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Anime Evolution II: Erweitert

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P12 / Gen
25.02.2009
25.02.2009
18
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25.02.2009 13.520
 
Prolog: Acht Monate später:

Der Anelph und die Menschenfrau arbeiteten nun schon seit über einem halben Jahr zusammen. Janeg Dorr war die führende Koryphäe der Prospektorenzunft, und seine Fähigkeiten lagen weit über dem Schnitt, den die relativ kleine Anelph-Population vermuten ließ.
Jara Watts hingegen war ein aufstrebender Stern, ein Komet unter den Geologen der Erde.
Mit der Eroberung des Weltalls hatte sie Schritt gehalten. Und nun war sie die erste, einzige und beste Expertin für Exo-Geologie. Nebenbei hatte sie auch ein abgeschlossenes Studium der Statik, was ihr bei ihrer jetzigen Arbeit sehr zu Hilfe kam.

Die beiden Wissenschaftler befanden sich im so genannten Planetoidengürtel, einem Ring aus kosmischen Trümmern, die sich zwischen Mars und Jupiter befanden und entweder die Überreste eines kollabierten Planeten waren, oder nie die Chance bekommen hatten, ein eigener Planet zu werden.
Der Anelph und die Menschenfrau wurden nun schon seit einem Monat von der MOSKWA, einer Fregatte der November-Klasse, durch das gefährliche Trümmergebiet geflogen, immer auf der Suche nach einem bestimmten Gesteinsbrocken. Nach einem idealen Gesteinsbrocken für das verrückteste Vorhaben, welches Menschen, Kronosier und Anelph vielleicht jemals geplant hatten.
Die beiden äußerlich so ähnlichen Wesen hatten X-RAY betreten, den dreiundzwanzigsten kosmischen Trümmerbrocken auf ihrer Liste. Und seit über drei Stunden zwängten sie sich nun durch ein Höhlenlabyrinth tiefer in den fünfzehn Kilometer durchmessenden, länglichen Felsen hinein.

Schließlich erreichten die beiden eine Kaverne. Janeg Dorr sah Doktor Watts an. Die junge Frau nickte.
Also griff sich der Anelph an den Gürtel und zog eine Signalpistole hervor.
Sorgfältig lud er die klobige Waffe mit einem sich selbst mit Sauerstoff versorgenden Magnesiumgeschoss und zielte in die tiefste Schwärze hinein, bevor er schoss.
Danach drückte er den Feuerknopf.
Ein Teil der Kaverne wurde nun in helles, gleißendes Licht getaucht, aber es war bei weitem noch nicht genug, um alles der Finsternis zu entreißen.
„Das… Das ist…“, stammelte Jara aufgeregt.
Der Anelph nickte. „Ja. Ich glaube, wir haben unser Ziel gefunden.“
Dorr lud eine weitere Patrone und schoss sie in eine andere Richtung ab. Danach eine weitere, und jeder Schuss entriss ein weiteres Wunderwerk der Dunkelheit.
Spontan umarmte Jara den Anelph. Nach einer wie endlos wirkenden Suche, nach zweiundzwanzig erfolglosen Versuchen sah es nun wirklich so aus, als hätten sie ihr Ziel gefunden.
Einen weitgehend hohlen, aber in sich stabilen Planetoiden.
Jaras Wangen glühten vor Aufregung, als sie die MOSKWA kontaktierte. „Kapitän, schicken Sie die Teams rein. Wir haben unser trojanisches Pferd gefunden.“
Janeg Dorr lächelte die Menschenfrau zufrieden an. „Damit endet meine Arbeit. Und Ihre beginnt.“
Jara lehnte sich gegen den nackten Fels. „Ja“, hauchte sie. „Das größte Abenteuer der Menschheit erwartet uns…“

Dreizehn Monate später:
„Megumi-chan, aufstehen!“, rief Akari.
Müde öffnete die junge Mecha-Pilotin ein Auge und blinzelte in die Welt wie ein neugeborenes Kaninchen. „Warum bist du denn schon auf?“, murmelte sie leise. „Heute ist doch Sonntag.“
Akari nickte. „Ist schon klar, Onee-chan. Aber du wolltest doch geweckt werden, weil nachher die neuen Hekatoncheiren offiziell in Dienst gestellt werden.“
Schlagartig war Megumi wach. „Ich komme gleich!“

Obwohl der Krieg gegen die Kronosier spätestens seit der Ankunft der Anelph beendet war, hatte dies nicht automatisch bedeutet, dass Megumi in ein normales Leben hatte zurückkehren können. Na, was war schon normal?
Jedenfalls war sie zum Colonel befördert worden und kommandierte nun das Hekatoncheiren-Regiment, eine verstärkte Mecha-Einheit, die drei Bataillone mit je vierzig Maschinen aller Klassen enthielt und auf die beiden orbitalen Plattformen ARTEMIS und OLYMP sowie die Mondbasis Aldrin verteilt war.
Die Gefahr durch das Legat und die Kronosier mochte gebannt sein, aber die Anelph hatten schlechte Neuigkeiten mitgebracht.
Keine fünfzig Lichtjahre von der Erde entfernt befand sich eine der Hauptwelten der Naguad, einer extrem expansionssüchtigen Rasse, welche bereits die Anelph überfallen hatte.
Der nächste Stützpunkt der Naguad war lediglich dreißig Lichtjahre entfernt, und damit rückte die Erde selbst in Bedrohung durch das Imperium.
Megumi seufzte bei diesen Gedanken leise.
Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis war einfach gewesen. Die Menschheit nutzte die Zeit der Ruhe, um sich auf einen eventuellen Angriff der Naguad vorzubereiten.
Dies geschah im Gegensatz zu den Verteidigungsmaßnahmen gegen die Kronosier geradezu träge, war deswegen aber nicht weniger effektiv.
Die Mondbasen Colin, Aldrin und Armstrong waren ausgebaut worden, weitere fünf in Planung. Deimos, der verbliebene Mond des Mars beherbergte neben der Anelph-Werft nun eine eigene Garnison und einen provisorischen Hafen.
Auf dem Mars selbst entstand ein Orbitalliftsystem, wie es auf der Erde bereits zweimal existierte. Die Plattformen CASTOR und POLLUX waren bereits im Bau und würden vieles erleichtern, wenn sie denn endlich fertig waren. Vor allem das Leben in der grünen Zone des Mars, die sich unaufhaltsam in die roten, staubigen Ebenen fraß.

Megumi rieb sich die Augen, bis sie Sterne sah. Danach gähnte sie herzhaft und stand auf.
Mit etwas Glück würden die Naguad niemals bis zur Erde vorstoßen. Und mit etwas Pech folgten sie den Anelph und wurden wie mit der Schnur gezogen auf die Erde gestoßen.
Was für ein verdammter Mist.
Megumi ging ins Wohnzimmer. Obwohl Sonntag war, waren die anderen Mitbewohner bereits aufgestanden. Ihre Zahl hatte sich nicht wesentlich erhöht, wenn man davon absah, dass Eikichi, Akiras Vater, nun öfters eine Nacht in seinem Raum im Haus verbrachte.
Ansonsten waren es immer noch Yoshi, Makoto, Kei, Sakura-sensei, sie selbst, Akari, Doitsu und Yohko, die hier lebten.
„Morgen“, murmelte Megumi, als sie sich an den Tisch plumpsen ließ.
„Guten Morgen“, sagte Kitsune und stellte eine Schale mit Miso-Suppe vor ihr ab.
Ach ja, Kitsune-chan lebte nun auch hier.
„Sag mal, warum führst du uns eigentlich den Haushalt?“, fragte Megumi unvermittelt.
Die Fuchsdämonin blinzelte verwirrt, bevor sie antwortete. „Äh… Weil es einer tun muss und Akari zu jung dafür ist.“
„Ich bin nicht zu jung“, begehrte das Mädchen auf, welches vor dem zweiten Angriff auf dem Mars und ihrem vermeintlichen Opfertod ein vierhundert Jahre alter Dämon gewesen war.
Kitsune tätschelte ihr den Kopf. „Aber du bist so beschäftigt, Akari-chan. Du hast soviel zu lernen und so viele neue Freunde gefunden, mit denen du dich abgeben musst. Du musst ein ganzes Leben nachholen.“
„Morgen“, murmelte Makoto und trat verschlafen ein.
„Nanu? Hat Joan-chan heute nicht hier übernachtet?“, fragte Yoshi erstaunt und sah von seiner Lektüre auf.
„Nein, sie hat eine Reserve-Übung. Es geht um Schulungsmaßnahmen für Junior-Offiziere. Erfahrene Offiziere der zweiten Mars-Kampagne schulen unseren Nachwuchs. Die meisten von ihnen sind ehemalige Freiwillige von unserer Schule“, murmelte Makoto und griff gierig nach einer Tasse Kaffee. „Lebenselixier, Lebenselixier.“
Auch so eine Änderung in ihrer aller Leben. Nachdem über achthundert ihrer Mitschüler in der UEMF und während des Angriffs gedient hatten, war nichts mehr so wie es vorher war.
Einige von ihnen hatten sich nach Ende der Kampfhandlungen entschlossen, als vollwertige Soldaten in die UEMF einzutreten. Die meisten anderen folgten ihrem ursprünglichen Lebensziel, blieben aber Reservisten, die dank ihrer Erfahrung gern gesehene Dozenten auf Übungen und Seminaren waren. Einige wenige versuchten nach besten Kräften, diesen Teil ihrer Vergangenheit zu ignorieren.
Der Rest war tot. Gefallen in der Schlacht.
„Morgen“, murmelte Sakura, nickte den Anwesenden zu und verschwand im Garten, ihr Handy am Ohr.
„So ist sie, seit sie sich wieder von Thomas getrennt hat“, brummte Makoto aus den Tiefen seiner Tasse. Nachdenklich griff er nach der Fernbedienung und aktivierte den Fernseher.
Als der Hintergrund von der sonoren Stimme der Sprecherin der Nachrichtensendung erfüllt wurde, brummte er zufrieden und widmete sich wieder seiner Tasse.

„…zeigen wir noch einmal die dramatischen Szenen, die nun genau eineinhalb Jahre her sind.“
Makotos Kopf ruckte hoch, ging zum Fernseher.
Yoshi ließ seine Zeitung fallen. Megumi starrte auf den Bildschirm. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie wollte „Schalt aus“ brüllen, aber kein Wort kam über ihre Lippen.
Der Innenhof ihrer Oberstufe war zu sehen. Die Schüler und hohe Offiziere der UEMF hatten sich versammelt, um eine Gedenktafel für die siebzehn gefallenen Schüler zu enthüllen.
Megumi hielt den Atem an, als sie die Erinnerung überwältigte.
Wie sie auf diesem Platz gewesen war, wie Akira neben ihr mit den Zähnen geknirscht hatte.
Auf dem Fernseher sah sie, wie die Tafel enthüllt wurde und Akira für seine Rede an das Podest trat. Die Perspektive wechselte und zeigte die Aufnahme einer fünfzigjährigen Europäerin. Eine zufällige Aufnahme, die in dieses Dokument eingefügt worden war.
Megumi erlebte nun das damalige Geschehen in ihrer Erinnerung mit und vor sich auf dem Bildschirm.
Wie sie diese Frau bemerkt hatte, die sich langsam mit einem Kaffee in der Hand durch die Reihen schob und dabei lächelte.
Wie Akira sich neben ihr in stummer Verzweiflung vor den Eltern und Angehörigen der Toten verneigte, sich auf die Lippen biss, um die Tränen meiden zu können.
Und dann das begreifen bei ihr, was nun passieren würde.
Wie sich das Gesicht der Frau verzerrte, sie plötzlich gelaufen kam. Sicherheitskräfte schossen vor, wollten sie aufhalten. Aber da hatte sie den Becher schon geworfen.
„Mörder!“, gellte es auf dem Fernseher und in Megumis Erinnerung.
Sie sah sich selbst herum wirbeln, auf den Becher zu, der sich drehte und seine Flüssigkeit in der Luft entließ.
Was war ihr damals durch den Kopf gegangen? Wollte sie Akira fort stoßen? Oder sich dazwischen werfen?
Ein Teil der Flüssigkeit berührte ihr Haar, welches daraufhin zu schmoren begann.
Aber der größte Teil traf den vollkommen stoischen Akira.
Megumi zuckte zusammen, als sein Schmerzensschrei im Fernseher und in ihrer Erinnerung erklang. Sie sah wieder, wie er beide Hände auf seine rechte Gesichtshälfte legte und schrie.
Einfach nur schrie.
Sie sah sich selbst daneben stehen. Verzweifelt. Hilflos.
Bis Yoshi kam, in der Hand einen Eimer mit Wischwasser.
„Hände weg!“, blaffte er Akira an und goss das laugenhaltige Wasser über das Gesicht.
„Halte deine Hände drunter“, befahl er.
Säure. Es war ein Säureangriff gewesen. Und Yoshi hatte richtig reagiert.
Jemand hatte ihre kokelnden Haare gelöscht, aber Megumi hatte es kaum mitgekriegt.
Sie sah sich nur da stehen und auf Akira starren, der vor Schmerz auf die Knie gesackt war.
Und sie sah in sein weißes rechtes Auge.
Manchmal sah sie dieses Auge in ihren Träumen, wie es sie anstarrte, blind, vorwurfsvoll.
Sie hatte sich in die Säure werfen wollen. Den Schwall von ihm abwehren. Aber sie war nicht schnell genug gewesen.

„Mrs. Amber Barker, die damalige Attentäterin wurde heute als geheilt aus der geschlossenen psychiatrischen Anstalt New York entlassen, in die sie nach dem Attentat auf Colonel Otomo überführt worden war. Damit hat sie auch die ihr auferlegte Haftstrafe absolviert. Nach ihrer Entlassung war die Frau, deren Sohn während der zweiten Marskampagne starb, zu keinem Interview bereit. Auch jetzt, nach achtzehn Monaten wissen wir nicht mehr über die Beweggründe dieser Frau als den Verlust ihres jüngsten Sohnes.“
„Die kann man doch nicht raus lassen!“, polterte Yoshi wütend. „Die muss eingesperrt bleiben, bis ans Ende ihres Lebens! Was, wenn sie noch mal versucht, Akira anzugreifen?“
Yoshi senkte den Kopf. „Tut mir Leid, Megumi. Ich bin ein solcher Trottel. Es tut mir Leid.“
Die UEMF-Offizierin schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich nehme es nicht schwerer als du oder die anderen. Andererseits, wenn sie ihn wirklich findet und angreift, dann wüssten wir wenigstens wo er ist, oder?“
Megumi biss sich selbst auf die Zunge. Ihre eigenen Worte waren nicht weniger unbedacht gewählt gewesen als die von Yoshi.
Akira, dachte sie verzweifelt, Akira, wo bist du?

1.
Als ich an diesem Morgen am Waschbecken meines Appartements stand, vollführte ich meine ganz eigene Routine. Es war soviel passiert in den fast zwei Jahren, seit wir die Kronosier besiegt und die Anelph zu unseren Verbündeten gemacht hatten.
Ich klatschte mir zwei Hände Wasser ins Gesicht und starrte in den Spiegel. „Hallo, Akira“, sprach ich mein Spiegelbild an. „Siehst gut aus.“
Von den Narben, die ich erlitten hatte, weil eine verzweifelte Mutter nicht über den Verlust ihres Kindes hinweg gekommen war und mich mit Säure attackiert hatte, war kaum noch etwas zu sehen.
Aber das rechte Auge war weiß. Die Iris hatte sich entfärbt und die Hornhaut darüber hatte sich getrübt. Die Ärzte hatten lange Zeit gerätselt, warum mir die Säure nicht das Augenlid weg geätzt oder sogar den Druckkörper zum Platzen gebracht hatte. Aber sie waren zu keiner Erkenntnis gekommen. Ich konnte sogar hell und dunkel mit dem Auge unterscheiden. Aber es war eine riesige Umstellung für mich gewesen.
Nur noch ein Auge…
Das schlimme an meiner Situation war das tiefe Loch, in das ich gefallen war. Irgendwie hatte die Attacke gepasst. Ich fühlte mich ja für die vielen Toten beim Angriff auf den Mars nicht nur verantwortlich, ich war es.
Und diese Verletzung zu haben erschien mir wie ein klein wenig Zurückzahlung.
Es war abstrus, unlogisch und dumm. Aber ich konnte gut damit leben.
Ich trat einen Schritt zurück, fuhr mir mehrfach durch mein Haar. Ich hatte es schneeweiß gebleicht und etwas wachsen lassen. Wenn ich den Kopf senkte, lagen meine Augen beinahe unter einem Schatten. Ich mochte es nicht, wenn mir die Menschen auf mein fast blindes Auge starrten. Meistens trug ich zwar eine Augenklappe, aber das Ding war nicht sehr komfortabel.
Nach dem Zähne putzen zog ich mich an, eine schlichte blaue UEMF-Dienstuniform ohne Rangabzeichen.
Dann ging ich ins Wohnzimmer meines Appartements und starrte hinaus. Hinaus ins Meer der Stille, auf dessen Grund die Mondbasis Armstrong entstanden war.
Über den Kraterwänden schob sich die Sichelscheibe der Erde langsam hoch und erinnerte mich daran, wie weit ich doch von Zuhause fort war. Viel zu weit und viel zu lange.
Ich vermisste die anderen. Aber ich wusste auch, solange ich nicht mit mir selbst im reinen war, solange ich nicht langsam von dem Gedanken Abschied nahm, dass ich die Verletzung verdient hatte, konnte ich ihnen nicht unter die Augen treten.
Nicht ohne sie schwer zu belasten. Und das wollte ich nicht.
Außerdem war da noch eine andere Sache, die ich dringend erledigen musste.
Es klingelte an meiner Tür, noch während ich die letzten Knöpfe schloss. Kurz überprüfte ich den korrekten Sitz der Augenklappe, bevor ich öffnete.
„Es wird Zeit“, empfing mich Conrad, mein Fahrer.
Vater hatte ihn für mich abgestellt. Genauso wie er mir dieses Appartement besorgt hatte. Und der ganzen Welt weismachte, dass ich vielleicht irgendwo in Tibet in einem Kloster lebte, um mit mir selbst ins Reine zu kommen.
Ich war ihm dankbar dafür, dass er mich deckte.
Ich nickte Conrad zu. Bis zur Forschungsanlage waren es nur ein paar Kilometer, aber der größte Teil erfolgte über Land, und auf dem Mond bedeutete dies einhundertzwanzig Grad Plus Außentemperatur. Zumindest während des über einhundertvierzig Stunden langen Mondtages. In der Mondnacht sackten die Temperaturen in die Gegenrichtung, ähnlich extrem.

Wir verließen den Gebäudekomplex und erreichten den unterirdischen Hangar. Dort wartete bereits ein Floh auf uns, wie die kleinen Elektrobuggies mit isolierter Kabine hießen. Für kurze Strecken über Land waren sie mehr als geeignet. Und wir vermieden so die Rush-Hour zwischen Wohnkomplex und der Industrie-Kuppel. Denn immerhin arbeiteten über hunderttausend Menschen alleine hier in Armstrong.
Die Wohnung, die mein Vater mir zur Verfügung gestellt hat, war für die Begriffe Lunas überdimensioniert. Sie stand einen Chefingenieur oder einem General zu, nicht aber unbedingt einem kleinen Soldaten in der Testabteilung des UEMF in Armstrong.
Vielleicht einer der Gründe, warum ich noch niemanden zu mir nach Hause eingeladen hatte, ging mir in einem Anflug von Ironie durch den Kopf.
Conrad holte mich jeden Tag ab und brachte mich anschließend zurück. Er war Geheimdienstoffizier und sorgte für meine Sicherheit. Seine Arbeit bestand vor allem darin, zu verhindern dass meine Identität bekannt wurde. Offiziell war ich aus seinem Stall, also Geheimdienstoffizier. Aber meine Arbeit bestand vor allem darin, auf den weitläufigen Testanlagen als Prototyp-Pilot für die UEMF zu arbeiten.
Dabei arbeiteten wir eng mit Luna Mecha Research zusammen, einer Firma, die zu sechzig Prozent Anteilen von der UEMF gehalten wurde. Der Rest der Anteile teilte sich auf Firmen auf, die Eikichi kontrollierte.

Wir verließen durch eine Schleuse die Wohnanlage. Warnschilder informierten uns darüber, dass die künstliche Gravitation in diesem Bereich nicht aktiv war.
Wir hatten die künstlichen Schwerefelder schon nach wenigen Metern auf der aus dem Stein gefrästen Straße verlassen und übergangslos wurde mir ein wenig flau im Magen. Ein Sechstel der Erdschwere, mehr gab es nicht auf dem Mond. Und genau das war der große Vorteil hier. Der Abbau von Gesteinen wurde extrem erleichtert und viele Dinge, die nicht in Schwerelosigkeit hergestellt werden konnten, aber zu aufwändig waren, um sie aus der Erdatmosphäre herauf transportieren wurden hier hergestellt. Unter anderem die großen Antriebe für unsere Kampfschiffe.
Nebenbei nutzten Firmen wie Luna Mecha Research diesen Gravitationsvorteil für ihre eigenen Zwecke.
Man konnte sagen, der Mond war Boomland und zog jedes Jahr Zehntausende Umsiedler an.
Die Arbeit war hart, aber sie wurde extrem gut bezahlt. Und jedem Arbeiter stand ein freier Rückflug zur Erde zur Verfügung, den notfalls die UEMF übernahm. Eine Maßnahme, um eine Ghettoisierung bei Entlassungen und Firmenpleiten zu verhindern.
Zukunftsmusik in einer Industrie, die dreißig Prozent Wachstum hatte – und mit der Börse in Armstrong die zweitwichtigste Börse im Sonnensystem.

„Boomtown“, murmelte ich leise, während neben der Straße die Markierungspfähle entlang glitten und uns über weitere geschaffte hundert Meter informierten.
Dann fuhren wir in den Komplex der  Forschungsstation ein, passierten die Schleuse und die Sicherheitskontrollen.
Wie immer war den Wachtposten nicht gerade wohl, als sie mich zum Retinascan baten.
Dafür musste ich die Augenklappe abnehmen, und der Anblick des weißen Auges war sicher nicht sehr angenehm für sie.
Vor uns öffnete sich der Sicherheitsbereich, Arbeitsplatz für achthundert Techniker und Ingenieure. Hier trennten sich unsere Wege. Ich ging in die Mecha-Abteilung, Conrad nahm seinen Platz im zentralen Überwachungsbüro ein.

„Morgen“, murmelte ich leise, als ich die Abteilung betrat.
„Morgen, John“, erwiderte die Abteilungsleiterin Ellen Sanders.
Ich grinste kurz. Da lief ich schon so lange Zeit hier rum, aber ich hatte mich noch immer nicht an meinen Tarnnamen John Takei gewöhnt, unter dem ich mich als Japanoamerikaner ausgab.
„Wie laufen die Tests, Ellen?“, fragte ich beiläufig und lud mein Datapad an der Konsole auf. Sämtliche Daten der Nachtschicht wurden mir nun übertragen und ich konnte auf den neuesten Stand kommen.
„So la la“, antwortete sie leise und reichte mir einen Becher mit Kaffee.
Im Rang stand ich weit unter ihr, aber die Mittvierzigerin wusste meine Mitarbeit an den Projekten zu schätzen und behandelte mich wie einen guten Kollegen. Obwohl man, wie sie immer betonte, eigentlich den Geheimschnüfflern nichts Gutes abgewinnen konnte.
Nachdenklich las ich die neuesten Daten auf meinem Pad. „Merkwürdig. Wir hinken zehn Prozent zurück. Sollten wir nicht mittlerweile in der Lage sein, den Booster zu testen?“
Ellen Sanders seufzte lange und schwer. „Die Teile kommen nicht. In Aldrin sind sie damit fertig, aber die ROOSEVELT operiert über ihrem Raumgebiet und vernichtet Meteoriten. Um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden sind Überlandfahrten und Flüge bis auf weiteres untersagt worden. Nicht dass ein paar tausend Tonnen Trümmer runter kommen und auf die kostbare Fracht einprügeln.“
„Hm“, machte ich leise. „Dann gehe ich sie holen.“
„Dein Mecha steht bereit“, erwiderte sie mit einem dicken Grinsen.
War ich so leicht zu durchschauen? Oder wusste sie einfach nur, dass mir das Projekt mindestens so wichtig war wie ihr?
Ich winkte Ellen noch einmal zu und ging zum Hangar herüber. Ein brandneuer Hawk erwartete mich bereits. Er war nicht Blue und bestimmt nicht Primus. Aber er hatte jedes neue Spielzeug, das für Hawks existierte, als er vom Band gelaufen war. Auf ihm testete ich die Komponenten für unser Hauptprojekt, die Booster.

„Hast du die Konfiguration noch immer nicht fertig?“, hallte es mir aus dem Hangar herüber.
Jackson, eindeutig. Ich seufzte innerlich und machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Als ich eintrat, erkannte ich die Lage sofort. Jackson hatte sich natürlich mal wieder sein Lieblingsziel ausgesucht. Und in diesem Moment setzte er ihm mit Wonne zu.
„Der ChefTech hat mir kurzfristig eine andere Aufgabe zugewiesen, ich…“, verteidigte sich das Opfer vehement, zumindest für ihre Begriffe.
Dies ließ der schlaksige Amerikaner aber nicht gelten. „Ich bin dein Gruppenleiter, und wenn dir jemand einen Auftrag geben will, soll er das gefälligst über mich machen, klar, Kronosierdreck?“
Die Miene der jungen Technikerin verzerrte sich vor innerem Schmerz, als der Gruppenleiter sie derart rüde beschimpfte.
„Was ist denn hier schon wieder los?“, wandte ich müde ein.
Ein wütender Blick traf mich. „Nichts, was dich was angeht, Takei.“
„Und ob mich das was angeht.“ Ich legte einen Arm um Yamagatas Schultern. Die junge Frau hatte zwar als Technikerin für die Kronosier gearbeitet, geblendet vom vielen Geld, aber sie hatte nie die Gift erhalten. Nach unserem Sieg auf dem Mars hatte sie sich eine neue Herausforderung gesucht. Zu diesem Zeitpunkt aber war sie bereits einer der besten Mecha-Techniker des gesamten Sonnensystems. Hätte sie auch nur einen einzigen Funken Autorität im Leib, hätte sie es mittlerweile selbst zum Teamchef gebracht.
Ai Yamagata starrte mich erstaunt an und wurde rot, als ich sie etwas an mich drückte. „Ai-chan ist meine Freundin. Und wenn du meiner Freundin auf die Nerven gehst, gehst du mir auf die Nerven. Hast du das jetzt endlich gefressen?“
„Blase dich hier mal nicht so auf, nur weil du Testpilot bist“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ich blase mich noch viel mehr auf. Ich habe dir schon ein Dutzend Mal gesagt, du sollst es Ai-chan nicht nachtragen, dass sie bei den Kronosiern war. Sei lieber froh darüber, dass sie jetzt auf der richtigen Seite arbeitet. Also hör auf sie zu gängeln, sonst mache ich mit Flash mal einen Ausfallschritt und steige dir richtig auf die Zehen, klar?“
„Du würdest nicht so reden, wenn du auch bei der Mars-Mission dabei gewesen wärst. Wenn du auch einen guten Freund oder ein Familienmitglied dort oben verloren hättest“, warf Jackson mir vor.
Ich erstarrte. Für einen Moment war ich versucht, den Techniker nach Strich und Faden zu verprügeln. Aber letztendlich kaute er einfach nur daran, dass sein jüngerer Bruder auf dem Mars gefallen war.
„Otomo-san wird sich schon irgendetwas gedacht haben, als er den meisten Kronosiern Generalpardon gegeben hat. Wieso versuchst du es nicht auch mal damit?“
Die Hände meines Gegenübers krampften auf und wieder zu. „Wie ich schon sagte, du hast echt keine Ahnung.“
Langsam wandte sich der Amerikaner ab und ging.

Ich sah zu Yamagata. „Alles klar bei dir?“
„Ja, Takei-sama.“ Sie wurde rot, als sie mir zufällig in die Augen sah.
„Warum lässt du dich auch so rumschubsen? Verdammt, du bist die beste Technikerin der ganzen Anlage. Das kannst du Jackson ruhig spüren lassen.“
„Danke, Takei-sama“, erwiderte sie und begann sich unter meinem Arm hervor zu winden.
„Seit wann bist du so schüchtern?“, bemerkte ich grinsend.
Yamagata wurde rot unter ihrem Käppi und sah weg. „D-das ist es nicht. D-du hast nur gesagt, ich wäre deine Freundin und…“
„Und du befürchtest jetzt, dass es die Runde macht, was? Da mach dir mal keinen Kopf drum. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn über uns geredet wird.“
Übergangslos sah sie mich an. „Und wenn das Gerede wahr wäre?“
Nun war es an mir, überrascht zu sein.
Betreten sah ich zu Boden. „Ich habe eine Freundin, Ai-chan. Eine richtige Freundin und sie wartet auf mich.“
„So“, sagte sie leise und sah zu Boden.
„Das heißt aber nicht, dass du nicht meine Freundin bist. Nur nicht eben so eine Freundin“, versuchte ich zu erklären.
„Ja. Das ist in Ordnung.“
Schweigend standen wir ein paar Minuten beieinander. „Takei-sama, du bist nun schon anderthalb Jahre bei uns. Aber du hast deine Freundin niemals erwähnt. Und ich habe nie davon gehört, dass du sie besuchst oder von ihr Besuch bekommst.“
„Wir…“, murmelte ich nachdenklich, „haben eine besondere Beziehung. Sie weiß, dass ich am Boden liege und verzweifelt versuche, mich selbst wieder aufzurichten. Sie wartet auf mich.“
„Was macht dich so sicher, Takei-sama?“, fragte Yamagata leise.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich liebe sie. Mehr braucht es dann doch nicht.“
Ein harter Schlag traf mich an der Schulter. „Dummkopf. Meinst du, das reicht einer Frau? Selbst wenn sie dich liebt, dann darfst du sie doch nicht solange allein lassen.“
„Autsch“, murmelte ich und rieb mir die schmerzende Stelle.
„Wenigstens anrufen könntest du mal. Du bist mir ja ein schöner Freund.“
Ich griff nach ihr, nahm sie in den Schwitzkasten, nahm ihr das Käppi ab und rieb mit der Faust auf ihrem Kopf herum. „Du bist mir die Richtige. Selbst keinen Freund, aber willst mir Tipps geben.“
„Auuuu! Takei-sama, das tut weh.“
„Soll es ja auch“, erwiderte ich grinsend.

„Wenn Ihr dann mit spielen fertig seid“, erklang Ellens Stimme hinter uns, „dann mach doch bitte Johns Mecha klar, Ai, ja? Er will rüber nach Aldrin und die bestellten Teile holen.“
Erstaunt hielt ich inne. Mit großen Augen sahen ich und Yamagata unsere Abteilungsleiterin an.
„Heute noch, wenn es geht“, mahnte sie kurz und blätterte durch ihr Datapad.
„Na dann mal los, Ai-chan“, sagte ich, ließ sie los und gab ihr einen Klaps auf den Rücken.
„Hey“, protestierte sie, setzte sich aber in Bewegung.
Ich lächelte. Doch als ich wieder zu Ellen herüber sah, wurde mein Blick ernst. „Neuigkeiten?“
„Conrad hat alles in die Wege geleitet. Mit etwas Glück schlucken sie den Köder“, murmelte sie leise herüber.
Ich nickte kaum merklich.
Das, was ich noch zu tun hatte, war gefährlich. Aber es war die einzige Sache der Marsmission, die ich nicht Zuende gebracht hatte.
„Danke, Ellen“, sagte ich und folgte Yamagata zu meinem Mecha.
***
Der Trip vom Meer der Stille ins Meer der Heiterkeit war schnell erledigt. Da der Mond keine eigene Atmosphäre sein Eigen nannte, gab es hier keine Reibungswiderstände, und der Mecha in dem ich saß reagierte wie im freien Raum.
In Zusammenarbeit mit der Ortungsabteilung der ROOSEVELT legte ich einen sicheren Kurs für den Anflug auf Aldrin und für den Rückflug fest, auf dem mit einiger Sicherheit keine Trümmer von den Aufräumarbeiten einschlagen würden. Dies ließ mir nur einen sehr engen Korridor von lediglich elf Kilometern Breite. Aber ich hatte eh nicht vor, mich im Notfall dran zu halten.
Die eigentliche Arbeit war dann schnell erledigt. Im Frachtbereich von Aldrin landen, den Container entgegen nehmen und wieder abfliegen. Eine Sache von Minuten.
Der Abflug dauerte wesentlich länger, weil Aldrin Tower angeblich nicht über meine Mission unterrichtet war und außerdem noch meine Route nachprüfen musste, da die ROOSEVELT gerade einen alten militärischen Satelliten einsammeln wollte und dabei die Gefahr bestand, dass er zerbrach und als Trümmerregen… Bla, bla, bla. Manchmal nahmen sich diese Aldriner viel zu wichtig.

Als ich endlich abflog hatte ich eine geschlagene halbe Stunde verloren. Dafür aber trug ich die essentiellen Baugruppenteile für einen Booster bei mir. Alles, was wir noch brauchten, um aus unseren Mechas unschlagbare Allrounder zu machen.
„Sir, ich messe aktive Ortung an“, meldete meine K.I. unvermittelt.
Ich stutzte. „Geht es etwas genauer, Flash? Schickt uns Aldrin einen Abschiedsgruß oder hat uns die ROOSEVELT aufs Korn genommen?“
„Weder noch, Sir. Es ist ein weit gefächerter Radarsuchraster, der soeben das dritte Mal über unsere Position gegangen ist.“
„Sind neben der ROOSEVELT weitere Flugobjekte im Mondorbit, Flash?“, fragte ich ernst und überprüfte meine Anschnallgurte.
„Ein unidentifiziertes Objekt im hohen Orbit um den Mond.“
„Gib mir ein Orterbild, Flash“, verlangte ich.
„Nicht möglich. Unsere Ortung wird gestört.“
„Scheiße“, murmelte ich leise. „Aldrin Tower, Aldrin Tower, hier LMR Flight 01. Ich werde von einem unbekannten Objekt, ich wiederhole einem unbekannten Objekt aus hohem Orbit mit Suchradar erfasst.“
„Hier Aldrin Tower. Pissen Sie sich nicht ein, LMR Flight 01. Das wird eine zivile Landefähre sein.“
„Zivile Landefähre, die genau meinen Abflugkorridor bestreicht, was? Geben Sie sofort Alarm.“
„Wurden Sie beschossen oder mit Zielradar erfasst?“, kam die lapidare Gegenfrage.
„Nein. Noch nicht“, bemerkte ich säuerlich.
„Ph. Melden Sie sich wieder, wenn Ihr unbekanntes Objekt eine dieser Aktionen ausführt. Aldrin Tower Ende.“
„Es interessiert Sie wohl nicht, dass es dann schon zu spät sein könnte, oder?“, blaffte ich, erhielt aber keine Antwort.
„Was denkst du, Flash? Was haben wir da über uns? Eine November? Oder nur eine Foxtrott?“
„Sie spekulieren darauf, dass sich die Marodeure auf uns einschießen, Sir?“
„Es passt doch, oder? Nur ein kleiner Abflugkorridor, ellenlange unnötige Verzögerungen bei der Abfertigung, dazu ein genervter störrischer Lotse im Tower. Und alles geht auch noch im Chaos unter, welches die ROOSEVELT dankenswerterweise veranstaltet. Außerdem wissen wir, dass die Marodeure in dieser Gegend gesichtet wurden.“
„Das sind gute Argumente. Ich werde einen automatischen Notruf absetzen, sobald Zielsuchradar uns erfasst.“
„Dann dürfte es zu spät sein und die Funkfrequenzen werden gestört. Geh auf Militärkanal Lima.“
„Kanal geschaltet, Sir.“
„Aldrin-Garnison, Aldrin-Garnison, können Sie mich hören?“
„Hier Aldrin-Garnison. Dies ist ein militärisches Frequenzband. Ich muss Sie bitten, den Funk sofort einzustellen und für Notrufe und dergleichen auf ein ziviles Band zu wechseln.“
„Ich autorisiere hiermit die Aktivierung der Hotel-Kompanie. Codewort Lazarus, Identifikation Able, Baker, Able, Zero, Five, Cotton“, sagte ich leise und konzentriert. Selbst wenn der Mann am Funk mich abzufertigen versuchte, die Künstliche Intelligenz der Garnison würde Codewort und ID erfassen und entsprechend reagieren.
„Verstanden, Sir. Hotel-Kompanie erhält Startfreigabe. Befehle?“
Na, wenigstens auf die guten alten Hekatoncheiren konnte man sich noch verlassen.
„Wahrscheinlicher Angriff der Marodeure auf meiner Position, unterstützt womöglich durch eine November. Erbitte Entsatz auf meine Position, und das ASAP.“
„Entsatz auf Ihre Position und das A…“
Der Rest ging in Störgeräuschen unter. Unwillkürlich ruckte mein Kopf nach oben, wo ich die Fregatte wusste.
„Wir werden aktiv gestört, Sir. Außerdem orte ich einkommendes Zielsuchradar von neun Quellen.“
Ich grinste schief. „Neun Quellen? Gut. Ich habe schon ewig lange keinen Daishi mehr durch die Mangel gedreht.“

Ich ließ Flash tiefer gehen, bis er fast den Mondboden berührte. Dies sollte mir für einige wenige wertvolle Minuten einen Vorteil verschaffen. „Nun komm schon, Winslow. Komm und lass uns spielen“, murmelte ich leise.
Es war mein Fehler gewesen. Nun, einer von vielen meiner Fehler. Während und nach der Schlacht hatten sich mehrere kronosische Kriegsschiffe abgesetzt und waren untergetaucht. Einige von ihnen aber hatten sich sehr bald wieder gezeigt. Als Piraten und Raubritter, welche kleine Transporte und orbitale Stationen überfielen.
Die größte dieser Gruppen verfügte über einen Sierra und hatte der UEMF bittere Rache geschworen. Mit ein wenig Glück hatte ich genau diese Leute nun vor mir.
Nicht, dass ich ihnen eine Falle gestellt hätte. Nicht mehr als sonst auch.

„Ankunft der Hotel-Kompanie von Kottos in fünf Minuten, Sir“, informierte mich Flash.
„Ist gut. Was machen unsere Ziele?“
„Kommen auf Schussdistanz in zehn… Neun… Acht…!“
Ich warf Flash herum und stieg steil auf. Die feindlichen Ziele registrierten meine Bewegung und folgten ihr. Ich grinste abfällig. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass ich meinen Fluchtkurs aufgab und sie angriff.
Aber Angriff war schon immer die beste Verteidigung.
Kurz checkte ich, ob die mechanische und magnetische Verankerung meiner Fracht auf dem Rücken des Mechas in Ordnung war, danach zog ich meine Herkules-Klinge.
Ironischerweise galt John Takei an dieser Waffe als fast so gut wie Akira Otomo, ging es mir amüsiert durch den Kopf.
„So, so. Ich nehme also nicht an, dass du uns deine Fracht freiwillig überlässt, oder?“, erklang eine süffisante Stimme in meinem Funk.
„Sieht wohl so aus. Waren das alle, oder kommen noch mehr zum spielen?“, neckte ich.
„Wer denkst du, dass du bist? Megumi Uno?“, herrschte mich eine andere Stimme an.
„Als ich heute Morgen in den Spiegel gesehen habe war ich jedenfalls noch ein Mann“, erwiderte ich und wich den ersten Raketen aus, die auf mich abgefeuert wurden.
Ich fixierte einige von ihnen, und Flash wich ihnen entweder automatisch aus oder holte sie mit dem Raketenabwehrlaser vom Mondhimmel.
„Er ist gut“, keuchte die zweite Stimme wieder auf.
Nun feuerte ich meine eigenen Raketen ab und blieb knapp hinter ihnen. Als die ersten von den mechanischen Rak-Abwehrsystemen der Daishis vernichtet wurden und explodierten, nutzte ich den Deckschatten der kleinen Eruptionen, um unter durch zu tauchen  und mit dem ersten Daishi, einem Gamma, auf Tuchfühlung zu gehen.
Der Gegner sah mich kommen, reagierte aber zu spät. Der Preacher, eine großkalibrige Gewehrwaffe, die pro Schuss zwanzig Explosivgeschosse mit Schallgeschwindigkeit los jagte, war nicht in der Lage mich zu treffen.
„Halt still, verdammt!“, fluchte eine dritte Stimme.
„Wollte ich auch gerade sagen“, erwiderte ich, passierte den Gamma und trennte beide Beine vom Rumpf.
Der Steuerdüsen beraubt taumelte der Gamma einen Moment lang hilflos durch die Luft, bevor die Rückendüsen den Kurs einigermaßen stabilisiert hatten.

„Es ist also wahr. Dieser Takei tötet seine Gegner nicht“, hörte ich die erste Stimme wieder. Flash ordnete sie dem einzigen Delta in der Truppe zu. „Das ist ein Fehler, und er wird dir zum Verhängnis, Takei-san.“
„Nicht, wenn man gut genug ist, um sich diesen Luxus leisten zu können“, sagte ich ernst, warf mich herum und feuerte die Herkules-Klinge per Energieaufladung ab. Der Strahl radierte einem Alpha den Kopf mit den Sensoren und den oberen Torso ab.
„Der ist wirklich gut. Sollen wir uns nicht lieber wieder zurückziehen?“, rief Stimme zwei.
„Wir sind immer noch fünf gegen einen. Willst du dich von einem einzelnen Krieger der UEMF fertig machen lassen? Was haben wir geschworen, als wir geflohen sind? Was haben wir geschworen, hä?“, herrschte Stimme eins die anderen an.
Stille antwortete ihm, während ich mit drei Raketensalven kämpfte.
„Gut so. Und nun greift an. Wir kämpfen hier schließlich nicht gegen Akira Otomo.“
Unwillkürlich prustete ich los. Und schalt mich einen Idioten, weil es laut und deutlich über Funk zu hören gewesen war.
„Otomo, wer ist das schon?“, sagte ich hastig, um das verräterische Geräusch zu relativieren. „Ich bin wesentlich besser als er.“
„Das mag man kaum glauben“, erklang die Stimme von eins wieder. Von seinem Delta stieg ein Energiestrahl auf, der mich nur knapp verfehlte. „Ich habe ihn auf dem Mars gesehen und ich weiß, dass er der Beste ist.“
Ich passierte einen Alpha, zog meine Klinge über die Panzerung und kappte einen Teil des Cockpits zusammen mit dem rechten Arm und dem Kopf. Falls nicht gerade ein Riese in dem Mecha saß, würde ich ihn nicht erwischt haben.
Ein Entsetzensschrei des Piloten antwortete mir, als er plötzlich im Freien saß.

„Ortung! Die KOWLOON meldet eintreffende Mechas. Zehn Hawks. Sieht ganz nach der Kottos-Kompanie Hotel aus. Shawn, wir müssen hier verschwinden!“
Der Delta feuerte mir eine Salve hinterher. „Nehmt unsere Leute mit. Wir lassen niemanden zurück!“, blaffte er ernst. Sein Mecha stieg herab, noch eine Salve Raketen auf mich feuernd, und schnappte sich den Alpha, den ich gerade halbiert hatte. Danach stieg er mit voller Leistung auf.
Kurz spielte ich mit dem Gedanken sie zu verfolgen, aber mit meiner kostbaren Fracht hatte ich keine Lust, mich mit einer Fregatte anzulegen.
Übergangslos endete der Störfunk und ich bekam wieder Langstreckenfunk herein.
„Hotel-Kompanie, hier Hotel-Kompanie. Überrangorder, können wir helfen?“
Ich zuckte innerlich zusammen, als ich die Stimme erkannte. Daisuke. Ich wusste, dass Sarah Anderson mit einem Team Escaped auf den Mond gezogen war, um das Wissen der Kronosier weiter zu erforschen, welches sie in sich trugen. Nachdem wir den Core vernichtet hatten, waren weitere elf hinzugekommen. Zusammen mit den kleineren Computern in den verschiedenen Zentralen verfügten wir nun über mehr als fünfzig Escaped aus aller Herren Länder, die nun für die UEMF arbeiteten. Dass Daisuke ihr gefolgt war, hielt ich für nur natürlich. Aber dass er bei den Hekatoncheiren diente erstaunte mich.
„Luna Mecha Research Flight 01 hier. Danke für Ihre Hilfe. Sie haben die Banditen verjagt.“ Daisuke Honda stutzte. Ich konnte es spüren, ohne es zu sehen. „LMR Flight 01, ich stelle zwei Hawks ab, die Sie nach Armstrong eskortieren. Wir sollten uns über den Angriff unterhalten.“
„Copy, Daisuke. Ich fliege voraus. Geleitschutzpositionen sind: Zentral über mir und in meiner Sechs, zwei Kilometer entfernt.“
„Das ist kein klassisches Geleitschutzmuster. Das ist UEMF-Elitetraining“, stellte der Mecha-Krieger fest.
Dieser Geleitschutz brachte viele Vorteile. Der Hawk über mir erlangte eine sehr gute Weitsicht und Ortungsmöglichkeiten, exponierte sich zwar, aber war dadurch auch in der Lage, mich, das zu beschützende Objekt besser zu bewachen. Der zweite Hawk zwei Klicks hinter mir hingegen würde für Mechas im Hinterhalt sehr überraschend hinzukommen und uns als Trumpf aus der Scheiße retten. Eines der Schemas, die ich persönlich entwickelt hatte.
Ich grinste schief. Irgendwann hatte es ja passieren müssen, dass mich einer meiner Freunde erkannte. Nicht umsonst nahm Daisuke die Geleitschutzposition über mir persönlich ein.
„Wir haben viel zu reden, alter Freund“, murmelte ich leise genug, um nicht die Mikrofone zu aktivieren.
***
Ein harter Schlag traf mich, trieb mich gegen die nächste Wand.
„Verdammt, du dämliches Arschloch!“, fluchte Daisuke und starrte zu mir herüber. Seine Hände waren geballt und die Miene wutverzerrt.
Ich rieb mir das schmerzende Kinn. Hoffentlich musste ich nicht zum Zahnarzt. Der Kerl hatte einen Wumms, der durchaus mit einem Sparrow mithalten konnte.
„Hör mal, Dai-chan…“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.
„Dai-chan mich nicht an, du Idiot!“ Daisuke griff mich am Kragen, zog mich zu sich heran und umarmte mich herzlich. „Du Trottel. Du erbärmlicher Trottel. Wie konntest du uns das antun?“
Unwillkürlich wurde ich mir bewusst, dass der halbe Hangar uns anstarrte.
„Äh, Dai-chan, das ist peinlich“, merkte ich an.
„Das ist einzig und alleine deine Schuld“, erwiderte Daisuke und hielt mich von sich. „Du bist ja noch ein Stück gewachsen. Und du hast Muskeln zugelegt, Ak… John.“
„Du hast dich auch nicht gerade zu deinem Nachteil entwickelt, Dai-chan“, erwiderte ich schmunzelnd und umarmte den Freund nun meinerseits.
Daisuke hob meine Haare an und sah in mein weißes Auge. „Hör mal, was ist eigentlich passiert? Warum hast du dich verkrochen? Ich meine, reicht das hier schon, um dich aus der Bahn zu werfen?“

Neben uns klirrte etwas auf. Ich sah herüber und erkannte Yamagata, die vor Schreck ihre Werkzeugtasche hatte fallen lassen.
„Ai-chan“, begrüßte ich sie. „Du kommst genau richtig. Wir müssen die Komponenten für den Booster abladen und installieren und… Habe ich was im Gesicht?“
„Takei-sama, du umarmst einen Mann“, hauchte sie mit leiser Fistelstimme und starrte aus großen Augen zu mir herüber.
„Nicht irgend einen Mann“, sagte ich schmunzelnd. „Dies hier ist mein guter Freund Daisuke Honda. Wir haben zusammen auf dem Mars gekämpft. Und mittlerweile hat er es zum Major und Kommandeur von Kottos geschafft.“
Daisuke deutete auf seine Schulter. „Lieutenant Colonel. Ich bin Colonel Unos Stellvertreter.“
„Verzeihung. Lieutenant Colonel. Jedenfalls haben mir Marodeure aufgelauert und Dai-chan hat mich raus gehauen.“
„Übertreibe nicht so. Wir haben sie nur verscheucht, nachdem du bereits… Wie viele? Drei oder vier erledigt hattest. Mach so weiter und du knackst noch mal den Rekord von Akira Otomo.“
Für diesen diskreten Hinweis verpasste ich Daisuke einen versteckten Hieb in die Rippen.
„Oh. OH!“ Yamagata kam auf uns zu und schüttelte Daisuke die Hand. „Du bist also auch ein Freund von Takei-sama? Freut mich dich kennen zu lernen.“
„Ai-chan? Freut mich ebenso.“
Die junge Japanerin wurde rot, als Daisuke sie mit dem Vornamen ansprach.
„Ent- Entschuldige, ich wollte nicht indiskret sein.“
„Nein, ist schon in Ordnung, Honda-sama. Ich bin es nur nicht gewohnt, dass mich jemand außer Takei-sama mit meinem Vornamen anredet. Er ist mein einziger Freund…“
Daisuke hob die Augenbrauen.
„Das erkläre ich dir nachher. Jetzt wollen wir erst mal arbeiten. Komm, komm, der Booster installiert sich nicht von selbst, Ai-chan.“

Ein riesiger Exo, einem Sparrow nachempfunden, lud die Kiste ab. Er öffnete sie und entnahm mehrere chromblitzende Bauteile.
„Darf ich das überhaupt sehen?“, fragte Daisuke ernst, als er sah wie diese Teile in einer Art Turbine integriert wurden.
„Natürlich. Deine Sicherheitsstufe ist hoch genug. Immerhin gehörst du zur Elite, den Hekatoncheiren.“
Ich deutete auf die riesige Turbinenkonstruktion. „Und außerdem hätten deine Kottos-Hekatoncheiren dieses Ding im nächsten Monat sowieso zu sehen gekriegt. Immerhin sollt Ihr die Prototypen militärisch erproben.“
„Was hat es mit den Boostern auf sich?“, fragte Daisuke.
„Das ist einfach erklärt“, erklang die Stimme der Abteilungsleiterin hinter uns. „Bisher haben wir das Potential der Mechas nicht einmal ansatzweise genutzt. Es sind hervorragende Kampfmaschinen mit überlegener Ortungstechnik, aber ihre Reichweite ist begrenzt. Dies wollen wir mit dem Booster ausgleichen. Im Booster integriert ist wie der Name schon sagt ein Antrieb, der weite Reisen in relativ kurzer Zeit ermöglicht sowie ein Schirmfeldprojektor, um den Mecha während den so genannten Sprints vor kosmischen Trümmern zu schützen.“
Daisuke pfiff anerkennend. „Ein Schirmsystem für einen Mecha? Ich dachte bisher, das wäre unmöglich.“
„Nun, es ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Leider gibt es nur eine Handvoll Piloten, die für die Booster in Frage kommen, denn für den Betrieb des Boosters und des Schirmfelds auf Höchstlast benötigen wir die KI-Energie des Piloten. Wenn möglich eines in dieser Disziplin sehr erfahrenen Piloten. Das würde die Reichweite exponentiell erhöhen.“ Ellen kam heran und gab Daisuke die Hand. „Freut mich, Sie kennen zu lernen, Colonel. Natürlich ist das nicht das einzige Projekt an dem wir arbeiten, aber sicher eines der Wichtigsten.“
„Das sehe ich auch so. Ein Booster-System würde unsere Sparrows in die Lag versetzen, weitab von Mutterschiffen und Basen zu operieren und einen wesentlich größeren Raum abzudecken. Das ist ein immenser Vorteil.“
„So sehen wir das auch, Colonel.“ Ellen winkte ihm und mir zu, ihr zu folgen.
„Kommen Sie doch gleich mal mit, denn in der Werkstatt nebenan habe ich etwas, wozu ich gerne Ihre Meinung haben möchte.“

Wir betraten das Allerheiligste. Einen Bereich, in dem jeder Eintretende erneut einen Sicherheitscheck über sich ergehen lassen musste.
Dann standen wir in dem Gigantraum und Daisuke klappte die Kinnlade herab. „Was, bei allen Daishis dieses Universums, ist das?“
Ellen freute sich über die Reaktion des MechaKriegers. „Das ist ein Daishi Epsilon, wie er erstmals vor gut zwei Jahren bei der zweiten Marskampagne in Erscheinung trat. Diesen hier haben natürlich wir gebaut. Aber er ist der einzige Mecha, der für unser Vorhaben geeignet scheint. Sein Codename ist Bruder Auge.“
Daisuke starrte auf die teilweise entfernte Panzerung und das damit freigelegte Innenleben der Maschine. „Fünf Sitze?“ Er umrundete den Mecha. „Keine Waffen, bis auf ein Lasergestütztes Raketenabwehrsystem? Die Halterungen dort sollen doch sicher für einen Booster sein, oder?“
„Gut erkannt, Colonel. Was Sie hier sehen, ist die moderne Raumkampf-Form eines mobilen Taktik-Zentrums.“ Ellen aktivierte ein Hologramm neben sich, dass Bruder Auge aus verschiedenen Blickwinkeln und bei verschiedenen Aktionen zeigte.
„Dieser Mecha ist unbewaffnet, ja. Und er hat Platz für einen Piloten und vier Radartechniker. In ihm integriert sind die neuesten und besten Ortungssysteme, über die wir verfügen. Sowohl was die Passiv-Ortung als auch die Aktiv-Ortung betrifft.
Mit diesem Mecha soll es uns möglich sein, bis zu hundertzwanzig Mechas während einer Schlacht zu koordinieren. Wir bauen bereits an elf. Acht davon gehen nach Fertigstellung in das Projekt Troja über.“
Daisuke sah zu mir herüber. In seinen Augen schimmerte Erkenntnis auf. „Das hast du also die ganze Zeit gemacht? Du hilfst, Projekt Troja vorzubereiten? Ich nehme an, der Booster gehört ebenfalls dazu, was?“
„Der Booster, Bruder Auge und noch ein Dutzend anderer Spielereien“, bestätigte ich. „Lust auf einen Kaffee?“

2.
„Guten Morgen, Hitomi-chan“, sagte Megumi freundlich.
Die junge Frau nickte leicht. „Guten Morgen, Colonel… Ich meine Megumi-chan.
Himmel, ist es schwer, manche Gewohnheiten wieder abzulegen.“
Die Mecha-Pilotin seufzte. „Wem sagst du das?“
Beide Frauen lachten kurz, während sie ihren Weg in die Schule fortsetzten. Ein ganz normaler Tag mit einem ganz normalen Lehrplan.
Seit der Mars besiegt war, konnte Megumi endlich ihrem Lehrplan ohne Unterbrechungen nachgehen. Ihre weitere Zukunft an der neu gegründeten UEMF-Akademie hatte sie auch schon fest eingeplant.
„Ist es nicht merkwürdig?“, sinnierte Hitomi leise. „Da gehen wir zur Schule, umgeben von über achthundert Schülern, und fast jeder aus dem letzten Jahr ist ein Veteran, der in der United Earth Mecha Force gedient hat.“
„Ja, das ist schon irgendwie merkwürdig. Du siehst jemanden in Schuluniform und suchst unwillkürlich nach den Rangabzeichen. Albern, was?“, lachte Megumi.
„Albern ist vor allem das da“, meinte die Schulkameradin und deutete auf eine Gruppe Jungen aus dem ersten Jahr an der Oberstufe, die gerade Yoshi und Doitsu umringt hatten, um sie wie jeden Morgen auszuquetschen.
„Sag mir dass das nicht wahr ist. Was denken diese pubertierenden Kinder bloß? Dass Krieg ein Spiel ist?“, schimpfte Megumi.
„Nein, sie denken, wenn wir für die Erde kämpfen konnten, dann können sie es erst Recht“, murmelte Hitomi.
„Wer hat denen eigentlich erzählt, dass Krieg Spaß machen soll?“ Megumi schüttelte ärgerlich den Kopf, als sie die Gruppe um die beiden Mecha-Piloten passierten.
„Vielleicht hätte Commander Otomo nicht erlauben dürfen, dass Spiele zur Marskampagne entwickelt werden. Oder diese Animeserie. Die Romane. musst du nicht dauernd Autogramme geben, obwohl du gar nicht namentlich in den Romanen erwähnt wirst?“, neckte Hitomi.
„Ich habe meinen Auftritt. Es ist eben nur ein falscher Name“, erwiderte Megumi, bevor sie merkte, dass sie ihrer Kameradin in die Falle gegangen war.
„Erwischt. Du hast sie also tatsächlich gelesen.“
„Ja, habe ich. Sind sogar richtig gut geworden. Man könnte meinen, ein Insider hat sie geschrieben.“
„Hm. Ob Akira sie geschrieben hat? Ich meine, irgendwas wird er doch gemacht haben in den letzten anderthalb Jahren.“
Megumi warf ihr einen ärgerlichen Blick zu.
„Oh, Verzeihung. Habe ich total vergessen.“ Hitomi sah zu Boden. „Wie hältst du das überhaupt aus? Ich meine, eine so lange Zeit kein Lebenszeichen von ihm, das muss dich doch in den Wahnsinn treiben. Also, wenn ich du wäre, dann… Ach, keine Ahnung.“
„Ich kriege ja Lebenszeichen von ihm“, murmelte Megumi leise. „Sein Vater sagt mir regelmäßig, dass es ihm gut geht.“
„Das ist aber nicht gerade das Wahre. Und dabei ist es auch egal, dass er Blue Lightning ist. Als Freund sollte er sich nicht so benehmen. Niemand würde dir einen Vorwurf machen, wenn du in der Zwischenzeit deine Freundschaft zu Mamoru wieder aufwärmst.“
„Hä?“, machte Megumi erstaunt. „Wieso? Ist er nicht mit Akane zusammen?“
„Akane hat sich für das Troja-Projekt anwerben lassen, diese Topgeheimsache, um die alle so einen Heidenlärm machen. Und Mamoru eben nicht. Das ist das ganze Geheimnis. Bevor Akane dann zum Mars geflogen ist, haben sich die beiden getrennt.
Hm, wundert mich, dass er sich noch nicht bei dir gemeldet hat.“
„So ist es ja nun auch nicht, dass er gleich bei mir in die Tür einfällt, nur weil Akane ihn abgelegt hat“, beschwerte sich Megumi.
„Was denn? Heißt das, du würdest dich nicht mal wenigstens mit ihm treffen? Ich meine, dein Akira-chan ist wer weiß wo. Niemand würde dir da etwas vorwerfen. Und wenn du ihn nicht willst, kriege ich ihn dann?“, fragte sie mit zuckersüßem Lächeln.
„So einfach ist das nicht, Hitomi“, murmelte die Offizierin der Mecha-Streitkräfte leise. „Als Akira verletzt wurde, da hat diese Frau ihn… Ihn einen Mörder genannt. Und ich habe gesehen, dass ihn das sehr tief getroffen hat. Er hat sich wieder und wieder die Frage gestellt, ob er wirklich nur ein Mörder ist. Oder ob töten ihm Spaß macht. Und dann so etwas ins Gesicht gesagt zu kriegen, das ist… Das ist…“
Megumi vergrub ihr Gesicht auf der Schulter der Freundin.
Hitomi umarmte sie sanft. „Schon klar, schon klar, Schatz. So sehr liebst du ihn?“
„Das ist so dumm, oder?“, hauchte Megumi leise.
„Vielleicht. Aber es ist wenigstens ehrlich. Wenn er es wirklich wert ist, dass du so lange auf ihn wartest, dann tue es. Tue es einfach.“
Megumi wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. „Danke.“
„Deswegen kannst du ihm trotzdem die Leviten lesen, wenn er plötzlich wieder vor der Tür steht“, fügte sie hinzu.
„Hm? Für den Fall hatte ich eigentlich etwas anderes geplant“, murmelte Megumi leise.
Hitomi wurde rot. „Bitte keine Details.“
Beide Mädchen lachten.

3.
„Frieden ist schon ein merkwürdiges Gefühl“, murmelte Doitsu leise, während er versuchte, dem Unterricht zu folgen. Sie waren nun im letzten Jahr. Und er hatte sich immer noch nicht entschieden, was er danach machen wollte. Auf die UEMF-Akademie gehen? Oder sich bei den Hekatoncheiren bewerben? Er war sicher, einen Veteran des Marsfeldzugs würden sie mit Kusshand nehmen.
Vielleicht hätte er einfach nur so konsequent sein sollen wie Kei, der gar nicht erst in die Schule zurückgekehrt und gleich an die Akademie gegangen war.
Aber er hatte ja auch ein Ziel vor Augen. Kei wollte ein eigenes Schiff. Und dafür tat er fast alles.

Vielleicht sollte er in die freie Wirtschaft gehen. Einen ruhigen Job in einem ruhigen Büro wählen und die Tage des Friedens ausnutzen, so gut es eben ging?
„Kommst du?“, fragte Yoshi.
Doitsu schreckte auf. „Was?“ Die Stunde war vorbei, er hatte es nicht einmal mitgekriegt.
Nachdenklich, sein Mittagessen in der Hand, folgte er dem Freund aufs Dach.
Kenji schloss sich wortkarg wie immer an.
„Frieden ist schon ein merkwürdiges Gefühl“, führte Doitsu seinen Gedanken fort.
Yoshi nickte. „Ja, das ist wahr. Ich meine, keine angreifenden Mechas, keine Raumschiffe, die sich gegenseitig beharken, Frieden zwischen Mars und Erde, die Anelph sind unsere Partner…
Eine wirklich merkwürdige Geschichte. Wenn da nicht das Imperium der Naguad wäre, würde uns eine wundervolle Zeit bevorstehen.“
„musstest du die Naguad erwähnen?“, fragte Doitsu ärgerlich.
„Machst du dir keine Gedanken um die Naguad?“, fragte Yoshi erstaunt.
„Natürlich mache ich mir Gedanken über sie. Das macht es ja so schwer. Ich meine, ich… Was soll ich ab hier machen? Ich will mein Leben sinnvoll verbringen. Mich auf einen Angriff vorzubereiten, der vielleicht niemals kommen wird, zumindest nicht in meiner aktiven Zeit, ist nicht wirklich sinnvoll.“
„Ich verstehe was du meinst“, murmelte Yoshi nachdenklich. „Du bist dir nicht sicher, ob du in die UEMF eintreten oder dein Glück in der Privatwirtschaft versuchen solltest.
Warum versuchst du es nicht mit deinem Familienbetrieb?“
Doitsu spürte, wie er rot wurde. „Das ist Geschichte. Ich werde nie wieder dorthin zurückgehen. Und ich wäre dankbar, wenn du das Familiengeschäft der Atakas nicht mehr erwähnst.“
„Schon gut. Hm, was bleibt denn noch? Welche Fähigkeiten hast du? Ich meine abgesehen davon, dass du ein wirklich exzellenter Mecha-Pilot bist? Deine Schulnoten sind gut, oder? Aber gibt es irgendetwas, was dich wirklich interessiert?“
Doitsu sah zu Boden. Sicher, es gab da etwas, was ihn interessierte. Etwas, was ihn wirklich sehr interessierte.
Dennoch. War dies ein richtiger Beruf? Würde er sich auf diesem Gebiet behaupten können?
„Ich würde mich gerne als Manga-Zeichner probieren“, murmelte Doitsu leise.
Yoshi klappte die Kinnlade herab. „Als Manga-Zeichner?“
„Er ist nicht schlecht“, sagte Kenji. „Ich kenne einige seiner Arbeiten. Wenn er hart genug an sich arbeitet, könnte er Profi werden.“
„Profi?“ Yoshi legte beide Hände an seine Schläfen. „Moment, Moment, Auszeit. Das sind deine Alternativen? Entweder in die UEMF eintreten oder Mangas zeichnen? Und du hast auch schon deine ersten Fanarbeiten veröffentlicht? Himmel, warum sagt mir so was keiner?“
„Ich habe es gesagt. Ich habe dich sogar gebeten mal rein zu lesen. Aber kurz vor der Mars-Kampagne war es vielleicht eine schlechte Idee“, murmelte Doitsu.
„Äh“, machte Yoshi. „Hast du vielleicht eine etwas eher materielle Eigenschaft? Kannst du gut mit Computern? Bist du gut mit Zahlen? Oder liegt dir ein Schweißgerät gut in der Hand? Irgendetwas?“
„Weiß nicht. Was wirst du denn machen, Yoshi?“
„Ich? Hm. Ich gehe mit Akira.“
Doitsu und Kenji sahen den Freund erstaunt an.
„Was denn? Zwei Jahre, hat er gesagt. Diese zwei Jahre sind fast um. Also wird er auf eine neue Mission gehen. Und ich werde ihn begleiten.“
„Du scheinst dazu fest entschlossen zu sein“ kommentierte Kenji amüsiert.
„Ich habe es ihm immerhin versprochen“, sagte Yoshi leise. „Und ich pflege meine Versprechen zu halten.“
„Und das, obwohl er sich anderthalb Jahre irgendwo verkrochen hat?“
Nachdenklich legte sich Yoshi auf den Rücken. Er legte die Hände an den Hinterkopf und starrte in die Wolken. „Niemand kann das so gut verstehen wie ich. Ich meine, Hey, mein Großvater trainiert mich darauf, einmal KI-Meister zu werden.“
Übergangslos wurde seine Aura sichtbar. Kleine Überschlagsblitze zuckten über seinen Körper. „Das erfordert viel Disziplin. Aber ich sehe dieses Ziel und ich will es erreichen.
Auch Akira hat ein Ziel vor Augen. Und er arbeitet hart daran, um es zu schaffen.“
„Was macht dich so sicher?“, fragte Doitsu leise.
„Ich bin der einzige, der weiß wo er sich gerade aufhält. Reicht das als Sicherheit?“, erwiderte der Eagle-Schütze ernst.
„D-du weißt, wo er ist? Aber… Aber… Warum hast du nie etwas davon erzählt?“, rief Doitsu aufgebracht. Kenji starrte den Freund entsetzt an.
„Weil es nichts zur Sache getan hat. Akira hat mir gesagt, bevor er aufbrach, dass er Zeit braucht, um sich nicht länger als Mörder zu fühlen. Aber für den Fall, dass Megumi ihn brauchen sollte, hat er mir gesagt, wie ich ihn erreiche. Ich meine, er wollte ihr erst wieder unter die Augen treten, wenn er wieder in sich gefestigt ist. Aber er war bereit, diesen Vorsatz jederzeit zu brechen.“
„Aber warum hat er es nur dir gesagt? Warum nicht uns anderen?“, fragte Kenji.
Yoshi sah zu dem Freund herüber. „Aus genau diesem Grund. Was würdest du machen, wenn du wüsstest, wo er ist? Zumindest würdest du ihm schreiben, oder?
Und was würde dann passieren? Wenn weitere seiner Freunde davon Wind bekämen? Dann erfährt es die Presse und ade, du schöne ruhige Zeit der Selbstfindung.“
„Schöne Zeit der Selbstfindung? Du hast vielleicht Nerven, Akira bei so einem Quatsch auch noch zu helfen.“ Wütend sah Doitsu zu Boden.
Yoshi zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist das was er tut, egoistisch. Vielleicht bin ich wenn ich ihn darin unterstütze, auch egoistisch. Aber Entschuldigung, irgendwie hat es sich richtig angefühlt.“

Sie schwiegen eine lange Zeit.
„Frieden“, begann Doitsu leise, „Ist schon ein merkwürdiges Gefühl. Vor allem, wenn er so fragil ist.“
Er erhob sich. „Na. Jedenfalls weiß ich jetzt, wofür ich mich entscheiden werde.“
„Und für was?“, fragte Yoshi.
Doitsu schob seine Brille die Nase hinauf. Dabei ging ein schimmernder Reflex über die Gläser. „Das, meine Freunde, werdet Ihr noch früh genug sehen.“

4.
Ich goss mir und Daisuke nach. Dann ging ich zum Panorama-Fenster und sah hinaus ins Meer der Stille. Daisuke gesellte sich zu mir.
„Du glaubst doch hoffentlich nicht, dass wir das Imperium der Naguad besiegen können, oder?“, begann der junge Mecha-Pilot die Konversation.
Ich nippte an meinem Kaffee. „Nein, sicherlich nicht. Aber wir können jeden Versuch der Naguad, sich dieses Sonnensystem einzuverleiben so teuer werden lassen, dass sie es sich dreimal überlegen werden, ob sie es probieren.“
Ich sah den Freund an. „Weißt du eigentlich, was unser großer Vorteil gegenüber den Schiffen der Anelph ist? Während unsere Schiffe lediglich innerhalb des Sonnensystems agieren, verfügen die Anelph-Schiffe noch über einen Sprungantrieb. Einem Antrieb, der ein künstliches Wurmloch erzeugt, welches sie befähigt, fünf und mehr Lichtjahre binnen weniger Tage zu überbrücken. Aber diese Antriebe sind groß und sie brauchen viel Energie.
Dies fällt bei unseren Schiffen weg. Wir haben mehr Platz, das bedeutet mehr Komfort und vor allem mehr Energie und Waffen.“
„Dafür können sie nicht springen“, wandte Daisuke ein.
„Ja, aber das war bisher auch nicht nötig. Ich meine, wir wollten bisher nicht über die Grenzen unseres Systems hinaus. Wir haben ja das hier noch nicht einmal richtig erforscht.“ Ich sah den Freund an. „Ich denke, wir sollten aus dem vermeintlichen Nachteil unserer Schiffe einen Vorteil machen. Warum ihnen Sprungantriebe einbauen und somit die Waffen kastrieren?“
„Moment, Moment. Damit ich das richtig verstehe. Du arbeitest hier an der Entwicklung von Boostern, um die Reichweite von Mechas zu erhöhen sowie einer Art mobilem Superviser-System. Dazu kommen noch Dutzende Spezialprojekte. Und alle fließen in Projekt Troja ein.“
„Soweit ist das richtig“, bestätigte ich.
„Und was ist Projekt Troja?“
„Projekt Troja ist unser Versuch, zehntausend Anelph oder noch mehr zu retten“, eröffnete ich trocken.
„So? Da bin ich aber erleichtert. Ich dachte schon, es wäre Ziel des Projektes, die Heimatwelt der Naguad zu vernichten, oder so. Aber das klingt doch nach einem erreichbaren Ziel.“ Daisuke nahm einen Schluck Kaffee.
Ich rieb mir den Nacken. „Wie man es nimmt. Die Naguad werden nach einer solchen Aktion sicherlich erst Recht auf unsere Spur kommen.“
„Früher oder später wäre dies ohnehin geschehen, oder?“
„Später ist mir eindeutig lieber“, erwiderte ich.
„Also, wir fliegen rüber, retten zehntausend Anelph und kehren zur Erde oder vielmehr zum Mars zurück. Sehe ich das richtig? Falls wir überhaupt zehntausend Anelph finden, die bereit sind, sich umsiedeln zu lassen.“
„Das sollte nicht das Problem sein. Admiral Ryon, der militärische Anführer, meinte, sie hätten über kurz oder lang ohnehin eine Art geheimen Pendelverkehr zwischen ihrer neuen Heimat und der alten veranstaltet, um weitere Anelph zu retten“, sagte ich leise. „Zehntausend sind da eher noch in einem kleinen Maßstab angesetzt.“
Erstaunt sah Daisuke mich an. „Sag mal, wie oft sollen wir denn hin und zurück fliegen?“
„Ich höre immer wir“, spottete ich.
„Natürlich wir. Oder denkst du, auf so eine gefährliche Mission lasse ich dich alleine?“ erwiderte der Freund ernst.
„Eigentlich habe ich nichts anderes erwartet“, erwiderte ich und bemühte mich stur gerade aus zu sehen, damit Daisuke nicht den feuchten Schimmer in meinen Augen bemerkte.

„Also?“, fragte er endlich.
„Also was?“
„Also, wie lange willst du noch John Takei bleiben? Ich gebe zu, es hat seine Vorteile und du kannst in Ruhe arbeiten. Aber ist es nicht langsam an der Zeit, wieder Akira Otomo zu werden?“ Bei den letzten Worten war Daisuke sehr viel leiser geworden, damit niemand außer mir ihn hören konnte.
Ich umfasste meinen Kaffeebecher weit härter als nötig. „Ich… Ich weiß nicht. Es… ist sehr bequem, das Leben aus einer vollkommen neuen Perspektive anzugehen. Es schützt vor Säureattentaten, aufdringlichen Fans, nervigen Vorgesetzten…“
„Nervigen Freunden?“
Betreten sah ich zu Boden. „Du hast ja Recht. Ich habe mich einfach zu rar gemacht. Anfangs war es leicht gewesen. Ich lag am Boden und ich redete mir ein, ich hätte jedes Quäntchen Qual verdient gehabt. Nur langsam und mühselig richtete ich mich wieder auf. Dabei half die Arbeit hier sehr. Und bevor ich mich versah, war ich so sehr in diese Arbeit integriert, war ich schon so sehr John Takei, dass…“
„Schon gut. Aber eines musst du mir noch beantworten. Hast du gefunden, was du gesucht hast, Akira?“
Ich betrachtete meine Hände, ließ sie sich ballen und wieder aufgehen. „Fast, Dai-chan. Fast. Ein kleines Quäntchen fehlt noch. Ich muss noch ein klein wenig länger John Takei spielen. Mir selbst beweisen, dass es nicht auf den Namen ankommt, sondern auf den Menschen. Wenn ich mit Takei vollkommen zufrieden bin, dann komme ich zurück“, sagte ich leise.
„Und wann bist du mit John Takei zufrieden?“, hakte Daisuke nach.
„Ich werde es wissen, wenn es soweit ist. Und bis dahin will ich zumindest diese Marodeure ausgeschaltet wissen“, erwiderte ich fest.
„Apropos, hast du ihnen heute eine Falle gestellt? Ich meine, abgesehen davon, dass sie nicht wissen konnten, mit wem sie sich da angelegt haben. Aber so schnell wie du meine Hotel gerufen hast, und das mit einem Überrangcode geringer Priorität... War es ein Hinterhalt?“
Ich grinste schwach. „Wir haben hier ein Sicherheitsleck bei Luna Mecha Research. Wenn ich da raus gehe, dann rechne ich immer damit, dass meine Position verraten wurde. Und das ist gut so. Es ist einfacher, die Marodeure zu mir kommen zu lassen anstatt mühsam nach ihnen suchen zu müssen.“
„Sicherheitsleck, Hm? Ich sollte eine Kompanie meines Kottos-Bataillons rüber nach Armstrong verlegen lassen. Nur für den Fall der Fälle. Einwände?“
„Keine Einwände. Nach dem letzten Zwischenfall ist das nur logisch. Es nicht zu tun dürfte die Marodeure warnen. Und das wollen wir doch nicht.“ Ich grinste matt.
„Eigentlich ist es pure Ironie. Nach der Mars-Kampagne habe ich allen Beteiligten eine Generalamnestie ausgesprochen, abgesehen von den Legaten und einigen, die sich offensichtlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit Zuschulden hatten kommen lassen. Soweit ich weiß fällt nicht einer der Marodeure in dieses Raster. Und dennoch leben sie lieber als Piraten, anstatt ein friedliches Leben auf der Erde oder dem Mars zu haben.“
„Dienst in der UEMF nicht zu vergessen“, fügte Daisuke an.
„Dienst in der UEMF, genau. Aber nein, sie leben lieber als Piraten, plündern Mondfrachter, lauern Versorgungsflügen zum Mars auf und verkaufen ihre Beute schwarz auf der Erde an Länder, die nicht an der Eroberung des Weltraums beteiligt sind.“ Nachdenklich sah ich den Freund an. „Kann es sein, dass ihnen das Leben als Pirat so gut gefällt?“
„Kann es sein, dass sie glauben, keine andere Wahl zu haben?“, erwiderte Daisuke.
„So kommt mir mein Leben auch manchmal vor. Hoffentlich kommen sie zur Einsicht. Bevor sie bei ihren Überfällen die ersten Menschen töten.“
Daisuke nickte bestätigend. „Falls doch, kennen wir keine Gnade.“
Er sah zu mir herüber. „Eines noch, Akira. Warum die neue Haarfarbe?“
Ich lachte leise und fuhr mir über die Schläfen. „Tarnung.“
„Tarnung? Was für eine Schnapsidee“, murmelte er.
Ich seufzte als Antwort.

5.
„Willkommen bei unserer Tour“, empfing Admiral Richards die Gruppe. „Herrschaften, wenn sie mir bitte folgen wollen.“
Der alte Amerikaner gehörte nicht zur jungen Garde, jenen Offizieren und Admirälen, die während des Krieges mit den Kronosiern in den Admiralsstab der UEMF gestoßen waren. Er hatte während der Krise die ENTERPRISE-Gruppe kommandiert und war dadurch aufgefallen, dass er Akira Otomo vorbehaltlos unterstützt hatte.
Diese Entscheidung war zweischneidig gewesen. Einerseits hatte man ihn bei der erstbesten Gelegenheit von seiner Kommandoposition abgelöst. Andererseits war er in den Planungsstab der UEMF aufgestiegen. Für einen Wet Navy-Offizier keine schlechte Karriere, sofern man lieber raumkrank als seekrank wurde.
Dean Richards führte seine Gruppe aus der Schleusenlounge zu einem der großen Materialfahrstühle, die zwei Kilometer in die Tiefe gingen. Es waren über neunzig Personen, hauptsächlich Angehörige von Freiwilligen der Menschen und Anelph, die man mit diesem Besuch beeinflussen wollte.
Der Fahrstuhl führte zuerst durch zweihundert Meter Gestein, durchsetzt mit Waben gleich einem Bienenstock, wo immer den Konstrukteuren es sicher oder ratsam erschienen war. Danach kam der Bereich, den man im Projekt Himmel nannte. Und gab einen Blick in zwei Kilometer Tiefe frei, in der eine Lichtdurchflutete Landschaft zu erkennen war.
Vereinzelte Laute der Begeisterung erklangen.
„Was Sie hier unten sehen, ist das eigentliche Herz von Projekt Troja. Die Werften auf der Oberfläche, die seitlichen Andockschleusen, die Aufbauten und Waffenplattformen, das sind im wahrsten Sinne des Wortes nur Äußerlichkeiten. Hier aber schlägt das Herz.“
Der Admiral gab den Menschen Zeit, die Eindrücke in sich aufzunehmen, während der Lift tiefer fuhr.
„Etwas weniger als hundertzwanzig Quadratkilometer, bedeckt mit dem künstlichen Meer Serenity, mit Ackerland und Waldbestand und einer Stadt sowie fünf kleineren Siedlungen, komplett über das Areal verstreut.
Wir haben lange Zeit überlegt, welchen Namen wir der Stadt geben sollen. Otomo City war im Gespräch. Aber dann konnten wir uns im Planungsstab nicht einigen, welchem Otomo wir sie eigentlich widmen – Akira oder Eikichi.“
Leises Gelächter erklang in der Gruppe.
„Welchen Namen trägt sie jetzt?“, wollte eine ältere Frau wissen, Mutter eines Hawk-Piloten.
„Nun, wir haben uns auf andere Art entschieden, jemanden zu würdigen. Diese Stadt trägt nun den Namen Fushida City, im Gedenken an die Schüler einer gewissen Oberstufenschule in Tokyo und ihren mutigen Schritt“, sagte der Admiral.
Er fügte leiser hinzu: „Mutiger als sehr viele andere.“

Direkt neben dem Fahrstuhl wartete an einer Haltestelle bereits ein Wagen der Magnetschwebebahn. „Wie Sie sehen können, ist die deutsche Entwicklung der durch Magnetisches Wechselspiel angetriebenen Bahn das Hauptverkehrsmittel in diesem Lebensraum. Sie ist leise, umweltfreundlich und vor allem schnell. Die Bahn verbindet auf elf Trassen alle sechs Wohnräume, die Anbaugebiete, in denen Weizen, Gerste, Reis, Kartoffeln, verschiedene Gemüsesorten sowie Obst als auch diverse biologische Finessen angebaut werden als auch den kleinen Ozean, beziehungsweise die künstliche Insel Poseidon in ihrer Mitte, die das hiesige Forschungszentrum und Hauptquartier der UEMF enthält, miteinander.
Natürlich gibt es auch Straßen, wir haben insgesamt neunzig Kilometer über Land und etwas über achthundert Kilometer innerhalb der großen und der fünf kleinen Städte verbaut. Aber der Verkehr findet auch hier nur mit Elektrowagen statt. Sie sehen, wir versuchen von vorne herein, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen einzuschränken. Fragen?“
„Ja, eine, Herr Admiral. Warum gibt es hier strahlenden Sonnenschein und einen blauen Himmel? Entschuldigen Sie die dumme Frage.“
„Aber, aber, es gibt keine dummen Fragen. Um ehrlich zu sein bin ich sogar dankbar, dass dies gefragt wird. Denn der Himmel ist eines der besten Projekte, eine unserer größten Leistungen.
In Wirklichkeit besteht der Himmel hier aus einer Decke aus zweihundert Meter Felsgestein, ebenso wie die Seiten. Nur der Boden ist mit durchschnittlich fünfhundert Meter erheblich dicker. Die Frage ist: Wieso sieht Felsgestein wie blauer Himmel mit Wölkchen aus?
Nun, die Wolken sind echt. Wir arbeiten hart an einer Wetterkontrolle und haben neulich so viel Luftfeuchtigkeit entstehen lassen, dass es in Fushida zwei Tage lang geregnet hat. Das war ein Spaß für die Aufbauteams.
Tatsächlich ist die Kaverne so groß, dass wir sogar eigene Wetterberichte für die Miniklimazonen Stadt, Meer und Land herausgeben. Tut mir Leid, ich schweife ab.
Jedenfalls verdanken wir diesen blauen Himmel den kronosischen Ingenieuren und Wissenschaftlern der Anelph. Dank ihrer Hilfe ist es uns gelungen, mehrere Hologrammgeneratoren zu bauen, die nicht nur einen erstklassigen blauen Taghimmel erzeugen. Nein, Sie sollten mal die Nacht hier verbringen. Tatsache ist, dass diese Hologramme einzigartig sind, denn sie emissieren Strahlung in ihrer ganzen Bandbreite. Nein, Radioaktivität nicht, denn wir gehen davon aus, dass die kosmische Strahlung leicht zunehmen wird, trotz eines zweihundert Meter dicken Schutzes und der gewaltigen Schilde des Projektes. Aber Wärme- und Lichtstrahlung im gesamten Spektrum, von ultraviolett bis Infrarot – und das zufällig genau im Spektrum, welches wir von unserer Heimatsonne Sol gewohnt sind.
Kommen Sie, lassen Sie uns einsteigen.“

Die Gäste betraten die Bahn, die kurz darauf anruckte und los fuhr.
„Falls es jemanden interessiert, wir fahren gerade mit vierhundertzehn Stundenkilometern“, bemerkte der Admiral grinsend. Erstaunte Rufe antworteten ihm.
Sie kamen am Meer vorbei. Richards hatte die Schleuse mit Bedacht gewählt, um den Menschen so viel wie irgend möglich vom Innenraum des Projekt Trojas zeigen zu können.
„Da liegen ja Leute am Strand“, staunte jemand.
„Ja, es ist herrliches Wetter heute und es wäre Verschwendung, diese Gelegenheit nicht zu nutzen“, kommentierte der Admiral. Er sah hinaus und lachte. „Ach, die sind von der Nachtschicht. Haben einen harten Dienst hinter sich. Da darf man sich auch mal vergnügen.“
Der Admiral machte sich Notizen.
„Darf ich fragen, was Sie da gerade notiert haben?“, fragte Brian Carter, der einzige zugelassene Reporter in der Gruppe.
„Was? Oh, nur eine Gedankennotiz. Wir müssen unbedingt ein Geschäft für Sportbedarf in unser Repertoire aufnehmen.“
„Sportbedarf?“
„Sportbedarf. Neue Badeanzüge, Volleybälle, Fußbälle, etwas in der Art. Sie verstehen. Die Menschen sollen hier nicht nur arbeiten, sie müssen hier eine lange Zeit leben. Und wo man lebt, soll man sich wohl fühlen.“
„Verstehe.“
Dann erreichten sie die Stadt.
Die Vorläufer waren eher klein, bestenfalls dreistöckig. Aber nach wenigen hundert Metern erhoben sich die ersten riesigen Wolkenkratzer. Einige von ihnen waren sogar fest mit der nördlichen Felswand verbunden.
„Fushida City. Willkommen in der Hauptstadt. Wir bieten hier Wohnraum für hunderttausend Menschen, wenn es hoch kommt, und Arbeit für siebzigtausend.“
Sie verließen die Bahn und wurden von weiteren Offizieren empfangen. Der Admiral ließ die Gruppe verkleinern, aufteilen und mit jeweils einem Offizier einen Rundgang durch die Stadt machen.

In der Zwischenzeit trank er einen Kaffee mit Executive Commander Otomo.
„So sieht es also aus, Ike“, brummte der alte Admiral.
„Ich würde es begrüßen, wenn Sie versuchen würden, meinen Vornamen richtig auszusprechen, Dean“, erwiderte der Commander säuerlich.
„Als wenn das im Moment relevant wäre. Was denken Sie, werden diese Menschen beeindruckt sein?“
„Ich weiß nicht. Ich war jedenfalls beeindruckt, seit ich das erste Mal in dieser Höhle stand. Ein unglaubliches Erlebnis. Schwerindustrie und Waffenanlagen, Werftplattformen und Andockschleusen rund um den Felsen auf der Außenhülle verteilt, leichte Industrie in den Wänden integriert. Der mächtige Sprungantrieb im Heck, dazu die gewaltigsten Manöverdüsen, die ich jemals gesehen habe über den gesamten Felskörper verteilt. Im Innenraum Farmland, ein Meer und eine Stadt.“
„Die fünf kleineren Orte nicht vergessen“, schmunzelte Richards.
„Ja, die fünf Ortschaften nicht vergessen. Und dann noch die vielen Appartements, die sich wie Schwalbennester auf die Innenseiten der Felswände heften und einen phantastischen Ausblick auf das Innenleben werfen… Man würde am liebsten hier einziehen wollen.“
„Es ist beinahe unglaublich, dass dieses Ding nicht nur stabil ist sondern auch noch leicht manövrieren können soll, was?“, bemerkte der Admiral.
„Das ist in der Tat unglaublich. Aber leicht zu erklären. Wir haben zusammen mit Kronosiern und Anelph zwei konträr arbeitende Antigravitationsgeneratoren entwickelt und integriert. Einer sorgt permanent dafür, dass im Innenraum eine Gravitation von einfacher Erdschwere herrscht. Zur Decke hin nimmt das etwas ab, da haben wir zehn Prozent Verlust. Aber das ist annehmbar.
Und ein anderer sorgt permanent dafür, dass Beharrungskräfte, Masseimpulse und Scherkräfte nicht auf dem Gesteinsmantel wirken können. Er fungiert als gigantischer Puffer, als Andruckabsorber, und hält das ganze Ding stabil.“
„Wie viele Menschen werden hier maximal leben können?“, fragte der Admiral unvermittelt.
„Nun, die Appartements und Wohnhäuser zusammen gerechnet haben wir im absoluten Ernstfall, wenn wir die Leute eng zusammen packen müssen, Platz für vierhunderttausend Menschen oder Anelph. Das ist das Maximum. Mehr können wir ohne konstante Nahrungsversorgung von außen nicht aufnehmen. Geplant ist aber eher eine Zahl von zweihunderttausend. Das kann die Stadt gut verkraften und die Menschen stehen sich nicht gegenseitig auf den Füßen. Wobei ein Viertel davon auf Angehörige der Flotte entfallen wird.“
„Fünfzigtausend? Ein winziger Anteil, oder?“
Eikichi grinste schief. „Nun, viele Aufgaben, die eigentlich der Flotte vorbehalten sein sollten, werden von Zivilisten oder ehemaligen Angehörigen der Flotte wahrgenommen. Die Lagerverwaltung, die Werften, die Schleusenkontrolle, et cetera, et cetera. Alles, was wir abgeben können. Lediglich die Waffen, die Flotte und das militärische Kommando liegen fest in der Hand der UEMF. Schließlich ist dies hier keine ausschließliche militärische Expedition. Sie findet eher unter dem Schutz der UEMF statt.“
„So kann man es auch nennen. Also brauchen wir etwa hunderttausend Zivilisten, die bereit sind, sich hier anzusiedeln. Für welchen Zeitraum? Ein Jahr? Zwei? Fünf?“
„Nun“, begann der Commander leise, „es sind fünfzig Lichtjahre bis zur Heimatwelt der Anelph. Das sind vier bis fünf Sprünge, wenn man bedenkt, dass wir von System zu System springen müssen.. Wir werden für jeden einzelnen Sprung einen Monat brauchen, wenn wir es vorsichtig angehen. Aber wir haben keine Ahnung, was uns im Zielgebiet erwartet, geschweige denn wie vorsichtig wir sein müssen. Ob wir Umwege nehmen werden müssen. Deshalb ist die erste Expedition auf anderthalb Jahre veranschlagt. Anderthalb Jahre, in denen wir unser Militär nicht aufstocken können, unsere Vorräte nicht ergänzen werden… Es wird eine schwierige Zeit werden. Viele unserer Waffen sind munitionsabhängig. Zwar können wir mit unseren Fabriken in geringem Umfang nach produzieren, aber das ist eine letzte Option.“
„Ike, Sie klingen so, als wollten Sie mitfliegen“, bemerkte der Admiral feixend.
„Natürlich will ich mit. Nach dem Krieg gegen die Kronosier ist dies das größte Abenteuer, welches die Menschheit je erlebt hat. Nachdem ich schon den Rest des Krieges quasi eingefroren war, würde ich wenigstens das gerne miterleben.
Aber leider habe ich meine eigenen Pflichten. Daher muss ich das hier alles meinem Sohn überlassen.“ Eikichi seufzte entsagungsvoll.
„Apropos. Seit dem Säureangriff habe ich nichts mehr von ihm gehört. Geht es ihm gut?“
„Akira? Er ist auf dem angegriffenen Auge fast blind. Aber er hat sich gefangen. Im Moment arbeitet er in einem Geheimprojekt Undercover, um die Mission hier vorzubereiten. Er wird hier her kommen, sobald es nötig wird.“
„Es ist gut zu wissen, dass der junge Fuchs bei uns sein wird. Wollen Sie ihm das Kommando geben?“, hakte Richards nach.
„Nein, Dean. Das Kommando über das gesamte Projekt bekommt meine Nichte Sakura Ino. Sie hat sich sehr bewährt und bereits zugestimmt. Akira bekommt das Kommando über die Mecha-Steitkräfte.“
„Was ist mit den Zivilisten? Unterstehen sie der Militärdoktrin?“
„Nur in militärischen Belangen. Wir planen, Bürgermeister wählen zu lassen. Diese sind dann aber nur für zivile Belange zuständig und haben keinen Einfluss auf Militär und Kurs des Projektes.“

Eikichi erhob sich. „So, ich muss zurück zur Erde. Seien Sie vorsichtig und halten Sie den Kopf gerade. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Marodeure hier operieren oder sogar ein Feind ausgerechnet hier angreift. Aber unmöglich ist es nicht. Und solange weder die Waffen online sind noch der Begleitschutz zusammen gestellt ist, müssen Sie mit den vierzig Mechas der Wachmannschaft und den drei Fregatten der Yamato-Klasse auskommen.“
„Das geht in Ordnung, Sir. Damit kommen wir klar. Eines noch. Wie groß wird die Flotte sein, die Projekt Troja bekommen wird? Hat man sich da schon Gedanken gemacht?“
„Nun, Dean, das hat man. Wir bekommen von den Anelph einen Zulu Zulu als Flaggschiff gestellt. Sie haben ihn umgebaut und auf den neuesten Stand gebracht. Will sagen, bessere Panzerung, kein Sprungantrieb und stärkere Waffen. Dazu werden drei Bismarck kommen, fünf Midway und zwölf Yamato. Außerdem werden wir zwanzig Foxtrott frei machen. Sie werden als eine Art Kanonenboot fungieren, direkte Beiboote, wenn Sie so wollen. Reicht Ihnen das?“
„Mehr werden wir wohl nicht unterhalten können“, bemerkte der Admiral amüsiert. Er erhob sich nun auch, bezahlte und folgte dem Executive Commander nach draußen.

Dort erwarteten sie bereits die Besucher. Sie schwatzten aufgeregt miteinander. Als sie Eikichi Otomo erkannten, verstummten sie aber.
„Guten Tag. Ich bin Executive Commander Eikichi Otomo. Aber das wissen Sie sicherlich längst. Was Sie aber nicht wissen ist, warum wir diese Führung mit Ihnen veranstaltet haben. Sicher, Sie konnten sehen, wie Ihre Angehörigen in der UEMF leben werden, wenn sie mit diesen Schiff aufbrechen werden. Aber es gibt noch einen anderen Grund.
Diese Stadt, diese Kaverne, sie bieten Arbeitsplätze und Lebensmöglichkeiten für zehntausende Menschen. Wir haben Schulen gebaut, Universitäten, Supermärkte, kleine Bars, Diskotheken, Fachgeschäfte, Lebensmittelläden, und, und und…
Vierhundertelf namhafte Firmen haben bisher zugesagt, kleine Betriebe zu errichten, damit ihre lizenzierte Produkte auch hier erhältlich sein werden, angefangen vom Schokoriegel bis hin zum Sportwagen. Wir wollen diese Stadt hier mit Leben füllen. Und dies vornehmlich, aber nicht ausschließlich mit den Angehörigen unserer Soldaten.
Ihnen bieten wir als ersten an, sich hierher umsiedeln zu lassen, solange die Mission dauert. Betreiben Sie ein Geschäft, arbeiten Sie in einer Firma, seien Sie Hausfrau und Mutter, lernen oder lehren Sie an den Schulen. Es gibt hunderte Möglichkeiten, hier ein gutes Leben zu führen.
Fliegen Sie jetzt wieder nach Hause. Ein entsprechendes Angebot wird in den nächsten Tagen in Ihrer Post liegen. Danach haben Sie einen Monat Zeit, bevor wir dieses Angebot allen Menschen auf der Erde machen und Ihre jetzt schon reservierten Plätze ebenfalls ausgeschrieben werden. Danach haben alle Menschen lediglich einen weiteren Monat Zeit, hierher umzusiedeln. Denn einen Monat vor dem Start wollen wir die Gemeinschaft sich einpendeln sehen. Ach, bevor Sie fragen: Die Preise hier an Bord sind eingefroren, die Währung ist Yen. Eine kleine Sache, die ich mit meinem Dickschädel durchgesetzt habe.
Bitte Entschuldigen Sie mich jetzt.“

Otomo nickte den Anwesenden noch einmal zu und ließ sie dann in der Obhut des Admirals zurück. Die Menschen starrten dem Commander so lange nach wie es ging, bevor der erste zaghaft fragte: „War das wirklich Eikichi Otomo?“
Richards grinste breit. „Ja, das war Oberbefehlshaber der United Earth Mecha Force.“
„Kommt der Commander mit auf den Flug?“, wollte ein anderer wissen.
„Nein, er wird hier gebraucht, im Sonnensystem. Aber sein Sohn Akira wird diesen Flug mitmachen.“
Aufgeregtes Raunen ging durch die Menge.
„Kommen Sie, wir haben alle genug gesehen. Ich bringe Sie in Ihre Quartiere im Schleusendock, damit Sie sich vor dem Heimflug ausruhen können.“
„Warum können wir das nicht hier? Es ist doch eine schöne Stadt.“
Richards musste hart an sich halten, um nicht breit zu grinsen. „Wenn Sie drauf bestehen…“

6.
Nach einem überlangen Arbeitstag und einem langen Gespräch mit Daisuke, bevor dieser wieder in seinen Hawk geklettert und zurück geflogen war, kam ich nach Hause. Conrad war über die zweistündige Verzögerung ungehalten, zeigte es aber nicht. Ich merkte es nur daran, dass der Geheimdienstoffizier sehr viel schneller fuhr als nötig gewesen wäre.
Aber es war wichtig gewesen, da konnte ich eben nicht auf den Feierabend eines Untergebenen Rücksicht nehmen.
Als ich die Tür zu meinem Appartement öffnete, flammte nicht sofort automatisch das Licht auf, was mich sofort dazu bewog, in die Hocke zu gehen und die Arme zum Block hoch zu reißen. Die richtige Entscheidung, wie ich feststellte, als ein stahlhartes Bein auf Augenhöhe in meinen Block rauschte.
Ich drückte das Bein und den dazugehörigen Körper von mir fort und riss mit der rechten Hand meine Augenklappe ab. Sofort bekam ich eine vage Ahnung meiner Umgebung, sah einen menschlichen Schatten vor mir, der sich gerade fing und versuchte, mich erneut zu attackieren. Ich tanzte den Angriff aus, versuchte meinen Gegner im Genick zu packen und gegen die Tür zu werfen, aber mein Gegner konterte und drückte in meine Seite. Ich wurde meterweit davon geschleudert.
Hart fing ich mich auf allen Vieren auf, orientierte mich kurz und warf mich zur Seite, als mein Angreifer meine derzeitige Position attackierte.
Als der Schemen über mich hinweg huschte, sammelte ich mein KI in der Rechten und versetzte dem Schemen einen derben Schlag in den Magen.
Ein erschrockener Aufschrei bewies mir, wie gut die Attacke gesessen hatte.
Der Angreifer fiel neben mir zu Boden und rang nach Atem.
Übergangslos flammte das Licht auf.
Für einen Moment war ich geblendet, aber ich gewöhnte mich schnell daran.

„Hallo, Aki-chan“, sagte Joan neben mir und hielt sich den Magen. „Autsch. Volltreffer. Kannst du das mit dem KI nicht sein lassen?“
Ich riss entsetzt die Augen auf. „Du hast gut reden! Lauerst mir hier im Dunkeln auf und verprügelst mich fast! Wie bist du überhaupt hier rein gekommen? Und überhaupt, woher weißt du, wo ich bin?“
„Genau das ist dein Problem, Akira“, erklang die Stimme von Makoto neben mir. Er hatte es sich in meinem Lieblingssessel bequem gemacht und dezimierte gerade meine Fruchtsaftvorräte. „Joan und ich haben uns zusammen getan, um dich zu suchen. Und wenn wir beide dich haben finden können…“
„Gut, gut, die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden gab es ja immer. Aber warum habt Ihr mich gesucht?“, fragte ich.
„Nun, abgesehen davon, dass wir dich vermisst haben, wollten wir dir deine Auszeit eigentlich gönnen. Deine viel zu lange und wortlose Auszeit. Keine Briefe, keine Anrufe, nichts.“
Abwehrend hob ich die Arme. „Ist ja schon gut, ist ja schon gut.“
Ich erhob mich und half anschließend Joan wieder auf die Beine.
„Danke, Aki-chan.“
„Als wir aber eher zufällig tatsächlich einen Hinweis auf dich entdeckten, gingen wir dem sofort nach. Denn wenn du einmal aufgespürt werden konntest, dann sicher auch ein zweites Mal. Und dann sind es vielleicht nicht so nette Leute wie ich und Joan.“
„Verstehe“, brummte ich und ließ mich auf einem anderen Sessel nieder.
Joan Reilley rieb sich den schmerzenden Magen und setzte sich auf die Lehne von Makos Sessel.
„Und denke nur nicht, dein Problem wären die Marodeure“, setzte Makoto seinen Gedanken fort. „Die sind nur die Spitze des Eisberges. Jene, die sie mit ihrer Beute beliefern, die sind das Problem. Denkst du wirklich, die operieren autark? Nein, die haben ein halbes Dutzend Geheimdienste hinter sich und mindestens acht Länder, die im Gegenzug mit der Beute beliefert werden.
Und diese Geheimdienste, Akira, die sind unser Problem.“
„Um es mal auf den Punkt zu bringen, bevor Mako-chan wieder den Faden verliert“, merkte Joan an, „ich hätte auch ein Attentäter sein können. Deine Sicherheit basiert zu sehr darauf, dass du John Takei bist. Das sollte hiermit vorbei sein.“
„Verstehe“, brummte ich. Damit war meine Tarnung tatsächlich nicht mehr viel wert.
„Und außerdem“, sagte sie, stand auf und stellte sich vor mich, „sollte ich dir gleich mal den Hintern versohlen, mein lieber Akira. Was fällt dir ein, dich nicht zu melden? Wir haben uns alle schreckliche Sorgen um dich gemacht. Und die arme Megumi, dass sie überhaupt noch zu dir hält ist ein mittelschweres Wunder. Du hast dieses prächtige Mädchen überhaupt nicht verdient, weißt du das?“
Betrübt sah ich zu Boden. „Tut mir Leid.“
„Na, immerhin“, bemerkte Mako. „Und? Was tust du ab jetzt, Akira?“
„Was wohl? Erst bringe ich meinen Auftrag hier zu ende“, erwiderte ich ernst, „und dann fliege ich endlich nach Hause.
Eines interessiert mich jetzt aber doch, Leute. Wie habt Ihr mich gefunden?“, fragte ich leise.
Makoto hob die Hand. „Das war leicht. Zu leicht. Ich bin neulich auf die Akte von John Takei gestoßen. Abgesehen davon, dass ich mich an einen Hawk-Piloten dieses Namens nicht erinnern konnte, hat mich doch eine Sache stutzig gemacht. Als Kommentar über seine Fähigkeiten stand dort: Fast so gut wie Blue Lightning…“
„Oh“, machte ich.
Meine Freunde lachten. Da hatte ich mich tatsächlich selbst verraten…

Epilog:
„Die AURORA, benannt nach der griechischen Göttin der Morgenröte, ist das größte, jemals von Menschenhand erschaffene manövrierbare Objekt. Und genau wie die Göttin der Morgenröte den neuen Tag ankündigt soll die AURORA eine neue Zeit beginnen lassen. Eine Zeit der Solidarität und Stärke.
Mit Hilfe modernster Waffentechnologie wurde die Außenhülle verflüssigt, Meter für Meter. Somit wurden sämtliche potentiellen Bruchstellen verklebt. Erst anschließend begann man über die zuvor installierten Schleusen eine Atmosphäre einzufüllen.
Dies war dabei das kleinste Problem, denn Sauerstoff gilt als fünfthäufigstes Element in diesem Universum und konnte leicht aus Wasser extrahiert werden, welches von Eisbrocken aus dem Planetoidenring herbeigeschafft worden war.
Anschließend begannen Innenbaumaßnahmen, die in das Bild gipfelten, welches wir nun sehen. Binnen weniger Jahre erschuf Know How, Engagement und Experimentierfreude ein neuartiges, geschlossenes Ökosystem, dem nur noch eine Komponente fehlt – der Mensch.
Universitäten, Schulen, Einkaufszentren, kleinere und größere Geschäfte, internationale Firmen, Banken und Versicherungen, alles ist hier vertreten und bereit für die große Reise.
Bereit für den großen Auftrag, so viele Anelph wie möglich aus der Hand der Naguad zu retten und damit letztendlich unsere eigene Verteidigung zu stärken.
Die AURORA, Hoffnung der Menschheit. Sendbotin einer neuen Zeit.“
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