Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Imagepflege

Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Danny Heffernan Spence Olchin
21.02.2009
21.02.2009
1
3.086
1
Alle Kapitel
11 Reviews
Dieses Kapitel
10 Reviews
 
 
 
21.02.2009 3.086
 
„Doug? Doug!“
Genau der schrille Tonfall, der selten Gutes verhieß. Doug versank tiefer in seinem Sofa, während Carrie die Treppe runtertrampelte. Sinnlos; Sekunden später stand sie direkt im Bild und wedelte ihm mit einem grauen Kleid vor der Nase herum.
„Weißt du, was das ist?“ Immer noch dieser schrille Ton.
„Ein Kleid?“, sagte Doug und versuchte, an Carrie vorbei auf den Fernseher zu linsen.
„Nicht ganz. Es ist ein Kleid mit einem Fleck. Und weißt du, wer daran schuld ist?“
„Der Kerl von Fred's Diner, der immer zu viel Ketchup auf die Burger macht?“
„Nein!“, fauchte Carrie. „DU bist daran schuld! Ich hatte dich freundlich gebeten, das Kleid auf dem Rückweg von der Arbeit zur Reinigung zu bringen, und was hast du getan?! Und hör auf, auf den Fernseher zu glotzen!“
Doug wandte sich mit einem Seufzer vom Bildschirm ab und sah zu Carrie auf. „Okay, ich hab's vergessen. Ist doch nicht so tragisch!“
„Jaja, wenn's um was geht, was mich betrifft, ist es nicht so tragisch. Ich wollte das morgen anziehen, Doug!“
„Dann zieh halt was anderes an. Du hast doch ungefähr eine Million Klamotten!“
„Jetzt komm mir bloß nicht auf die Tour! Wenn es nur das Kleid wäre, könnte ich ja noch darüber hinwegsehen. Aber sowas passiert ständig! Ich bitte dich um einen kleinen Gefallen und du...“
„Vielleicht“, fuhr Doug dazwischen, „würde mir das ja nicht passieren, wenn du nicht genauso wärst!“
Carrie stemmte die Fäuste in die Hüften und verengte die Augen zu Schlitzen. „Wann hab ich dir das letzte Mal einen Gefallen nicht getan, um den du mich gebeten hast? Na los, nenn mir ein Beispiel!“
Doug zog die Augenbrauen hoch. „Ich sag nur gestern Abend...“
Carrie rang die Hände und holte tief Luft, und genau in diesem Moment klopfte es an der Tür.
„Ich glaub, dein Typ wird verlangt“, meinte Doug und verschränkte zufrieden die Hände hinter dem Kopf.
„Glaub bloß nicht, dass wir hier schon fertig sind. Wer immer das ist, wir sehen zu, dass wir ihn schnell wieder loswerden und bis dahin rührst du dich hier nicht weg“, zischte Carrie, piekste Doug mit spitzem Finger in die Brust und warf das Kleid von sich, bevor sie zur Tür stapfte und diese aufriss.
„Ja?“, sagte sie barsch, und dann, etwas freundlicher: „Ach, ihr seid's. Kommt rein.“
Danny und Spence betraten das Wohnzimmer. „Wir wollten einfach mal reinschauen“, meinte Danny launig und ließ sich in den Sessel fallen.
Spence jedoch ließ den Blick skeptisch zwischen Carries rot angelaufenem Gesicht und dem zerknüllten Kleid in Dougs Schoß hin und her wandern.
„Alles in Ordnung, Carrie?“, fragte er leise.
Carrie winkte ab. „Schon okay. Ich habe mich nur gerade tierisch über Doug aufgeregt. Ich meine, es ist doch nicht zuviel verlangt, wenn ich ihn bitte, für mich etwas zur Reinigung zu bringen, oder?!“
Spence hob die Hand. „Du musst gar nichts weiter sagen. Ich weiß genau, was du meinst. Denselben Streit hatte ich nämlich gerade gestern erst mit Danny.“ Er wandte sich zu seinem Mitbewohner um und fasste ihn scharf ins Auge.
Danny schüttelte genervt den Kopf. „Meine Güte, jetzt fang nicht wieder damit an.“
„Typisch. Wenn ich dich einmal um etwas bitte...“
„Spence, wenn es dir so wichtig war, warum hast du dein Zeug dann nicht einfach selbst zur Reinigung gebracht?“
„Weil die Reinigung für dich auf dem Weg liegt und für mich einen Umweg bedeutet!“
„Ist das denn jetzt echt so schlimm? Zieh halt was anderes an!“
„Also... Es geht ja nicht nur um die Hose, sondern um deine ganze Art mir gegenüber! Wenn ich dich um etwas bitte, will ich mich auf dich verlassen können!“
„Jaja...“
„Komm mir nicht mit Jaja, du weißt genau, wie ich das hasse!“
„Spence, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, wir sind nicht zu Hause! Können wir vielleicht später darüber reden?“
Spence schnaubte. „Später, später... So lange, bis ich es aufgebe, nicht wahr? Das wird diesmal nicht funktionieren, mein Freund! Und überhaupt...“
Spence brach mitten im Satz ab, als ihm schlagartig wieder voll bewusst wurde, wo sie sich eigentlich befanden. Er wandte sich um, und da standen Doug und Carrie, die ihren Streit spontan begraben hatten und ihn und Danny stumm und leicht entgeistert anstarrten.
Spence verschränkte die Arme vor der Brust und sah beschämt zu Boden.
„Schon gut. Das muss euch nicht peinlich sein“, sagte Carrie im verzweifelten Versuch, die Situation zu retten. „Ich meine... Doug und ich haben auch ständig Streit wegen irgendwas, aber...“
„Sei doch still!“, zischte Doug viel lauter, als er dachte.
Carrie verstummte und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
„Naja dann“, meinte Spence schließlich, als der Moment langsam ins Unerträgliche abglitt. „Wir werden... wir werden dann wohl mal gehen... Danny?“
„Ja! Ja, klar... Also bis dann, Leute...“
Danny und Spence flohen, die Tür schlug zu, und Carrie und Doug blieben zurück.
„Was für eine Szene“, seufzte Carrie.
„Oh ja, gruselig“, meinte Doug. „Okay, bestellen wir uns was?“

Spence schubste die Tür hinter sich zu und ließ sich erst einmal übergangslos aufs Sofa fallen. Die Augen fest zugekniffen, spürte er, wie sich die Polster absenkten, als Danny sich neben ihm niederließ.
„Spence... Wegen eben...“
„Sei bitte still, ich will jetzt nicht darüber reden!“
„Wieso denn nicht?!“
Spence öffnete die Augen, setzte sich aufrecht hin und sah Danny direkt ins Gesicht. „Dir ist doch wohl klar, dass du uns eben total blamiert hast?“
„Ich?! Als ob du nicht... Ach, was soll's.“ Danny winkte frustriert ab. „Wir gehen hart auf die 40 zu, haben keine Freundinnen und unsere Freunde halten uns für schwul. Schlimmer kann's gar nicht mehr kommen.“
Spence seufzte, stand auf und ging hinüber in die Küche. „Was soll ich dazu sagen? Ich mach uns erst mal ein paar Sandwiches.“
„Aber Spence, für mich ohne...“
„Schinken, ich weiß.“
Ein paar Minuten später saßen beide am Küchentisch und kauten stumm auf ihrem Abendessen herum. Jeder hing seinen Gedanken nach, aber schließlich brach Danny das Schweigen.
„Das kann doch nicht ewig so weitergehen!“
„Was?“
„Na hör mal, hast du das vorhin etwa schon vergessen?!“
Spence legte sein Sandwich auf dem Teller ab und schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Aber das war nicht das erste Mal und ich fürchte, dass es auch nicht das letzte Mal gewesen sein wird.“
„Wahrscheinlich hast du Recht. Ich gehe ins Bett“, sagte Danny kurz angebunden und stand auf.
„Warte mal.“ Spence saß am Tisch und starrte sein halb aufgegessenes Sandwich beinahe hynotisierend an. „Vielleicht können wir da ja doch was tun.“
Danny wandte sich um. „Wie meinst du das?“
Spence erhob sich und stand Danny nun direkt gegenüber. „Ich meine... Wir sind nicht schwul, richtig?“
„Nein!“, sagte Danny entsetzt und schüttelte heftig den Kopf.
„Na siehst du. Und das haben wir bisher vielleicht einfach nicht genügend nach außen getragen“, sagte Spence und öffnete die Arme zu einer weit ausholenden Geste.
„Du meinst... Es reicht nicht, dass wir heterosexuell sind?“, fragte Danny leicht entgeistert.
„An sich natürlich schon“, antwortete Spence beschwichtigend. „Ich meine, wir wissen, dass wir nicht... du weißt schon. Es geht ja nur darum, es den anderen etwas deutlicher zu zeigen.“
„Wie stellst du dir das vor?“ Danny sah inzwischen ernsthaft verwirrt aus.
„Am besten erledigt von jetzt an jeder seinen Kram selber, dann fällt schon mal einiges an Konfliktpotential weg. Keine Botengänge für den anderen, kein gemeinsames Essen...“
„...keine Begleitung bei Arztbesuchen!“
„Siehst du, wir verstehen uns! Außerdem sollten wir einen festen Putzplan einführen...“
„Na na, nicht übertreiben.“
„Okay, einen Versuch war's wert. Also, bist du dabei?“
„Na klar – Kumpel.“
„Also dann...“
„Okay.“
Einen Moment stand Danny noch unschlüssig da, ehe er in seinem Zimmer verschwand und Spence mit den benutzten Tellern zurückließ.

Am nächsten Morgen erwachte Danny aus einem tiefen, erholsamen Schlaf. Er gähnte herzhaft, streckte sich, schaute auf die Uhr und schluckte.
„Verdammt!“
Danny strampelte die Decke weg, stieg so schnell wie möglich in seine Uniform und hastete in die Wohnküche, wo Spence bereits stand und Eier briet.
„Warum hast du mich nicht geweckt?“, fragte Danny aufgebracht.
„Ich weiß, das habe ich früher immer getan“, antwortete Spence seelenruhig. „Aber weißt du nicht mehr, worüber wir gestern abend...“
„Oh – ja, klar“, sagte Danny. „Das heißt, die Eier...“
Spence wandte sich mit dem Pfannenwender in der Hand um und zog die Augenbrauen hoch.
„Schon gut, schon gut. Also... ich geh dann mal. Komm heute wahrscheinlich ein bisschen später als sonst...“
„Hey!“ Spence grinste. „Du bist mir keinerlei Rechenschaft schuldig. Ich bin nur dein Mitbewohner.“
„Okay. Also dann... Bis dann.“
„Bis dann.“
Spence wandte sich wieder seinen Eiern zu, und Danny verschwand eiligst und leicht konfus zur Arbeit.

„Hey Doug, hey Carrie!“
„Was geht ab?“ Doug sah nur kurz auf, bevor er sich wieder den ineinander verschlungenen Ringkämpfern im Fernsehen widmete.
„Irgendwann werd ich ihm noch ein paar andere Sätze beibringen“, sagte Carrie trocken. „Setzt euch, Jungs, setzt euch.“
Danny und Spence kamen der Aufforderung nach.
„Wir wollten gleich essen, soll ich euch was vom Chinesen mitbestellen?“, fragte Carrie, das Telefon schon in der Hand.
„Nein, aber danke der Nachfrage“, antwortete Spence.
„Okay“, murmelte Carrie und begann, die Nummer zu tippen.
„Warte mal... Ich hätte gerne ein paar gebratene Nudeln mit Hühnchen!“, warf Danny rasch ein.
„Ich denke, ihr habt schon gegessen“, sagte Carrie und sah stirnrunzelnd vom Faltblatt des Lieferservices auf.
„Spence vielleicht, aber ich nicht.“
„Ihr habt nicht zusammen gegessen?“, fragte Carrie leicht ungläubig.
„Nein, wieso auch?“, meinte Spence. „Wir sind doch nicht verheiratet oder so...“
Carrie zuckte mit den Schultern und begann wieder zu wählen. „Okay.“
„Ärger im Paradies?“, fragte Doug süffisant, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.

„Na toll.“ Danny ließ die Tür lauter als nötig hinter sich zufallen.
„Was ist los?“, fragte Spence und begann, das Wohnzimmer nach der Fernbedienung zu durchforsten.
„Dein toller Plan hat nicht funktioniert! Jetzt halten sie uns nicht etwa für hetero, nein, bloß für schwul und zerstritten!“
„Ach Quatsch. Wir müssen der Sache einfach ein bisschen mehr Zeit geben.“
„Suchst du das hier?“, fragte Danny muffig, förderte die Fernbedienung mit einem Griff hinters Sofakissen zutage und warf sie Spence zu.
Der fing sie gerade so noch auf. „Danke. Na komm, hab ein bisschen mehr Geduld. Das wird klappen, glaub mir.“
„Meinst du?“
„Ja.“
„Und das heißt, ich muss mir auch morgen wieder selbst Frühstück machen?“
„Nochmal ja.“

„Und, wie war's?“
Spence antwortete nicht gleich, sondern schloss erst einmal sorgfältig die Tür, um dann ohne jede Eile seinen Mantel abzulegen.
„Jetzt red schon!“, rief Danny.
„Ähm... Nun ja...“
Danny streckte die Hand aus, wie um sich gegen das zu wappnen, was er auf sich zukommen sah. „Es ist schief gegangen, oder?“
Doch noch während er sprach, begann Spences gleichmütige Maske zu bröckeln. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht, und er rief: „Ganz im Gegenteil!“
„Du... du meinst...“
„Keine einzige dumme Bemerkung von Doug oder Deacon den ganzen Abend über.“
„Wahnsinn! Ich hätt's nicht gedacht, aber es hat funktioniert!“ Danny durchquerte mit großen Schritten den Raum und schaffte es im letzten Moment, seine Beinahe-Umarmung zu einem Schulterklopfen abzubiegen.
Zwei sehr lange Wochen lagen hinter Danny und Spence, von den beiden einzig und allein zu ihrer Ehrenrettung genutzt – und endlich schien ihr Vorhaben Früchte zu tragen.
„Da wäre nur noch eine Kleinigkeit...“ Danny, der gerade dabei war, in bester Laune zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank zu holen, wandte sich um.
„Was denn?“
„Eine Kollegin von Carrie heiratet nächsten Montag... Anna, wir haben sie bei Carries Geburtstag kennen gelernt.“
„Ach ja, Anna...“
„Du erinnerst dich nicht an sie, oder?“
„Nein, kein bisschen.“
„Naja, jedenfalls lässt sie über Carrie ausrichten, dass wir auch eingeladen sind, und ich konnte schlecht absagen, oder?“
Danny nahm einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, um nicht sofort antworten zu müssen.
„Weiß nicht, ob das so gut ist...“, meinte er schließlich.
„Wieso?“, fragte Spence. „Es ist doch bloß eine Hochzeitsfeier, wir müssen nicht mal lange bleiben.“
„Also...“ Danny gestikulierte hilflos mit den Händen und verspritzte dabei Bier auf seinen Pullover. „Ach, verdammt... Glaubst du nicht, dass uns das irgendwie zurückwerfen könnte?“
„Wie meinst du das?“, fragte Spence, ohne von seiner Jacke aufzusehen, die er gerade an der Garderobe verstaute.
„Wenn wir zwei da zusammen auftauchen...“
„Ach so.“ Spence stemmte die Hände in die Hüften und blickte sinnend an die Decke. „Das habe ich noch gar nicht bedacht. Andererseits... Diese Feier könnte auch genau das sein, worauf wir gewartet haben.“
Dannys Miene hellte sich schlagartig auf. „Alles klar! Du redest von einer Art Demonstration, hab ich Recht?“
„Genau. Die meisten unserer Freunde werden da sein, eine bessere Möglichkeit, ihr Bild von uns zurechtzurücken, gibt es einfach nicht!“
„Okay. Sieht so aus, als ob Montag nicht nur für Anna ein großer Tag wird.“ Danny grinste, warf Spence eine Bierflasche zu und nahm einen weiteren großen Schluck aus seiner eigenen.

Der Rest der Woche schwand beinahe beängstigend schnell, und auf einmal, ganz plötzlich, war es Montag.
„Nun komm schon, wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagte Spence gehetzt, während er in Dannys Zimmer eilte und sich im Gehen die Krawatte band. „Moment – du bist noch nicht mal angezogen?“
„Nein“, antwortete Danny, in Jeans und T-Shirt, mit deutlicher Verzweiflung in der Stimme. „Ich muss wohl vergessen haben, meinen Anzug in die Reinigung zu bringen... Ganz abgesehen davon, dass ich ihn nicht finden kann...“
Spence seufzte, tat einen Schritt ins Zimmer, gab der Tür einen Schubs und offenbarte so den in einer Plastikhülle verpackten Anzug, der an der Innenseite hing.
„Oh... danke“, sagte Danny. „Aber wollten wir nicht eigentlich...“
„Ja, ja, ich weiß!“, antwortete Spence peinlich berührt. „Aber von solchen kleinen Rückschlägen dürfen wir uns nicht entmutigen lassen. Das Wichtigste ist, dass heute Abend alles klappt.“
Danny nickte. „Ja, da hast du Recht.“
„Okay... Also, ich warte im Wohnzimmer auf dich“, sagte Spence zerstreut, während er schon wieder an seiner Krawatte herumfummelte.
„Okay. Spence?“
„Ja?“
„Danke für die Reinigung.“

Während des restlichen Abends lief alles erstaunlich gut – Danny und Spence trafen früh genug auf der Feier ein, sodass sich noch keiner ihrer Freunde auf die Suche nach ihnen begeben hatte, und spät genug, um sich direkt am Eingang unauffällig unter die Menge mischen zu können. Wie abgesprochen, trennten sie sich sofort und tauchten mit ein wenig Abstand bei Doug, Carrie,  Deacon und Kelly auf, die zusammen an einem Tisch saßen und schon in ein angeregtes Gespräch vertieft waren.
Ihre Glückssträhne hielt an, und zwei Stunden später war Spence blendender Laune; keine einzige zweideutige Bemerkung, obwohl er, wie er sich eingestehen musste, geradezu darauf gelauert hatte.
Danny wiederum konnte sein Glück kaum fassen, denn es hatte ihn im Laufe der Zeit an die Seite einer jungen Frau verschlagen. Cathy war eine Freundin von Anna und außerdem hübsch, und Danny fragte sich, was er in den letzten Jahren wohl alles verpasst hatte, wenn er solche Bekanntschaften schon nach einigen mehr oder weniger ohne Spence auf einer Feier verbrachten Stunden machte. Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass Cathy den größten Teil ihres Gesprächs allein bestritt, und noch ein wenig länger, bis sich das bohrende Gefühl in ihm breit machte, dass er ohne sie möglicherweise sehr viel mehr Spaß hätte.
„Ich habe ihr hundertmal gesagt, dass sie so nicht mit mir umspringen kann. Immerhin arbeiten wir zusammen, aber scheinbar will sie es einfach nicht verstehen...“
Danny nickte abwesend; obwohl er sich redlich Mühe gab, nahm seine Aufmerksamkeit immer weiter ab. Sein Blick glitt durch den Raum, streifte Doug, der nicht gerade gekonnt, aber deswegen nicht weniger ausgelassen mit der Braut tanzte, und blieb an Spence hängen, der bei Carrie saß und sich prächtig zu amüsieren schien.
Ganz anders als er selbst.
„Danny? Hörst du mir überhaupt zu?“
„J-ja, natürlich“, stammelte Danny und wandte sich schnell wieder Cathy zu. „Du erzähltest mir gerade, dass deine Kollegin Sue...“
„Ganz genau. Es kann ja wohl nicht sein, dass sie...“
Aber Danny erfuhr nie, was genau mit Sue los war, denn seine Aufmerksamkeit wurde nun völlig in Anspruch genommen von dem plötzlichen, vertrauten und völlig unwillkommenen Gefühl der Enge in der Kehle.
„Und ich sage noch zu ihr...“
Danny nickte hastig, während er krampfhaft versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen und mit einer Hand in die Tasche seines Jacketts fuhr, das hinter ihm auf der Stuhllehne hing und nichts enthielt außer einem benutzten Taschentuch.
Zunehmend nervös tastete Danny nach der anderen Tasche, während ihm die Luft immer knapper wurde, und dann nach den Innentaschen – kein Inhalator.
„Hör mal, Cathy...“, keuchte er, bemüht, so ruhig wie möglich zu bleiben.
„Aber sie hat einfach keine Ahnung, worum es eigentlich...“ Cathy brach mitten im Satz ab, als ihr endlich aufging, dass etwas nicht stimmte. „Alles okay?“, fragte sie zaghaft.
Danny schüttelte den Kopf, konzentrierte sich mühsam aufs Atmen und zerrte seine Krawatte locker, ohne dass er auch nur ein bisschen mehr Luft bekommen hätte.
„Oh Gott!“ Cathy begann, hysterisch mit den Händen zu wedeln. „Ist das so eine Art Anfall? Er braucht einen Arzt!“
Aber Danny hörte sie kaum. Wie konnte er nur seinen Inhalator vergessen...
Und dann, ganz plötzlich, wurde ihm ein Mundstück an die Lippen gesetzt und er atmete erleichtert das lebensrettende Spray ein. Beinahe augenblicklich verschwand der Kloß, der ihm im Hals gesteckt zu haben schien, und Danny atmete ein paar Mal tief durch.
„Alles wieder in Ordnung?“
„Spence!“
„Okay, scheint fast so“, meinte Spence zufrieden und steckte den Inhalator wieder weg.
Plötzlich erinnerte sich Danny wieder an seine Tischdame und wandte sich um. „Cathy, das ist mein Mitbewohner... Oh.“
Cathy war verschwunden.
„Tut mir leid“, meinte Spence taktvoll und wies auf den leeren Stuhl.
„Ach was, macht nichts... Danke, Spence.“
„Klar doch... Hab ich gerne gemacht.“
Ein etwas peinliches Schweigen trat ein, dankenswerterweise überbrückt von Musik und Doug, der im Hintergrund eine sehr lustige und sehr laute Geschichte erzählte.
„Spence...“
„Ja?“
„Irgendwie hab ich mich nicht sonderlich gut amüsiert heute.“
„Geht mir auch so“, gab Spence zu, und wieder kehrte Schweigen ein.
„Spence?“
„Hm?“
„Tanzen wir?“
„Also...“ Spence warf einen schnellen Blick hinüber zu ihren Freunden. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist... Die anderen...“
„Ach, lass sie doch“, meinte Danny. „Wir wissen ja, dass wir nicht... Du weißt schon.“
Einen Moment schien Spence mit sich zu ringen. Aber dann nickte er schließlich und ließ sich von Danny hochziehen.

Eine kleine Anmerkung: Ich habe kein Asthma, deshalb weiß ich nicht richtig, wie sich so ein Anfall anfühlt (zum Glück ;-) und es könnte sein, dass meine Beschreibung in dieser einen Szene nicht so realistisch ist. Ich hoffe, ihr seht mir das nach. *ggg*
Review schreiben
 
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast