In diesem Licht – Konzertbericht vom 19.12. 2008
von Nemain
Kurzbeschreibung
Konzertbericht zum Gig am 19.12.2008 von In Extremo!
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
23.12.2008
23.12.2008
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3.597
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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23.12.2008
3.597
Band: In Extremo
Genre: Allgemein
Raiting: P12
Typus: Geschichte
Disclaimer: Die Personen des öffentlichen Lebens gehören sich natürlich selbst.
Kurzbeschreibung: Konzertbericht zum Gig am 19.12.2008 von In Extremo!
Schon den ganzen Tag lang ging ich meiner Freundin und Kollegin auf den Nerv. Eigentlich nicht nur diesen besagten und glücklichsten Freitag meines Lebens, sondern seit dem Zeitpunkt, seit dem ich wusste, dass ich da hin gehen durfte. Die Woche vom 15.12. bis 18.12. war ich das reinste Nervenbündel. Ich konnte an fast nichts mehr denken, als an den 19.12! Eigentlich auch verständlich, wenn man mal davon absieht, dass ich noch nie, wirklich noch nie auf einem richtigen Konzert war. Ja peinlich ich weiß, dass müsst ihr mir jetzt nicht auch noch unter die Nase binden, dass weiß ich eigentlich von allein! Also behaltet bitte jeglichen Kommentar für euch.
Jedenfalls hatte ich wirklich Mühe mich auf meine Klausur in der Berufsschule zu konzentrieren. Ich hibbelte wie verrückt und raste zur S-Bahn. Als wenn sie dadurch schneller fahren würde, aber das war mir egal. Ich freute mich wie ein Schnitzel. Nachdem ich mich in meiner kleinen Wohnung aufgebretzelt hatte, hastete ich zur Straßenbahn. Ich wollte so schnell wie möglich zur Treptowarena. Das ich noch mit der S-Bahn fahren musste, ignorierte ich einfach. Ich wärmte ich schon mal mit AC/DC auf und wippte ungeduldig mit den Beinen. Gut, nicht nur vor Ungeduld… Ich hatte nur ein ziemlich dünnes T-Shirt an und eine ziemlich dünne Jacke, damit ich sie mir gut um die Hüfte binden können würde. Am S-Bahnhof angekommen traf ich auf meine Freundin. Nur noch auf die ihre und dessen Freund warten. Plötzlich eine Sms. Sabs Freundin, würde noch länger brauchen. Zwanzig Minuten!!!! Unmöglich, dass auszuhalten. Was erwarteten die denn von mir? Ich musste sie sehen. Oder zumindest musste ich am Eingang stehen, um die Chance zu haben in den ersten Reihen zu stehen! Das wollte ich mehr, als alles andere. Also entschlossen sich Sab und ich schon mal los zu gehen. Wäre ja auch mal nett gewesen, einfach auf die Karte zu blicken. Da stand doch fett drauf, dass 18.00 Uhr Einlass war. Logisch, dass man das mal verwechseln kann. Es starrt ja natürlich auch nicht jeder so auf die Karte wie ich, um sich jedes Detail einzuprägen. Ich weiß, dass ich krank bin!!! Jedenfalls friere ich jetzt schon erbärmlich, muss aber noch mit meiner Freundin die Taschen umbauen. Immerhin soll meine Digicam nicht zu finden sein und sie hat nun mal die größere Tasche. Um die hab ich am meisten Schiss. Als wir endlich den Weg gefunden hatten, wo wir hin mussten, mit einmal nachfragen, stand ich glücklich vor dem kleinen Gitter. Naja gut ich stand nicht davor… Da stand noch eine Reihe anderer Konzertbesucher. Also harrten wir da geduldig aus, redeten über das Konzert, scherzten darüber, was wir mit den Bandmitgliedern anstellen würden und kuschelten uns aneinander, weil wir langsam aber sicher wirklich erfroren. Wie man solche Eisfinger wie meine Freundin kriegen konnte, war mir allerdings ein Rätsel. Selbst ich hatte nicht so solche Eiszapfen! Bibbernd drängten wir uns immer wieder ein Stück weiter nach vorne. Hätten doch da bleiben sollen, wo wir angekommen waren, da hatten wir nicht so gefroren! Egal… ich bin weiter vorne! Mehr zählt nicht, als uns plötzlich jemand von hinten antippt. Sabs Freundin, ist auch endlich angekommen, deren Freund oder jetzt plötzlicher Exfreund so was von klammert, dass er mir bald schon auf den Keks geht. Aber mich hebt nichts an. Die Vorfreude und der Soundcheck, wo ich die Lutter deutlich heraus höre, halten mich bei Laune und ich ignoriere tatkräftig meine allmählich schmerzenden Füße und meine mich langsam quälende Hüfte. Ich will einfach nur noch rein und mir die Seele aus dem Leib schreien.
Der Zeiger meiner Armbanduhr wandert über die Sechs und ich frage mich, warum sich nicht endlich was tut. Es geht nicht nur mir so. Gemurrte Fragen werden in der Menge laut. Nicht nur ich friere! Alle frieren… und sind heiß auf das Konzert. Langsam fange ich an, die Security zu hassen. Die haben dicke Jacken an, wir nicht! Wäre auch unlogisch mit Pullover da hin zu kommen. Uns wird eh noch die Suppe in Strömen laufen, obwohl wir schon relativ wenig anhaben… Denke ich mir, da war mir noch nicht klar, wie schnell ich wie ein Schwein schwitzen würde.
Der Einlass verschiebt sich um eine Stunde. Was soll der Scheiß? Meine Füße sind Eisklötze und meine Beine stehe ich mir in den Bauch. Ich merke überdeutlich, wie ich Schmerzen bekomme, die sicherlich nicht besser werden, doch ich habe die Hoffnung, sie während des Konzertes nicht zu spüren. Werde ich auch nicht, nur so nebenbei. Jedenfalls werde ich ungeduldiger. Andere Leute quetschen sich durch und können ins Warme, während ich armes Würstchen draußen in der Kälte stehen muss und klappern. Ich werde langsam sauer… Es könnte wirklich langsam mal losgehen. Endlich wird dieses komische Gestell hingestellt, wo wir in drei Schlangen anstehen, um uns abtasten zu lassen. Wer beschmeißt denn bitte nicht seine Lieblingsband mit Flaschen und allem was dazu gehört? Ich mach das immer. Die Leute, die ich toll finde, bewerfe ich mit Sachen. So zeig ich, dass ich sie lieb habe. Wie behämmert kann man sein? Egal… Wir quetschen uns in die einzelnen Wege und werden wieder nach hinten gedrängt. Meine Fresse, der Typ kann doch auch da stehen, wo wir abgetastet werden, um die Karten abzureißen. Ich bin dran, werfe die Flasche meiner Freundin, die wir auf dem Weg zur Treptowarena getauscht hatten in die berühmte Tonne und warte auf meine Freundin. Mir wird regelrecht schlecht, als ich sehe, wie die Frau der Security beginnt in ihrer Tasche zu wühlen. Ich bete zu Gott, sie möge nur die Flasche finden, was sie auch tut. Kaum ist meine Freundin durch, greife ich nach ihr und renne in die Halle. Ich will ins Warme und ich will einen gescheiten Platz. Eigentlich will ich nur einen gescheiten Platz. Der Rest ist eher unwichtig. Ich bin drin und stoppe. Wo steht die Bühne? Die Halle ist so groß! Ich sehe meine Freundin fragend an, die mich einfach in die Richtung der Bühne zieht. Wenn ich sie nicht hätte, hätte ich noch eine Weile dagestanden und mich umgesehen. Wir gehen an einer kleinen Tribüne vorbei. Wer will zum Teufel bei In Extremo auf einer Tribüne sitzen? Sicher die, die einfach keine allzu langen Beine haben, um sich jetzt wieder die Beine in den Bauch zu stehen.
Unser kleines Grüppchen von vier Mann hat sich jedenfalls in die Mitte der Bühne begeben und gesellt sich zu einer weiteren Gruppe, die quasi von einem Mann im Kettenhemd angeführt wird. Sein blödes Gelaber ist amüsant und ich bin froh, mich von meinen Schmerzen in der Hüfte, den Füßen, den Knien – eigentlich den Beinen allgemein – abzulenken. Es füllt sich hinter uns immer weiter und bald kann ich das Ende der Menschenmasse nicht mehr ausmachen. Es gibt eben auch ab und zu ein paar Menschen, die größer sind als ich, aber was interessieren mich die, die hinter mir sind? Bis jetzt hab ich ja Platz… Die Betonung liegt, bis auf jetzt.
Ab und zu guck ich auf die Bühne und frage mich wann diese spanische Mittelalterband spielen will. „Di Mago de Oz” oder so. Keine Ahnung wie die heißt, aber sie soll ja gut sein. Hab ich mir sagen lassen. Ist ja auch irgendwie relativ… Bin ja wegen der Hauptband da und nicht wegen der Vorband.
Das Licht geht aus und ich bin doch irgendwie gespannt auf das, was da auf und zukommt. Statt einem Sänger, mit langen Haaren, betreten vier Mädels, so alt wie ich die Bühne, stellen sich kleine Fläschchen hin und machen sich an den Instrumenten zu schaffen. Ist das jetzt Ernst? Argwöhnisch richte ich meinen Blick auf die vier und wende mich von meinem Gesprächspartner – der Mann mit den roten Haaren und dem Kettenhemd – ab, um auf die Bühne zu sehen.
Wer ist bitte „The Blacksheep“? Was machen die für Musik? Sind die bekannt? Hab ich von denen schon mal was gehört? Will ich die überhaupt hören? Dann dämmert es langsam. Wieder so eine Teenagerband… kam irgendwann mal bei den RTL2 News. Das Einzige, was mich momentan daran fasziniert ist, dass der Drummer weiblich ist, aber als sie beginnen zu spielen bewegt sich nichts von mir. Kein Finger, der im Takt mit klopft, kein Fuß der mit dem Rhythmus mitgeht. Ich kann mich für die Band einfach nicht erwärmen. So leid es mir tut, aber da ich nett bin, klatsch ich einfach mal mit. Immerhin reißen sie sich den Arsch auf, die Sängerin scheint ab und in das Mikrofon zu schreien und sie wollen uns auf In Extremo einstimmen. Hätte vielleicht besser geklappt, wenn man „The Blacksheep“ in den Folkrock hineinschieben könnte, kann man aber nicht. Nur zwei Lieder von sechs, reißen mich dazu hin, eine Regung meinem Körper abzuverlangen. Und zwar von meinen Knien, die mir sowieso schon wehtun, ich Krüppel. Auch das kribbelige Gefühl in meinem Magen und meinem Kehlkopf, wenn der Bass oder die Drumms ertönen, kann mir keine Reaktion abverlangen.
Die Sängerin nimmt nur den Namen In Extremo in den Mund, da drehen wir schon am Rad und klatschen Applaus, dass uns die Band nach der wir schreien uns längst hören muss. Als ich höre, wie die Sängerin von letztem Lied spricht, wallt in mir Vorfreude auf. Ich kann es jetzt wieder kaum erwarten. Ich will einfach nur noch, dass es losgeht. Der weiße Vorhang lässt nichts durchblicken und ich bin neugierig, wie die eigentliche Bühnenkonstruktion aussieht und die Bühnenarbeiter sollen sich nur schnell beeilen, die Instrumente der Vorband wegzubringen. Immer wieder wechsle ich mit meiner Freundin aufgeregte Blicke. Wieder einmal kann ich es nicht fassen, dass ich hier stehe. Genau an diesem Fleck. So nah an einer meiner Lieblinsbands zu sein und mit und für sie zu singen, lässt mein Hirn Adrenalin ausstoßen, dass es für drei Fahrten mit dem freien Fall reichen würde und dabei haben sie noch nicht einmal angefangen. Wie soll das werden, wenn sie erst mal los legen? Plötzlich geht das Licht aus und Jubel brandet auf. Ich blicke zu Sab und kann mir ein überschwängliches Grinsen einfach nicht verkneifen. Ich greife nach ihrer Hand und werde sie noch einige Male nehmen, als sich auf dem weißen Vorhang das Cover von „Saengerkrieg„ abzeichnet und sich schließlich zu bewegen beginnt. Wir schreien, klatschen und fangen langsam an uns warm zu hopsen bis sich Morgensterns Silhouette am Vorhang abzeichnet. Ich liebe, ja verehre diesen Schrank an Mann, ebenso wie ich meinen Schneider verehre. Er ist einfach nur der Hammer am Drumset und ich ergötze mich schon fast an dem Schatten den er wirft, dabei hat er noch nicht einmal angefangen, irgendetwas zu tun. Doch hat er. Er fährt sich über diesen Mini-Irokesen, den Morgenstern schon seit Jahren sein Eigen nennt. Eigentlich kann es auch so bleiben, ich will einfach nur weiter glotzen, aber da gibt es einen Knall, Gitarrenriffs strömen auf mich ein und der Vorhang fällt. „Sieben Köche“ ist das erste Lied und sofort beginne ich wie von Sinnen zu springen, reiße meine Freundin mit. Mir ist nichts mehr zu blöd und drehe total frei. Ich schreie los, werde dabei aber von hinten, an meinen Vordermann gepresst, dass es mir die Luft aus den Lungen treibt. Ich kann kaum noch mitsingen, hauche die einzelnen Worte fast nur noch. Das ist der bittere Nachgeschmack, wenn man in der Mitte und dann noch in der zweiten Reihe steht. Ich kralle mich an meinen Vordermann, habe ja immerhin die Erlaubnis dazu, um mich abzustoßen. Immerhin muss ich ab und zu auch noch atmen. Kaum ist das zweite Lied zu Ende, drehe ich mich zu einem 1,90 Mann um und frage ihn höflich, ob er nicht etwas aufpassen kann, weil er mir die Luft abdrückt. Völlig atemlos sehe ich ihn an und bringe mein Anliegen vor. Er meint zwar, dass die Leute von hinten drücken und er eigentlich nichts machen kann, aber er tut sein Bestes. Das weiß ich. Das merke ich auch. Zwar nur ab und zu, aber immerhin.
Meine Frisur, auf die ich so stolz war, weil sie mir so gut gelungen war, ist seit dem ersten Song zerstört und mir ist auch nicht mehr kalt. Noch vor einer viertel Stunde, hat eine Gänsehaut meine Arme geziert, jetzt wird mir warm. Mir wird nicht nur warm, mir wird heiß, verdammt heiß. Und noch heißer wird’s, als die Guten bei „Saengerkrieg“ die Flammenwerfer anschmeißen. Eigentlich schmeißen sie insgesamt sechs, wenn nicht sogar acht an!!! Gute sechzig Grad, also für mich gefühlte achtzig, schießen mir in Stößen ins Gesicht. Es ist so hell, dass ich die Augen schließe, aber dennoch wackle ich mit dem Kopf. Nein, eigentlich schmeiße ich ihn hin und her. Mir kleben die Haare im Nacken fest und ich gröle mir die Seele bei dem „Ho ho“ aus dem Leib. Ich springe mit der Masse. Ich singe nicht aus einer Kehle, ich singe aus der Kehle von Hunderten. Ich klatsche nicht nur mit einem paar Hände, sondern mit Hunderten. Ich springe nicht als einzelne Person, ich springe zu Hunderten. Ich reiße nicht allein Arme hoch, sondern tu das zu Hunderten. Ich bin kein Individuum, ich bin die Menge.
Ich vergesse alles um mich herum gehe völlig in dem Augenblick auf. Ich bin verwundert, wie schnell doch die ersten vier Lieder vergehen. Bei „Spielsmannsfluch“, kocht die Menge total über. Sogar der rote Ritter vor mir beginnt wie ein Irrer zu springen. Leider nicht so wie der Typ hinter mir und wie ich. Wenn er doch wenigstens so springen könnte wie ich… Da würde ich mir jetzt nicht so einfach die Arme fast aufscheuern. Ich weiß nicht, ob wir laut sind, als wir den Refrain mitsingen. Ich höre mich ab und zu einfach selber. Muss also bedeuten, dass ich ein ziemlich lautes Organ habe. Wieder und wieder wird es Schweine heiß. Ich konzentriere mich fast nur auf Micha, obwohl ich doch vor hatte, die Lutter, Van Lange und den Morgenstern anzugaffen. Trotz seiner Verletzung am rechten Arm – unser Lieblingssänger stand bei einem Konzert zu nah an einem Flammenwerfer – geht Micha ab wie Schmidts Katze. Er wirft sich auf die Knie und schleuderte seinen Kopf, dass ich mich im Nachhinein wundere, wie er da kein Schleudertrauma mitgenommen hat. Und er schmeißt einige verschlossenen Flaschen in die Menge und erst da fällt mir auf. Durst. Ich habe durst. Mein Mund fühlt sich an wie ein Wattebausch und gegen einen Tropfen Wasser hätte ich jetzt nichts einzuwenden. Immerhin hab ich nichts getrunken und das seit gut drei Stunden. Ich muss zwar nicht aufs Klo, was bei mir ab und zu an Zauberei grenzt, aber ich brauche Wasser. Der Punk vor mir schreit auch heiser danach, wird aber nicht gehört. Bei der krächzenden Stimme, alles kein Wunder. Also werde ich bei der nächsten Ansage auch mal schreien müssen. Aber zuerst geh ich bei „Ai vis lo Lop“ noch mal richtig ab und lache mich bei Flaschenpost halb tot. Pymonte schleift Micha bei den Worten:
über die Bühne. Das Lachen können meine Freundin und ich uns dabei einfach nicht mehr verkneifen. Im Allgemeinen wird viel vom neuen Album gespielt. „Mein Sehnen“ und der „Zauberspruch“, bringen mich dazu, nach Sabs Hand zu greifen und gemeinsam werfen wir uns schmachtende Blicke zu. Ja, wir lieben uns halt. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Micha generell mit dem Publikum mehr redet, kommt bei youtube.com immer so rüber, aber im Gegenteil. Er beschränkt es auf das Nötigste. Natürlich lobt er das Berliner Publikum. Natürlich, wir sind die Geilsten. Und bevor er das nächste Lied ansagen kann, schrei ich ein:
Und Tatsache… Er hört mich… Naja es ist ja nicht so, dass ich weit von ihm entfernt bin, aber immerhin ist es laut genug, dass er mich doch nicht verstehen kann. Ich bin ja auch nicht ein Typ, wie der, der geschrieen hat, dass er von Micha ein Kind will. Hab also doch ein ausreichend lautes Organ als Frau und ab da bin ich stolz darauf. Wir benehmen uns wie Wilde. Nur um ein Schluck Wasser zu bekommen, reißen wir uns um die vier Flaschen. Da ich mit meinem Vordermann ausgemacht habe, dass er sich doch bitte um eine Flasche kümmern soll und er so nett ist und das tut, bekomme ich die erste Flasche, wo ich auch gierig ein paar Schlucke gönne, eh ich die kleine Flasche an meine Freundin weiter gebe. Aus einer Pulle saufen sicher zehn Leute. Aber das ist mir egal. Ich war ja die Erste! Nach der Auffrischung meiner Mundhöhle, fühle ich mich sofort wieder gestärkt und jumpe wieder los, zerre den rechten Arm hoch und reiße somit auch die anderen mit. Mein rothaariger Ritter, drehte sich immer mal wieder fragend um, um sicher zu gehen, dass es mir gut geht. So lange ich noch etwas sage, geht es mir gut, ist er der Auffassung. Geht es mir auch. So muss es sich also anfühlen, wenn man high ist. Ich hab das Gefühl, als würde ich schweben. Immer wieder schließe ich die Augen, gehe in der Musik völlig auf. Von mir aus, könnte es den ganzen Abend über weiter gehen.
Sie spielen noch „Berlin“, Als Dank dafür, dass wir so toll sind und weil sie nun mal in Berlin spielen. Nur komisch, dass fast niemand das Lied mitsingen kann. Egal, es macht uns trotzdem Spaß. Spaß ist doch eigentlich alles, was wir wollen. Aber nach „Berlin“ kommt schon das letzte Lied. Das letzte Lied? Das war eindeutig zu schnell rum! Ich will mehr! „Aufs Leben“ singt Micha im Duett mit der Sägerin der Vorband. Auch wenn sie mal den Text vergisst, meistert sie ihren Auftritt doch ganz gut, öbwohl Micha mich hätte nehmen sollen. Ich kann den Text immerhin auswendig.
Nachdem sie dann doch noch „Wind“ gespielt haben, gehen meine sieben Helden hinter die Bühne. Und blitzschnell, fordern wir sie wieder auf, hervor zu kommen. Was sie auch tun. Erst jetzt bemerke ich, dass ich Platz habe. Ich kann frei stehen, kann ohne Probleme mitsingen, kann eigentlich ohne Probleme herum jumpen. Aber dazu hab ich irgendwie keine Kraft mehr. Zwar bewegen sich noch immer meine Beine mit, dagegen werde ich wohl nichts mehr machen können, aber zum herumspringen fehlt mir allmählich aber sicher der Elan. „Küss mich“ ist die erste Zugabe, obwohl ich da langsam in Bedrängnis komme. Ich hab bis jetzt nur vier Fotos geschossen. Ging ja auch nur bei „Sieben Köche“, weil da die Menge noch normal war. Jetzt hatte ich wieder Platz und musste somit meiner Aufgabe, die ich mir freiwillig aufgeladen hatte und was mir im Nachhinein noch von einigen Lesern aufgetragen wurde. Ich bin leicht enttäuscht, dass nach „Villemann og Magnhild“ wirklich, wirklich Schluss ist. Wenn jetzt tatsächlich das Ende naht, dann will ich wenigstens das Plektrum von Van Lange haben! Ich will, ich will, ich will… Es bleibt allerdings beim wollen. Aber somit habe ich einen Grund, wieder ein Konzert zu besuchen. Mal von abgesehen, der geilen Bühnenshow. Ich bin ja immer noch geblendet, von den Flammenwerfern, den Knallkörpern, Pfeiffers Showeinlage und natürlich den brennenden Schlagzeugteilen von Morgensterns Drumset, als sich die Sieben dann von der Bühne endgültig verabschieden.
Ich kann noch immer nicht glauben, dass es vorbei ist. Einerseits bin ich froh, dass es ein Ende hat, andererseits hätte es noch zwei Stunden weiter gehen können. Mit Macht kommen jetzt meine Schmerzen in der Hüfte, den Füßen, dem Rücken wieder und meine Beine fühlen sich zusätzlich noch so an, als wären sie aus Wackelpudding. Dennoch bin ich glücklich. So glücklich, wie ich es mir nur vorstellen kann. Ich bin mir sicher, dass das nicht mehr zu toppen geht, aber ich muss jetzt dringend sitzen und dringend, wirklich dringend etwas trinken. Mein Wasserhausalt ist schon auf Null. Eigentlich unter Null, weil sich langsam aber sicher Kopfschmerzen einstellen. Aber das ist mir egal. Ich witzle mit Sab darüber, dass wir jetzt schleunigst hinter die Absperrung klettern müssten, um uns dann auf die Schöße zweier sehr bestimmten Personen zu setzen. Aber das bleibt nur Wunschdenken. Das wird das Ziel, für das nächste Mal, denn das wird es definitiv geben.
Nachdem wir uns dann alle nach gefühlten zwei Stunden, wieder am Eingang treffen, weil jeder irgendwohin gerannt ist, sind wir wieder alle versammelt. Ich bin jetzt bestimmt vierzehn Zentimeter kleiner als vorher, weil ich so viel stehen musste. Ich bin eindeutig nichts mehr gewohnt. Schweren Herzens verabschiede ich mich deshalb bald darauf von meiner Freundin, die mit dem Auto nach Hause gefahren wird. Auf den Weg zu S-Bahn unterhalte ich mich noch mit dem Ex-Freund von Sabs Freundin und sitze bald darauf allein in der, fahre zwei Stationen und warte dann auf meine Straßenbahn, die mich meinem geliebten Bett näher bringt. Während ich auf die M13 warte, hallt in mir noch immer das Konzert nach und vor allen Dingen eine Textzeile. Ich weiß nicht warum, aber im Nachhinein, habe ich vielleicht eine Ahnung, warum ich sie immer wieder vor mich hin summe. Fragt mich nicht wieso, aber ich verbinde diese Textzeile jetzt wirklich unwiderruflich mit In Extremo, die jetzt nun einen festen Platz auf meinem Rockolymp neben Rammstein haben. Ich werde diese Zeile noch bis drei Uhr nachts in meinem Kopf haben. Ich werde sie leise vor mich hin an der Haltestelle summen und insgeheim in meinem Kopf, bis meine Gedanken dann endlich übermüdet zu Ruhe kommen.
Genre: Allgemein
Raiting: P12
Typus: Geschichte
Disclaimer: Die Personen des öffentlichen Lebens gehören sich natürlich selbst.
Kurzbeschreibung: Konzertbericht zum Gig am 19.12.2008 von In Extremo!
In diesem Licht – Konzertbericht vom 19.12. 2008
Schon den ganzen Tag lang ging ich meiner Freundin und Kollegin auf den Nerv. Eigentlich nicht nur diesen besagten und glücklichsten Freitag meines Lebens, sondern seit dem Zeitpunkt, seit dem ich wusste, dass ich da hin gehen durfte. Die Woche vom 15.12. bis 18.12. war ich das reinste Nervenbündel. Ich konnte an fast nichts mehr denken, als an den 19.12! Eigentlich auch verständlich, wenn man mal davon absieht, dass ich noch nie, wirklich noch nie auf einem richtigen Konzert war. Ja peinlich ich weiß, dass müsst ihr mir jetzt nicht auch noch unter die Nase binden, dass weiß ich eigentlich von allein! Also behaltet bitte jeglichen Kommentar für euch.
Jedenfalls hatte ich wirklich Mühe mich auf meine Klausur in der Berufsschule zu konzentrieren. Ich hibbelte wie verrückt und raste zur S-Bahn. Als wenn sie dadurch schneller fahren würde, aber das war mir egal. Ich freute mich wie ein Schnitzel. Nachdem ich mich in meiner kleinen Wohnung aufgebretzelt hatte, hastete ich zur Straßenbahn. Ich wollte so schnell wie möglich zur Treptowarena. Das ich noch mit der S-Bahn fahren musste, ignorierte ich einfach. Ich wärmte ich schon mal mit AC/DC auf und wippte ungeduldig mit den Beinen. Gut, nicht nur vor Ungeduld… Ich hatte nur ein ziemlich dünnes T-Shirt an und eine ziemlich dünne Jacke, damit ich sie mir gut um die Hüfte binden können würde. Am S-Bahnhof angekommen traf ich auf meine Freundin. Nur noch auf die ihre und dessen Freund warten. Plötzlich eine Sms. Sabs Freundin, würde noch länger brauchen. Zwanzig Minuten!!!! Unmöglich, dass auszuhalten. Was erwarteten die denn von mir? Ich musste sie sehen. Oder zumindest musste ich am Eingang stehen, um die Chance zu haben in den ersten Reihen zu stehen! Das wollte ich mehr, als alles andere. Also entschlossen sich Sab und ich schon mal los zu gehen. Wäre ja auch mal nett gewesen, einfach auf die Karte zu blicken. Da stand doch fett drauf, dass 18.00 Uhr Einlass war. Logisch, dass man das mal verwechseln kann. Es starrt ja natürlich auch nicht jeder so auf die Karte wie ich, um sich jedes Detail einzuprägen. Ich weiß, dass ich krank bin!!! Jedenfalls friere ich jetzt schon erbärmlich, muss aber noch mit meiner Freundin die Taschen umbauen. Immerhin soll meine Digicam nicht zu finden sein und sie hat nun mal die größere Tasche. Um die hab ich am meisten Schiss. Als wir endlich den Weg gefunden hatten, wo wir hin mussten, mit einmal nachfragen, stand ich glücklich vor dem kleinen Gitter. Naja gut ich stand nicht davor… Da stand noch eine Reihe anderer Konzertbesucher. Also harrten wir da geduldig aus, redeten über das Konzert, scherzten darüber, was wir mit den Bandmitgliedern anstellen würden und kuschelten uns aneinander, weil wir langsam aber sicher wirklich erfroren. Wie man solche Eisfinger wie meine Freundin kriegen konnte, war mir allerdings ein Rätsel. Selbst ich hatte nicht so solche Eiszapfen! Bibbernd drängten wir uns immer wieder ein Stück weiter nach vorne. Hätten doch da bleiben sollen, wo wir angekommen waren, da hatten wir nicht so gefroren! Egal… ich bin weiter vorne! Mehr zählt nicht, als uns plötzlich jemand von hinten antippt. Sabs Freundin, ist auch endlich angekommen, deren Freund oder jetzt plötzlicher Exfreund so was von klammert, dass er mir bald schon auf den Keks geht. Aber mich hebt nichts an. Die Vorfreude und der Soundcheck, wo ich die Lutter deutlich heraus höre, halten mich bei Laune und ich ignoriere tatkräftig meine allmählich schmerzenden Füße und meine mich langsam quälende Hüfte. Ich will einfach nur noch rein und mir die Seele aus dem Leib schreien.
Der Zeiger meiner Armbanduhr wandert über die Sechs und ich frage mich, warum sich nicht endlich was tut. Es geht nicht nur mir so. Gemurrte Fragen werden in der Menge laut. Nicht nur ich friere! Alle frieren… und sind heiß auf das Konzert. Langsam fange ich an, die Security zu hassen. Die haben dicke Jacken an, wir nicht! Wäre auch unlogisch mit Pullover da hin zu kommen. Uns wird eh noch die Suppe in Strömen laufen, obwohl wir schon relativ wenig anhaben… Denke ich mir, da war mir noch nicht klar, wie schnell ich wie ein Schwein schwitzen würde.
Der Einlass verschiebt sich um eine Stunde. Was soll der Scheiß? Meine Füße sind Eisklötze und meine Beine stehe ich mir in den Bauch. Ich merke überdeutlich, wie ich Schmerzen bekomme, die sicherlich nicht besser werden, doch ich habe die Hoffnung, sie während des Konzertes nicht zu spüren. Werde ich auch nicht, nur so nebenbei. Jedenfalls werde ich ungeduldiger. Andere Leute quetschen sich durch und können ins Warme, während ich armes Würstchen draußen in der Kälte stehen muss und klappern. Ich werde langsam sauer… Es könnte wirklich langsam mal losgehen. Endlich wird dieses komische Gestell hingestellt, wo wir in drei Schlangen anstehen, um uns abtasten zu lassen. Wer beschmeißt denn bitte nicht seine Lieblingsband mit Flaschen und allem was dazu gehört? Ich mach das immer. Die Leute, die ich toll finde, bewerfe ich mit Sachen. So zeig ich, dass ich sie lieb habe. Wie behämmert kann man sein? Egal… Wir quetschen uns in die einzelnen Wege und werden wieder nach hinten gedrängt. Meine Fresse, der Typ kann doch auch da stehen, wo wir abgetastet werden, um die Karten abzureißen. Ich bin dran, werfe die Flasche meiner Freundin, die wir auf dem Weg zur Treptowarena getauscht hatten in die berühmte Tonne und warte auf meine Freundin. Mir wird regelrecht schlecht, als ich sehe, wie die Frau der Security beginnt in ihrer Tasche zu wühlen. Ich bete zu Gott, sie möge nur die Flasche finden, was sie auch tut. Kaum ist meine Freundin durch, greife ich nach ihr und renne in die Halle. Ich will ins Warme und ich will einen gescheiten Platz. Eigentlich will ich nur einen gescheiten Platz. Der Rest ist eher unwichtig. Ich bin drin und stoppe. Wo steht die Bühne? Die Halle ist so groß! Ich sehe meine Freundin fragend an, die mich einfach in die Richtung der Bühne zieht. Wenn ich sie nicht hätte, hätte ich noch eine Weile dagestanden und mich umgesehen. Wir gehen an einer kleinen Tribüne vorbei. Wer will zum Teufel bei In Extremo auf einer Tribüne sitzen? Sicher die, die einfach keine allzu langen Beine haben, um sich jetzt wieder die Beine in den Bauch zu stehen.
Unser kleines Grüppchen von vier Mann hat sich jedenfalls in die Mitte der Bühne begeben und gesellt sich zu einer weiteren Gruppe, die quasi von einem Mann im Kettenhemd angeführt wird. Sein blödes Gelaber ist amüsant und ich bin froh, mich von meinen Schmerzen in der Hüfte, den Füßen, den Knien – eigentlich den Beinen allgemein – abzulenken. Es füllt sich hinter uns immer weiter und bald kann ich das Ende der Menschenmasse nicht mehr ausmachen. Es gibt eben auch ab und zu ein paar Menschen, die größer sind als ich, aber was interessieren mich die, die hinter mir sind? Bis jetzt hab ich ja Platz… Die Betonung liegt, bis auf jetzt.
Ab und zu guck ich auf die Bühne und frage mich wann diese spanische Mittelalterband spielen will. „Di Mago de Oz” oder so. Keine Ahnung wie die heißt, aber sie soll ja gut sein. Hab ich mir sagen lassen. Ist ja auch irgendwie relativ… Bin ja wegen der Hauptband da und nicht wegen der Vorband.
Das Licht geht aus und ich bin doch irgendwie gespannt auf das, was da auf und zukommt. Statt einem Sänger, mit langen Haaren, betreten vier Mädels, so alt wie ich die Bühne, stellen sich kleine Fläschchen hin und machen sich an den Instrumenten zu schaffen. Ist das jetzt Ernst? Argwöhnisch richte ich meinen Blick auf die vier und wende mich von meinem Gesprächspartner – der Mann mit den roten Haaren und dem Kettenhemd – ab, um auf die Bühne zu sehen.
Wer ist bitte „The Blacksheep“? Was machen die für Musik? Sind die bekannt? Hab ich von denen schon mal was gehört? Will ich die überhaupt hören? Dann dämmert es langsam. Wieder so eine Teenagerband… kam irgendwann mal bei den RTL2 News. Das Einzige, was mich momentan daran fasziniert ist, dass der Drummer weiblich ist, aber als sie beginnen zu spielen bewegt sich nichts von mir. Kein Finger, der im Takt mit klopft, kein Fuß der mit dem Rhythmus mitgeht. Ich kann mich für die Band einfach nicht erwärmen. So leid es mir tut, aber da ich nett bin, klatsch ich einfach mal mit. Immerhin reißen sie sich den Arsch auf, die Sängerin scheint ab und in das Mikrofon zu schreien und sie wollen uns auf In Extremo einstimmen. Hätte vielleicht besser geklappt, wenn man „The Blacksheep“ in den Folkrock hineinschieben könnte, kann man aber nicht. Nur zwei Lieder von sechs, reißen mich dazu hin, eine Regung meinem Körper abzuverlangen. Und zwar von meinen Knien, die mir sowieso schon wehtun, ich Krüppel. Auch das kribbelige Gefühl in meinem Magen und meinem Kehlkopf, wenn der Bass oder die Drumms ertönen, kann mir keine Reaktion abverlangen.
Die Sängerin nimmt nur den Namen In Extremo in den Mund, da drehen wir schon am Rad und klatschen Applaus, dass uns die Band nach der wir schreien uns längst hören muss. Als ich höre, wie die Sängerin von letztem Lied spricht, wallt in mir Vorfreude auf. Ich kann es jetzt wieder kaum erwarten. Ich will einfach nur noch, dass es losgeht. Der weiße Vorhang lässt nichts durchblicken und ich bin neugierig, wie die eigentliche Bühnenkonstruktion aussieht und die Bühnenarbeiter sollen sich nur schnell beeilen, die Instrumente der Vorband wegzubringen. Immer wieder wechsle ich mit meiner Freundin aufgeregte Blicke. Wieder einmal kann ich es nicht fassen, dass ich hier stehe. Genau an diesem Fleck. So nah an einer meiner Lieblinsbands zu sein und mit und für sie zu singen, lässt mein Hirn Adrenalin ausstoßen, dass es für drei Fahrten mit dem freien Fall reichen würde und dabei haben sie noch nicht einmal angefangen. Wie soll das werden, wenn sie erst mal los legen? Plötzlich geht das Licht aus und Jubel brandet auf. Ich blicke zu Sab und kann mir ein überschwängliches Grinsen einfach nicht verkneifen. Ich greife nach ihrer Hand und werde sie noch einige Male nehmen, als sich auf dem weißen Vorhang das Cover von „Saengerkrieg„ abzeichnet und sich schließlich zu bewegen beginnt. Wir schreien, klatschen und fangen langsam an uns warm zu hopsen bis sich Morgensterns Silhouette am Vorhang abzeichnet. Ich liebe, ja verehre diesen Schrank an Mann, ebenso wie ich meinen Schneider verehre. Er ist einfach nur der Hammer am Drumset und ich ergötze mich schon fast an dem Schatten den er wirft, dabei hat er noch nicht einmal angefangen, irgendetwas zu tun. Doch hat er. Er fährt sich über diesen Mini-Irokesen, den Morgenstern schon seit Jahren sein Eigen nennt. Eigentlich kann es auch so bleiben, ich will einfach nur weiter glotzen, aber da gibt es einen Knall, Gitarrenriffs strömen auf mich ein und der Vorhang fällt. „Sieben Köche“ ist das erste Lied und sofort beginne ich wie von Sinnen zu springen, reiße meine Freundin mit. Mir ist nichts mehr zu blöd und drehe total frei. Ich schreie los, werde dabei aber von hinten, an meinen Vordermann gepresst, dass es mir die Luft aus den Lungen treibt. Ich kann kaum noch mitsingen, hauche die einzelnen Worte fast nur noch. Das ist der bittere Nachgeschmack, wenn man in der Mitte und dann noch in der zweiten Reihe steht. Ich kralle mich an meinen Vordermann, habe ja immerhin die Erlaubnis dazu, um mich abzustoßen. Immerhin muss ich ab und zu auch noch atmen. Kaum ist das zweite Lied zu Ende, drehe ich mich zu einem 1,90 Mann um und frage ihn höflich, ob er nicht etwas aufpassen kann, weil er mir die Luft abdrückt. Völlig atemlos sehe ich ihn an und bringe mein Anliegen vor. Er meint zwar, dass die Leute von hinten drücken und er eigentlich nichts machen kann, aber er tut sein Bestes. Das weiß ich. Das merke ich auch. Zwar nur ab und zu, aber immerhin.
Meine Frisur, auf die ich so stolz war, weil sie mir so gut gelungen war, ist seit dem ersten Song zerstört und mir ist auch nicht mehr kalt. Noch vor einer viertel Stunde, hat eine Gänsehaut meine Arme geziert, jetzt wird mir warm. Mir wird nicht nur warm, mir wird heiß, verdammt heiß. Und noch heißer wird’s, als die Guten bei „Saengerkrieg“ die Flammenwerfer anschmeißen. Eigentlich schmeißen sie insgesamt sechs, wenn nicht sogar acht an!!! Gute sechzig Grad, also für mich gefühlte achtzig, schießen mir in Stößen ins Gesicht. Es ist so hell, dass ich die Augen schließe, aber dennoch wackle ich mit dem Kopf. Nein, eigentlich schmeiße ich ihn hin und her. Mir kleben die Haare im Nacken fest und ich gröle mir die Seele bei dem „Ho ho“ aus dem Leib. Ich springe mit der Masse. Ich singe nicht aus einer Kehle, ich singe aus der Kehle von Hunderten. Ich klatsche nicht nur mit einem paar Hände, sondern mit Hunderten. Ich springe nicht als einzelne Person, ich springe zu Hunderten. Ich reiße nicht allein Arme hoch, sondern tu das zu Hunderten. Ich bin kein Individuum, ich bin die Menge.
Ich vergesse alles um mich herum gehe völlig in dem Augenblick auf. Ich bin verwundert, wie schnell doch die ersten vier Lieder vergehen. Bei „Spielsmannsfluch“, kocht die Menge total über. Sogar der rote Ritter vor mir beginnt wie ein Irrer zu springen. Leider nicht so wie der Typ hinter mir und wie ich. Wenn er doch wenigstens so springen könnte wie ich… Da würde ich mir jetzt nicht so einfach die Arme fast aufscheuern. Ich weiß nicht, ob wir laut sind, als wir den Refrain mitsingen. Ich höre mich ab und zu einfach selber. Muss also bedeuten, dass ich ein ziemlich lautes Organ habe. Wieder und wieder wird es Schweine heiß. Ich konzentriere mich fast nur auf Micha, obwohl ich doch vor hatte, die Lutter, Van Lange und den Morgenstern anzugaffen. Trotz seiner Verletzung am rechten Arm – unser Lieblingssänger stand bei einem Konzert zu nah an einem Flammenwerfer – geht Micha ab wie Schmidts Katze. Er wirft sich auf die Knie und schleuderte seinen Kopf, dass ich mich im Nachhinein wundere, wie er da kein Schleudertrauma mitgenommen hat. Und er schmeißt einige verschlossenen Flaschen in die Menge und erst da fällt mir auf. Durst. Ich habe durst. Mein Mund fühlt sich an wie ein Wattebausch und gegen einen Tropfen Wasser hätte ich jetzt nichts einzuwenden. Immerhin hab ich nichts getrunken und das seit gut drei Stunden. Ich muss zwar nicht aufs Klo, was bei mir ab und zu an Zauberei grenzt, aber ich brauche Wasser. Der Punk vor mir schreit auch heiser danach, wird aber nicht gehört. Bei der krächzenden Stimme, alles kein Wunder. Also werde ich bei der nächsten Ansage auch mal schreien müssen. Aber zuerst geh ich bei „Ai vis lo Lop“ noch mal richtig ab und lache mich bei Flaschenpost halb tot. Pymonte schleift Micha bei den Worten:
Ich beug sie nach vorn
über die Bühne. Das Lachen können meine Freundin und ich uns dabei einfach nicht mehr verkneifen. Im Allgemeinen wird viel vom neuen Album gespielt. „Mein Sehnen“ und der „Zauberspruch“, bringen mich dazu, nach Sabs Hand zu greifen und gemeinsam werfen wir uns schmachtende Blicke zu. Ja, wir lieben uns halt. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Micha generell mit dem Publikum mehr redet, kommt bei youtube.com immer so rüber, aber im Gegenteil. Er beschränkt es auf das Nötigste. Natürlich lobt er das Berliner Publikum. Natürlich, wir sind die Geilsten. Und bevor er das nächste Lied ansagen kann, schrei ich ein:
Micha! Wasser!
Und Tatsache… Er hört mich… Naja es ist ja nicht so, dass ich weit von ihm entfernt bin, aber immerhin ist es laut genug, dass er mich doch nicht verstehen kann. Ich bin ja auch nicht ein Typ, wie der, der geschrieen hat, dass er von Micha ein Kind will. Hab also doch ein ausreichend lautes Organ als Frau und ab da bin ich stolz darauf. Wir benehmen uns wie Wilde. Nur um ein Schluck Wasser zu bekommen, reißen wir uns um die vier Flaschen. Da ich mit meinem Vordermann ausgemacht habe, dass er sich doch bitte um eine Flasche kümmern soll und er so nett ist und das tut, bekomme ich die erste Flasche, wo ich auch gierig ein paar Schlucke gönne, eh ich die kleine Flasche an meine Freundin weiter gebe. Aus einer Pulle saufen sicher zehn Leute. Aber das ist mir egal. Ich war ja die Erste! Nach der Auffrischung meiner Mundhöhle, fühle ich mich sofort wieder gestärkt und jumpe wieder los, zerre den rechten Arm hoch und reiße somit auch die anderen mit. Mein rothaariger Ritter, drehte sich immer mal wieder fragend um, um sicher zu gehen, dass es mir gut geht. So lange ich noch etwas sage, geht es mir gut, ist er der Auffassung. Geht es mir auch. So muss es sich also anfühlen, wenn man high ist. Ich hab das Gefühl, als würde ich schweben. Immer wieder schließe ich die Augen, gehe in der Musik völlig auf. Von mir aus, könnte es den ganzen Abend über weiter gehen.
Sie spielen noch „Berlin“, Als Dank dafür, dass wir so toll sind und weil sie nun mal in Berlin spielen. Nur komisch, dass fast niemand das Lied mitsingen kann. Egal, es macht uns trotzdem Spaß. Spaß ist doch eigentlich alles, was wir wollen. Aber nach „Berlin“ kommt schon das letzte Lied. Das letzte Lied? Das war eindeutig zu schnell rum! Ich will mehr! „Aufs Leben“ singt Micha im Duett mit der Sägerin der Vorband. Auch wenn sie mal den Text vergisst, meistert sie ihren Auftritt doch ganz gut, öbwohl Micha mich hätte nehmen sollen. Ich kann den Text immerhin auswendig.
Nachdem sie dann doch noch „Wind“ gespielt haben, gehen meine sieben Helden hinter die Bühne. Und blitzschnell, fordern wir sie wieder auf, hervor zu kommen. Was sie auch tun. Erst jetzt bemerke ich, dass ich Platz habe. Ich kann frei stehen, kann ohne Probleme mitsingen, kann eigentlich ohne Probleme herum jumpen. Aber dazu hab ich irgendwie keine Kraft mehr. Zwar bewegen sich noch immer meine Beine mit, dagegen werde ich wohl nichts mehr machen können, aber zum herumspringen fehlt mir allmählich aber sicher der Elan. „Küss mich“ ist die erste Zugabe, obwohl ich da langsam in Bedrängnis komme. Ich hab bis jetzt nur vier Fotos geschossen. Ging ja auch nur bei „Sieben Köche“, weil da die Menge noch normal war. Jetzt hatte ich wieder Platz und musste somit meiner Aufgabe, die ich mir freiwillig aufgeladen hatte und was mir im Nachhinein noch von einigen Lesern aufgetragen wurde. Ich bin leicht enttäuscht, dass nach „Villemann og Magnhild“ wirklich, wirklich Schluss ist. Wenn jetzt tatsächlich das Ende naht, dann will ich wenigstens das Plektrum von Van Lange haben! Ich will, ich will, ich will… Es bleibt allerdings beim wollen. Aber somit habe ich einen Grund, wieder ein Konzert zu besuchen. Mal von abgesehen, der geilen Bühnenshow. Ich bin ja immer noch geblendet, von den Flammenwerfern, den Knallkörpern, Pfeiffers Showeinlage und natürlich den brennenden Schlagzeugteilen von Morgensterns Drumset, als sich die Sieben dann von der Bühne endgültig verabschieden.
Ich kann noch immer nicht glauben, dass es vorbei ist. Einerseits bin ich froh, dass es ein Ende hat, andererseits hätte es noch zwei Stunden weiter gehen können. Mit Macht kommen jetzt meine Schmerzen in der Hüfte, den Füßen, dem Rücken wieder und meine Beine fühlen sich zusätzlich noch so an, als wären sie aus Wackelpudding. Dennoch bin ich glücklich. So glücklich, wie ich es mir nur vorstellen kann. Ich bin mir sicher, dass das nicht mehr zu toppen geht, aber ich muss jetzt dringend sitzen und dringend, wirklich dringend etwas trinken. Mein Wasserhausalt ist schon auf Null. Eigentlich unter Null, weil sich langsam aber sicher Kopfschmerzen einstellen. Aber das ist mir egal. Ich witzle mit Sab darüber, dass wir jetzt schleunigst hinter die Absperrung klettern müssten, um uns dann auf die Schöße zweier sehr bestimmten Personen zu setzen. Aber das bleibt nur Wunschdenken. Das wird das Ziel, für das nächste Mal, denn das wird es definitiv geben.
Nachdem wir uns dann alle nach gefühlten zwei Stunden, wieder am Eingang treffen, weil jeder irgendwohin gerannt ist, sind wir wieder alle versammelt. Ich bin jetzt bestimmt vierzehn Zentimeter kleiner als vorher, weil ich so viel stehen musste. Ich bin eindeutig nichts mehr gewohnt. Schweren Herzens verabschiede ich mich deshalb bald darauf von meiner Freundin, die mit dem Auto nach Hause gefahren wird. Auf den Weg zu S-Bahn unterhalte ich mich noch mit dem Ex-Freund von Sabs Freundin und sitze bald darauf allein in der, fahre zwei Stationen und warte dann auf meine Straßenbahn, die mich meinem geliebten Bett näher bringt. Während ich auf die M13 warte, hallt in mir noch immer das Konzert nach und vor allen Dingen eine Textzeile. Ich weiß nicht warum, aber im Nachhinein, habe ich vielleicht eine Ahnung, warum ich sie immer wieder vor mich hin summe. Fragt mich nicht wieso, aber ich verbinde diese Textzeile jetzt wirklich unwiderruflich mit In Extremo, die jetzt nun einen festen Platz auf meinem Rockolymp neben Rammstein haben. Ich werde diese Zeile noch bis drei Uhr nachts in meinem Kopf haben. Ich werde sie leise vor mich hin an der Haltestelle summen und insgeheim in meinem Kopf, bis meine Gedanken dann endlich übermüdet zu Ruhe kommen.
Es regnet, es regnet Blut, es regnet den Spielsmannsfluch.