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Komma

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P12 / Gen
11.04.2009
11.04.2009
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11.04.2009 1.664
 
Wie lange war Lieutenant Jordan MacKenzie jetzt schon im Lager? Eine Woche? Zwei? Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Und der Beginn des Krieges gegen die Nassanta schien noch länger her zu sein.
Sein Bauch schmerzte, also wälzte sich der Kampfpilot auf die Seite. Das erleichterte, hatte er festgestellt.
Es war eigentlich ein regulärer Konflikt. Die Terranische Hegemonie beanspruchte das System Candra 055, das Imperium Nassanta beanspruchte Candra 055.
Die Vermittlung vor dem Galaktischen Rat hatte kein Ergebnis erzielt, und so hatte der Hohe Kanzler den beiden Völkern die Erlaubnis erteilt, ihren Konflikt mit vorher festgelegten Mitteln und Personalaufwand mit den Waffen zu regeln.
Neben Mac fing Defrie Sikorsky an zu rülpsen. Es dauerte über eine Minute. Verlegen sah Sikorsky zu Mac rüber und hob entschuldigend die Schulter. Bei dieser Bewegung entstanden auf seinem schwabbeligen nackten Oberkörper regelrechte Wellen, die bis zur Taille flossen.
Oh, was hatte Mac doch alles angestellt, um in die Siebte Flotte versetzt zu werden. Denn die Hegemonie hatte diesen Verband und das Achte Landungskorps als ihre Streitmacht Im Konflikt geboten. Ihre Gegner waren die Axt von Parvul-Division und die Himmelsstürmer-Flotte. Ein Kampf, kein richtiger Krieg zwar, aber zumindest ein Kampf. Action, das war es, was Mac erleben wollte. Und er hatte Action bekommen.
Direkt gegenüber versuchte sich Colonel Masters zu erheben, doch er schaffte es nicht einmal, seinen kugelrunden Körper auf die Seite zu drehen. Major Skitt half ihm, obwohl er selbst an seinem eigenen Fett zu kämpfen hatte.
Mac war an Bord der ADMIRAL COREY WANG stationiert gewesen. Er hatte sieben brandgefährliche Einsätze geflogen und auf sein Konto gingen allein neunzehn Abschüsse. Außerdem hatte er den entscheidenden Schiffstorpedo auf die FROHER SCHEIN abgefeuert, das schwerste Schlachtschiff der Himmelsstürmer-Flotte.
Das hatte die Macht des Imperiums in diesem Konflikt entscheidend geschwächt.
Doch niemand war unverwundbar. Er schon gar nicht, wie er hatte feststellen müssen, als ihn ein noch besserer Pilot als er es war mit einem feindlichen Legendenkiller aus seiner Todesbote geschossen hatte.
Seither war er hier. Auffanglager für Kriegsgefangene TREUER GLAUBE auf Nassanta Prime.
OH, er wusste noch, als man ihn eingewiesen hatte, wie sehr ihn dieser Anblick schockiert hatte. Waren das hier denn noch Menschen? Waren sie es denn jemals? Niemand in diesem Saal schien unter hundertzwanzig Kilo zu wiegen, viele waren sogar noch schwerer, einige konnten nicht einmal aus eigener Kraft aufstehen.
So hatte er unter ihnen gestanden, gertenschlank und durchtrainiert. Heute, nach zwei Wochen, war er ebenso fett wie die meisten hier.

Mac glaubte, sein Bett würde zusammenbrechen, als sich Kennon schwungvoll darauf niederließ. Der dicke Mann röchelte vor Anstrengung und tupfte sich seine Speckwülste mit einem Fetzen Stoff ab. Er stank erbärmlich, aber Mac wusste, daß er selbst nicht einen Deut besser roch. „Hast du gehört? Sie haben Tairyss zur Untersuchung geholt. Er ist ausgewählt worden.“
„Tairyss? Verdammt, so ein guter Pilot. Wir hätten ihn noch sehr gut gebrauchen können.“
„Gebrauchen?“ Kennon lachte hässlich. „Gebrauchen? Wer kann uns jemals noch gebrauchen, von den Nassanti einmal abgesehen.“
„Sei nicht so zynisch. Es gibt immer Hoffnung.“
„Ha! Glaubst du immer noch, daß der Galaktische Rat seine Kontrolleure einsetzt, um festzustellen, ob es den paar terranischen Gefangenen gut geht? Vergiss nicht, die Hegemonie gewinnt. Sie werden die terranischen Lager untersuchen, aber nicht unseres.“ Kennon stöhnte unterdrückt. „Gleich ist Essenszeit. Sieh es dir genau an. Dann wirst du mir endlich glauben. Außerdem... So fett, wie du schon bist, glaube ich, daß du bald schon von einer medizinischen Untersuchung nicht mehr zurückkommen wirst.“
„Ja, red du nur. Sieh lieber zu, daß du zu deiner Pritsche kommst und deinen Fraß runterwürgst. Oder willst du den Schlauch schmecken?“
Kennon erhob sich mühevoll und watschelte zurück zu seinem Schlafplatz. Er hatte wahrscheinlich den fettesten Hintern, den ein Terraner diesseits des Galaktischen Zentrums jemals gehabt hatte.

Vor Macs Pritsche öffnete sich eine Bodenplatte. Auf einer Säule fuhr sein Abendessen hervor. Zwei Schalen, die eine gefüllt mit einem guten Liter Flüssigkeit, die andere mit dampfenden Nahrungsbrei, etwa drei Liter.
Mac hatte keinen Hunger, aber er hasste die Schmerzen, die einem von den Nassanti zugefügt wurden, wenn man nicht aß. Also schaufelte er den Nahrungsbrei gehorsam in sich hinein. Dabei warf er den frisch Angekommenen an den äußeren Pritschen neugierige Blicke zu. Sie waren rechtzeitig zum Mittag gekommen, und alle drei hatten ihre ganze Portion verschlungen. Sie konnten unmöglich schon wieder hungrig sein. Tatsächlich verweigerte einer das Essen.
Das veranlasste den Auftritt der Nassanti.
Sie waren Arachnidenähnlich. Sie besaßen acht Beine, einen riesigen Hinterleib, einen kleinen Vorderleib, an dem die Beine und das Zentrale Nervensystem hingen. Ganz vorne prangte der mächtige Kopf, an dem sich die Arbeitszangen befanden. Mit ihnen und den abertausenden Borsten waren die Nassanti fähig, ungewöhnlich feinmotorische Arbeiten zu verrichten. Ansonsten waren die blauen Leiber glatt.
Als die Kontrolle bemerkte, daß einer der Neuen nicht aß, kam ein Nassanti herein. Er ging zu dem Neuen hin und sagte in gebrochenem terranisch: „Du essen. Essen gut.“ Zum Beweis seiner These tauchte er eine Schöpfkelle ein und verspeiste den Nahrungsbrei.
Der Terraner lächelte dankbar und erwiderte: „Tut mir leid, aber ich bin noch ganz satt vom Mittag.“
Das verwirrte die Nassanti. „Aber du brauchen. Du benötigen. Du müssen werden stark.“
„Ich will aber nicht“, erwiderte der Terraner, böse diesmal.
„Du müssen, sonst ich Ärger.“
Aber auch dieses Argument konnte den Hegemonie-Soldaten nicht erweichen.
Da wurde es dem Nassanti zuviel. Er griff mit seinen Greifklauen in eine der vielen Taschen seines Überwurfs und zog ein längliches Paket hervor. Nachdem er die sterile Verpackung entfernt hatte, umklammerte er den Terraner, so daß dieser sich nicht mehr rühren konnte und schob ihm den Inhalt, eine lange Röhre in den Mund. Seine beiden Kameraden sprangen protestierend auf, aber was sollten sie machen? Der Nassanti war ihnen körperlich überlegen wie ein Elefant einem Schimpansen. Schließlich schüttete der Nassanti äußerst geschickt den Inhalt der Schüssel in das Röhrchen, bis nicht ein Brocken mehr in ihr war. Danach zog er das Röhrchen wieder heraus. „Du besser essen in Zukunft. Ich wissen, was gut ist.“
Während der ganzen Szenerie hatte Mac brav weiter gegessen. Auch wenn alles dafür sprach, er wollte nicht an Kennons Theorie glauben, daß die Nassanti sie mästeten, um sie zu verspeisen. Gut, es gab einige Dinge, die nicht einmal er rational erklären konnte, so die Zwangsernährung. Oder daß einige besonders Dicke von der medizinischen Untersuchung nicht wiedergekehrt waren. Aber Mac glaubte mehr daran, daß das zusätzliche Körpergewicht die Terraner daran hindern sollte, auszubrechen.
Als der Nassanti an ihm vorbeiging, verschluckte sich Mac und musste husten. Der Nassanti blieb stehen. „Dir nicht gut, Mac?“
Der Terraner wollte antworten, aber der Hustenreiz war stärker. So stark, daß er schon Atemnot bekam.
Der Wächter reagierte sofort, ergriff den Gefangenen mit seinen Klauen und trug ihn hinaus.
„Sie haben dich erwählt, Mac“, spottete Kennon.
Doch Mac hörte ihn nicht mehr. Er war ohnmächtig geworden.

Als Mac erwachte lag er in einem der Behandlungsräume. Neben ihm standen zwei Nassanti, der Wächter und der behandelnde Arzt. Der Arzt starrte auf die Körperanalyse des Terraners. „Nicht gut, nicht gut.“
„Es geht mir aber gut!“ brüllte Mac, der es plötzlich mit der Angst bekam. „Es geht mir gut! Ich will zurück zu den anderen!“
„Du nicht gehen dorthin, Mac.“ sagte der Wächter. „Du sehr, sehr krank. Wir dich schicken nach Hause, wo geholfen dir wird.“
„Ja klar, Ihr schickt mich nach Hause. Aber eines sage ich euch, ich schmecke furchtbar, ganz furchtbar.“
Der Wächter hob ihn wieder an und brachte ihn hinaus, in einen endlosen Korridor, vorbei an blinkenden Lichtquellen, weiter, immer weiter, und plötzlich war der Terraner eingeschlafen.
**
Der nassantiarische Arzt hieß Qorgal. Bevor er zum Lagerarzt ernannt worden war, hatte er noch nie einen Menschen gesehen, geschweige denn behandelt, aber er hatte sein Bestes gegeben, ihnen nach den Statuten der Galaktischen Republik die bestmögliche medizinische Versorgung zu gewährleisten.
Mittlerweile war er sogar ein richtiger Experte auf dem Gebiet der Menschenkunde, aber eines machte ihm noch Sorgen.
„Ah, Doktor Pererda vom Galaktischen Rat.“ rief Qorgal erfreut, als ein älterer Teridaler den Behandlungsraum betrat.
Der humanoide Fremde sträubte die Kopfschuppen und erwiderte in seiner gutturalen Sprache: „Ich bringe die Grüße des Rates. Sowohl er als auch der Botschafter der Hegemonie sind hocherfreut über die gute Behandlung, die man den Kriegsgefangenen angedeihen lässt. Man versicherte mir, daß es den Gefangenen auf Terra ebenso gut geht.“
„Das höre ich gerne. Aber weswegen ich Sie rufen ließ: Ich habe ein Problem mit meinen Terranern. Ich behandle sie mit all meinem Wissen, ich lasse extra für sie artgerechte Nahrung replizieren, achte auf Vitamine und Spurenelemente, aber auf eine mir unerklärliche Weise verfetten sie. Viele sind mittlerweile den Strapazen der Kriegsgefangenschaft nicht mehr gewachsen. Ich muß die Woche drei von ihnen nach Hause schicken.
Was meinen Sie, Doktor, könnte das eine biologische Waffe der Terraner sein, um die Kriegsgefangenschaft zu unterminieren?“
„Hm, darf ich einmal Ihren Ernährungsplan sehen?“
Der Nassanti runzelte zwar die Härchen auf den Arbeitszangen, gewährte dem Arzt aber jeden Zugriff auf seine Unterlagen.
„Ah, ja, da ist der Fehler. Sie teilen jedem Terraner eine Nahrungsmenge von zweihundert Tragess pro Tag zu. Sehen Sie, hier ist ein Komma verrutscht. Es dürfen nur zwanzig Tragess sein.“
„OH. So ein dummer Fehler“, lachte der Nassanti.
„Ja, so ein dummer Fehler“, lachte auch der Teridaler. „Nach drei Wochen kann man einen Menschen mit diesem Nahrungsvolumen kugeln. Sie sollten Ihren Schützlingen eine Diät verpassen.“
„Das ist wohl besser so, Doktor. Aber wie sagt ein Sprichwort meines Volkes so schön: Irren ist Nassanti.“
Beide Ärzte lachten.

Epilog:
In Hab acht-Stellung stand Lieutenant Jordan MacKenzie vor dem Generalstab der Hegemonie.
Die Vorsitzende, General Carol Ryan, ergriff das Wort. : „Dies ist nur eine Anhörung, Lieutenant. Wir möchten nach Ihrer vollständigen Genesung von Ihnen wissen, wie ist Ihr Eindruck von den Gefangenschaft im Imperium Nassanta?“
Mac sah an sich herab. Flacher Bauch, schlanke Beine, schmale Hüfte. Ein Monat intensiver Behandlung und gutes Training hatten ihren Teil getan. Ein Grinsen spielte um seine Lippen. „Nun, Ma´am, ich würde sie als... gehaltvoll bezeichnen.“
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