Der Dunkle Turm von Stephen King - Die Vergangenheit der früheren Helden
von Lunita
Kurzbeschreibung
Hierbei handelt es sich generell um die Dunkle-Turm-Sage vom Altmeister Stephen King, und zwar um Glas, den 4.Teil. Ich habe einer fiktive Person Einzug in die Geschichte gegeben, Phoebe Masters. Sie ist Teil von Rolands Ka-tett, eine Freundin, ein Revolvermann und vor allem ist sie ein Mädchen. Erfahrt hier, wie die ganze Handlung aus "Glas" aus ihrer Sicht geschehen ist, sowie um ihre Vergangenheit, ihre Gefühle, ihre eigenen kleinen Kriege und was das Leben sonst noch für sie bereit hält. Ich habe mir hierfür einige kleine Veränderungen im Ablauf der Geschichte erlaubt. --> neue Kapitel online
GeschichteRomance, Fantasy / P16 / Het
OC (Own Character)
Roland Deschain
05.06.2008
28.05.2023
23
62.262
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05.06.2008
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Einige Tage später ritten sie zu viert von der Stadt weg. Ritten zuerst über den langen Hang, den sie hier die Schräge nannten und ritten dann in das freie Land (Böses Gras, nannten die Leute in Hambry dies) und dann in das trockene, wüste Land. Es war ein langer ritt ohne vielen geographischen Markierungen.
„Das ist Hanging Rock.“, sagte Roland irgendwann. „An seinem Fuß liegt eine Quelle. Sie ist die einzige weit und breit, sagen sie hier.“ Viel mehr wurde aber bei dem Ausritt nicht gesprochen. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Mit Roland reden zu wollen war in letzter Zeit so wieso nicht machbar. Immerzu war er abwesen, distanziert. Er sagte auch nicht, was los war. Er sagte eigentlich fast gar nichts mehr. Es gab ganze Tage, an denen er nicht ein Wort gesprochen hatte.
Es war auch überflüssig. Sie alle wussten was es für Konsequenzen haben würde, wenn Roland um Susan Delgado werben würde. Himmel, sie war immerhin die Mätresse des Bürgermeisters. Aber er hielt sich zurück. Er war zwar immer noch oft fort und wollte allein sein, aber sie fanden zumindest keine blonden Haare mehr bei ihm. Das änderte aber nichts daran, dass er immer noch nicht ganz da zu sein schien.
Außer heute. Heute schien er wieder mehr bei sich zu sein als wäre er aufgewacht aus einem Traum. Er hatte seine Zerstreutheit abgelegt. Stattdessen war er wieder aufmerksam. War wieder Roland Deschain, wie sie ihn kannten.
Irgendwann hörte der Wind plötzlich auf ihnen in den Rücken zu wehen. Stattdessen hörten sie ein leises Heulen. Es klang irgendwie atonal. Und es drang aus der Schlucht des Eyebolt Canons. Phoebe wurde ganz schlecht dabei und sie sah ihren Freunden, vor allem Alain, an, dass es ihnen auch zuwider war. Geier kreisten über den Canon. Phoebe hatte ein ganz ungutes Gefühl.
„Dem Wachposten gefällt es hier nicht, Will.“, sagte Bert. „Und mir auch nicht besonders. Warum sind wir hier?“
„Um zu zählen.“, antwortete Roland kühl. Und Phoebe jubelte innerlich, auch wenn es ihr hier genauso wenig gefiel. Diese Kälte, diese Ausdruckslosigkeit in Rolands Stimme – das war er. Genau das. Und er schien sich auch wieder daran zu erinnern, warum sie hier waren. An ihre Pflichten (zumindest sollte es ja so aussehen). Vielleicht wurde es jetzt wieder besser mit ihm. „Wir sind geschickt worden, um alles zu zählen und zu sehen und dies ist etwas, das wir zählen und sehen sollten.“
„Oh, ay…“, sagte Bert. Er schien verwirrt oder vielleicht tat er auch nur so. Bei Bert war es oft schwer zu sagen, was er wirklich dachte. „Sechzehnhundertundvierzehn Fischernetze, siebenhundertundzehn kleine Boote, zweihundertundvierzehn große Boote, siebzig Ochsen, die niemand gesehen haben will und nördlich der Stadt eine Schwachstelle – Was immer, zur Hölle, das sein mag!“
„Wir werden es herausfinden.“, sagte Roland nur mit einem Nicken. Es wunderte ihn aber nicht, was Bert da alles aufzählte (und dass er sich die ganzen Zahlen tatsächlich merken konnte, aber früh nach dem Aufstehen nicht mehr wusste, wo er am Abend zuvor seine Sachen hingelegt hatte). Und es sollte ihn wundern, denn bei dem Großteil der Arbeit des Zählens ist Roland bisher nicht dabei gewesen.
Aber all das sagte Phoebe nicht. Sie hielt ihren Mund, ausnahmsweise. Denn eines wusste sie: Roland hatte Recht. Und sie war neugierig, so widerlich das Geräusch auch war. Das traf auf sie alle zu. Sie alle waren neugierig, was wohl auch der Grund war, warum niemand die Anmerkung machte, dass es doch besser wäre umzukehren, als sie tiefer in dieses Geräusch hinein ritten.
Der Eingang des Canons war mir Ästen versperrt. Doch ein Pfad führte dort hindurch. Es war zu schmal für die Pferde, aber Phoebe glaubte auch nicht, dass sie viel weiter gehen würden. Das Geräusch musste für die Pferde noch schlimmer sein als für sie selbst.
„Gehen wir rein?“, fragte Bert. Er wirkte ein klein wenig nervös. „Wenn nämlich, möchte ich für das Protokoll festhalten, dass ich dagegen bin, auch wenn ich keine Meuterei vom Zaun brechen will.“
„Beruhig dich Bert. Wir gehen nicht rein. Ich habe nicht vor, euch dort hinein zu führen, zumal ich nur eine vage Vorstellung dessen habe, was diese Schwachstelle ist.“, sagte Roland.
„Gut.“, sagte Al darauf hin leise und Roland lächelte leicht. Aber Phoebe fragte sich, wie viel Roland eigentlich wusste. Und woher er als das wissen konnte. Er hatte in letzter Zeit immer allein sein wollen und so unkonzentriert wie er gewesen war, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Roland die Zeit mit Fragen verbracht hatte. Es war merkwürdig.
Sie entdeckte, während sie darüber nachdachte, auf der Westseite des Canons einen Pfad, der hinauf führte. Er war steil und schmal, sodass sie nur in einer Reihe reiten konnten. Phoebe ritt vorneweg. Sie hatte bisher nicht ein Wort gesagt. Aber langsam wurde sie unruhig. Dieses Geräusch, es machte sie wahnsinnig. Es wurde nicht besser. Man konnte sich nicht daran gewöhnen, denn stattdessen wurde es immer schlimmer, je länger man es hörte. Es durchdrang den ganzen Körper, ließ die Zähne vibrieren sowie jeden Nerv im Körper. Die Ohren schienen weh zu tun, die Augen wollten tränen. Aber am schlimmsten wirkte das Geräusch im Kopf. Es schien Phoebe vorzumachen, dass alles, was sie je in ihrem Leben gefürchtet hat, wovor sie je Angst hatte, hinter der nächsten Biegung auf sie lauern würde. Es machte ihr Angst und es machte sie nervös. Und den Jungs ging es da nicht anders.
Als sie den höchsten Punkt erreicht hatten, wurde es etwas besser. Hier war das Geräusch nicht ganz so nagend. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie der freie Himmel wieder über sich sahen. Phoebe stieg ab und ging an den porösen Rand des Canons. Sie schien hinein sehen zu wollen, aber es war zwecklos. Bert stand mit einem Mal neben ihr.
„Nützt nichts. Wir hätten früher aufbrechen sollen, Roland… Will, meine ich. Was sind wir doch für Dummköpfe.“, sagte er verdrossen. Es war bereits dunkel, ja. Die Nacht brach herein.
„Hier draußen kannst du mich Roland nennen, wenn du möchtest.“, sagte er zu Berts Überraschung. „Und wir werden sehen, was wir sehen wollten und zählen, was wir zählen wollten. Eine Schwachstelle, genau wie du gesagt hast. Warte einfach ab.“, sagte Roland geheimnisvoll.
„Das ist aber etwas, was ich nicht besonders gut kann.“, murmelte Bert und in Phoebes Gesicht schlich sich ein seichtes Lächeln. Ja wahrhaftig, er sprach die Wahrheit. Das konnte er wirklich nicht gut.
Aber sie warteten. Was sollten sie auch sonst tun? Darin immerhin hatten sie ja nun schon Übung. Keine zwanzig Minuten später ging dann der Marketendermond auf. Er war so hell, dass er die Landschaft erhellte, jedenfalls genug, um sehen um können, was vor ihnen lag.
„Bah!“, rief Bert aus. „Das ist ein Anblick, den man sich bei diesem Geräusch von dort unten lieber ersparen sollte.“
Dennoch blieben sie. Und sie blieben noch lange und starrten einfach hinab. Niemand von ihnen hätte später genau sagen können, was sie gesehen hatten, außer einer trüben, silbernfarbenen Suppe, bestehend aus Dunst und Nebel vielleicht. Es war alles nicht deutlich, alles irgendwie wabbelig, verschwommen. Das alles schien schon schlimm genug. Schlimm, weil man nicht einmal sagen konnte, woher das Grauen kam. Aber das Schlimmste daran war, dass diese Schwachstelle eine Art Stimme zu haben schien. Diese Stimme rief nach ihnen, rief in Phoebes Kopf nach ihr. Rief, sie solle zu ihr kommen, einfach hineinspringen in die Schwachstelle hinein. Es war die Stimme ihrer Mutter, es war die Stimme ihres Vaters, es war Martins Stimme, es war Berts Stimme, es war ihre eigene.
Phoebe schüttelte den Kopf als wolle sie somit diese Stimme aus ihren Kopf verbannen, als Alain an ihr vorbei ging, mit verträumten blick und leeren Augen. Er war so nahe am Abgrund, dass ein einziger weiterer Schritt gereicht hätte… Phoebes Arm schnellte nach vorn, bekam seinen Gürtel zu fassen und zog Alain grob zurück. „Wo willst du denn hin, bei deinem Vater?!“, entfuhr es ihr. Sie packte ihn grob an den Schultern und drehte ihn zu sich. Alain sah aus, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht. Seine Augen sahen verklärt aus, dann aber schien er wach zu werden. „Ich… ich weiß nicht…“, stammelte er. Er sah Phoebe ins Gesicht.
„Ich weiß es.“, sagte Bert stattdessen. „Ich weiß, wohin wir alle gehen. Zurück zur Bar K.“ Phoebe sah zu ihm rüber, nickte, ließ aber Alain noch nicht los. „Ay, lasst uns von hier verschwinden.“ Sie sah zu Roland. Ihr Blick wirkte fast flehentlich. Ihre Augen glänzten im Mondlicht, wirkten fast wässrig. „Bitte, es ist schrecklich.“, sagte sie leise.
„Einverstanden.“, nickte Roland ab. Sie waren wirklich schon viel zu lange hier. Länger, als es vielleicht gut für sie war. Er sah noch einmal in den Abgrund. „Ich zähle.“, sagte er. „Eine Schwachstelle. Und der Teufel soll dich holen.“
Der Rückweg war dem Weg hinzu sehr ähnlich, denn es sprach wieder niemand, wenn auch aus anderen Gründen. Als sie dann wieder die Schräge hinauf ritten, brach Alain das Schweigen.
„Was machen wir als nächstes, Roland, weißt du es?“
„Nein, um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht.“, antwortete er.
„Abendessen wäre ein guter Anfang.“, sagte Bert strahlend und heiter.
„Du weißt, was ich meine.“
„Ja, stimmt, und ich will dir etwas sagen, Roland.“, warf Phoebe nun ein, an diesen gewand.
„Will! Bitte. Jetzt, wo wir wieder auf der Schräge sind, lass mich Will sein.“
„Ach, aber er darf dich Roland nennen.“, warf Bert mit beleidigter Stimme ein und nikcte zu Alain. Phoebe überging es.
„Fein. Will. Ich will dir etwas sagen, Will. Wir können nicht mehr lange Netzte und Boote zählen. Uns gehen nämlich allmählich die unwichtigen Sachen aus. Und ich glaube, wenn wir uns erst einmal um den Pferdezüchteraspekt kümmern, dürfte es uns deutlich schwer fallen, weiter die Dummen zu spielen.“ Phoebe klang nicht wütend, sie war auch nicht genervt, wenn auch eine gewisse Aggression in ihrer Stimme mitklang. Aber sie sagte es, weil es nun mal so war. Sie sprach die Wahrheit, bei ihrem Vater.
Und Roland nickte. „Ay. Aber ich sage euch noch einmal; es geht nicht nur um Pferde. Braucht Farson sie? Ay, vielleicht. Der Bund auch, ay. Und Ochsen. Okay. Aber es gibt überall Pferde. Vielleicht nicht so gute wie hier, aber bei Sturm ist jeder Hafen recht, so sagt man doch.“, sagte Roland.
Phoebe nickte. „Gut, aber wenn es nicht die Pferde sind, was dann?“
„Solange wir nicht wissen, was es ist oder zu der Überzeugung kommen, wir werden es nie erfahren, machen wir weiter wie gehabt.“, stellte Roland fest. Phoebe seufzte, konnte aber nichts dagegen aufbringen. Er hatte recht. Aber dennoch… Sehr lange würden sie nicht so weiter machen können. Doch all ihre Argumente hatte sie ja bereits genannt.
„Das ist Hanging Rock.“, sagte Roland irgendwann. „An seinem Fuß liegt eine Quelle. Sie ist die einzige weit und breit, sagen sie hier.“ Viel mehr wurde aber bei dem Ausritt nicht gesprochen. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Mit Roland reden zu wollen war in letzter Zeit so wieso nicht machbar. Immerzu war er abwesen, distanziert. Er sagte auch nicht, was los war. Er sagte eigentlich fast gar nichts mehr. Es gab ganze Tage, an denen er nicht ein Wort gesprochen hatte.
Es war auch überflüssig. Sie alle wussten was es für Konsequenzen haben würde, wenn Roland um Susan Delgado werben würde. Himmel, sie war immerhin die Mätresse des Bürgermeisters. Aber er hielt sich zurück. Er war zwar immer noch oft fort und wollte allein sein, aber sie fanden zumindest keine blonden Haare mehr bei ihm. Das änderte aber nichts daran, dass er immer noch nicht ganz da zu sein schien.
Außer heute. Heute schien er wieder mehr bei sich zu sein als wäre er aufgewacht aus einem Traum. Er hatte seine Zerstreutheit abgelegt. Stattdessen war er wieder aufmerksam. War wieder Roland Deschain, wie sie ihn kannten.
Irgendwann hörte der Wind plötzlich auf ihnen in den Rücken zu wehen. Stattdessen hörten sie ein leises Heulen. Es klang irgendwie atonal. Und es drang aus der Schlucht des Eyebolt Canons. Phoebe wurde ganz schlecht dabei und sie sah ihren Freunden, vor allem Alain, an, dass es ihnen auch zuwider war. Geier kreisten über den Canon. Phoebe hatte ein ganz ungutes Gefühl.
„Dem Wachposten gefällt es hier nicht, Will.“, sagte Bert. „Und mir auch nicht besonders. Warum sind wir hier?“
„Um zu zählen.“, antwortete Roland kühl. Und Phoebe jubelte innerlich, auch wenn es ihr hier genauso wenig gefiel. Diese Kälte, diese Ausdruckslosigkeit in Rolands Stimme – das war er. Genau das. Und er schien sich auch wieder daran zu erinnern, warum sie hier waren. An ihre Pflichten (zumindest sollte es ja so aussehen). Vielleicht wurde es jetzt wieder besser mit ihm. „Wir sind geschickt worden, um alles zu zählen und zu sehen und dies ist etwas, das wir zählen und sehen sollten.“
„Oh, ay…“, sagte Bert. Er schien verwirrt oder vielleicht tat er auch nur so. Bei Bert war es oft schwer zu sagen, was er wirklich dachte. „Sechzehnhundertundvierzehn Fischernetze, siebenhundertundzehn kleine Boote, zweihundertundvierzehn große Boote, siebzig Ochsen, die niemand gesehen haben will und nördlich der Stadt eine Schwachstelle – Was immer, zur Hölle, das sein mag!“
„Wir werden es herausfinden.“, sagte Roland nur mit einem Nicken. Es wunderte ihn aber nicht, was Bert da alles aufzählte (und dass er sich die ganzen Zahlen tatsächlich merken konnte, aber früh nach dem Aufstehen nicht mehr wusste, wo er am Abend zuvor seine Sachen hingelegt hatte). Und es sollte ihn wundern, denn bei dem Großteil der Arbeit des Zählens ist Roland bisher nicht dabei gewesen.
Aber all das sagte Phoebe nicht. Sie hielt ihren Mund, ausnahmsweise. Denn eines wusste sie: Roland hatte Recht. Und sie war neugierig, so widerlich das Geräusch auch war. Das traf auf sie alle zu. Sie alle waren neugierig, was wohl auch der Grund war, warum niemand die Anmerkung machte, dass es doch besser wäre umzukehren, als sie tiefer in dieses Geräusch hinein ritten.
Der Eingang des Canons war mir Ästen versperrt. Doch ein Pfad führte dort hindurch. Es war zu schmal für die Pferde, aber Phoebe glaubte auch nicht, dass sie viel weiter gehen würden. Das Geräusch musste für die Pferde noch schlimmer sein als für sie selbst.
„Gehen wir rein?“, fragte Bert. Er wirkte ein klein wenig nervös. „Wenn nämlich, möchte ich für das Protokoll festhalten, dass ich dagegen bin, auch wenn ich keine Meuterei vom Zaun brechen will.“
„Beruhig dich Bert. Wir gehen nicht rein. Ich habe nicht vor, euch dort hinein zu führen, zumal ich nur eine vage Vorstellung dessen habe, was diese Schwachstelle ist.“, sagte Roland.
„Gut.“, sagte Al darauf hin leise und Roland lächelte leicht. Aber Phoebe fragte sich, wie viel Roland eigentlich wusste. Und woher er als das wissen konnte. Er hatte in letzter Zeit immer allein sein wollen und so unkonzentriert wie er gewesen war, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Roland die Zeit mit Fragen verbracht hatte. Es war merkwürdig.
Sie entdeckte, während sie darüber nachdachte, auf der Westseite des Canons einen Pfad, der hinauf führte. Er war steil und schmal, sodass sie nur in einer Reihe reiten konnten. Phoebe ritt vorneweg. Sie hatte bisher nicht ein Wort gesagt. Aber langsam wurde sie unruhig. Dieses Geräusch, es machte sie wahnsinnig. Es wurde nicht besser. Man konnte sich nicht daran gewöhnen, denn stattdessen wurde es immer schlimmer, je länger man es hörte. Es durchdrang den ganzen Körper, ließ die Zähne vibrieren sowie jeden Nerv im Körper. Die Ohren schienen weh zu tun, die Augen wollten tränen. Aber am schlimmsten wirkte das Geräusch im Kopf. Es schien Phoebe vorzumachen, dass alles, was sie je in ihrem Leben gefürchtet hat, wovor sie je Angst hatte, hinter der nächsten Biegung auf sie lauern würde. Es machte ihr Angst und es machte sie nervös. Und den Jungs ging es da nicht anders.
Als sie den höchsten Punkt erreicht hatten, wurde es etwas besser. Hier war das Geräusch nicht ganz so nagend. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie der freie Himmel wieder über sich sahen. Phoebe stieg ab und ging an den porösen Rand des Canons. Sie schien hinein sehen zu wollen, aber es war zwecklos. Bert stand mit einem Mal neben ihr.
„Nützt nichts. Wir hätten früher aufbrechen sollen, Roland… Will, meine ich. Was sind wir doch für Dummköpfe.“, sagte er verdrossen. Es war bereits dunkel, ja. Die Nacht brach herein.
„Hier draußen kannst du mich Roland nennen, wenn du möchtest.“, sagte er zu Berts Überraschung. „Und wir werden sehen, was wir sehen wollten und zählen, was wir zählen wollten. Eine Schwachstelle, genau wie du gesagt hast. Warte einfach ab.“, sagte Roland geheimnisvoll.
„Das ist aber etwas, was ich nicht besonders gut kann.“, murmelte Bert und in Phoebes Gesicht schlich sich ein seichtes Lächeln. Ja wahrhaftig, er sprach die Wahrheit. Das konnte er wirklich nicht gut.
Aber sie warteten. Was sollten sie auch sonst tun? Darin immerhin hatten sie ja nun schon Übung. Keine zwanzig Minuten später ging dann der Marketendermond auf. Er war so hell, dass er die Landschaft erhellte, jedenfalls genug, um sehen um können, was vor ihnen lag.
„Bah!“, rief Bert aus. „Das ist ein Anblick, den man sich bei diesem Geräusch von dort unten lieber ersparen sollte.“
Dennoch blieben sie. Und sie blieben noch lange und starrten einfach hinab. Niemand von ihnen hätte später genau sagen können, was sie gesehen hatten, außer einer trüben, silbernfarbenen Suppe, bestehend aus Dunst und Nebel vielleicht. Es war alles nicht deutlich, alles irgendwie wabbelig, verschwommen. Das alles schien schon schlimm genug. Schlimm, weil man nicht einmal sagen konnte, woher das Grauen kam. Aber das Schlimmste daran war, dass diese Schwachstelle eine Art Stimme zu haben schien. Diese Stimme rief nach ihnen, rief in Phoebes Kopf nach ihr. Rief, sie solle zu ihr kommen, einfach hineinspringen in die Schwachstelle hinein. Es war die Stimme ihrer Mutter, es war die Stimme ihres Vaters, es war Martins Stimme, es war Berts Stimme, es war ihre eigene.
Phoebe schüttelte den Kopf als wolle sie somit diese Stimme aus ihren Kopf verbannen, als Alain an ihr vorbei ging, mit verträumten blick und leeren Augen. Er war so nahe am Abgrund, dass ein einziger weiterer Schritt gereicht hätte… Phoebes Arm schnellte nach vorn, bekam seinen Gürtel zu fassen und zog Alain grob zurück. „Wo willst du denn hin, bei deinem Vater?!“, entfuhr es ihr. Sie packte ihn grob an den Schultern und drehte ihn zu sich. Alain sah aus, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht. Seine Augen sahen verklärt aus, dann aber schien er wach zu werden. „Ich… ich weiß nicht…“, stammelte er. Er sah Phoebe ins Gesicht.
„Ich weiß es.“, sagte Bert stattdessen. „Ich weiß, wohin wir alle gehen. Zurück zur Bar K.“ Phoebe sah zu ihm rüber, nickte, ließ aber Alain noch nicht los. „Ay, lasst uns von hier verschwinden.“ Sie sah zu Roland. Ihr Blick wirkte fast flehentlich. Ihre Augen glänzten im Mondlicht, wirkten fast wässrig. „Bitte, es ist schrecklich.“, sagte sie leise.
„Einverstanden.“, nickte Roland ab. Sie waren wirklich schon viel zu lange hier. Länger, als es vielleicht gut für sie war. Er sah noch einmal in den Abgrund. „Ich zähle.“, sagte er. „Eine Schwachstelle. Und der Teufel soll dich holen.“
Der Rückweg war dem Weg hinzu sehr ähnlich, denn es sprach wieder niemand, wenn auch aus anderen Gründen. Als sie dann wieder die Schräge hinauf ritten, brach Alain das Schweigen.
„Was machen wir als nächstes, Roland, weißt du es?“
„Nein, um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht.“, antwortete er.
„Abendessen wäre ein guter Anfang.“, sagte Bert strahlend und heiter.
„Du weißt, was ich meine.“
„Ja, stimmt, und ich will dir etwas sagen, Roland.“, warf Phoebe nun ein, an diesen gewand.
„Will! Bitte. Jetzt, wo wir wieder auf der Schräge sind, lass mich Will sein.“
„Ach, aber er darf dich Roland nennen.“, warf Bert mit beleidigter Stimme ein und nikcte zu Alain. Phoebe überging es.
„Fein. Will. Ich will dir etwas sagen, Will. Wir können nicht mehr lange Netzte und Boote zählen. Uns gehen nämlich allmählich die unwichtigen Sachen aus. Und ich glaube, wenn wir uns erst einmal um den Pferdezüchteraspekt kümmern, dürfte es uns deutlich schwer fallen, weiter die Dummen zu spielen.“ Phoebe klang nicht wütend, sie war auch nicht genervt, wenn auch eine gewisse Aggression in ihrer Stimme mitklang. Aber sie sagte es, weil es nun mal so war. Sie sprach die Wahrheit, bei ihrem Vater.
Und Roland nickte. „Ay. Aber ich sage euch noch einmal; es geht nicht nur um Pferde. Braucht Farson sie? Ay, vielleicht. Der Bund auch, ay. Und Ochsen. Okay. Aber es gibt überall Pferde. Vielleicht nicht so gute wie hier, aber bei Sturm ist jeder Hafen recht, so sagt man doch.“, sagte Roland.
Phoebe nickte. „Gut, aber wenn es nicht die Pferde sind, was dann?“
„Solange wir nicht wissen, was es ist oder zu der Überzeugung kommen, wir werden es nie erfahren, machen wir weiter wie gehabt.“, stellte Roland fest. Phoebe seufzte, konnte aber nichts dagegen aufbringen. Er hatte recht. Aber dennoch… Sehr lange würden sie nicht so weiter machen können. Doch all ihre Argumente hatte sie ja bereits genannt.