In der Falle
von kariker
Kurzbeschreibung
Eine Observation in einem unklaren Fall bringt die Kommissare Leitmayr und Batic schnell in tödliche Gefahr. Warnung: gewalttätige Szenen! Die Story ist abgeschlossen! Hurra!
GeschichteAbenteuer / P18 / Gen
Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr
Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
23.06.2009
27.07.2009
9
16.488
2
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Dieses Kapitel
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23.06.2009
2.309
Dies ist meine erste FF - sehr düster vielleicht. Für Reviews bin ich echt dankbar - sagt ehrlich, was ihr davon haltet!
Disclaimer: Die Personen gehören mir nicht - die Story schon.
Die Geschichte steht nicht in Zusammenhang mit der gleichnahmigen Tatort-Folge!
„Kommt die auch noch mal irgendwann wieder da raus?“
Es war einer der Momente, in denen Ivo Batic sich fragte, für was er eigentlich bezahlt wurde. Seit sieben Stunden observierten die beiden Hauptkommissare eine junge Frau, eher noch ein Mädchen. Die letzte Stunde observierten sie allerdings lediglich die alte Lagerhalle in dem stillgelegten Industriegelände vor der Stadt, in das das Mädchen hineingegangen war. Seit Franz Leitmayr sich vergewissert hatte, dass es aus der Lagerhalle keinen Hinterausgang gab, saßen sie gemeinsam in Sichtweite des Eingangs im Wagen und gingen sich mehr oder weniger gegenseitig auf die Nerven.
„Wieso ham mer eigentlich niemanden für die Observation?“ Franz’ Stimme hatte einen Klang zwischen Schläfrigkeit und Genervtheit, als er zum dritten Mal vergeblich nach dem schon längst leeren Kaffeebecher griff.
„Hab ich doch scho g’sagt – weil Freitag ist, weil wir zu spät dran waren, weil die Kollegen scho Wochenende haben, weil’s zu wenig Budget gibt für die Observationen, weil…“
„Is scho recht“ unterbrach Franz seinen Kollegen „Wochenende… wer braucht schon ein Wochenende?“
„Polizisten, deren Familie nicht ihre Kollegen sind, wie bei uns beiden“ knurrte Ivo.
„Geh, gegen mich hat doch keine Frau eine echte Chance, oder?“ feixte Franz, um die Stimmung aufzuheitern.
Gerade als Ivo etwas erwidern wollte, bewegte sich die Tür zur Lagerhalle und die junge Frau trat heraus. Nach einem kurzen Rundumblick, bei der ihr aber der halb hinter einer verfallenen Mauer geparkte BMW nicht aufzufallen schien, ging sie zielstrebig auf die Ecke der Lagerhalle zu um dann zwischen der Halle und dem nächsten Haus in einer schmalen Straße zu verschwinden.
Mit einem knappen „ich bleib an ihr dran“ sprang Franz vom Beifahrersitz aus dem Auto und lief auf die Hausecke zu, während Ivo den Wagen startete und um den Block herumfuhr. Als er an der Stelle ankam wo das Mädchen und wohl auch Franz inzwischen in den Weg eingebogen waren, sah er weder sie noch Franz, stellte aber fest, dass er hier mit dem Auto nicht weiterkam: die Straße war keine wirkliche Straße sondern ein Weg, auf dem nach etwa 10 Metern ein großer Schuttberg lag, der links davon nur einem Fußgänger den Durchgang erlaubte, neben dem er Franz gerade noch vorbeilaufen sah – richtig. Der hatte ihm auch so was gesagt vorhin, nachdem er das Haus umrundet hatte, aber Ivo hatte wohl nicht richtig zugehört.
Also stellte er jetzt das Auto ab und lief seinem Kollegen kurzerhand hinterher. Wenngleich sie in diesem undurchschaubaren Fall nicht wussten, was die junge Frau – eine Bekannte des Mordopfers – ihnen mitteilen konnte, durften sie sie doch auf keinen Fall verlieren. Und vielleicht konnte er ihr mit Franz zusammen ja den Weg abschneiden, falls sie sie tatsächlich stellen mussten.
Diese Gedanken gingen Ivo durch den Kopf, als er links an dem Schuttberg vorbeisprintete, hinter dem die Lagerhalle einen kleinen Anbau hatte, so dass der Weg eine scharfe Rechtskurve machte. Franz hatte ihm auch von diesem Anbau erzählt, erinnerte sich Ivo, als er plötzlich mit einem Schlag versuchte seinen Körper aus der Bewegung heraus zu stoppen, was ihm mehr oder weniger gelang.
Das Bild, das er vor sich sah, war zu überraschend und zu schockierend, als dass er wirklich reagieren konnte. Schnell wurde ihm aber auch klar, dass eine Reaktion seinerseits nicht nur unsinnig, sondern vor allem lebensgefährlich war.
Lebensgefährlich für seinen Kollegen und Freund Franz: der lag ein paar Meter von ihm entfernt bäuchlings auf dem Boden, das Gesicht auf die linke Seite gedreht, die Hände wie nach einem Sturz seitlich des Kopfs. Er rührte sich nicht, hatte jedoch auch gar keine Möglichkeit dazu, weil ein maskierter Mann seinen linken Fuß auf Franz’ Rücken gepresst hatte, mit seinem rechten Fuß den rechten Unterarm des Wehrlosen fixierte und eine Waffe, Franz’ Dienstwaffe, wie Ivo sofort bemerkte, auf seinen Kopf gerichtet hielt. In dem Moment, in dem Ivo versuchte in seiner Bewegung inne zu halten, griff der Mann zur Waffe und entsicherte sie. Ein zweiter Maskierter stand neben dem am Boden liegenden Leitmayr und hatte sich bei Ivos Ankunft sofort zu ihm gedreht.
„Hände hoch, sonst ist er tot.“
Nur ein Zischen, aber es fuhr Ivo durch Mark und Bein. Sobald er sich gefasst hatte, nahm er die Hände nach oben. Er spürte eine stechende Angst um den Freund, gleichzeitig aber auch Hass in sich aufsteigen. Hass auf den Mann, der da mit vollem Gewicht in Franz’ Kreuz stand und ihm sicher die Luft abpresste. Hass auf die beiden, die es geschafft hatten, sie voll und ganz zu überrumpeln. Trotzdem durfte er diesem Hass jetzt keine Raum geben – er musste sich beherrschen, wollte er nicht ihrer beider Leben aufs Spiel setzen. Seine Beherrschung wurde auch sogleich auf die Probe gestellt, als der zweite Maskierte auf ihn zu trat und zielsicher an seinen Gürtel griff. Im nächsten Moment sah auch Ivo seine eigene Dienstwaffe auf sich gerichtet und sich völlig der Gewalt eines Wildfremden ausgeliefert.
„Handschellen raus – fesseln!“ Wieder dieses tonlose Zischen.
Das Kopfnicken zu dem am Boden Liegenden machte deutlich, wen Ivo fesseln sollte. Er versuchte zu erkennen, ob Franz bei Bewusstsein war, doch er konnte aus seiner Perspektive die Augen seines Kollegen nicht sehen. Mit langsamer, beherrschter Handbewegung griff er mit der linken Hand an das linke Revers seiner Jacke um sie zu öffnen und zu zeigen, dass er nicht etwa nach einer weiteren Waffe, sondern tatsächlich nach den dort verborgenen Handschellen griff.
„Langsam, Ivo, das Beste was Du jetzt tun kannst, ist alles machen, was die von Dir wollen. Dem Franz zuliebe“ innerlich rief sich der heißblütige Kroate zur Vernunft, während er langsam die Handschellen aus der Jackentasche zog.
Nach einem fragenden Blick zu seinem Bewacher, der mit einem Kopfnicken quittiert wurde, näherte er sich dem Freund. Nachdem er an dessen Seite niedergekniet war, erkannte er voller Erleichterung die offenen Augen, die ihn ansahen und in denen er eine ähnliche Wut zu entdecken glaubte – Wut über die eigene Dummheit. Gleichzeitig regte sich aber auch der Hass wieder in Ivo, als er die kurzen angestrengten Atemzüge von Franz hörte, der sichtlich Mühe hatte, Luft in die Lunge zu pumpen mit dem Gewicht auf seinem Rücken. Sobald Ivo an seiner Seite war, legte Franz die linke Hand, die nicht fixiert war, auf seinen Rücken. Ihm war genauso klar, dass dies nicht der Moment für heldenhafte Gegenwehr war. Mit Erschrecken wurde Ivo einiger tiefer Kratzer auf der blutverschmierten Handfläche des Kollegen gewahr. Offenbar war Franz vor seinem Eintreffen heftig gestürzt. Vorsichtig, um ihm keine weiteren Schmerzen zuzufügen schloss Ivo den einen Ring der Handschelle um das linke Handgelenk und sah dann auffordernd zu dem Entführer auf, der Franz in Schach hielt. Nicht ohne eine drohende Zuckung mit der Waffe gab der den rechten Arm frei, den Leitmayr ebenfalls freiwillig auf den Rücken legte. Die rechte Hand sah fast noch schlimmer aus, als die linke, stellte Ivo noch fest, ehe er die Handschellen um die Handgelenke seines Kollegen schloss.
Mit dem letzten Klicken kam Bewegung in die beiden Entführer. Ivo wurde mit einem Griff am Kragen zurückgerissen und von dem Gefesselten weggezogen. Mit Erleichterung verfolgte er, dass der zweite Mann den Fuß von Franz’ Rücken nahm und diesen dann mit der linken Hand ebenfalls am Kragen nicht gerade sanft erst auf die Knie, dann auf die Füße zog, während er unentwegt die Waffe auf ihn gerichtet hielt.
Franz schüttelte leicht den Kopf um wieder klar zu werden. Es war alles so schnell gegangen. Vor Sekunden war er im Laufschritt um die Ecke mit dem Schutthaufen gebogen, hatte sich nicht abgesichert, seine Waffe nicht gezogen, wie es eigentlich bei einer Verfolgung Pflicht gewesen wäre. Aber er hatte ja auch nur ein Mädchen einholen wollen, sie wieder ins Blickfeld bekommen wollen und mit niemand anderem gerechnet. Stattdessen war er im besten Sprinttempo direkt in die vorbereitete Falle gegangen, wie ihm jetzt klar wurde.
Er hatte noch kurz Gestalten gesehen, die nicht ins Bild gehörten, dann war er schon mitten im Sturz. Einer der Männer musste ihm ein Bein gestellt haben. Mit den Händen versuchte er die Wucht des Sturzes abzufedern und merkte, wie er sich gleichzeitig reflexartig herumrollte als er auf dem Boden aufkam. Dabei schlug aber auch sein Kopf hart auf den Boden, was ihm für einen Moment die Orientierung raubte. Dieser eine Moment war genug gewesen. Nach einer Rolle zur Seite kam er auf dem Bauch zu liegen und spürte die Bewegung hinten an seinem Gürtel, versuchte noch zu reagieren: Auf keinen Fall durfte der oder die in den Besitz seiner Waffe kommen! Aber seine Hände lagen zu weit weg vom Auffangen des Sturzes und sein Kopf war noch zu benommen um die Bewegungen rechtzeitig zu koordinieren. Im nächsten Moment spürte er einen schmerzhaften Schlag ins Kreuz und wurde auf den Asphalt gepresst, gleichzeitig machte ein Gewicht auf seinem rechten Unterarm es ihm unmöglich, diesen zu bewegen.
Franz war klar, dass er den Kampf um seine Waffe verloren hatte und dass der oder die oder wer da auch immer ihn zu Fall gebracht hatte, diese wahrscheinlich schon auf ihn richtete. Sein Kopf war zur linken Seite gedreht, wo er außer dem löchrigen Straßenbelag immerhin Füße und Beine einer zweiten Person zu Gesicht bekam. Schwarze Stiefel, schwarze Hosen und auch der Rest schien schwarz zu sein inklusive des Kopfes. Bei der Anstrengung die Augen seitlich nach oben zu drehen (den Kopf zu bewegen wagte er nicht und wäre dazu auch kaum in der Lage gewesen mit dem Druck im Rücken), rebellierte jedoch sein Gehirn, das von dem Schlag auf den Boden offensichtlich mitgenommen war. Außerdem wurde es langsam aber sicher immer schwieriger Luft zu bekommen und Franz versuchte sich auf eine halbwegs gleichmäßige Atmung zu konzentrieren. Er fühlte sich so hilflos wie noch selten zuvor in seinem Leben.
Trotzdem bekam er mit, wie sich schnelle Schritte näherten und plötzlich in ihrer Bewegung erstarrten, während gleichzeitig ein Klicken in seinem Rücken belegte, dass seine jetzt entsicherte Waffe auf ihn gerichtet war.
„Hände hoch, sonst ist er tot“.
Ivo! Das musste Ivo sein! Scheiße! So eine Scheiße! Sein Kollege war genau so in die Falle geraten wie er und würde jetzt einen Teufel tun und ihn, den Franz in Gefahr bringen. Das war klar. Leben ging immer vor Heldentum.
Aber warum hatte Ivo nicht Gefahr gewittert?
„Unsinn“ wies sich Franz innerlich zu Recht „wie hätte er das ahnen können? Warum hast Du selbst nicht die Regeln beachtet? Du Depp! Hast uns beide in Gefahr gebracht!“
Plötzlich hörte er Ivo herankommen und merkte, wie der links neben ihm niederkniete, so dass er ihn sehen konnte, auch sein Gesicht sehen konnte. Die beiden Freunde tauschten einen Blick aus, Ivo versuchte ihm Zuversicht zu schicken, das wusste er, trotzdem war er gerade einfach nur wütend. Als er die Handschellen in Ivos Hand sah, war ihm klar, was der zu tun hatte und er zog seinen linken Arm vom Kopf weg um die Hand auf den Rücken zu legen. Dabei spürte er zum ersten Mal Schmerzen in den Händen, die seinen Sturz aufgefangen hatten.
Naja, das war jetzt wohl eher ein nebensächliches Problem!
Nachdem der Entführer seinen rechten Arm freigegeben und Ivo ihn gefesselt hatte, wurde er unsanft hochgezogen und da stand er nun. Sein Entführer hatte ihn losgelassen und griff, die Waffe im Anschlag, in seine Jackentasche, zielsicher zu den Handschellen. Er warf sie Ivo zu, der sie überrascht auffing und nickte ihm nur auffordernd zu.
Offensichtlich waren die beiden bemüht oder einfach gewohnt, so wenig wie möglich zu sprechen.
Franz sah die Wut in Ivos Augen aufflackern und hoffte, dass der sich beherrschen konnte und einfach das tat, was die Entführer verlangten. Sie würden in jedem Fall zu ihrem Willen kommen und vermutlich war es ihnen egal, was sie Ivo dafür antun mussten. Zumindest wirkten die beiden sehr selbstsicher und skrupellos.
Offensichtlich war das dem Kroaten auch klar, denn nach einem kurzen Blick, den er mit Franz austauschte, schloss er die Handschellen um sein linkes Handgelenk, legte beide Hände hinter den Rücken und fesselte sich selbst, wobei die unterdrückte Wut deutlich am Mahlen seiner Kiefer zu erkennen war.
Der Entführer hinter ihm prüfte die Fessel kurz, nickte seinem Kollegen zu und die beiden packten ihre Opfer am Kragen und schoben sie unter überzeugendem Einfluss der Waffen die kleine Straße weiter.
Wo die zwischen Lagerhalle und Nachbarhaus wieder hervortrat, war ein Kleintransporter geparkt. Ein Kühlwagen. Das alte Label einer Tiefkühlfirma hing in Fetzen von der Seite. Die Ladetür hinten stand offen, die Kühlung schien nicht zu laufen. Kein Mensch war hier auf diesem verlassenen Gelände zu sehen, der ihnen hätte helfen können.
„Hören Sie, Sie machen einen Riesenfehler…“ Franz fuhr erschrocken herum, als er in der Stille Ivos Stimme hörte, der in diesem Moment sofort von seinem Bewacher herumgerissen wurde.
„Du Idiot“ konnte Franz nur noch denken, als er mit Entsetzen sah, wie der Maskierte die Hand, die noch die Pistole hielt in Ivos Gesicht schmetterte. Der wurde seitlich nach hinten geschleudert und ging zu Boden. „Schnauze!“ kam das Zischen unter der Maske vor, als die linke Hand ihn packte und wieder auf die Füße zog. Ivo schmeckte Blut, spürte brennenden Schmerz in seinem Mund und kniff die Augen zusammen um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Was er sah, war der besorgte und zugleich unverständnisvolle Ausdruck in den Augen seines Freundes, ehe der grob in den Laderaum des Wagens gestoßen wurde.
Auch Ivo spürte, wie er in den Wagen gedrängt wurde. Sein Entführer kam noch hinterher und griff den beiden Kommissaren in die Taschen um ihnen Ausweise, Schlüssel und sonstige Kleinigkeiten, die ihnen vielleicht zur Flucht hätten verhelfen können, abzunehmen. Dann sprang er aus dem Wagen, die Flügeltüren wurden zugeschlagen und der hermetisch abgeriegelte Raum umfing die beiden Kommissare mit völliger Schwärze.
Disclaimer: Die Personen gehören mir nicht - die Story schon.
Die Geschichte steht nicht in Zusammenhang mit der gleichnahmigen Tatort-Folge!
„Kommt die auch noch mal irgendwann wieder da raus?“
Es war einer der Momente, in denen Ivo Batic sich fragte, für was er eigentlich bezahlt wurde. Seit sieben Stunden observierten die beiden Hauptkommissare eine junge Frau, eher noch ein Mädchen. Die letzte Stunde observierten sie allerdings lediglich die alte Lagerhalle in dem stillgelegten Industriegelände vor der Stadt, in das das Mädchen hineingegangen war. Seit Franz Leitmayr sich vergewissert hatte, dass es aus der Lagerhalle keinen Hinterausgang gab, saßen sie gemeinsam in Sichtweite des Eingangs im Wagen und gingen sich mehr oder weniger gegenseitig auf die Nerven.
„Wieso ham mer eigentlich niemanden für die Observation?“ Franz’ Stimme hatte einen Klang zwischen Schläfrigkeit und Genervtheit, als er zum dritten Mal vergeblich nach dem schon längst leeren Kaffeebecher griff.
„Hab ich doch scho g’sagt – weil Freitag ist, weil wir zu spät dran waren, weil die Kollegen scho Wochenende haben, weil’s zu wenig Budget gibt für die Observationen, weil…“
„Is scho recht“ unterbrach Franz seinen Kollegen „Wochenende… wer braucht schon ein Wochenende?“
„Polizisten, deren Familie nicht ihre Kollegen sind, wie bei uns beiden“ knurrte Ivo.
„Geh, gegen mich hat doch keine Frau eine echte Chance, oder?“ feixte Franz, um die Stimmung aufzuheitern.
Gerade als Ivo etwas erwidern wollte, bewegte sich die Tür zur Lagerhalle und die junge Frau trat heraus. Nach einem kurzen Rundumblick, bei der ihr aber der halb hinter einer verfallenen Mauer geparkte BMW nicht aufzufallen schien, ging sie zielstrebig auf die Ecke der Lagerhalle zu um dann zwischen der Halle und dem nächsten Haus in einer schmalen Straße zu verschwinden.
Mit einem knappen „ich bleib an ihr dran“ sprang Franz vom Beifahrersitz aus dem Auto und lief auf die Hausecke zu, während Ivo den Wagen startete und um den Block herumfuhr. Als er an der Stelle ankam wo das Mädchen und wohl auch Franz inzwischen in den Weg eingebogen waren, sah er weder sie noch Franz, stellte aber fest, dass er hier mit dem Auto nicht weiterkam: die Straße war keine wirkliche Straße sondern ein Weg, auf dem nach etwa 10 Metern ein großer Schuttberg lag, der links davon nur einem Fußgänger den Durchgang erlaubte, neben dem er Franz gerade noch vorbeilaufen sah – richtig. Der hatte ihm auch so was gesagt vorhin, nachdem er das Haus umrundet hatte, aber Ivo hatte wohl nicht richtig zugehört.
Also stellte er jetzt das Auto ab und lief seinem Kollegen kurzerhand hinterher. Wenngleich sie in diesem undurchschaubaren Fall nicht wussten, was die junge Frau – eine Bekannte des Mordopfers – ihnen mitteilen konnte, durften sie sie doch auf keinen Fall verlieren. Und vielleicht konnte er ihr mit Franz zusammen ja den Weg abschneiden, falls sie sie tatsächlich stellen mussten.
Diese Gedanken gingen Ivo durch den Kopf, als er links an dem Schuttberg vorbeisprintete, hinter dem die Lagerhalle einen kleinen Anbau hatte, so dass der Weg eine scharfe Rechtskurve machte. Franz hatte ihm auch von diesem Anbau erzählt, erinnerte sich Ivo, als er plötzlich mit einem Schlag versuchte seinen Körper aus der Bewegung heraus zu stoppen, was ihm mehr oder weniger gelang.
Das Bild, das er vor sich sah, war zu überraschend und zu schockierend, als dass er wirklich reagieren konnte. Schnell wurde ihm aber auch klar, dass eine Reaktion seinerseits nicht nur unsinnig, sondern vor allem lebensgefährlich war.
Lebensgefährlich für seinen Kollegen und Freund Franz: der lag ein paar Meter von ihm entfernt bäuchlings auf dem Boden, das Gesicht auf die linke Seite gedreht, die Hände wie nach einem Sturz seitlich des Kopfs. Er rührte sich nicht, hatte jedoch auch gar keine Möglichkeit dazu, weil ein maskierter Mann seinen linken Fuß auf Franz’ Rücken gepresst hatte, mit seinem rechten Fuß den rechten Unterarm des Wehrlosen fixierte und eine Waffe, Franz’ Dienstwaffe, wie Ivo sofort bemerkte, auf seinen Kopf gerichtet hielt. In dem Moment, in dem Ivo versuchte in seiner Bewegung inne zu halten, griff der Mann zur Waffe und entsicherte sie. Ein zweiter Maskierter stand neben dem am Boden liegenden Leitmayr und hatte sich bei Ivos Ankunft sofort zu ihm gedreht.
„Hände hoch, sonst ist er tot.“
Nur ein Zischen, aber es fuhr Ivo durch Mark und Bein. Sobald er sich gefasst hatte, nahm er die Hände nach oben. Er spürte eine stechende Angst um den Freund, gleichzeitig aber auch Hass in sich aufsteigen. Hass auf den Mann, der da mit vollem Gewicht in Franz’ Kreuz stand und ihm sicher die Luft abpresste. Hass auf die beiden, die es geschafft hatten, sie voll und ganz zu überrumpeln. Trotzdem durfte er diesem Hass jetzt keine Raum geben – er musste sich beherrschen, wollte er nicht ihrer beider Leben aufs Spiel setzen. Seine Beherrschung wurde auch sogleich auf die Probe gestellt, als der zweite Maskierte auf ihn zu trat und zielsicher an seinen Gürtel griff. Im nächsten Moment sah auch Ivo seine eigene Dienstwaffe auf sich gerichtet und sich völlig der Gewalt eines Wildfremden ausgeliefert.
„Handschellen raus – fesseln!“ Wieder dieses tonlose Zischen.
Das Kopfnicken zu dem am Boden Liegenden machte deutlich, wen Ivo fesseln sollte. Er versuchte zu erkennen, ob Franz bei Bewusstsein war, doch er konnte aus seiner Perspektive die Augen seines Kollegen nicht sehen. Mit langsamer, beherrschter Handbewegung griff er mit der linken Hand an das linke Revers seiner Jacke um sie zu öffnen und zu zeigen, dass er nicht etwa nach einer weiteren Waffe, sondern tatsächlich nach den dort verborgenen Handschellen griff.
„Langsam, Ivo, das Beste was Du jetzt tun kannst, ist alles machen, was die von Dir wollen. Dem Franz zuliebe“ innerlich rief sich der heißblütige Kroate zur Vernunft, während er langsam die Handschellen aus der Jackentasche zog.
Nach einem fragenden Blick zu seinem Bewacher, der mit einem Kopfnicken quittiert wurde, näherte er sich dem Freund. Nachdem er an dessen Seite niedergekniet war, erkannte er voller Erleichterung die offenen Augen, die ihn ansahen und in denen er eine ähnliche Wut zu entdecken glaubte – Wut über die eigene Dummheit. Gleichzeitig regte sich aber auch der Hass wieder in Ivo, als er die kurzen angestrengten Atemzüge von Franz hörte, der sichtlich Mühe hatte, Luft in die Lunge zu pumpen mit dem Gewicht auf seinem Rücken. Sobald Ivo an seiner Seite war, legte Franz die linke Hand, die nicht fixiert war, auf seinen Rücken. Ihm war genauso klar, dass dies nicht der Moment für heldenhafte Gegenwehr war. Mit Erschrecken wurde Ivo einiger tiefer Kratzer auf der blutverschmierten Handfläche des Kollegen gewahr. Offenbar war Franz vor seinem Eintreffen heftig gestürzt. Vorsichtig, um ihm keine weiteren Schmerzen zuzufügen schloss Ivo den einen Ring der Handschelle um das linke Handgelenk und sah dann auffordernd zu dem Entführer auf, der Franz in Schach hielt. Nicht ohne eine drohende Zuckung mit der Waffe gab der den rechten Arm frei, den Leitmayr ebenfalls freiwillig auf den Rücken legte. Die rechte Hand sah fast noch schlimmer aus, als die linke, stellte Ivo noch fest, ehe er die Handschellen um die Handgelenke seines Kollegen schloss.
Mit dem letzten Klicken kam Bewegung in die beiden Entführer. Ivo wurde mit einem Griff am Kragen zurückgerissen und von dem Gefesselten weggezogen. Mit Erleichterung verfolgte er, dass der zweite Mann den Fuß von Franz’ Rücken nahm und diesen dann mit der linken Hand ebenfalls am Kragen nicht gerade sanft erst auf die Knie, dann auf die Füße zog, während er unentwegt die Waffe auf ihn gerichtet hielt.
Franz schüttelte leicht den Kopf um wieder klar zu werden. Es war alles so schnell gegangen. Vor Sekunden war er im Laufschritt um die Ecke mit dem Schutthaufen gebogen, hatte sich nicht abgesichert, seine Waffe nicht gezogen, wie es eigentlich bei einer Verfolgung Pflicht gewesen wäre. Aber er hatte ja auch nur ein Mädchen einholen wollen, sie wieder ins Blickfeld bekommen wollen und mit niemand anderem gerechnet. Stattdessen war er im besten Sprinttempo direkt in die vorbereitete Falle gegangen, wie ihm jetzt klar wurde.
Er hatte noch kurz Gestalten gesehen, die nicht ins Bild gehörten, dann war er schon mitten im Sturz. Einer der Männer musste ihm ein Bein gestellt haben. Mit den Händen versuchte er die Wucht des Sturzes abzufedern und merkte, wie er sich gleichzeitig reflexartig herumrollte als er auf dem Boden aufkam. Dabei schlug aber auch sein Kopf hart auf den Boden, was ihm für einen Moment die Orientierung raubte. Dieser eine Moment war genug gewesen. Nach einer Rolle zur Seite kam er auf dem Bauch zu liegen und spürte die Bewegung hinten an seinem Gürtel, versuchte noch zu reagieren: Auf keinen Fall durfte der oder die in den Besitz seiner Waffe kommen! Aber seine Hände lagen zu weit weg vom Auffangen des Sturzes und sein Kopf war noch zu benommen um die Bewegungen rechtzeitig zu koordinieren. Im nächsten Moment spürte er einen schmerzhaften Schlag ins Kreuz und wurde auf den Asphalt gepresst, gleichzeitig machte ein Gewicht auf seinem rechten Unterarm es ihm unmöglich, diesen zu bewegen.
Franz war klar, dass er den Kampf um seine Waffe verloren hatte und dass der oder die oder wer da auch immer ihn zu Fall gebracht hatte, diese wahrscheinlich schon auf ihn richtete. Sein Kopf war zur linken Seite gedreht, wo er außer dem löchrigen Straßenbelag immerhin Füße und Beine einer zweiten Person zu Gesicht bekam. Schwarze Stiefel, schwarze Hosen und auch der Rest schien schwarz zu sein inklusive des Kopfes. Bei der Anstrengung die Augen seitlich nach oben zu drehen (den Kopf zu bewegen wagte er nicht und wäre dazu auch kaum in der Lage gewesen mit dem Druck im Rücken), rebellierte jedoch sein Gehirn, das von dem Schlag auf den Boden offensichtlich mitgenommen war. Außerdem wurde es langsam aber sicher immer schwieriger Luft zu bekommen und Franz versuchte sich auf eine halbwegs gleichmäßige Atmung zu konzentrieren. Er fühlte sich so hilflos wie noch selten zuvor in seinem Leben.
Trotzdem bekam er mit, wie sich schnelle Schritte näherten und plötzlich in ihrer Bewegung erstarrten, während gleichzeitig ein Klicken in seinem Rücken belegte, dass seine jetzt entsicherte Waffe auf ihn gerichtet war.
„Hände hoch, sonst ist er tot“.
Ivo! Das musste Ivo sein! Scheiße! So eine Scheiße! Sein Kollege war genau so in die Falle geraten wie er und würde jetzt einen Teufel tun und ihn, den Franz in Gefahr bringen. Das war klar. Leben ging immer vor Heldentum.
Aber warum hatte Ivo nicht Gefahr gewittert?
„Unsinn“ wies sich Franz innerlich zu Recht „wie hätte er das ahnen können? Warum hast Du selbst nicht die Regeln beachtet? Du Depp! Hast uns beide in Gefahr gebracht!“
Plötzlich hörte er Ivo herankommen und merkte, wie der links neben ihm niederkniete, so dass er ihn sehen konnte, auch sein Gesicht sehen konnte. Die beiden Freunde tauschten einen Blick aus, Ivo versuchte ihm Zuversicht zu schicken, das wusste er, trotzdem war er gerade einfach nur wütend. Als er die Handschellen in Ivos Hand sah, war ihm klar, was der zu tun hatte und er zog seinen linken Arm vom Kopf weg um die Hand auf den Rücken zu legen. Dabei spürte er zum ersten Mal Schmerzen in den Händen, die seinen Sturz aufgefangen hatten.
Naja, das war jetzt wohl eher ein nebensächliches Problem!
Nachdem der Entführer seinen rechten Arm freigegeben und Ivo ihn gefesselt hatte, wurde er unsanft hochgezogen und da stand er nun. Sein Entführer hatte ihn losgelassen und griff, die Waffe im Anschlag, in seine Jackentasche, zielsicher zu den Handschellen. Er warf sie Ivo zu, der sie überrascht auffing und nickte ihm nur auffordernd zu.
Offensichtlich waren die beiden bemüht oder einfach gewohnt, so wenig wie möglich zu sprechen.
Franz sah die Wut in Ivos Augen aufflackern und hoffte, dass der sich beherrschen konnte und einfach das tat, was die Entführer verlangten. Sie würden in jedem Fall zu ihrem Willen kommen und vermutlich war es ihnen egal, was sie Ivo dafür antun mussten. Zumindest wirkten die beiden sehr selbstsicher und skrupellos.
Offensichtlich war das dem Kroaten auch klar, denn nach einem kurzen Blick, den er mit Franz austauschte, schloss er die Handschellen um sein linkes Handgelenk, legte beide Hände hinter den Rücken und fesselte sich selbst, wobei die unterdrückte Wut deutlich am Mahlen seiner Kiefer zu erkennen war.
Der Entführer hinter ihm prüfte die Fessel kurz, nickte seinem Kollegen zu und die beiden packten ihre Opfer am Kragen und schoben sie unter überzeugendem Einfluss der Waffen die kleine Straße weiter.
Wo die zwischen Lagerhalle und Nachbarhaus wieder hervortrat, war ein Kleintransporter geparkt. Ein Kühlwagen. Das alte Label einer Tiefkühlfirma hing in Fetzen von der Seite. Die Ladetür hinten stand offen, die Kühlung schien nicht zu laufen. Kein Mensch war hier auf diesem verlassenen Gelände zu sehen, der ihnen hätte helfen können.
„Hören Sie, Sie machen einen Riesenfehler…“ Franz fuhr erschrocken herum, als er in der Stille Ivos Stimme hörte, der in diesem Moment sofort von seinem Bewacher herumgerissen wurde.
„Du Idiot“ konnte Franz nur noch denken, als er mit Entsetzen sah, wie der Maskierte die Hand, die noch die Pistole hielt in Ivos Gesicht schmetterte. Der wurde seitlich nach hinten geschleudert und ging zu Boden. „Schnauze!“ kam das Zischen unter der Maske vor, als die linke Hand ihn packte und wieder auf die Füße zog. Ivo schmeckte Blut, spürte brennenden Schmerz in seinem Mund und kniff die Augen zusammen um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Was er sah, war der besorgte und zugleich unverständnisvolle Ausdruck in den Augen seines Freundes, ehe der grob in den Laderaum des Wagens gestoßen wurde.
Auch Ivo spürte, wie er in den Wagen gedrängt wurde. Sein Entführer kam noch hinterher und griff den beiden Kommissaren in die Taschen um ihnen Ausweise, Schlüssel und sonstige Kleinigkeiten, die ihnen vielleicht zur Flucht hätten verhelfen können, abzunehmen. Dann sprang er aus dem Wagen, die Flügeltüren wurden zugeschlagen und der hermetisch abgeriegelte Raum umfing die beiden Kommissare mit völliger Schwärze.