Gefährliches Frittenfett
von MeggieT
Kurzbeschreibung
Lannert und Bootz bekommen eine neue Kollegin. Zuerst skeptisch, beweist sich "die Neue" recht schnell und wird ins Team aufgenommen. Der Fall führt die drei zu einer bekannten Fast Food-Kette, bei der unter mysteriösen Umständen drei Angestellte verschwunden sind, deren Papiere aber wieder auftauchen- allerdings nicht bei den richtigen Leuten. Schnell wird klar- hier ist ein Menschenhändlerring am Werk...
GeschichteKrimi / P16 / Gen
Kriminalhauptkommissar Sebastian Bootz
Kriminalhauptkommissar Thorsten Lannert
09.04.2009
25.06.2009
3
5.738
1
09.04.2009
1.418
Anmerkung: Dieses ist meine allererste Tatort-Story ever... und noch ist es auch nicht viel, aber- es wird noch was kommen ;]
Lob, Kritik und Anregungen sind natürlich willkommen ;]
Kapitel 1 - Rückblick: Herbst, vor zwei Jahren
„Lannert, Bootz-“, Staatsanwältin Emilia Álvarez steckte den Kopf durch die Tür des Büros der beiden Kriminalhauptkommissare. „Würden Sie bitte mit in mein Büro kommen?“
Und schon war sie wieder verschwunden. Thorsten seufzte.
„Was ist denn jetzt schon wieder los?“ Sein Kollege Sebastian zuckte mit den Schultern.
„Bin ich Hellseher? Es scheint ja wichtig zu sein...“
Nachdem die beiden auf dem Weg zum Büro der Staatsanwältin einen Stopp am Kaffeeautomaten eingelegt hatten, betraten sie das Zimmer.
„Ah, da sind Sie ja endlich.“, leicht tadelnd zog Emilia eine Augenbraue hoch. „Darf ich Ihnen vorstellen- Ihre neue Kollegin.“ Sie deutete auf die junge Frau, die ihr gegenüber saß. Diese lächelte, stand auf und gab den beiden Hauptkommissaren die Hand.
„Lilian Marek...“
„Sehr erfreut.“
Thorsten besah sich die junge Frau, die vor ihm stand. Hellbraune, lange Haare, die zu zwei Zöpfen geflochten waren, blaue Augen, die aufgeweckt umherblickten, noch ein Stückchen kleiner als er selbst; er schätzte sie auf 1,60 Meter, vielleicht fünf Zentimeter mehr. Auf den ersten Blick sah sie eher wie eine Schülerin aus und nicht wie eine Kriminalkommissarin. Lediglich das Halfter mit der Walther darin kratzte an dem „Schulmädchen-Image“.
Auch Lilian beäugte die Männer, die als ihre neuen Kollegen vorgestellt wurden: Thorsten Lannert, der kleinere (und vom Aussehen her auf jeden Fall auch der Ältere) der beiden hatte dunkelblonde, gelockte Haare, die bis in seinen Nacken fielen. Seine blauen Augen machten den Eindruck, als hätten sie schon viel gesehen- Gutes wie Schlechtes- und blickten ein bisschen müde in die Welt, schwarzer Anzug mit weißem Hemd darunter. Glücklicherweise keine Krawatte, die ihn als Spießer kennzeichnen könnte- so sah er nämlich nicht aus. Am Auffallendsten aber war seine Nase, die ganz klar sein Gesicht dominierte. Der jungen Kommissarin war es schon ein bisschen peinlich, dass ihr Blick immer wieder dahin zurückkehrte, aber sie konnte sich nicht wirklich dagegen wehren.
Sebastian Bootz, der im ganzen Auftreten irgendwie ein bisschen „hipper“ wirkte (und das nicht nur durch die Tatsache, dass er nicht einen Anzug mit Hemd trug, so wie Thorsten) hatte einen festen Händedruck. Die dunkelbraunen Haare trug er aus dem Gesicht gegelt- etwas, das Lilian normalerweise wie die Pest hasste, aber diesem Männerexemplar schien es zu stehen. Genau wie die Klamotten, die er trug: weiße Sneaker, dazu eine dunkle Jeans, graues Hemd mit einem roten Pullunder darüber. Sie wunderte sich, dass jemand, der noch so jung war, schon Kriminalhauptkommissar war- da war aber jemand fleißig die Karriereleiter hoch geklettert.
„So, wo Sie nun miteinander bekannt sind- diese beiden Herren werden Ihnen Ihr neues Büro zeigen und Ihnen alles erklären.“ Emilia lächelte dem Neuankömmling aufmunternd an und nickte mit ihrem Kopf in Richtung Tür.
Beim „Pausen-Kaffee“, der heute einfach mal vorgezogen worden war, lernte Lilian dann auch die anderen kennen: Kriminaltechnikerin Nika Banovic, eine junge Frau mit mittellangen, dunkelbraunen Haaren, die sie als Zopf trug und einer scheinbar recht positiven Grundeinstellung (jedenfalls ließen ihr Lächeln und die strahlenden Augen darauf schließen). Das Halfter mit der Waffe darin zeigte, dass sie Linkshänderin war.
„Wie bescheuert...“, dachte Lilian. „Da trifft man neue Menschen und analysiert sie gleich. Ich glaub, dieser Job lässt einen irgendwann bekloppt werden.“
„Und, warum hat es Sie gerade nach Stuttgart verschlagen?“ Nika nippte an ihrer Kaffeetasse.
„Ich wollte in eine größere Stadt, raus aus dem Berliner Vorzeige-Vorort, in dem eh nichts passierte. Und auf den Versetzungsantrag hin haben sie mir hier eine Stelle angeboten.“
„Aus der Provinz in die Provinz...“, grinste Thorsten. Er selbst kam aus der Großstadt, wenn auch eher der Elbmetropole, anstatt der Hauptstadt.
„Ach, komm schon- Stuttgart hat auch Einiges zu bieten...!, protestierte die Kriminaltechnikerin. „Gut, wir haben zwar nicht so einen Riesenhafen wie Hamburg, bei dem geschmuggelt wird, was das Zeug hält, aber dafür...“
„Ja?“ Lannert zog eine Augenbraue hoch.
„Dafür schwäbeln hier die Leute, so. Ha, topp das erstmal...“
„Ob ich das kann...? Da bin ich skeptisch. Was meinst du, Sebastian?“
Der Angesprochene zuckte über die Erwähnung seines Namens zusammen.
„Hm?“
„Erde an Sebastian... sag mal, heute bist du irgendwie nicht so recht auf dem Dampfer, oder?“
„Quatsch...“ Sebastian verzog sein Gesicht zu einem Lächeln- oder versuchte es zumindest. Er musste immer noch an den letzten Fall denken, bei dem ein kleines Mädchen tot im Neckar gefunden worden war. Missbraucht und dann einfach entsorgt. Eigentlich hatte er damit schon abgeschlossen gehabt, aber seitdem er einen Tag zuvor beim Gericht als Zeuge aussagen musste, war diese Wunde wieder aufgerissen. Das Mädchen war so alt gewesen wie seine Tochter und in der Nacht verfolgten ihn wieder diese Alpträume, in denen er ein totes Kind aus dem Fluss zog- sein eigenes. Das Gesicht vom Wasser aufgequollen, Augen, die ins Leere blickten, die Haut kreidebleich, die spärliche Kleidung, die sie noch trug triefend vom Wasser, die Algen in ihrem Haar. Immer wenn diese Bilder kamen, wachte er schweißgebadet auf, konnte nicht wieder einschlafen. Kein Wunder, dass sich der Schlafmangel so langsam bemerkbar machte: Er war unaufmerksam, immer gereizter. Das ging so weit, dass er sogar zu Hause nicht mehr richtig abschalten konnte. Darunter zu Leiden hatten vor allem seine beiden Kinder, die nicht verstanden, warum ihr Papa plötzlich immer so schlechte Laune hatte und nicht mehr so viel mit ihnen spielte, wie er es sonst immer getan hatte.
„Komm schon, mir kannst du nichts vormachen.“ Thorsten verstand sehr gut, was sein Kollege durchmachte. Er selbst hatte mit ähnlichem zu kämpfen gehabt, als er noch auf Hamburgs Straßen unterwegs war- undercover, abgeschottet von der Familie, immer darauf bedacht, unentdeckt zu bleiben. Nachdem seine Frau und seine Tochter ums Leben gekommen waren, war er in ein tiefes Loch gefallen, hatte sich zurückgezogen, aber immer noch versucht, nach außen hin die Fassade zu wahren, damit bloß niemand diese Schutzmauer durchbrechen konnte. Mittlerweile war er froh, dass er sich damals dem Polizeipsychologen anvertraut hatte. Dieser hatte ihm geraten, darüber zu sprechen, sich damit auseinanderzusetzen und schließlich war er zu dem Entschluss gekommen, aus Hamburg wegzugehen, etwas Neues anzufangen- gleichzeitig aber Frau und Tochter nicht zu vergessen. Und nun wollte er nicht mit ansehen müssen, wie Sebastian anfing, diesen Wall um sich selbst aufzubauen. Er bedeutete ihm zu folgen, während Nika und Lilian sich angeregt unterhielten: Lilian erzählte von Berlin, Nika von Stuttgart. Scheinbar lagen die beiden auf einer Wellenlänge (jedenfalls waren sie schon beim „Du“ angekommen).
„Jetzt mal Butter bei die Fische.“ Thorsten schloss die Bürotür. „Irgendwas hast du doch. Und jetzt sag nicht, dass da 'Nichts' ist. Das kaufe ich dir nämlich nicht ab...!“
Bootz trat an das Fenster, starrte hinaus. Das Wetter passte zu seiner Stimmung: Es war ein grauer, verregneter Herbsttag. Die paar Menschen, die bei diesem Wetter unten auf der Straße vorbei hasteten, hatten ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, eine Frau kämpfte mit ihrem Schirm, der sich bei dem starken Wind umgeklappt hatte. Er seufzte.
„Ich krieg den letzten Fall einfach nicht aus dem Kopf- das hätte meine Tochter sein können...!“
„War es aber nicht, das musst du dir immer wieder vorhalten.“
„Was meinst du, was ich ständig versuche?“, fauchte Sebastian seinen Kollegen an. „Aber jede Nacht der gleiche Scheiß. Immer wieder die selbe Szene. Und immer wieder ist es meine Tochter, die ich tot aus dem Neckar ziehe...!“ Er schlug mit der Faust auf die Fensterbank.
„Vielleicht solltest du mal Urlaub machen... und vor allem mit jemanden darüber reden- jemanden, der dir helfen kann, mit der Situation umzugehen.“ Thorsten saß hinter seinem Schreibtisch, blickte Sebastian direkt an. Dieser drehte sich um und schaute, nicht gerade erfreut über diesen Vorschlag, unverwandt zurück.
„Ich soll zum Seelenklempner? Das fehlt noch.“
„Genau das habe ich auch immer gesagt, damals, als...“ Er brach ab. „Aber glaub mir, das hilft wirklich.“
„Pf...“ Sebastian drehte sich wieder um und starrte weiterhin aus dem Fenster.
„Falls du es dir doch noch anders überlegen solltest...“ Lannert kramte in seinem Schreibtisch nach einer Visitenkarte, fand diese schließlich, stand auf und legte sie auf Bootz' Schreibtisch. „Bei dem war ich zwar noch nicht, aber die Karte hab ich von meinem Doc aus Hamburg, der meinte, der sei echt gut...“ Mit diesen Worten verließ er das Büro und seinen Kollegen wieder alleine.
„Psychologe, pah...“ Sebastian besah sich die Visitenkarte: Dr. Arthur Wittgen – Facharzt für Traumabewältigung stand darauf. „Als ob ich sowas bräuchte...“ Trotzdem steckte er die Karte ein, man konnte ja nie wissen...
Lob, Kritik und Anregungen sind natürlich willkommen ;]
Kapitel 1 - Rückblick: Herbst, vor zwei Jahren
„Lannert, Bootz-“, Staatsanwältin Emilia Álvarez steckte den Kopf durch die Tür des Büros der beiden Kriminalhauptkommissare. „Würden Sie bitte mit in mein Büro kommen?“
Und schon war sie wieder verschwunden. Thorsten seufzte.
„Was ist denn jetzt schon wieder los?“ Sein Kollege Sebastian zuckte mit den Schultern.
„Bin ich Hellseher? Es scheint ja wichtig zu sein...“
Nachdem die beiden auf dem Weg zum Büro der Staatsanwältin einen Stopp am Kaffeeautomaten eingelegt hatten, betraten sie das Zimmer.
„Ah, da sind Sie ja endlich.“, leicht tadelnd zog Emilia eine Augenbraue hoch. „Darf ich Ihnen vorstellen- Ihre neue Kollegin.“ Sie deutete auf die junge Frau, die ihr gegenüber saß. Diese lächelte, stand auf und gab den beiden Hauptkommissaren die Hand.
„Lilian Marek...“
„Sehr erfreut.“
Thorsten besah sich die junge Frau, die vor ihm stand. Hellbraune, lange Haare, die zu zwei Zöpfen geflochten waren, blaue Augen, die aufgeweckt umherblickten, noch ein Stückchen kleiner als er selbst; er schätzte sie auf 1,60 Meter, vielleicht fünf Zentimeter mehr. Auf den ersten Blick sah sie eher wie eine Schülerin aus und nicht wie eine Kriminalkommissarin. Lediglich das Halfter mit der Walther darin kratzte an dem „Schulmädchen-Image“.
Auch Lilian beäugte die Männer, die als ihre neuen Kollegen vorgestellt wurden: Thorsten Lannert, der kleinere (und vom Aussehen her auf jeden Fall auch der Ältere) der beiden hatte dunkelblonde, gelockte Haare, die bis in seinen Nacken fielen. Seine blauen Augen machten den Eindruck, als hätten sie schon viel gesehen- Gutes wie Schlechtes- und blickten ein bisschen müde in die Welt, schwarzer Anzug mit weißem Hemd darunter. Glücklicherweise keine Krawatte, die ihn als Spießer kennzeichnen könnte- so sah er nämlich nicht aus. Am Auffallendsten aber war seine Nase, die ganz klar sein Gesicht dominierte. Der jungen Kommissarin war es schon ein bisschen peinlich, dass ihr Blick immer wieder dahin zurückkehrte, aber sie konnte sich nicht wirklich dagegen wehren.
Sebastian Bootz, der im ganzen Auftreten irgendwie ein bisschen „hipper“ wirkte (und das nicht nur durch die Tatsache, dass er nicht einen Anzug mit Hemd trug, so wie Thorsten) hatte einen festen Händedruck. Die dunkelbraunen Haare trug er aus dem Gesicht gegelt- etwas, das Lilian normalerweise wie die Pest hasste, aber diesem Männerexemplar schien es zu stehen. Genau wie die Klamotten, die er trug: weiße Sneaker, dazu eine dunkle Jeans, graues Hemd mit einem roten Pullunder darüber. Sie wunderte sich, dass jemand, der noch so jung war, schon Kriminalhauptkommissar war- da war aber jemand fleißig die Karriereleiter hoch geklettert.
„So, wo Sie nun miteinander bekannt sind- diese beiden Herren werden Ihnen Ihr neues Büro zeigen und Ihnen alles erklären.“ Emilia lächelte dem Neuankömmling aufmunternd an und nickte mit ihrem Kopf in Richtung Tür.
Beim „Pausen-Kaffee“, der heute einfach mal vorgezogen worden war, lernte Lilian dann auch die anderen kennen: Kriminaltechnikerin Nika Banovic, eine junge Frau mit mittellangen, dunkelbraunen Haaren, die sie als Zopf trug und einer scheinbar recht positiven Grundeinstellung (jedenfalls ließen ihr Lächeln und die strahlenden Augen darauf schließen). Das Halfter mit der Waffe darin zeigte, dass sie Linkshänderin war.
„Wie bescheuert...“, dachte Lilian. „Da trifft man neue Menschen und analysiert sie gleich. Ich glaub, dieser Job lässt einen irgendwann bekloppt werden.“
„Und, warum hat es Sie gerade nach Stuttgart verschlagen?“ Nika nippte an ihrer Kaffeetasse.
„Ich wollte in eine größere Stadt, raus aus dem Berliner Vorzeige-Vorort, in dem eh nichts passierte. Und auf den Versetzungsantrag hin haben sie mir hier eine Stelle angeboten.“
„Aus der Provinz in die Provinz...“, grinste Thorsten. Er selbst kam aus der Großstadt, wenn auch eher der Elbmetropole, anstatt der Hauptstadt.
„Ach, komm schon- Stuttgart hat auch Einiges zu bieten...!, protestierte die Kriminaltechnikerin. „Gut, wir haben zwar nicht so einen Riesenhafen wie Hamburg, bei dem geschmuggelt wird, was das Zeug hält, aber dafür...“
„Ja?“ Lannert zog eine Augenbraue hoch.
„Dafür schwäbeln hier die Leute, so. Ha, topp das erstmal...“
„Ob ich das kann...? Da bin ich skeptisch. Was meinst du, Sebastian?“
Der Angesprochene zuckte über die Erwähnung seines Namens zusammen.
„Hm?“
„Erde an Sebastian... sag mal, heute bist du irgendwie nicht so recht auf dem Dampfer, oder?“
„Quatsch...“ Sebastian verzog sein Gesicht zu einem Lächeln- oder versuchte es zumindest. Er musste immer noch an den letzten Fall denken, bei dem ein kleines Mädchen tot im Neckar gefunden worden war. Missbraucht und dann einfach entsorgt. Eigentlich hatte er damit schon abgeschlossen gehabt, aber seitdem er einen Tag zuvor beim Gericht als Zeuge aussagen musste, war diese Wunde wieder aufgerissen. Das Mädchen war so alt gewesen wie seine Tochter und in der Nacht verfolgten ihn wieder diese Alpträume, in denen er ein totes Kind aus dem Fluss zog- sein eigenes. Das Gesicht vom Wasser aufgequollen, Augen, die ins Leere blickten, die Haut kreidebleich, die spärliche Kleidung, die sie noch trug triefend vom Wasser, die Algen in ihrem Haar. Immer wenn diese Bilder kamen, wachte er schweißgebadet auf, konnte nicht wieder einschlafen. Kein Wunder, dass sich der Schlafmangel so langsam bemerkbar machte: Er war unaufmerksam, immer gereizter. Das ging so weit, dass er sogar zu Hause nicht mehr richtig abschalten konnte. Darunter zu Leiden hatten vor allem seine beiden Kinder, die nicht verstanden, warum ihr Papa plötzlich immer so schlechte Laune hatte und nicht mehr so viel mit ihnen spielte, wie er es sonst immer getan hatte.
„Komm schon, mir kannst du nichts vormachen.“ Thorsten verstand sehr gut, was sein Kollege durchmachte. Er selbst hatte mit ähnlichem zu kämpfen gehabt, als er noch auf Hamburgs Straßen unterwegs war- undercover, abgeschottet von der Familie, immer darauf bedacht, unentdeckt zu bleiben. Nachdem seine Frau und seine Tochter ums Leben gekommen waren, war er in ein tiefes Loch gefallen, hatte sich zurückgezogen, aber immer noch versucht, nach außen hin die Fassade zu wahren, damit bloß niemand diese Schutzmauer durchbrechen konnte. Mittlerweile war er froh, dass er sich damals dem Polizeipsychologen anvertraut hatte. Dieser hatte ihm geraten, darüber zu sprechen, sich damit auseinanderzusetzen und schließlich war er zu dem Entschluss gekommen, aus Hamburg wegzugehen, etwas Neues anzufangen- gleichzeitig aber Frau und Tochter nicht zu vergessen. Und nun wollte er nicht mit ansehen müssen, wie Sebastian anfing, diesen Wall um sich selbst aufzubauen. Er bedeutete ihm zu folgen, während Nika und Lilian sich angeregt unterhielten: Lilian erzählte von Berlin, Nika von Stuttgart. Scheinbar lagen die beiden auf einer Wellenlänge (jedenfalls waren sie schon beim „Du“ angekommen).
„Jetzt mal Butter bei die Fische.“ Thorsten schloss die Bürotür. „Irgendwas hast du doch. Und jetzt sag nicht, dass da 'Nichts' ist. Das kaufe ich dir nämlich nicht ab...!“
Bootz trat an das Fenster, starrte hinaus. Das Wetter passte zu seiner Stimmung: Es war ein grauer, verregneter Herbsttag. Die paar Menschen, die bei diesem Wetter unten auf der Straße vorbei hasteten, hatten ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, eine Frau kämpfte mit ihrem Schirm, der sich bei dem starken Wind umgeklappt hatte. Er seufzte.
„Ich krieg den letzten Fall einfach nicht aus dem Kopf- das hätte meine Tochter sein können...!“
„War es aber nicht, das musst du dir immer wieder vorhalten.“
„Was meinst du, was ich ständig versuche?“, fauchte Sebastian seinen Kollegen an. „Aber jede Nacht der gleiche Scheiß. Immer wieder die selbe Szene. Und immer wieder ist es meine Tochter, die ich tot aus dem Neckar ziehe...!“ Er schlug mit der Faust auf die Fensterbank.
„Vielleicht solltest du mal Urlaub machen... und vor allem mit jemanden darüber reden- jemanden, der dir helfen kann, mit der Situation umzugehen.“ Thorsten saß hinter seinem Schreibtisch, blickte Sebastian direkt an. Dieser drehte sich um und schaute, nicht gerade erfreut über diesen Vorschlag, unverwandt zurück.
„Ich soll zum Seelenklempner? Das fehlt noch.“
„Genau das habe ich auch immer gesagt, damals, als...“ Er brach ab. „Aber glaub mir, das hilft wirklich.“
„Pf...“ Sebastian drehte sich wieder um und starrte weiterhin aus dem Fenster.
„Falls du es dir doch noch anders überlegen solltest...“ Lannert kramte in seinem Schreibtisch nach einer Visitenkarte, fand diese schließlich, stand auf und legte sie auf Bootz' Schreibtisch. „Bei dem war ich zwar noch nicht, aber die Karte hab ich von meinem Doc aus Hamburg, der meinte, der sei echt gut...“ Mit diesen Worten verließ er das Büro und seinen Kollegen wieder alleine.
„Psychologe, pah...“ Sebastian besah sich die Visitenkarte: Dr. Arthur Wittgen – Facharzt für Traumabewältigung stand darauf. „Als ob ich sowas bräuchte...“ Trotzdem steckte er die Karte ein, man konnte ja nie wissen...