform, der darauf zufrieden lächelte. Er konnte es sich wohl schon leisten, über seine Gegner zu triumphieren.
„Guten Tag, Miss Drosczek“, begrüßte sie Latour mit ironischem Unterton. „Das Gefängnisleben scheint Ihnen nicht gut zu bekommen, wenn ich das so sagen darf.“ Er rümpfte die Nase. „Für eine der besten Wissenschaftlerinnen der VEGA sehen sie reichlich heruntergekommen aus.“ Er grinste und musterte sie ausgiebig.
Lavinia hielt dem Blick des mittelgroßen Mannes stand. Sie war eine große Frau, wahrscheinlich reichte er ihr noch nicht einmal bis zur Nasenspitze. „Das liegt nicht nur an mir, das wissen Sie.“
„Nun, wir wollen uns darüber nicht streiten“, erwiderte Latour etwas versöhnlicher. Wider Erwarten bot er ihr sogar einen Stuhl an, und sie setzte sich überrascht. Was hatte der Kommissar nun wieder vor? Freundliche Gesten ohne Hintergedanken passten nicht zu ihm. „Wissen Sie, wir sind ja keine Unmenschen, und es ist uns durchaus bewusst, dass wir Ihnen einige Unannehmlichkeiten bereitet haben. Aber auf Grund der Umstände war das leider unvermeidlich, zumal Sie selbst zu ihrer unglücklichen Situation nicht unerheblich beigetragen haben.“ Er beugte sich vor. „Aber wir sind durchaus geneigt einzuräumen, dass Sie aus einer Fehleinschätzung der Lage heraus so unüberlegt gehandelt und uns um wichtige Erkenntnisse gebracht haben. Der General selbst hat ein Interesse an einer Lösung für unser kleines Problem und wäre eventuell bereit, Ihnen eine zweite Chance einzuräumen.“
Lavinia fragte sich, worauf Latour hinaus wollte. „Nun, ich weiß nicht, was Sie von mir erwarten, Kommissar. Ich habe ja bereits eingeräumt, den Datenkristall mit den Bauplänen dieses Raumschiffes im Meer versenkt zu haben. Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihnen diesen Speicherwürfel nicht wieder beschaffen, oder wollen sie mich mit einem Ruderboot auf dem Meer aussetzen?“
„Miss Drosczek, Sie sollten nicht polemisch werden“, sagte der Kommissar mit drohendem Unterton. „Wir können Sie auch in Ihre Zelle zurückstecken und dort vergessen. Oder Sie wegen Hochverrats in einem Schnellgerichtsverfahren zum Tode verurteilen lassen. Sie sollten sich also anhören, was wir Ihnen vorzuschlagen haben.“
Lavinias Spannung wuchs. Das Regime war bereit, mit ihr einen Handel einzugehen, aber was würde ihr Einsatz sein? Ihr Gewissen verbot ihr, über einen solchen Handel auch nur nachzudenken, aber die Tage im Gefängnis hatten ihr zur Genüge einen Vorgeschmack gegeben, was es bedeutete, sich mit der Reinigenden Flamme anzulegen. Lange würde sie das nicht mehr durchstehen. Sie war in der Demokratie der EAAU aufgewachsen und hatte sich solche Haftbedingungen bisher noch nicht einmal vorstellen können. Eine geborene Widerstandskämpferin war sie auch nicht, ihr Mut ging nicht über alltägliche Zivilcourage hinaus. Ein Regime wie das des Generals war in ihrer Lebensplanung einfach nicht vorgesehen gewesen. „Was also haben Sie mir vorzuschlagen, Kommissar? Alle Informationen, die ich Ihnen geben konnte, haben Sie bereits von mir. Ich wüsste nicht, was ich Ihnen darüber hinaus zu bieten hätte.“
„Sie sollten nicht zu bescheiden sein, Drosczek“, fuhr Latour fort. „Die Beurteilungen Ihrer Leistung bei der VEGA sprechen für sich. Sie gelten als ausgezeichnete Informatikerin. Das wäre unter anderem etwas, was Sie uns zu bieten hätten.“
„Erhoffen Sie von mir eine Rekonstruktion der Pläne in den VEGA Computern? Selbst wenn ich dem zustimmen würde, das kann ich nicht. Die Daten wurden gelöscht, unwiederbringlich. Der beste Informatiker kann sie nicht zurückholen.“ Sie hoffte, nicht zu verzweifelt zu klingen, auch wenn sie es war. Wenn das ihr Ticket zurück in die Freiheit war, so konnte sie den Preis nicht zahlen. Tarnowski und sie hatten alle Dateien, die in den Computern schlummerten, unwiderruflich gelöscht. Die einzige Sicherungskopie die es gab, lag auf dem Grund des Atlantiks.
„Damit haben Sie tatsächlich ein nicht wieder gut zu machendes Verbrechen gegen den Staat begangen, und wir haben bereits befürchtet, es gäbe keine Möglichkeit, die Pläne zu rekonstruieren. Was wir allerdings aufbauen können, ist ein Pool von fähigen Wissenschaftlern, die uns helfen, das Programm wieder aufleben zu lassen.“ Latour grinste schief. „Aber keine Sorge, auf das Delta Projekt lassen wir Sie garantiert nicht wieder los, schließlich sind wir nicht so dumm, den selben Fehler zweimal zu begehen. Aber wie Sie vielleicht wissen, steht unsere Bewegung dem wissenschaftlichen Fortschritt generell sehr offen gegenüber. Und da kommen Sie ins Spiel. Wir würden Ihnen eine adäquate Position in einem unserer Teams anbieten. Unter kontrollierten Bedingungen selbstverständlich, in einem von der Öffentlichkeit abgeschotteten Labor. Wir wollen Sie schließlich nicht in Versuchung führen, ein zweites Mal mit sensiblen Daten die Flucht zu ergreifen. Aber Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen wären sicherlich besser als in diesem Gefängnis.“
„Und was wäre das für ein Projekt?“
„Das würden Sie vor Ort erfahren.“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Dann wandern Sie in Ihre Zelle zurück und werden zu gegebener Zeit durch eines unserer Gerichte abgeurteilt.“
Lavinias Magen krampfte sich zusammen. Es war ein Pakt mit dem Teufel, und ihr Gewissen drängte sie, dem Kommissar eine heftige Ablehnung entgegen zu schleudern. Wie standen wohl ihre Chancen, vor einem Gericht der Reinigenden Flamme Gnade zu finden? Wohl sehr gering. Sie biss sich auf die Unterlippe und schmeckte Blut. In ihren Kleidern fühlte sie sich schmutzig und erbärmlich und alles in ihr sehnte sich danach, aus diesem Gefängnis heraus zu kommen. Aber für den General und sein Regime arbeiten, konnte sie das wirklich? „Würden Sie mir eine Bedenkzeit einräumen?“
„Warten Sie nicht zu lange“, ermahnte sie der Kommissar. „Wir brauchen zwar fähige Leute, aber wir werden Sie nicht anbetteln, für uns zu arbeiten.“
Nun, wahrscheinlich brauchte der General wirklich dringend fähige Leute, was ihre Verhandlungsposition stärkte, auch wenn der Kommissar das leugnete. „Das erwarte ich auch nicht. Aber wie wäre es, wenn Sie mich ein paar Stunden darüber schlafen ließen?“
„Unsere kleine Lichttherapie ist Ihnen wohl nicht bekommen, was?“
„Nicht sonderlich. Aber Sie wollen doch sicher, dass ich meine Entscheidung mit einem klaren Kopf treffe, oder?“
„In Ordnung, ich werde das Personal entsprechend anweisen. Aber strapazieren Sie meine Geduld nicht, Droszcek!“
Damit war sie entlassen.
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