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Verschleppt

von kariker
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
03.08.2009
22.09.2009
8
18.988
3
Alle Kapitel
17 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
 
03.08.2009 1.936
 
Hier kommt meine zweite Story. Noch mal hurt/comfort (wieso gibt's die Kategorie hier eigentlich nicht?). Wer dieses Genre nicht mag, sollte nicht weiterlesen. Allen anderen wünsche ich spannendes Lesen.

NB: Ich freu mich über Reviews und bin gespannt, was Ihr zu der Geschichte sagt!

Weiß noch nicht, wie oft ich updaten kann, v.a. weil ich bald in den Urlaub fahre :-) aber ich gebe mein Bestes!

Disclaimer: Der Tatort gehört mir nicht, die drei Kommissare und die Stadt München auch nicht! Die Story aber schon...

---

„Des bringt doch nix mehr heut. Mach mer Feierabend!“

Ivos Stimme klang müde. Draußen wurde es schon langsam dämmrig, es ging auf acht Uhr zu. Dass im Büro nur die Schreibtischlampen brannten, verstärkte die Abendstimmung.

„Der Carlo is auch scho längst heim’gangen. Jetzt komm, Franz!“

Franz stierte auf seinen Bildschirm, obwohl seine Augen genauso müde waren wie Ivos Stimme. Aber irgendwo musste der Typ doch zu finden sein…

„Franz! Ich. Geh. Jetzt. Heim!“
Ivos betonter Stimme gelang es, Franz’ Augen vom Bildschirm zu lösen.

„Du kannst net gehen – was soll mer’n morgen dem Staatsanwalt erzählen? Wir ham an Termin um halb zwölf, falls Du’s vergessen hast…“

„Ich kann sehr wohl gehen. Ich hab nämlich Feierabend. Und morgen haben wir noch den ganzen Vormittag und wenn mer Mittags nix haben, dann ham mer nix. So is des!“
Ivo klang genervt.
Der Fall nervte sie alle. Vor drei Tagen hatten sie einen Toten gefunden. Am Isarufer. Erschlagen mit dem Baseballschläger, der daneben lag. Wie oft der Mörder zugeschlagen hatte, ließ sich kaum rekonstruieren…
Es war kein schöner Anblick gewesen. Ivo bekam immer noch eine Gänsehaut, wenn er daran dachte.

Und sehr viel mehr war seit drei Tagen nicht passiert!
Auf dem Baseballschläger waren keine fremde Spuren zu finden, am Tatort keine verwertbaren Finger- oder Fußabdrücke, rein gar nichts. Im Verwandten- und Bekanntenkreis des Toten, Thomas Brauer, alleinstehender Banker, hatten sich keinerlei Anhaltspunkte oder Spuren ergeben.
Allerdings hatten sie eine Zeugin, die am Isarufer spazieren gewesen war. Die junge Frau war unter einer Straßenlampe einem Mann begegnet, der aus der Richtung des Tatorts kam. Etwa 50 Meter weiter hatte sie dann die Leiche gefunden. Das Phantombild und die Beschreibung waren recht brauchbar und die Ermittlungen fokussierten sich auf diesen Mann, sei er nun Zeuge oder Verdächtiger.
Allerdings – und hier begann die Sache sehr merkwürdig zu werden – hatte sich so gut wie niemand auf das veröffentlichte Phantombild gemeldet. Die paar Meldungen waren Fehlschläge gewesen. Normalerweise war Carlo im größten Stress nach einer solchen Zeitungsannonce, weil Anrufe, E-Mails und Faxe nur so auf sie einprasselten. Doch dieses Mal schien niemand den ominösen Mann zu kennen.

Ivo blickte auf das Bild, das lebensgroß ausgedruckt vor Franz auf dem Schreibtisch lag: grobschlächtiges Gesicht, sehr kurz rasierte Haare, bullig. Die Personenbeschreibung war ähnlich. Der Mann war groß, breit, insgesamt ein Schlägertyp. Passte schon alles zusammen. Nur dass ihr Phantombild dieses Mal offenbar wirklich ein Phantom zeigte…

„Wie komm ich denn heim, wenn Du jetzt gehst?“ Franz blickte seinem Kollegen und Freund in die müden Augen.

„Ich sag ja, geh halt mit! Aber ich muss jetzt hier raus!“ Ivo nahm seine Jacke vom Haken. Die Herbstluft wurde langsam kühl.

„Ich will die Verbrecherkartei noch durchschauen. Außerdem muss ich morgen früh vor’m Dienst aufs Passamt und ich weiß net, ob ich dann pünktlich hier bin, deshalb will ich des noch fertig machen.“ Franz klang ebenso genervt. Ivo war froh, dass Carlo schon so vernünftig gewesen und heimgegangen war. So gingen sie sich wenigstens nicht zu dritt auf die Nerven!

„Die Kartei hat doch der Carlo scho durchg’schaut! Komm halt jetzt mit!“

„Weißt doch, wie der Carlo manchmal arbeitet – ich möcht’s halt selber sehen. Aber fahr Du mal heim, ich geh dann z’Fuß, des tut mir noch ganz gut heut.“

„Franz, des is a halbe Stunde Fußweg. Minimum!“ Ivo hatte seine Jacke inzwischen angezogen und die Türklinke in der Hand.

„Ivo. Bitte. Geh heim, des passt schon!“ Franz’ Stimme war müde aber bestimmt. Nach einem zweifelnden Blick seines Kollegen fügte er hinzu: „Es is okay. Echt! Ich komm morgen so schnell wie möglich nach dem Amt!“

„Sturer Hund!“ brummte Ivo und trat aus dem Zimmer. „Mach net z’lang!“ sagte er noch über die Schulter, dann schloss er die Tür hinter sich und ging nach Hause, während Franz im Halbdunkel sitzen blieb und ein Foto auf dem Bildschirm nach dem anderen mit dem Phantombild verglich.

--

Die Verbrecherkartei schien überhaupt kein Ende zu nehmen und vor Franz’ Augen tanzten schon die Gesichter. Dass es inzwischen draußen stockdunkel geworden war, merkte er gar nicht.

Plötzlich blickte ihn das Phantombild aus seinem PC-Bildschirm heraus an.
Ja! Genau! Das war er!
Komischerweise war das genau das gleiche computererzeugte Bild und kein echtes Foto… Seltsam!
Und jetzt zwinkerte ihm der Mann auch noch zu…

Franz schrak hoch – er musste eingedöst sein.

Er schlug die Hände vor’s Gesicht und rieb sich die Augen.
„Mach Schluss – des bringt nix mehr“ sagte er in den halbdunklen Raum hinein. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bereits viertel vor zwölf war.
Er verfluchte sich innerlich, dass er nicht mit Ivo mitgegangen war. Um Mitternacht eine halbe Stunde nach Hause laufen… toll!
Ein Taxi? Nein, dafür war ihm das Geld zu schade. Außerdem - ein bisschen frische Luft würde ihm gut tun und vielleicht das Phantombild, das sich in seine Netzhaut eingebrannt hatte, aus seinen Gedanken vertreiben.

Als er auf die Straße trat, zog Franz seine Jacke fester um sich. Der Herbst war wirklich deutlich zu spüren. Gedankenverloren ging er die verlassenen Straßen entlang.
Nur wenige Autos waren um diese Uhrzeit noch unterwegs. Der weiße Lieferwagen, der ihn überholte, als er gerade an einem Parkspielplatz vorbeiging, fiel ihm erst auf, als er etwa fünf Meter vor ihm an den Straßenrand fuhr und anhielt.
Franz hörte den Fahrer aussteigen und hielt den Blick auf den Boden gesenkt. Hoffentlich wollte der nichts von ihm. Nach eigenartigen nächtlichen Begegnungen stand ihm gerade gar nicht der Sinn – er wollte einfach nur heim!
Leider ging der Fahrer aber offenbar vorne um den Wagen herum und trat Franz in den Weg.

„Sie sind von der Mordkommission, oder?“ Eine dunkle Stimme mit leicht ausländischem Akzent.

Oh nein, was wollte der denn? Franz blickte auf. Er musste weit aufblicken, denn der Mann war groß. Groß und breitschultrig und sein Gesicht…

Franz glaubte, wieder zu träumen und war doch sofort hellwach. Das konnte nicht wahr sein – da blickte ihn sein Phantombild an: grobschlächtig, platte Nase, kurz rasierte Haare… kein Zweifel. Der Schläger. Der mutmaßliche Mörder. Sofort blitzte das Bild mit der Leiche und dem Baseballschläger durch seinen Kopf.

In einer jahrelang eingeübten Reaktion riss er seine Dienstwaffe heraus und richtete sie auf den Mann: „Polizei! Hände hoch!“ fuhr er ihn an. „Nehmen Sie die Hände hoch! Umdrehen! Langsam!“
Der Mann hatte ihn verdattert angesehen und auf den zweiten Befehl hin die Hände erhoben. Jetzt begann er sich zum Auto zu drehen und stammelte dabei: „Aber… ich…“
„Ruhe jetzt! Sie sind vorläufig festgenommen wegen Verdacht auf Mord an Thomas Brauer.“

Franz war einen Schritt auf den Mann zugetreten und wollte schon nach seinen Handschellen greifen als der Bullige ihm mit einer unglaublich schnellen und wendigen Bewegung die Waffe aus der Hand schlug. Während Franz noch der fliegenden Pistole nachblickte, traf ihn etwas mit voller Wucht im Gesicht und er ging zu Boden.

Ein Moment völliger Orientierungslosigkeit, dann gewann sein Polizeitraining die Oberhand.
Der hatte ihn angegriffen!
Die Waffe… wo war seine Waffe?
Franz rappelte sich auf alle Viere hoch blickte sich hektisch um. Dass seine Nase pochte und er Blut schmeckte, merkte er in dem Moment gar nicht.

Da! Nicht weit entfernt lag die Pistole!
Franz warf sich sofort darauf und bekam sie mit der rechten Hand zu fassen… um im nächsten Augenblick schmerzhaft aufzuschreien: Der Schläger war mit voller Wucht auf Hand und Waffe getreten und Franz spürte ein Knacken und einen höllischen Schmerz.
Im nächsten Augenblick explodierte etwas an seiner Schläfe und er schrie noch einmal.
Jetzt würde er enden wie Thomas Brauer!
Ein zweiter Tritt an den Kopf raubte ihm schließlich die Besinnung…

-

Als er wieder zu sich kam, nahm Franz mehrere Dinge auf einmal wahr: Das vordringlichste war Schmerz! Seine Hand brannte höllisch und sein Kopf pochte, als ob er zerplatzen wollte. Das zweite war Atemnot. Er konnte den Mund nicht öffnen. Zugeklebt, so wie es sich anfühlte. In seiner Nase war Blut, so dass er nur sehr wenig Luft bekam. Er zwang sich möglichst gleichmäßig und ruhig zu atmen.
Die restlichen Eindrücke kamen miteinander: Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Deswegen konnte er auch seinen Mund nicht von dem Klebeband befreien. Er spürte das kühle Metall von Handschellen. Er lag auf dem Bauch, das Gesicht zur Seite gedreht, es war dunkel und der Boden ruckelte. Nach und nach rekonstruierte Franz, dass er im Inneren des Lieferwagens liegen musste. In der Gewalt eines zu allem fähigen Schlägers. Mit etwa den gleichen Handlungsmöglichkeiten wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte.

Verzweifelt konzentrierte er sich auf seine Atmung, um für den Moment zu überleben.
Einen einzigen Versuch startete er, sich von dem Klebeband auf seinem Mund zu befreien, indem er es irgendwie am Boden abstreifte. Aber nachdem er keinen weiteren Erfolg hatte, als den, dass sein Kopf noch höllischer pochte, gab er auf und blieb möglichst bewegungslos auf dem Fahrzeugboden liegen.

Seine Jacke war ihm ausgezogen worden und er fühlte die herbstliche Kälte durch den Boden. Er schloss die Augen und spürte wie Übelkeit in ihm aufstieg.
Die Schmerzen, das mussten die Schmerzen sein. Da reagierte Franz’ Magen immer empfindlich drauf.
Beim Gedanken daran, was passieren würde wenn er sich jetzt übergeben müsste, packte ihn Todesangst und er versuchte die Schmerzen und die ganze Situation auszublenden um der Übelkeit Herr zu werden.

Glücklicherweise hielt der Lieferwagen nicht viel später an und die Hecktür wurde geöffnet.

„Kommen Sie raus!“

Franz versuchte mühsam auf die Beine zu kommen, aber offensichtlich dauerte das seinem Entführer zu lange. Schließlich wurde er einfach am Fuß gepackt und aus dem Wagen gezerrt. Der Mann zog ihn offenbar mit Leichtigkeit auf die Füße und warf ihm dann zu allem Überfluss seine Jacke über den Kopf, ehe er ihn weiterzerrte. Das machte das Atmen noch einmal beschwerlicher…

Franz stolperte, blind, stumm, gefesselt, im festen Griff des Schlägers über eine Art Kiesboden und schließlich in das Innere eines Gebäudes mit festem Boden – soweit er das beurteilen konnte.
Nach einigen weiteren Schritten wurde ihm die Jacke vom Kopf gezogen. Allerdings blieb es dunkel um ihn herum. Nur schemenhaft waren ein paar Betonpfeiler in der Nähe auszumachen und hoch über ihm eine Decke zu vermuten. Scheinbar standen sie in einer großen Halle.

Der Grobschlächtige zog Franz zu einer Betonsäule hin, zog den Schlüssel aus der Jackentasche und hielt ihm drohend die Waffe vor’s Gesicht.

„Keine Dummheiten!“ zischte er leise aber drohend.

Franz spürte schmerzhaft, wie seine rechte Hand frei kam und spielte einen kurzen Moment mit dem Gedanken den Mann anzugreifen. Aber das wäre völliger Irrsinn – der hatte ihn unverletzt und bewaffnet mit erschreckender Leichtigkeit überwältigt. In seinem jetzigen Zustand hatte er keine Chance. Also ließ er sich widerstandslos die Arme um die Säule ziehen und stöhnte unter dem Klebeband auf, als der Mann mit erbarmungslosem Griff seine Hände zusammenzog und die Handschellen wieder schloss.

Nach einem letzten Blick drehte sich der Entführer schließlich um und verließ die Halle. Franz ließ sich vorsichtig auf den Boden sinken bis er an der Säule saß und legte den Kopf an den Beton. Er schloss die Augen und fühlte sich in diesem Moment unheimlich einsam und elend…

tbc
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