NIP/TUCK WAYS OF LIFE
von Mrs McMahon
Kurzbeschreibung
Dany Williams ist eine junge erfolgreiche Anwältin für Eherecht in Manhattan. Ihr Freund hat sie kürzlich verlassen sodass es ihr denkbar ungelegen kommt, als sie einen neuen Fall übernimmt. Den den Schönheitschirurgen und Playboys Christian Troy. Schon bald entwickelt sich zwischen den beiden mehr als nur eine Anwalt-Mandant-Beziehung. Doch kann ein Playboy seinen Ruf wirklich an den Nagel hängen? Und dann gibt es da noch ein ganz anderes Problem...
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / Gen
18.10.2008
26.11.2008
3
15.970
18.10.2008
3.819
Sie betrat das Büro von Mr. Wilder, dem Chef der Anwaltskanzlei, in der sie seit mehr als vier Jahren als Anwältin mit Schwerpunkt Scheidungs- und Beziehungsrecht arbeitete, durch die gläserne Schwingtüre. Sie war ein ausgesprochen hübsches Mädchen, wobei, der Ausdruck Mädchen war nicht mehr so ganz treffend, immerhin war sie vor acht Monaten 28 Jahre alt geworden. Aber im Gegensatz zu vielen Ihrer Altersgenossinnen sah sie weder verbraucht noch zu kindlich aus. Sie war knappe 1.70 m groß, schlank und hatte ihr hellblondes Haar, das bis über die Schultern hinab reichte und glänzte, als wäre es mit reinem Gold versponnen, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihr Gesicht erstrahlte in einer hellen, gesunden Hautfarbe, sie hatte zwei große blaue, strahlende Augen und wohlgeformte, rosa Lippen. Sie war nicht geschminkt. Sie schminkte sich so gut wie nie, zum einen, weil sie viel zu gerne lange schlief und morgens jede Minute unter der Decke zu wertvoll war, um sie mit schminken zu vergeuden, und zum anderen, weil sie eine der wenigen Frauen dieses Planeten war, die auch ungeschminkt großartig aussahen. Sie trug einen schmalen, schwarzen Bleistiftrock, der knapp über Ihren Knien endete, und ein Paar perfekter Beine offenbarte. Ihr Oberkörper steckte in einer weißen Seidenbluse mit halblangen Ärmeln.
James Wilder saß hinter seinem gläsernen Schreibtisch, welcher mit Bergen von Akten, Schriftsätzen, Emails, Papieren und Stiften bedeckt war, telefonierte gerade mit einem seiner Golffreunde, scherzte, lachte und konnte meinen dass er, wenn man ihn so sah und nicht wusste, dass er der abgebrühteste Anwalt Manhattans war, wohl kein Wässerchen trüben konnte. Während er von seinem aktuellen Handicap erzählte, mittlerweile auf siebzehn gesunken war (Dany wusste nicht, ob das gut oder schlecht war, aber sie dachte, dass Wilder recht gut sein musste, immerhin war er jeden Montag-Vormittag und jeden Mittwoch-Nachmittag unabkömmlich, da er Golf spielte).
Es war – wie alles Büros des Firmengebäudes – ein außergewöhnlich schöner, filigraner Raum, ganz und gar aus Glas im 56 Stockwerk des Goldman Sachs -Towers. Er blickte kurz zu Dany auf, lächelte und malte dann weiter mit seinem Kugelschreiber kleine Schnörkel, Rechtecke und Linien auf seine Schreibtischunterlage. Dany ging zwei Schritte in das Büro hinein und blieb dann stehen. Ihr schwarzes Notizbuch, in das sie sämtliche Aufgaben, Termine und To Dos, die sie nicht vergessen sollte, eintrug, drückte sie wie einen Schild an sich. Das Telefonat dauerte und dauerte.
„Setzen sie sich, Miss Williams, ich habe einen Spezialfall für sie“ sagte er, als er den Telefonhörer in die schwarze Station zurückgelegt hatte und deute auf einen der beiden schwarzen Stühle vor seinem Schreibtisch. James Wilder war ein netter Kerl. Vor Gericht eiskalt, aber für Dany Williams, die bei Wilder, Stratman, Tillings & Partner vor mittlerweile sieben Jahren als Praktikantin angefangen hatte und nachdem sie ihr Jura-Studium abgeschlossen hatte, als Anwältin für die Kanzlei arbeitete, immer ein väterlicher Mentor für sie gewesen.
Dany wählte den linken Stuhl, schlug das rechte bei über das linke und legte ihr Notizbuch auf ihrem Schoß ab. Den blauen Montblanc-Kugelschreiber, den sie an ihrem ersten Tag bei Wilder, Stratman, Tillings & Partner von Ihrer Großmutter geschenkt bekommen hatte, hielt sie in der rechten Hand.
James Wilder nahm eine Akte aus grünbraunem Karton und schob sie Dany hin. Sie klappte den braunen Umschlag zur Seite. Die Akte enthielt einige Blätter, die mit Wilders krakeliger Schrift beschmiert waren und sie wäre jede Wette eingegangen, dass nicht einmal er selbst noch hätte sagen können, was dieses Durcheinander aus Buchstaben, Zahlen und Daten zu bedeuten hatte. Oben auf lag eine aufgeschlagene Ausgabe von FHM, aus der ein gutaussehender, dunkelhaariger Enddreißiger auf einem eine Viertel-Seite einnehmendem Foto herausgrinste. Die Seite war mit einem quadratischen, neongelben Post-It gekennzeichnet. „New Yorks beliebtester Junggeselle“ schrie die Schlagzeile neben dem Foto in dicken, schwarzen Lettern heraus, die auch noch mit einem gelben Leuchtmarker gekennzeichnet waren. Weiter kam Dany mit lesen nicht.
„Ihr neuer Spezialfall“ meldete James Wilder sich zu Wort und versuchte, sein Unbehagen zu verbergen, das sich wohl auch aus dem Grund in ihm ausgebreitet hatte, weil ein Männermagazin in einer seiner Akten lag.
„Dr. Christian Troy ist – wie sie in dem Bericht aus dem Herrenmagazin erkennen können, scheinbar der beliebteste Junggeselle der Stadt. Dass er in dieser Position eine Menge Frauenbekanntschaften macht, können Sie sich sicher vorstellen. Nun ist eine ehemalige Bekanntschaft von ihm zu weit gegangen und er wünscht einschreiten durch unsere Kanzlei. Das Problem: er hat mit der Dame eigentlich niemals Schluss gemacht, sondern sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet. Die Dame hatte bis vor kurzem den Schlüssel für sein Penthouse und ging dort scheinbar eine Weile unbemerkt aus und ein, bis sie ihm drei Kartons Maden und den Schädel eines toten Schweines in sein Bett geworfen hat. Problem Nr. zwei: Dr. Troy hatte an diesem Abend Damenbesuch und die Dame ist beim Versuch, vor Ekel aus dem Schlafzimmer zu flüchten, in einer Blutlache, die der Schweineschädel verursacht hat, ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen.“
Dany grinste. Sie konnte sich bildlich vorstellen, wie eines dieser Mädchen, ein paar von ihnen waren mit dem Doktor auf kleineren Fotos beim FHM-Artikel abgebildet, in wilder Panik, womöglich in Unterwäsche das Schlafzimmer verlies und dann blutüberströmt mit gebrochenem Bein daliegt. Sie erinnerte sich an den Film „Carrie“ den sie als Mädchen gesehen hatte und nach dem sie einige Tage nicht schlafen konnte, weil ihr immer das Bild dieser Schauspielerin unterkam, die Blutüberströmt im Ballkleid dasteht und die Welt nicht mehr versteht.
Wilder fuhr fort:“Dr. Troy möchte die Stalkerin nun klagen und sie sollen die Geschichte übernehmen. Mit Sicherheit kein einfaches Unterfangen, aber ich bin der Ansicht, Sie sind prädestiniert für diesen Fall!“
„Ähm – Sir – ich bin geschmeichelt, dass sie mir diesen Fall anvertrauen wollen“, begann Dany zögernd, „Aber ich denke, dass gerade aufgrund der Popularität von Dr. Troy und seinem“ sie überlegte kurz „ruf…ein männlicher Anwalt geeigneter wäre, um bösen Zungen den Wind aus den Segeln zu nehmen!“
„Nun, Miss Williams, um ehrlich zu sein, es war nicht nur Ihr Wissen dass mich dazu bewogen hat Sie für den Fall vorzuschlagen“, begann Wilder. Er malte auf seiner Papier-Schreibtischunterlage wieder krakelige Zeichen mit seinem Kugelschreiber. Dieses Mal eindeutig als Zeichen seiner Unsicherheit. „Um ehrlich zu sein, er hat Sie ausgesucht!“
„Wie darf ich das verstehen, er hat mich „ausgesucht?“ Dany merkte, wie Mr. Wilder unbehaglich zumute war. Ihm war es unangenehm, die Wahrheit darüber zu sagen, warum gerade sie diesen Fall übernehmen sollte.
„Nun, Dany, es ist mir höchst unangenehm, das müssen sie mir glauben“, begann er und rutschte nervös auf seinem großen ledernen Sessel herum während er weiterhin Schnörkel auf seiner Schreibtischunterlage malte, „aber unsere Kanzlei vertritt die Praxis von Dr. Troy und seinem Partner nun schon seit deren bestehen und wir haben wie sie sich sicher vorstellen können, eine Menge an ihr verdient!“ Langsam wurde Wilder behaglicher zumute. In einem etwas festeren Ton fuhr er fort: Die Sache ist die, eigentlich wird McNamara/Troy als Praxis wie auch die Privatangelegenheiten der beiden Inhaber von Dr. Kendall betreut. Dr. Troy war seinerzeit zum Erstgespräch bei Dr. Kendall im Büro, als sie scheinbar kurz hereingekommen sind, um eine Akte abzuholen. Dr. Troy fand Sie sehr attraktiv Dany, und aus diesem Grund bat er Dr. Kendall, den Fall an sie abzugeben!“
Jetzt wirkte Wilder wirklich beschämt. Er schaffte es nicht mehr, ihr in die Augen zu sehen sondern widmete sich nun vollends seinem Gemälde, das langsam auf seiner Schreibtischunterlage entstand.
Dany erinnerte sich jetzt an den Augenblick, als sie Dr. Troy das erste Mal sah. Sie war kurz in Walter Kendalls Büro gehuscht, um einen Gesetzestext abzuholen, der dieser für sie bereit gelegt hatte. Sie hatte den attraktiven Mann, der in schwarzem Anzug mit lindgrünem Hemd und dazupassender Krawatte am Besprechungstisch saß, an seinem Kaffee nippte und sie nicht aus den Augen ließ, als sie den Text aus der Schublade von Dr. Kendall holte, gleich beim hereingehen bemerkt. Der Arzt war bestimmt nicht grundlos der begehrteste Junggeselle der Stadt, wie FHM berichtete. Seine Augen hafteten an ihr, wie Kletten an einem Hund, der im Herbst durch hohes Gras gelaufen war. Er hatte, als Dany das Büro betrat, gerade etwas gesagt, aber mitten im Satz unterbrochen und sie angeschaut. Es war ein kribbeliges Gefühl, aber schon in der nächsten halben Stunde hatte sie ihn vergessen.
Sie fühlte sich geschmeichelt, dass sie diesen Fall übernehmen sollte, nahm sich aber vor, sich weder irgendwelche Hoffnungen zu machen und sich schon gar nicht auf diesen Arzt einzulassen. Eigentlich sollte sie die Empörte spielen, aber gerade, nachdem sie vor neun Wochen von ihrem Freund Rick, mit dem sie neun Jahre lang ein Paar gewesen war, den Laufpass bekommen hatte, konnten solche Schmeicheleien nicht schaden.
Zurück in Ihrem Büro warf sie sich erst einmal in ihren Drehstuhl, schaute nach oben und atmete tief durch. Sie trank einen Schluck aus dem Wasserglas, das sich neben ihrem Bildschirm befand, blickte dann auf die Akte, die sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Dann raffte sie sich auf, holte ihre Tasche aus dem hinteren Schrank, packte die Akte hinein und überprüfte, ob die Standardausrüstung, bestehend aus Notizblock, Kugelschreiber, Bleistiften und Linealen, noch vollständig war. Außerdem waren noch eine angebrochene Packung Airwaves Menthol und eine noch nicht geöffnete, 0,5 Liter Flasche Evian darin. Dann druckte sie sich noch die Adresse von Dr. Christian Troy, dem Mandanten, aus lief hinaus in New Yorks Straßen, um den Termin, den Wilder schon vorab mit dem Doktor für sie vereinbart hatte, wahr zu nehmen.
Da es kurz nach Neun war, war es für Dany relativ einfach, ein Taxi zu bekommen.
Während das Taxi die Straßen westwärts hinauffuhr, nahm Dany sich die Zeit, die Akte und vor allem den Artikel in der FHM zu lesen.
Wie die Schlagzeile schon versprochen hatte, erzählte der Artikel die wunderbare Geschichte von Dr. Christian Troy, geboren 1969 in Miami, in eine Pflegefamilie abgegeben, ungeliebt großgezogen. Er begann sein Medizinstudium Ende der 80er Jahre (wohlgemerkt einer Zeit, in der Dany sich eher für Barbies und Ponies interessierte) und spezialisierte sich auf die plastische Chirurgie. Ende der 90er eröffnete er dann mit seinem besten Freund und Partner eine gemeinsame Praxis, in der er schönen und reichen (und solche, die es noch werden wollten) zu dem aussehen verhalf, das sie sich wünschten. Der Artikel erzählte davon, dass Dr. Troy schon zweimal vor dem Traualtar stand, und beide Male zwanzig Minuten vor der Trauung kalte Füße bekommen hatte. Dazu meinte er, er wäre nicht der Typ, der nur eine Frau lieben konnte. Er stand ganz offen dazu, ein Gigolo zu sein und glaubte, mit weit über 1000 Frauen Sex gehabt zu haben – Tendenz täglich steigend. Dr. Troy erzählte, dass er wohl Sexaholic wäre und noch nicht einmal großen Wert auf das Aussehen einer Frau legte, wenn ihn sein Jagdinstinkt überkam, dass er aber natürlich hübsche, junge Frauen bevorzuge und er ein richtiger Gentleman sein konnte, solange ihn ein Mädchen nicht langweilte. Leider hatte es noch keine geschafft, ihn länger als 13 Monate bei Laune zu halten. Jetzt war er schon seit über 2 Jahren Single und „eigentlich doch wieder an etwas längerem als nur einer Stunde voller Leidenschaft“ interessiert. Aber er beschwerte sich nicht – es kommt eben wie’s kommt.
Gerade, als sie den Artikel zu Ende gelesen und die FHM wieder zurück in die Aktenhülle gesteckt hatte, hielt das Taxi an.
„Wir sind da, Miss – das Lincoln-Hochhaus. Macht 26 Dollar!“
Dany zog drei 10-Dollar-Scheine aus Ihrem Portemonnaie und reichte sie dem Fahrer. „Stimmt so“, sagte sie und stieg aus dem Taxi hinaus in die heiße Sommerluft New Yorks.
Das Lincoln-Hochhaus war ein neues, großes Gebäude mit insgesamt 70 Stockwerken. Dany betrat die großflächige Eingangshalle durch eine der vier Drehtüren und fand sich dann in der Eingangshalle wieder, deren Boden mit schwarzen und weißen, großen Marmorfließen ausgestattet war. In der Mitte der Eingangshalle stand ein Springbrunnen, ebenfalls aus Marmor. Am anderen Ende saß der Portier hinter seiner Rezeption und las in einem Magazin. Dany ging auf ihn zu. „Guten Morgen – mein Name ist Dany Williams, ich komme von Wilder, Stratman, Tillings & Partner und möchte zu Dr. Christian Troy – ich müsste angemeldet sein!“
„Schätzchen, die Besucherinnen von Dr. Troy sind selten angemeldet“, meinte der ältliche Portier und grinste. Dann wandte er sich dem Computer, der sich zu seiner rechten Seite befand zu, und tippte ein paar Buchstaben hinein. „Aber SIE sind tatsächlich angemeldet“, meinte er dann. „Sie finden Dr. Troy im 69. Stock. Welch Ironie des Schicksals, der 69. Stock! Nehmen sie Lift Nr. 5, ich rufe Ihn für sie!“
An der rechten Seite der Eingangshalle gesellte sich ein Lift neben den anderen – insgesamt fünfzehn Stück, deren Stockwerksanzeige geschäftig auf und ab sprang. Es dauerte nicht lange, bis sich die Türen von Lift Nr. fünf mit einem dumpfen „Kling“ öffneten. Dany trat ein und drückte den Knopf mit der 69. Mit einem kaum spürbaren Ruck setzte sich der Lift aufwärts in Bewegung. Das innere wurde mit sanfter, klassischer Musik berieselt, während das jeweilige Stockwerk auf einem Display oberhalb der Lifttüren angezeigt wurde. Kurze Zeit später hielt der Lift – wieder mit einem kaum spürbaren Ruck und demselben „Kling“, das Dany bereits unten gehört hatte, an. Die Türen öffneten sich und gaben eine große, hell und freundlich gestaltete Eingangshalle frei. Dieses Stockwerk gehörte dem Doktor ganz alleine und das Stockwerk darüber auch.
Jetzt trat sie aus dem Lift heraus in die durch Tageslicht hell beleuchtete Eingangshalle. Sie war geschmackvoll eingerichtet, moderne Bilder zierten die dunkelgelb gestrichenen Wände und verliehen der Eingangshalle so ein südländisches Flair. Es roch nach frischen Sommerblumen – ein Geruch der für die Innenstadt von New York eher unüblich war und in den Ecken befanden sich große Yucca-Palmen.
„Hallo“ rief sie in das leere Appartement. Doch niemand antwortete. „Dr. Troy?“
Wieder keine Reaktion. Sie ging ein paar Schritte weiter die Halle entlang, welche in einen Flur überging. Noch immer lag das Appartement wie verlassen in der Vormittagssonne. Dany schritt langsam den Flur entlang und betrat das Wohnzimmer, das sich an der rechten Seite befand. Es war ein großes, ebenso wie die Eingangshalle, helles Zimmer das genauso geschmackvoll eingerichtet war. Das Zimmer war an drei Wänden in sattem, südländischem Orange gestrichen, die vierte Wand bestand ganz aus Glas und hatte über die ganze Seite einen Balkon. In der Mitte befand sich eine riesige, weiße einladend aussehende Couch, davor ein dunkler Tisch auf einem nussfarbenen Parkettboden. An der Wand vor der Couch war ein großer Flatscreen angebracht, links davon befand sich eine Bar.
Aber trotz der stilvollen Einrichtung war das Appartement immer noch so leer wie es gewesen war, als Dany es betreten hatte.
„Dr. Troy“ rief sie erneut – und erhielt wieder keine Antwort.
Sie ging wieder auf den Flur hinaus, ein Stück weiter hinunter. Ihre Stöckelschuhe klapperten auf dem Parkett. Dann betrat sie das nächste Zimmer – das Schlafzimmer. Es war nicht so groß wie das Wohnzimmer, jedoch dennoch von ordentlichem Ausmaß. Die gläserne Wand zog sich vom Wohnzimmer auch zum Schlafzimmer durch. Die Tür zum Balkon war leicht geöffnet, der filigrane weiße Vorhang wehte sanft im Wind.
Das Bett stand an der linken Wand, ein großes, schwarzes Ungetüm. Dany mochte gar nicht daran denken, wie viele Frauen dieses Bett schon gesehen hatte. Hinter dem Bett erlaubte eine weitere Glaswand die Sicht auf den kleinen, dahinter befindlichen Raum. Es war eine Dusche. Dany musste an Rick, ihrem Exfreund denken, der immer eine Polestange im Schlafzimmer montieren wollte, seit er das einmal in einer Folge von King of Queens gesehen hatte.. Der eine will eine Polestange im Schlafzimmer, der andere hat eine Dusche mit Glaswand. Dieser Doktor war wohl genau so ein mieser Bastard, wie sie sich vorgestellt hatte.
„Dr. Troy“ rief sie ein drittes Mal. „Hallo?“
Wieder nichts.
„Hey Schätzchen, bist du nicht etwas früh dran. Ich bin mir sicher, dass wir erst heute Abend verabredet sind!“
Dany schrak hoch. Jemand drückte sich von hinten an sie und legte seine Hände auf ihren flachen Bauch. Der Körper hinter ihr war nass und tropfend und die Nässe ging auf ihre Bluse über. Sie befreite sich von der Umarmung und drehte sich um. Vor ihr stand der Mann, der ihr noch vor kurzem aus der FHM entgegengelächelt hatte. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass er jetzt nackt – wie Gott ihn schuf, vor ihr stand.
„Deine Agentur hat da wohl einen kleinen Fehler gemacht, aber ich denke, ich kann eine halbe Stunde meiner kostbaren Zeit erübrigen, wenn du sie mir zu versüßen weißt! Find ich ja toll, dass du dich businessmäßig angezogen hast – ich steh auf prüde Mädchen!“
Schockiert starrte Dany auf den Doktor – immer versucht, oberhalb seines Halses zu bleiben.
„Dr. Troy, mein Name ist Dany Williams, ich komme von Wilder, Stratman, Tillings & Partner und soll Ihre Rechtssache mit der Stalkerin klären!“
„Mein Gott ja – das war DIE Sache!“ der Doktor schien den Termin tatsächlich vergessen zu haben, die Tatsache, dass er nackt vor Dany stand, schien ihn aber nicht weiter zu stören! Er rubbelte sein Haar mit einem weißen Handtuch trocken, dann streckte er ihr die rechte Hand entgegen. „Christian Troy“ stellte er sich vor.
„Sie sind nackt“ sagte Dany, ohne die Hand zu nehmen.
„Ja“ antwortete der Doktor und grinste breite „könnte man diesen Umstand nicht irgendwie nutzen?“
„Ähm…vielleicht könnten sie sich etwas anziehen?“
„Oder sie ziehen sich etwas aus“ er grinste sie an. „Okay – gehen sie kurz ins Wohnzimmer und machen sie sich einen Drink, ich komme gleich. Es sei denn, sie möchten mir beim umziehen behilflich sein?“
„Nein danke!“ Dany drehte auf dem Absatz um und ging den Flur entlang bis zum Wohnzimmer. Während Troy sich anzog, wartete sie auf dem Balkon im Wohnzimmer und schaute auf Manhattan.
„Besser so“ kaum fünf Minuten später kam Christian Troy auf den Balkon heraus. Er trug einen weißen, maßgeschneiderten Anzug, ein schwarzen Hemd und jetzt sah er umwerfend aus. Dany konnte sich gut vorstellen, dass er keine Probleme dabei hatte, Frauen kennen zu lernen.
Okay Dr. Troy, dann erzählen Sie mir ihre Geschichte!“
Dany saß mit Christian in einem kleinen aber feinen Cafe in der Upper East Side. Sie hatten eine kleine Nische im hinteren Bereich gewählt, da nicht jeder von Christians Dilemma erfahren musste. Dany hatte ein Glas Eistee bestellt, Christian trank schwarzen Kaffee. Vor Ihnen auf dem kleinen Tisch lag die Akte, die bis vor kurzem noch in James Wilders Büro gewesen war. Dany war noch nicht dazu gekommen, sich alle Unterlagen daraus durchzulesen. Als sie im Taxi gesessen hatte, hatte sie sie kurz überflogen. Sie fand es aber ohnehin besser, den Sachverhalt aus der Sicht des Mandanten zu erfahren.
„Haben sie heute Abend schon was vor“, fragte Christian ganz unverblümt.
„Dr. Troy, ich denke nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt für Avancen ist“, konterte Dany und blätterte in der ersten Aussage, die Dr. Troy getätigt hatte. Sie fühlte sich geschmeichelt, so direkt von ihm angeflirtet zu werden, wollte sich aber ihren Prinzipien treu bleiben.
„Haben sie schon einmal in den Spiegel gesehen?“ Christian lies sich von Danys Abfuhr nicht von seinem Weg abbringen. „Sie besitzen die Schönheit einer Göttin. So etwas habe ich noch nie erlebt!“
Dany legte die Aussage zur Seite, darauf Ihren Kugelschreiber. Dann beugte sie sich so weit zu Christian über den Tisch, dass sie seinen warmen, nach Mentholzahnpasta schmeckenden Atem riechen, und die Wärme, die seine Haut ausstrahlte, spüren konnte. Sie blickte in seine grünen Augen. Dann sagte sie in gemäßigter Lautstärke: „Sie sollten sich diesen Schwachsinn für die Ladies aufheben, die normalerweise mit Ihnen verkehren, Doktor. Sollten sie unsere Zusammenarbeit nicht augenblicklich professionell ansehen, werde ich den Fall an Dr. Kendall abgeben und bei Dr. Wilder eine Beschwerde gegen sie einlegen!“
Christian grinste sie an, verzichtete jedoch vorerst darauf, weitere Sprüche zu bringen.
„Okay, im Grunde genommen will ich ihr nichts böses tun“, begann er nun endlich, sich auf den Fall zu konzentrieren, „sie war eben eine meiner zahlreichen Frauenbekanntschaften. Wissen Sie, ich habe immer mehrere zum gleichen Zeitpunkt. Jetzt gerade date ich vier Frauen parallel. Keine halte ich länger als drei, maximal vier Monate. Ist es eine spezielle, schaffe ich vielleicht ein halbes Jahr, aber das ist nicht die Regel. Anne Freeling, das Mädchen, um das es hier geht, war gerade mal sechs Wochen mit mir zusammen, wenn sie es denn so nennen wollen. Ihr Problem war, dass sie in allem gleich viel zu viel gesehen hat. Sie wollte mich ganz für sich, sie wollte mich besitzen obwohl sie mit meiner Frauensituation vertraut war. Als sie angefangen hat, mein Handy zu kontrollieren und unangemeldet in der Praxis oder bei mir zuhause aufgetaucht ist, habe ich das alles beendet!“
„Und wie oft hat sie Sie dabei in einer pikanten Situation mit anderen Frauen erwischt?“
„Möchten sie das wissen, weil es ins Protokoll kommt, oder macht sie die Vorstellung scharf, wie ich es mit einer Frau treibe?“
„Okay, das reicht jetzt!“ Dany stand auf und begann, ihre Papiere zu ordnen.
„Nein, bitte. Ich werde brav sein, ich werde brav sein“, begann Christian, legte seine Hand auf ihren linken Arm und sah herzerweichend drein. Seine Hand auf ihrem Arm fühlte sich gut an.
Sie setzte sich wieder. „Es wäre großartig, wenn sie jetzt mitarbeiten würden“, sagte sie.
Das Gespräch dauerte etwas mehr als eine Stunde. Nachdem Christian die Rechnung übernommen hatte, und sie das Cafe verlassen hatten, hielten sie davor noch einmal an.
„Kann ich Sie wieder sehen“, fragte Christian und es wirkte so ehrlich, fast schon wie eine Bitte, dass Dany sich zusammennehmen musste, um ihm nicht eine Visitenkarte mit ihrer Privatnummer in die Hand zu drücken. Sie wusste genau, wie er das gemeint hatte, stellte sich aber dumm. „Ich denke, fürs erste reicht mir ihre Aussage. Ich werde im Büro die Personalien von Miss Freeling prüfen. Nachdem sie ihr weder finanziell noch sonst wie schaden wollen, wird eine gerichtliche Verfügung genau das richtige sein. Ich werde beantragen, dass sie sich bei Ihnen weder telefonisch, schriftlich oder persönlich melden darf und dies auch über Dritte Personen zu unterlassen hat!“
„Ich würde sie wirklich gerne zum Abendessen einladen. Oder ins Kino. Ich weiß ja nicht, was junge attraktive Anwältinnen in ihrer Freizeit so machen!“
„Sich nicht mit Mandanten treffen!“, konterte Dany und mittlerweile haderte sie mit sich selbst, erinnerte sich aber immer wieder daran, dass er vor wenigen Minuten noch erzählt hatte, dass er momentan vier Frauen parallel datete. „Dr. Troy, wenn sie noch Fragen haben sollten, sie haben ja meine Büronummer. Sollte Miss Freeling sich bei Ihnen melden, geben Sie mir bitte umgehend Bescheid und wenn ich noch etwas in dieser Angelegenheit brauchen sollte, so werden Sie von mir hören!“ Sie streckte ihm die rechte Hand entgegen. Nach kurzem Zögern ergriff er sie. Eine Sekunde später legte er auch seine linke Hand darauf, sah ihr in die Augen und strich zärtlich über ihren Handrücken. Dann kam er ganz nah an ihr Gesicht. „Sie sind wunderschön“, flüsterte er in ihr Ohr. Dann lies er die Hand los und rief sich ein Taxi.
James Wilder saß hinter seinem gläsernen Schreibtisch, welcher mit Bergen von Akten, Schriftsätzen, Emails, Papieren und Stiften bedeckt war, telefonierte gerade mit einem seiner Golffreunde, scherzte, lachte und konnte meinen dass er, wenn man ihn so sah und nicht wusste, dass er der abgebrühteste Anwalt Manhattans war, wohl kein Wässerchen trüben konnte. Während er von seinem aktuellen Handicap erzählte, mittlerweile auf siebzehn gesunken war (Dany wusste nicht, ob das gut oder schlecht war, aber sie dachte, dass Wilder recht gut sein musste, immerhin war er jeden Montag-Vormittag und jeden Mittwoch-Nachmittag unabkömmlich, da er Golf spielte).
Es war – wie alles Büros des Firmengebäudes – ein außergewöhnlich schöner, filigraner Raum, ganz und gar aus Glas im 56 Stockwerk des Goldman Sachs -Towers. Er blickte kurz zu Dany auf, lächelte und malte dann weiter mit seinem Kugelschreiber kleine Schnörkel, Rechtecke und Linien auf seine Schreibtischunterlage. Dany ging zwei Schritte in das Büro hinein und blieb dann stehen. Ihr schwarzes Notizbuch, in das sie sämtliche Aufgaben, Termine und To Dos, die sie nicht vergessen sollte, eintrug, drückte sie wie einen Schild an sich. Das Telefonat dauerte und dauerte.
„Setzen sie sich, Miss Williams, ich habe einen Spezialfall für sie“ sagte er, als er den Telefonhörer in die schwarze Station zurückgelegt hatte und deute auf einen der beiden schwarzen Stühle vor seinem Schreibtisch. James Wilder war ein netter Kerl. Vor Gericht eiskalt, aber für Dany Williams, die bei Wilder, Stratman, Tillings & Partner vor mittlerweile sieben Jahren als Praktikantin angefangen hatte und nachdem sie ihr Jura-Studium abgeschlossen hatte, als Anwältin für die Kanzlei arbeitete, immer ein väterlicher Mentor für sie gewesen.
Dany wählte den linken Stuhl, schlug das rechte bei über das linke und legte ihr Notizbuch auf ihrem Schoß ab. Den blauen Montblanc-Kugelschreiber, den sie an ihrem ersten Tag bei Wilder, Stratman, Tillings & Partner von Ihrer Großmutter geschenkt bekommen hatte, hielt sie in der rechten Hand.
James Wilder nahm eine Akte aus grünbraunem Karton und schob sie Dany hin. Sie klappte den braunen Umschlag zur Seite. Die Akte enthielt einige Blätter, die mit Wilders krakeliger Schrift beschmiert waren und sie wäre jede Wette eingegangen, dass nicht einmal er selbst noch hätte sagen können, was dieses Durcheinander aus Buchstaben, Zahlen und Daten zu bedeuten hatte. Oben auf lag eine aufgeschlagene Ausgabe von FHM, aus der ein gutaussehender, dunkelhaariger Enddreißiger auf einem eine Viertel-Seite einnehmendem Foto herausgrinste. Die Seite war mit einem quadratischen, neongelben Post-It gekennzeichnet. „New Yorks beliebtester Junggeselle“ schrie die Schlagzeile neben dem Foto in dicken, schwarzen Lettern heraus, die auch noch mit einem gelben Leuchtmarker gekennzeichnet waren. Weiter kam Dany mit lesen nicht.
„Ihr neuer Spezialfall“ meldete James Wilder sich zu Wort und versuchte, sein Unbehagen zu verbergen, das sich wohl auch aus dem Grund in ihm ausgebreitet hatte, weil ein Männermagazin in einer seiner Akten lag.
„Dr. Christian Troy ist – wie sie in dem Bericht aus dem Herrenmagazin erkennen können, scheinbar der beliebteste Junggeselle der Stadt. Dass er in dieser Position eine Menge Frauenbekanntschaften macht, können Sie sich sicher vorstellen. Nun ist eine ehemalige Bekanntschaft von ihm zu weit gegangen und er wünscht einschreiten durch unsere Kanzlei. Das Problem: er hat mit der Dame eigentlich niemals Schluss gemacht, sondern sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet. Die Dame hatte bis vor kurzem den Schlüssel für sein Penthouse und ging dort scheinbar eine Weile unbemerkt aus und ein, bis sie ihm drei Kartons Maden und den Schädel eines toten Schweines in sein Bett geworfen hat. Problem Nr. zwei: Dr. Troy hatte an diesem Abend Damenbesuch und die Dame ist beim Versuch, vor Ekel aus dem Schlafzimmer zu flüchten, in einer Blutlache, die der Schweineschädel verursacht hat, ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen.“
Dany grinste. Sie konnte sich bildlich vorstellen, wie eines dieser Mädchen, ein paar von ihnen waren mit dem Doktor auf kleineren Fotos beim FHM-Artikel abgebildet, in wilder Panik, womöglich in Unterwäsche das Schlafzimmer verlies und dann blutüberströmt mit gebrochenem Bein daliegt. Sie erinnerte sich an den Film „Carrie“ den sie als Mädchen gesehen hatte und nach dem sie einige Tage nicht schlafen konnte, weil ihr immer das Bild dieser Schauspielerin unterkam, die Blutüberströmt im Ballkleid dasteht und die Welt nicht mehr versteht.
Wilder fuhr fort:“Dr. Troy möchte die Stalkerin nun klagen und sie sollen die Geschichte übernehmen. Mit Sicherheit kein einfaches Unterfangen, aber ich bin der Ansicht, Sie sind prädestiniert für diesen Fall!“
„Ähm – Sir – ich bin geschmeichelt, dass sie mir diesen Fall anvertrauen wollen“, begann Dany zögernd, „Aber ich denke, dass gerade aufgrund der Popularität von Dr. Troy und seinem“ sie überlegte kurz „ruf…ein männlicher Anwalt geeigneter wäre, um bösen Zungen den Wind aus den Segeln zu nehmen!“
„Nun, Miss Williams, um ehrlich zu sein, es war nicht nur Ihr Wissen dass mich dazu bewogen hat Sie für den Fall vorzuschlagen“, begann Wilder. Er malte auf seiner Papier-Schreibtischunterlage wieder krakelige Zeichen mit seinem Kugelschreiber. Dieses Mal eindeutig als Zeichen seiner Unsicherheit. „Um ehrlich zu sein, er hat Sie ausgesucht!“
„Wie darf ich das verstehen, er hat mich „ausgesucht?“ Dany merkte, wie Mr. Wilder unbehaglich zumute war. Ihm war es unangenehm, die Wahrheit darüber zu sagen, warum gerade sie diesen Fall übernehmen sollte.
„Nun, Dany, es ist mir höchst unangenehm, das müssen sie mir glauben“, begann er und rutschte nervös auf seinem großen ledernen Sessel herum während er weiterhin Schnörkel auf seiner Schreibtischunterlage malte, „aber unsere Kanzlei vertritt die Praxis von Dr. Troy und seinem Partner nun schon seit deren bestehen und wir haben wie sie sich sicher vorstellen können, eine Menge an ihr verdient!“ Langsam wurde Wilder behaglicher zumute. In einem etwas festeren Ton fuhr er fort: Die Sache ist die, eigentlich wird McNamara/Troy als Praxis wie auch die Privatangelegenheiten der beiden Inhaber von Dr. Kendall betreut. Dr. Troy war seinerzeit zum Erstgespräch bei Dr. Kendall im Büro, als sie scheinbar kurz hereingekommen sind, um eine Akte abzuholen. Dr. Troy fand Sie sehr attraktiv Dany, und aus diesem Grund bat er Dr. Kendall, den Fall an sie abzugeben!“
Jetzt wirkte Wilder wirklich beschämt. Er schaffte es nicht mehr, ihr in die Augen zu sehen sondern widmete sich nun vollends seinem Gemälde, das langsam auf seiner Schreibtischunterlage entstand.
Dany erinnerte sich jetzt an den Augenblick, als sie Dr. Troy das erste Mal sah. Sie war kurz in Walter Kendalls Büro gehuscht, um einen Gesetzestext abzuholen, der dieser für sie bereit gelegt hatte. Sie hatte den attraktiven Mann, der in schwarzem Anzug mit lindgrünem Hemd und dazupassender Krawatte am Besprechungstisch saß, an seinem Kaffee nippte und sie nicht aus den Augen ließ, als sie den Text aus der Schublade von Dr. Kendall holte, gleich beim hereingehen bemerkt. Der Arzt war bestimmt nicht grundlos der begehrteste Junggeselle der Stadt, wie FHM berichtete. Seine Augen hafteten an ihr, wie Kletten an einem Hund, der im Herbst durch hohes Gras gelaufen war. Er hatte, als Dany das Büro betrat, gerade etwas gesagt, aber mitten im Satz unterbrochen und sie angeschaut. Es war ein kribbeliges Gefühl, aber schon in der nächsten halben Stunde hatte sie ihn vergessen.
Sie fühlte sich geschmeichelt, dass sie diesen Fall übernehmen sollte, nahm sich aber vor, sich weder irgendwelche Hoffnungen zu machen und sich schon gar nicht auf diesen Arzt einzulassen. Eigentlich sollte sie die Empörte spielen, aber gerade, nachdem sie vor neun Wochen von ihrem Freund Rick, mit dem sie neun Jahre lang ein Paar gewesen war, den Laufpass bekommen hatte, konnten solche Schmeicheleien nicht schaden.
Zurück in Ihrem Büro warf sie sich erst einmal in ihren Drehstuhl, schaute nach oben und atmete tief durch. Sie trank einen Schluck aus dem Wasserglas, das sich neben ihrem Bildschirm befand, blickte dann auf die Akte, die sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Dann raffte sie sich auf, holte ihre Tasche aus dem hinteren Schrank, packte die Akte hinein und überprüfte, ob die Standardausrüstung, bestehend aus Notizblock, Kugelschreiber, Bleistiften und Linealen, noch vollständig war. Außerdem waren noch eine angebrochene Packung Airwaves Menthol und eine noch nicht geöffnete, 0,5 Liter Flasche Evian darin. Dann druckte sie sich noch die Adresse von Dr. Christian Troy, dem Mandanten, aus lief hinaus in New Yorks Straßen, um den Termin, den Wilder schon vorab mit dem Doktor für sie vereinbart hatte, wahr zu nehmen.
Da es kurz nach Neun war, war es für Dany relativ einfach, ein Taxi zu bekommen.
Während das Taxi die Straßen westwärts hinauffuhr, nahm Dany sich die Zeit, die Akte und vor allem den Artikel in der FHM zu lesen.
Wie die Schlagzeile schon versprochen hatte, erzählte der Artikel die wunderbare Geschichte von Dr. Christian Troy, geboren 1969 in Miami, in eine Pflegefamilie abgegeben, ungeliebt großgezogen. Er begann sein Medizinstudium Ende der 80er Jahre (wohlgemerkt einer Zeit, in der Dany sich eher für Barbies und Ponies interessierte) und spezialisierte sich auf die plastische Chirurgie. Ende der 90er eröffnete er dann mit seinem besten Freund und Partner eine gemeinsame Praxis, in der er schönen und reichen (und solche, die es noch werden wollten) zu dem aussehen verhalf, das sie sich wünschten. Der Artikel erzählte davon, dass Dr. Troy schon zweimal vor dem Traualtar stand, und beide Male zwanzig Minuten vor der Trauung kalte Füße bekommen hatte. Dazu meinte er, er wäre nicht der Typ, der nur eine Frau lieben konnte. Er stand ganz offen dazu, ein Gigolo zu sein und glaubte, mit weit über 1000 Frauen Sex gehabt zu haben – Tendenz täglich steigend. Dr. Troy erzählte, dass er wohl Sexaholic wäre und noch nicht einmal großen Wert auf das Aussehen einer Frau legte, wenn ihn sein Jagdinstinkt überkam, dass er aber natürlich hübsche, junge Frauen bevorzuge und er ein richtiger Gentleman sein konnte, solange ihn ein Mädchen nicht langweilte. Leider hatte es noch keine geschafft, ihn länger als 13 Monate bei Laune zu halten. Jetzt war er schon seit über 2 Jahren Single und „eigentlich doch wieder an etwas längerem als nur einer Stunde voller Leidenschaft“ interessiert. Aber er beschwerte sich nicht – es kommt eben wie’s kommt.
Gerade, als sie den Artikel zu Ende gelesen und die FHM wieder zurück in die Aktenhülle gesteckt hatte, hielt das Taxi an.
„Wir sind da, Miss – das Lincoln-Hochhaus. Macht 26 Dollar!“
Dany zog drei 10-Dollar-Scheine aus Ihrem Portemonnaie und reichte sie dem Fahrer. „Stimmt so“, sagte sie und stieg aus dem Taxi hinaus in die heiße Sommerluft New Yorks.
Das Lincoln-Hochhaus war ein neues, großes Gebäude mit insgesamt 70 Stockwerken. Dany betrat die großflächige Eingangshalle durch eine der vier Drehtüren und fand sich dann in der Eingangshalle wieder, deren Boden mit schwarzen und weißen, großen Marmorfließen ausgestattet war. In der Mitte der Eingangshalle stand ein Springbrunnen, ebenfalls aus Marmor. Am anderen Ende saß der Portier hinter seiner Rezeption und las in einem Magazin. Dany ging auf ihn zu. „Guten Morgen – mein Name ist Dany Williams, ich komme von Wilder, Stratman, Tillings & Partner und möchte zu Dr. Christian Troy – ich müsste angemeldet sein!“
„Schätzchen, die Besucherinnen von Dr. Troy sind selten angemeldet“, meinte der ältliche Portier und grinste. Dann wandte er sich dem Computer, der sich zu seiner rechten Seite befand zu, und tippte ein paar Buchstaben hinein. „Aber SIE sind tatsächlich angemeldet“, meinte er dann. „Sie finden Dr. Troy im 69. Stock. Welch Ironie des Schicksals, der 69. Stock! Nehmen sie Lift Nr. 5, ich rufe Ihn für sie!“
An der rechten Seite der Eingangshalle gesellte sich ein Lift neben den anderen – insgesamt fünfzehn Stück, deren Stockwerksanzeige geschäftig auf und ab sprang. Es dauerte nicht lange, bis sich die Türen von Lift Nr. fünf mit einem dumpfen „Kling“ öffneten. Dany trat ein und drückte den Knopf mit der 69. Mit einem kaum spürbaren Ruck setzte sich der Lift aufwärts in Bewegung. Das innere wurde mit sanfter, klassischer Musik berieselt, während das jeweilige Stockwerk auf einem Display oberhalb der Lifttüren angezeigt wurde. Kurze Zeit später hielt der Lift – wieder mit einem kaum spürbaren Ruck und demselben „Kling“, das Dany bereits unten gehört hatte, an. Die Türen öffneten sich und gaben eine große, hell und freundlich gestaltete Eingangshalle frei. Dieses Stockwerk gehörte dem Doktor ganz alleine und das Stockwerk darüber auch.
Jetzt trat sie aus dem Lift heraus in die durch Tageslicht hell beleuchtete Eingangshalle. Sie war geschmackvoll eingerichtet, moderne Bilder zierten die dunkelgelb gestrichenen Wände und verliehen der Eingangshalle so ein südländisches Flair. Es roch nach frischen Sommerblumen – ein Geruch der für die Innenstadt von New York eher unüblich war und in den Ecken befanden sich große Yucca-Palmen.
„Hallo“ rief sie in das leere Appartement. Doch niemand antwortete. „Dr. Troy?“
Wieder keine Reaktion. Sie ging ein paar Schritte weiter die Halle entlang, welche in einen Flur überging. Noch immer lag das Appartement wie verlassen in der Vormittagssonne. Dany schritt langsam den Flur entlang und betrat das Wohnzimmer, das sich an der rechten Seite befand. Es war ein großes, ebenso wie die Eingangshalle, helles Zimmer das genauso geschmackvoll eingerichtet war. Das Zimmer war an drei Wänden in sattem, südländischem Orange gestrichen, die vierte Wand bestand ganz aus Glas und hatte über die ganze Seite einen Balkon. In der Mitte befand sich eine riesige, weiße einladend aussehende Couch, davor ein dunkler Tisch auf einem nussfarbenen Parkettboden. An der Wand vor der Couch war ein großer Flatscreen angebracht, links davon befand sich eine Bar.
Aber trotz der stilvollen Einrichtung war das Appartement immer noch so leer wie es gewesen war, als Dany es betreten hatte.
„Dr. Troy“ rief sie erneut – und erhielt wieder keine Antwort.
Sie ging wieder auf den Flur hinaus, ein Stück weiter hinunter. Ihre Stöckelschuhe klapperten auf dem Parkett. Dann betrat sie das nächste Zimmer – das Schlafzimmer. Es war nicht so groß wie das Wohnzimmer, jedoch dennoch von ordentlichem Ausmaß. Die gläserne Wand zog sich vom Wohnzimmer auch zum Schlafzimmer durch. Die Tür zum Balkon war leicht geöffnet, der filigrane weiße Vorhang wehte sanft im Wind.
Das Bett stand an der linken Wand, ein großes, schwarzes Ungetüm. Dany mochte gar nicht daran denken, wie viele Frauen dieses Bett schon gesehen hatte. Hinter dem Bett erlaubte eine weitere Glaswand die Sicht auf den kleinen, dahinter befindlichen Raum. Es war eine Dusche. Dany musste an Rick, ihrem Exfreund denken, der immer eine Polestange im Schlafzimmer montieren wollte, seit er das einmal in einer Folge von King of Queens gesehen hatte.. Der eine will eine Polestange im Schlafzimmer, der andere hat eine Dusche mit Glaswand. Dieser Doktor war wohl genau so ein mieser Bastard, wie sie sich vorgestellt hatte.
„Dr. Troy“ rief sie ein drittes Mal. „Hallo?“
Wieder nichts.
„Hey Schätzchen, bist du nicht etwas früh dran. Ich bin mir sicher, dass wir erst heute Abend verabredet sind!“
Dany schrak hoch. Jemand drückte sich von hinten an sie und legte seine Hände auf ihren flachen Bauch. Der Körper hinter ihr war nass und tropfend und die Nässe ging auf ihre Bluse über. Sie befreite sich von der Umarmung und drehte sich um. Vor ihr stand der Mann, der ihr noch vor kurzem aus der FHM entgegengelächelt hatte. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass er jetzt nackt – wie Gott ihn schuf, vor ihr stand.
„Deine Agentur hat da wohl einen kleinen Fehler gemacht, aber ich denke, ich kann eine halbe Stunde meiner kostbaren Zeit erübrigen, wenn du sie mir zu versüßen weißt! Find ich ja toll, dass du dich businessmäßig angezogen hast – ich steh auf prüde Mädchen!“
Schockiert starrte Dany auf den Doktor – immer versucht, oberhalb seines Halses zu bleiben.
„Dr. Troy, mein Name ist Dany Williams, ich komme von Wilder, Stratman, Tillings & Partner und soll Ihre Rechtssache mit der Stalkerin klären!“
„Mein Gott ja – das war DIE Sache!“ der Doktor schien den Termin tatsächlich vergessen zu haben, die Tatsache, dass er nackt vor Dany stand, schien ihn aber nicht weiter zu stören! Er rubbelte sein Haar mit einem weißen Handtuch trocken, dann streckte er ihr die rechte Hand entgegen. „Christian Troy“ stellte er sich vor.
„Sie sind nackt“ sagte Dany, ohne die Hand zu nehmen.
„Ja“ antwortete der Doktor und grinste breite „könnte man diesen Umstand nicht irgendwie nutzen?“
„Ähm…vielleicht könnten sie sich etwas anziehen?“
„Oder sie ziehen sich etwas aus“ er grinste sie an. „Okay – gehen sie kurz ins Wohnzimmer und machen sie sich einen Drink, ich komme gleich. Es sei denn, sie möchten mir beim umziehen behilflich sein?“
„Nein danke!“ Dany drehte auf dem Absatz um und ging den Flur entlang bis zum Wohnzimmer. Während Troy sich anzog, wartete sie auf dem Balkon im Wohnzimmer und schaute auf Manhattan.
„Besser so“ kaum fünf Minuten später kam Christian Troy auf den Balkon heraus. Er trug einen weißen, maßgeschneiderten Anzug, ein schwarzen Hemd und jetzt sah er umwerfend aus. Dany konnte sich gut vorstellen, dass er keine Probleme dabei hatte, Frauen kennen zu lernen.
Okay Dr. Troy, dann erzählen Sie mir ihre Geschichte!“
Dany saß mit Christian in einem kleinen aber feinen Cafe in der Upper East Side. Sie hatten eine kleine Nische im hinteren Bereich gewählt, da nicht jeder von Christians Dilemma erfahren musste. Dany hatte ein Glas Eistee bestellt, Christian trank schwarzen Kaffee. Vor Ihnen auf dem kleinen Tisch lag die Akte, die bis vor kurzem noch in James Wilders Büro gewesen war. Dany war noch nicht dazu gekommen, sich alle Unterlagen daraus durchzulesen. Als sie im Taxi gesessen hatte, hatte sie sie kurz überflogen. Sie fand es aber ohnehin besser, den Sachverhalt aus der Sicht des Mandanten zu erfahren.
„Haben sie heute Abend schon was vor“, fragte Christian ganz unverblümt.
„Dr. Troy, ich denke nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt für Avancen ist“, konterte Dany und blätterte in der ersten Aussage, die Dr. Troy getätigt hatte. Sie fühlte sich geschmeichelt, so direkt von ihm angeflirtet zu werden, wollte sich aber ihren Prinzipien treu bleiben.
„Haben sie schon einmal in den Spiegel gesehen?“ Christian lies sich von Danys Abfuhr nicht von seinem Weg abbringen. „Sie besitzen die Schönheit einer Göttin. So etwas habe ich noch nie erlebt!“
Dany legte die Aussage zur Seite, darauf Ihren Kugelschreiber. Dann beugte sie sich so weit zu Christian über den Tisch, dass sie seinen warmen, nach Mentholzahnpasta schmeckenden Atem riechen, und die Wärme, die seine Haut ausstrahlte, spüren konnte. Sie blickte in seine grünen Augen. Dann sagte sie in gemäßigter Lautstärke: „Sie sollten sich diesen Schwachsinn für die Ladies aufheben, die normalerweise mit Ihnen verkehren, Doktor. Sollten sie unsere Zusammenarbeit nicht augenblicklich professionell ansehen, werde ich den Fall an Dr. Kendall abgeben und bei Dr. Wilder eine Beschwerde gegen sie einlegen!“
Christian grinste sie an, verzichtete jedoch vorerst darauf, weitere Sprüche zu bringen.
„Okay, im Grunde genommen will ich ihr nichts böses tun“, begann er nun endlich, sich auf den Fall zu konzentrieren, „sie war eben eine meiner zahlreichen Frauenbekanntschaften. Wissen Sie, ich habe immer mehrere zum gleichen Zeitpunkt. Jetzt gerade date ich vier Frauen parallel. Keine halte ich länger als drei, maximal vier Monate. Ist es eine spezielle, schaffe ich vielleicht ein halbes Jahr, aber das ist nicht die Regel. Anne Freeling, das Mädchen, um das es hier geht, war gerade mal sechs Wochen mit mir zusammen, wenn sie es denn so nennen wollen. Ihr Problem war, dass sie in allem gleich viel zu viel gesehen hat. Sie wollte mich ganz für sich, sie wollte mich besitzen obwohl sie mit meiner Frauensituation vertraut war. Als sie angefangen hat, mein Handy zu kontrollieren und unangemeldet in der Praxis oder bei mir zuhause aufgetaucht ist, habe ich das alles beendet!“
„Und wie oft hat sie Sie dabei in einer pikanten Situation mit anderen Frauen erwischt?“
„Möchten sie das wissen, weil es ins Protokoll kommt, oder macht sie die Vorstellung scharf, wie ich es mit einer Frau treibe?“
„Okay, das reicht jetzt!“ Dany stand auf und begann, ihre Papiere zu ordnen.
„Nein, bitte. Ich werde brav sein, ich werde brav sein“, begann Christian, legte seine Hand auf ihren linken Arm und sah herzerweichend drein. Seine Hand auf ihrem Arm fühlte sich gut an.
Sie setzte sich wieder. „Es wäre großartig, wenn sie jetzt mitarbeiten würden“, sagte sie.
Das Gespräch dauerte etwas mehr als eine Stunde. Nachdem Christian die Rechnung übernommen hatte, und sie das Cafe verlassen hatten, hielten sie davor noch einmal an.
„Kann ich Sie wieder sehen“, fragte Christian und es wirkte so ehrlich, fast schon wie eine Bitte, dass Dany sich zusammennehmen musste, um ihm nicht eine Visitenkarte mit ihrer Privatnummer in die Hand zu drücken. Sie wusste genau, wie er das gemeint hatte, stellte sich aber dumm. „Ich denke, fürs erste reicht mir ihre Aussage. Ich werde im Büro die Personalien von Miss Freeling prüfen. Nachdem sie ihr weder finanziell noch sonst wie schaden wollen, wird eine gerichtliche Verfügung genau das richtige sein. Ich werde beantragen, dass sie sich bei Ihnen weder telefonisch, schriftlich oder persönlich melden darf und dies auch über Dritte Personen zu unterlassen hat!“
„Ich würde sie wirklich gerne zum Abendessen einladen. Oder ins Kino. Ich weiß ja nicht, was junge attraktive Anwältinnen in ihrer Freizeit so machen!“
„Sich nicht mit Mandanten treffen!“, konterte Dany und mittlerweile haderte sie mit sich selbst, erinnerte sich aber immer wieder daran, dass er vor wenigen Minuten noch erzählt hatte, dass er momentan vier Frauen parallel datete. „Dr. Troy, wenn sie noch Fragen haben sollten, sie haben ja meine Büronummer. Sollte Miss Freeling sich bei Ihnen melden, geben Sie mir bitte umgehend Bescheid und wenn ich noch etwas in dieser Angelegenheit brauchen sollte, so werden Sie von mir hören!“ Sie streckte ihm die rechte Hand entgegen. Nach kurzem Zögern ergriff er sie. Eine Sekunde später legte er auch seine linke Hand darauf, sah ihr in die Augen und strich zärtlich über ihren Handrücken. Dann kam er ganz nah an ihr Gesicht. „Sie sind wunderschön“, flüsterte er in ihr Ohr. Dann lies er die Hand los und rief sich ein Taxi.
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