Honey ~ Der Weg deines Herzens
von LunaLu
Kurzbeschreibung
Für die junge Honey bricht eine Welt zusammen, als einer ihrer vom Gesetz gejagten Brüder von Soldaten gefasst wird und sich vor ihren Augen das Leben nimmt. Schlimmer noch - der Hauptmann, Captain Love, nimmt sie gefangen. Es scheint, als stünde Honey nun die schlimmste Zeit ihres Lebens bevor - doch eine unerwartete Beziehung entwickelt sich zwischen den beiden. Eine verbotene Freundschaft in einer Zeit der Gewalt und Rache, Liebe und Leidenschaft.
GeschichteAbenteuer, Drama / P16 / Gen
Captain Harrison Love
OC (Own Character)
06.04.2008
25.07.2021
40
168.234
6
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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15.05.2016
3.498
Jubiläumskapitel No. 40, nach schlappen 8 Jahren! Der Wahnsinn! Es ist noch nicht das Ende, zu viele Dinge sind noch ungeklärt, aber ich hoffe, es gefällt euch. Es herrscht eine Stimmung, auf die ich lange in den Charakterentwicklungen hingearbeitet habe. Ein Funfact zum Meilenstein; Ich habe den Darsteller von Captain Love tatsächlich einmal getroffen. Meine wichtigste Frage: Waren die Haare echt? Die Antwort verrate ich am Besten nach dem Kapitel. :-) Viel Spaß!!
Kapitel 40 - WAHRHEIT UND PFLICHT
Stille.
War es eine halbe Stunde? Eine halbe Minute? Stille.
Ein unsichtbares Band bildete sich zwischen ihren Blicken, weshalb sie sie nicht voneinander abwenden konnten, aber so intensiv ihre Blicke auch waren, so still waren ihre Münder.
Love war nicht der Einzige, der irritiert, beinahe erschrocken über Honeys Aussage war.
Honey gab sich alle Mühe, fest entschlossen zu wirken, doch es war offensichtlich, dass es in ihr brodelte.
Zu ihrem Entsetzen ging Love einige Ausdrücke durch; Erstaunen, etwas wie Befriedigung, Zweifel… er endete bei aufkeimender Wut.
Leise und umso drohender meinte er: „Du hälst dich für sehr überlegen, oder?“ Honey hob die Brauen. Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Du denkst, du wickelst mich ein?“ Love kam langsam auf sie zu. Sie wich nicht zurück, aber ihre Sorge stieg exponenziell mit seinem Zorn.
„Glaubst du, du kannst mich mit deinen Gefühlschwankungen auf irgendeine Art und Weise manipulieren? Was meine Gefangenen angeht?!“ Er war jetzt bei ihr, doch er stoppte nicht, er ging weiter und zwang sie somit, rückwärts etwas zurückzustolpern.
Sie schüttelte immernoch erschrocken anhand seiner Reaktion den Kopf.
„Zwei Dinge solltest du nicht vergessen; Ich trenne immer“, er betonte das Wort überdeutlich mit einem weiteren Schritt, der Honey weiter nach hinten trieb, „Geschäft, Rechtschaffen und deine kleinen Ausfälle; Und zweitens hast du letztendlich auch nur die Wahl, selber meine Gefangene zu sein, oder nicht, verstanden?!“
Der letzte Schritt trieb Honey so weit, dass sie gegen die Wand stieß, zusammenzuckte.
Eine Träne lief Honey über das Gesicht, doch nun hatte sie offensichtlich Angst.
„Ich wollte Sie nicht beeinflussen, ich-“
Loves Hand war ohne Vorwarnung an ihrem Hals.
„Ich wollte Sie nicht-“, wiederholte Honey, „Ich wollte- ich- Love! Love!“, keuchte sie. Die Pferde schnaubten nervös. Honey wimmerte. Seine Hand nahm ihr die Luft.
„Love, bitte, Love!“, krächzte Honey.
Der General lockerte den Griff.
Er realisierte, dass er seine Aggression gegenüber dem Gefangenen, vor allem aber gegenüber dessen Worten, er werde nicht ernstgenommen, auf sie übertragen hatte.
Das änderte nichts daran, dass er wusste, dass er Recht hatte. Sie wollte ihn mit der Einwilligung auf seinen Antrag manipulieren. Doch diese Manipulation würde, wenn überhaupt, nur ein einziges Mal funktionieren. Wenn er und sie tatsächlich eine Ehe schlossen - wäre sie auf ewig ihm und seinem Wort unterlegen. Ob ihr das klar war? Er wollte ihr Gesicht studieren, wie er es so oft tat, als er wahrnahm, was er ihr gerade angetan hatte.
Sie keuchte, die Hand um ihren Hals fassend, hustend, Tränen auf den Wangen, vor Angst zitternd, die Muskeln angespannt.
Sie war eine pflegeleichte Gefangene; unterlegen im Standgefälle, physisch kein Gegner.
Sie war ein schlauer, schöner, gewitzter und wortgewandter Zeitvertreib.
Eine erregende, verbotene, zügellose Errungenschaft in seinem Schlafgemach.
Ein umwerfendes Mädchen, dass ihm sicher lange alles geben konnte, was er sich erwartete. Für ihn ein Gewinn, denn er brauchte keine standesgemäße Frau, die durchschnittlich schön und auch sonst ausreichend war.. Die verbotene Frucht, die Honey darstellte, und von der er gekostet hatte, würde die meisten noch kommenden Frauen wohl in den Schatten stellen.
Und Honey verlor bei dieser Gleichung ihr Angesicht vor sich selbst, denn Love wusste, was eine Heirat für sie und ihre Auffassung von Treue gegenüber ihrer verdorbenen Familie bedeuten würde. Dennoch könnte er ihr beweisen, dass er ihr Reichtum und Schutz bereitstellen würde. Paradoxerweise machte sie sich nichts daraus… was ihm gefiel, auch wenn er eine Frau wollte, die seinen Schutz und seine Kraft wertschätzte. Aber was, wenn der einzige Schutz, auf den Honey tatsächlich angewiesen sein würde, der Schutz vor dem Konflikt mit ihm selbst war? Wie gerade eben… Wollte er der Ehemann sein, der seiner Angetrauten Gewalt antat? Wenn Honey ihm die Stirn bot - würde er sie züchtigen? Er hatte es bereits getan. Wenn sie sich ihm des Nachts verwehrte - würde er sie doch gegen ihren Willen nehmen? Er war bereits versucht gewesen.
Und wenngleich er sie jetzt schon als Gefangene frei nach Belieben behandeln konnte… wäre all das unter dem Begriff der Ehe nicht das Gleiche für Honey, nur dass sie dann gesellschaftlich zum Nicken und Lächeln verdammt wäre?
Nein, tat Love seinen Gedankenwirbel ab. Er konnte sich zurückhalten. Er hatte es oft genug getan. Und sie … löste etwas in ihm aus, das er ohnehin nicht mehr weggeben wollte. Er wollte es aber auch nicht in einer Zelle halten.
Er starrte sie an. Er würde sich entschuldigen müssen.
Da machte sie von sich aus einen Schritt in seine Richtung.
Sie starrte ihn erhobenen Hauptes an.
„Glauben Sie, wenn ich Ihre Frau werde, werde ich nur noch Ihrer Meinung sein?“ „Deine Meinung zählt nicht, Honey, nicht in meinen beruflichen Angelegenheiten.“ Honey atmete aus.
Sie deutete vage auf ihren Hals. „Warum haben Sie das dann gerade getan?“
Love öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Honey sprach weiter.
„Ich… Sie haben mich so oft verletzt. Aber Sie haben mich nicht getötet. Sie haben mich nicht…“ Sie biss sich auf die Lippe. Dann sprach sie weiter. „Wenn Sie mir Gnade gewähren können, vielleicht erinnere ich Sie daran, dass Sie auch anderen Gnade gewähren können.“ Honey wusste, wie gefährlich es war, die Wahrheit auszusprechen. Aber sie wusste auch, dass es gefährlicher war, zu versuchen, zu verdeckt zu manipulieren. Aus irgendeinem Grund durchschauten sie sich größtenteils gegenseitig.
Wenn Love sie nicht gehen lassen würde, sie keinen Ort hatte, an den sie gehen musste oder konnte… Würde sie hier etwas bewirken können? Love zurückhalten können, auf die Gefahr hin, sich dann und wann einer Konfrontation mit ihm auszusetzen?
Love sah zu ihr herunter, entwaffnet von ihrer Aufrichtigkeit. Wenn sie den Manipulationsversuch zugab… vielleicht war auch ihre Einwilligung in sein Angebot ehrlicher als gedacht.
„So einfach ist das nicht“, sagte er ruhig.
„Ich weiß“, sagte Honey, blickte zu Boden und hustete etwas, sich an den Hals fassend. Dann sah sie auf. „Aber ich will es so“, sagte sie fest.
Love sah in ihre Augen. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen. Zu ihrem geröteten Hals. Kurz ihren Körper hinunter, dann landete er wieder in ihren Augen.
„Nein“, sagte er fest, sah sie ebenso eindringlich an, dann machte er kehrt und verließ die Ställe.
Honey sah ihm nach. Als er einige Minuten weg war, stand sie immernoch auf der selben Stelle. Dann überkam sie ein erschlagender Anflug von Tränen. Sie beugte sich zusammen, ließ sich auf den Boden sinken und vergrub die Hände ins Heu, den Kopf kraftlos zu Boden gerichtet.
Was nun? Er hatte sich umentschieden, und nun? Würde er sie gehen lassen? Würde er sie weiter als Gefangene halten? Was bedeutete es, dass sie die Chance, einigermaßen in Sicherheit in seiner Anwesenheit zu leben, vertan hatte.
Sie zuckte zusammen, als sie realisierte, dass sie an das Wort ‚Sicherheit‘ dachte, obwohl er sie gerade mit der Hand um ihren Hals gegen eine Wand gepresst hatte. Wollte sie hierbleiben? Oder wollte sie es nur für das größere Wohl? Nun, jetzt, wo sie ihre Gedankengänge offengelegt hatte, war das ‚größere Wohl‘, jede Möglichkeit, ihn zu einem sanfteren Mann zu machen, wohl Vergangenheit.
Es fühlte sich seltsam an, so von Trauer und Unsicherheit, aber auch von Wut und Demütigung erfüllt zu sein, nachdem Honey die letzten Tage versucht hatte, alle Gefühle von sich wegzuschieben.
Es gab keine Aussicht mehr auf Alejandro, auf ein gutes Ende. Sie war auf sich allein gestellt.
Die Sonne stand kurz vor ihrem tiefsten Punkt, der Horizontlinie, bevor sie sich mit der Endlosigkeit verbinden und untergehen würde, um am nächsten Tag erneut zu erleuchten.
Der ganze, wolkenfreie Himmel war violett eingefärbt und leuchtete, als wolle er all seine Schönheit zur Schau stellen.
Honey hatte ihre Tränen getrocknet, ihr Kleid und ihre Haare gerichtet, die sie sich komplett nach hinten genommen zu einem Dutt gesteckt hatte.
Sie lief über den Kasernenhof in Richtung des Hauptgebäudes, als sie von hinten an der Schulter gegriffen wurde.
Sie fuhr herum. Ein Soldat stand vor ihr und bellte steif: „Ich habe Order, dich zu geleiten.“ Honey zog die Brauen zusammen. „Order von wem, wohin?!“ Der Soldat hatte bereits ihren Oberarm gegriffen und zog sie mit sich zurück, in Richtung Ställe und Kasernentor.
„Order von wem?“, wiederholte Honey und stolperte mit dem Mann mit.
„General Love.“
Sie sah ihn irritiert an. „Er war vor einer guten Stunde bei mir, wieso hat er nicht-“
„Befehle“, sagte der Soldat und zog sie mit sich.
Sie passierten das Tor und gingen einen stringenten, schrägeren Weg in Richtung der - Honeys Verwirrung stieg - Küste.
Nicht zu der Stelle, an der Honey die Auseinandersetzung mit Love gehabt hatte, wo sie einen Mann getötet hatte. Nicht dorthin, wo sie vor kurzem noch mit Elena gesessen hatte.
Es war ein erhobenerer Teil des Strandes, von aus man einen fanstastischen Blick über den unteren Sandstrand und das ruhige Meer, das von der leichten Brise glitzernde Wellen warf, hatte. Nicht zuletzt eine Aussicht auf den Himmel, und die Sonne, die halbkreisförmig mit dem Meer verschmelzte.
Honey war von der Aussicht derart fasziniert und geblendet, dass sie recht spät warnahm, dass eine Gestalt am Ende der Bucht stand.
Als sie die Silhouette wahrnahm, wusste sie aber sofort, dass es Love war, ein großer Mann, aufrecht stehend, in blauer Uniform, mit blauem Hut, das kennzeichnende blonde Haar etwas im leichten Wind wehend.
Honey folgte dem Soldaten, der sie allerdings gute fünfzig Meter vor Love und dem Ende des Pfades, der auf eine Art über dem Strand thronende Plattform aus Stein führte, alleinließ.
„In die Richtung“, sagte er und deutete auf Love, der am Ende der bewachsenen Plattform stand, den Ankommenden nach wie vor den Rücken zugewandt.
Honey hielt kurz inne, ratlos. Hatte das etwas Schlechtes zu bedeuten? Dann ging sie langsam in Richtung Love.
Als sie die Plattform betrat, noch einige Schritt von ihm entfernt, nahm er sie war. Er drehte sich um.
Ihre zurückgenommenen Haare legten ihr blasses Gesicht frei, dessen marmorne Haut und funkelnd blaue Augen das rote Sonnenlicht golden reflektierten.
Der Ausdruck in ihren etwas aufgerissenen Augen war verwirrt.
Das Amulett ihres Bruders glänzte um ihren Hals.
Love lächelte vage.
Honey runzelte die Stirn. Schließlich sagte er: „Komm doch etwas näher. Schau dir diese Aussicht an.“ Honey blieb kurz stehen. Ihr erster Gedanke war die Frage, ob er sie hinunterstoßen wollte… doch sein Gesicht, sein Gehabe, strahlten etwas völlig anderes aus… Was ging hier vor? Sie trat an ihn heran, als sie bei ihm war, drehte er sich mit ihr in Richtung Meer.
Sie standen nebeneinander und blickten über die Endlosigkeit der atemberaubenden Kulisse.
Es war bis auf die Geräusche des mächtigen Wassers und den leicht wehenden Wind völlig still.
Doch Honey schaffte es nur einige Sekunden, womöglich ein, zwei Minuten, das Bild zu genießen.
Leise begann sie: „Love… wegen vorhin, ich-“
„Sch…“, unterbrach sie Love und brachte sie zum verstummen. Er sah hinaus auf die untergehende Sonne.
Dann sagte er: „Hör zu. Das ist die Brandung Kalifornias. Alles, was du siehst, gehört zu Kalifornia.“
Honey schwieg und sah auf die Wellen.
„Das Land ist groß. Und unabhängig. Es hat eine Armee, die ich befehlige. Recht, an dessen oberer Stelle ich stehe. Zahllose zu fangende Gesetzteslose. Aber auch zahllose zu beschützende Bürger.“
Honeys Blick glitt zur Seite. Sie sah ihn an.
Jetzt wand auch er sich zu ihr.
„Ich sehe dich als etwas von beidem an.“
Honey sah ihn starr an, immernoch unwissend, worauf er hinaus wollte.
„Und noch etwas mehr“, fügte er schließlich hinzu.
Er bewegte leicht die linke Hand, erst jetzt fiel Honey auf, dass er darin ein kleines, tiefblaues Bündel hielt.
Ein samtenes Säckchen.
Er holte etwas heraus. Gold blitzte auf.
Honey starrte hinab. Dann zu Love, der ihre Reaktion vage lächelnd genau beobachtete. Dann wieder hinunter.
„Love… Sie-Sie haben doch ‚nein‘ gesagt…“
„Und so habe ich es gemeint. Ich wollte nicht, dass du mein Angebot so annimmst. Trotz allem gönne ich dir ein bisschen etwas von… dem hier“, er machte eine auslandende Geste über die umwerfende Kulisse. Sein Blick war lächelnd, etwas spöttisch, wie immer. Aber es lag auch Wärme darin.
Honey sah zum Meer, zum Ring, zu ihm.
„Es sollte schon etwas mehr nach Protokoll gehen, oder?“, lächelte Love. „Es gibt niemanden, bei dem ich zuerst um deine Hand anhalten müsste. Aber ich kenne auch kein Mädchen, dass so gut für sich selbst entscheiden kann…“ Er nahm ihre Hand.
„Deshalb frage ich dich lieber direkt, und dieses Mal eindeutig: “ Er kniete auf ein Bein nieder, ihre Hand immernoch haltend. Sie starrte ihn nur an.
„Honey Charlotte Duval-Murieta… Darf ich dich zur Frau nehmen?“ Honey atmete aus.
Sie musste nicht überlegen. Ihre zwar berechnende, aber dennoch ehrliche Entscheidung war vor einigen Stunden gefallen. Dennoch war sie von dem Geschehen so überrascht, dass es ihr den Atem verschlug.
Nach einigen Momenten raffte sie sich zusammen und hauchte: „Ja!“
Love hob den Kopf, sein Lächeln erreichte seine Augen und er steckte ihr den Ring an. Er war ihr etwas zu groß, aber hielt dennoch. Er griff ihre Hand und merkte, dass sie leicht zitterte.
Mühelos stand er auf und trat etwas an sie heran.
Er legte ihr sanft eine Hand ins Genick und zog ihren Kopf zu sich. Er küsste sie, hielt mit der anderen Hand die ihre zwischen seiner und ihrer Brust.
Sie war immernoch überrollt, verwirrt. Ihr Körper war angespannt.
Love ließ von ihr ab, sah ihr ins Gesicht und strich ihr über die Wange.
„Zeig es mir“, sagte er fest, ein Befehl, doch geichzeitig schwang etwas in seiner Stimme mit, das zeigte, dass es ihm wirklich am Herzen lag. „Zeig mir, dass du das willst. Dass du es freiwillig tun willst.“
Honey sah ihn an. Jetzt oder nie. Sie entzog ihre Hand seinem Griff, griff ihm nun ihrerseits ins Genick, zog sich so zu ihm hoch und küsste ihn.
Love erwiderte den Kuss.
Als sie sich lösten, lächelte Love. Honeys Ausdruck war nach wie vor etwas benommener… Love wünschte sich, er würde den Glanz in ihren Augen sehen, den er am Anfang von Monteros Bankett wahrgenommen hatte. Ein aufrichtiges Lachen.
Doch das war gewesen, bevor ihr zweiter Bruder gestorben war.
Love wand sich zum Wasser. Die Sonne war jetzt zu drei Vierteln mit dem Meer verschwunden, das violette Licht färbte sich dunkler.
Honey hob die Hand und betrachtete den goldenen Ring.
„Er ist sehr schön“, murmelte sie.
„Er hat meiner Mutter gehört.“
Honey sah auf.
„Ihrer- Mutter?“
Love nickte. „Ihr Ehering.“
Honey sah nun auch in Richtung Wasser, da sich es nicht über sich brachte, Love anzuschauen, während sie die nächste Frage stellte.
„Vermissen Sie sie manchmal?“ Love lachte ein wenig auf. Er blickte zu Honey, die vage nach vorn sah. Dann meinte er: „Nein. Ich denke dann und wann an sie.“ „Und Ihren Vater?“, fragte Honey, immernoch leise.
Love schwieg einen Moment, dann sagte er: „Vermissen ist ein Gefühl, dass dich kaum weiterbringt. Besonders, wenn du die Toten vermisst. Sie sind tot.“
Love taxierte Honey. Ihr Blick war zu Boden gegangen.
„Wenn ich Sie bitten würde, den Mann nicht hinzurichten… Würden Sie es in Erwägung ziehen?“, fragte sie leise. Dann sah sie auf.
Love hatte genervt ausgeatmet. Das? Jetzt? Doch als er ihren Blick fing, der dem Seinen standhielt, beruhigte er sich.
„Er hat einen meiner Männer getötet. Er stirbt“, sagte er ernst.
„Love“, sagte Honey plötzlich, es kam leidenschaftlicher, als geplant, es war lauter und intensiver, als alles, was sie seit Loves Handgreiflichkeit im Stall gesagt hatte, „Love, Sie jagen mir Angst ein.“ Love runzelte die Stirn. „Das Schicksal trifft nicht dich.“ „Aber ich fühle mich involviert. Es reicht Ihnen nie. Es sind die Köpfe meiner Brüder, da in Ihrem Büro!“, ihre Lippe bebte, sie schrie nicht, aber ihre Stimme war lauter, als es die kurze Distanz zu Love erfordert hätte. „Und ich will Sie heiraten, Love, wirklich, ich will es. Aber ich… Sie-Sie jagen mir Angst ein.“
Love blickte sie ernst an. Nach all der Zeit, in der sie eine Geisel gewesen war. Ausgerechnet jetzt musste sie es so formulieren?
„Ich glaube“, sagte Love plötzlich und hob den Kopf, „Ich jage dir nicht mehr Angst als zuvor ein. Wovor du dich fürchtest, ist, dass du es freiwillig tun willst. Dass du dich mir hingeben willst.“
„Natürlich!“, rief Honey unwillkürlich und intensiv. Und damit schien die Wahrheit, die sie so benommen gemacht hatte, seit sie die intensiven Stunden mit Love in ihrem Bett verlebt hatte, seit sie den grauenhaften Anblick von Joaquíns Kopf ertragen hatte, aus ihr herauszubrechen.
„Natürlich“, wiederholte Honey, erstaunt. Dann sah sie ernst aus. Sie hatte Angst vor sich selbst, weil sie Love tatsächlich heiraten wollte. Anders gesagt, was bedeutete schon eine Heirat? Sie wollte nicht weg von hier!
Von… ihm.
Love sah sie eine Weile an. Die Sonne war nun fast untergegangen und die Natur verschwand allmählich in der klaren, blauen Dunkelheit der Nacht.
Schließlich sagte er: „Meine Mutter hat meinen Vater nicht freiwillig geheiratet. Es war arrangiert. Beziehungen, Militär und Aristrokratie. Und er hat sie nicht besonders gut behandelt. Angemessen, aber nicht besonders zimperlich. Als der Soldat mit der Nachricht kam, mein Vater sei im Gefecht erschossen worden, hat sie keine Miene verzogen. Auch nicht danach. Ich habe sie nicht weinen sehen. Aber ich habe sie weinen gehört - nachts. Allein. In ihrer Kammer. Sie trauerte, aber sie wollte es nicht zeigen. Nicht zugeben. Sie hätte es zugeben sollen - denn sie stand als rachsüchtige, gefühlskalte Witwe im Angesicht der Gesellschaft. Sie hätte es zeigen sollen, dann wäre ihr Trost zu Teil geworden. Ich war ein Jugendlicher, aber ich habe es verstanden.“
Honeys Lippen zitterten.
Sie sah auf das Meer, das sich dunkel verfärbt zu haben schien.
„Was ich damit sagen will… Wenn mich wirklich heiraten willst, und wir es nicht nur tun, weil es für jeden von uns seinen Vorteil birgt… überwinde deinen Stolz und gib es zu. Womöglich kann ich dir dann auch endlich Trost spenden.“
Honey sah ihn an.
„Wie wollen Sie mir Trost spenden? Sie sind in allem, was passiert ist, verankert.“
„Ja“, sagte Love, dann trat er hinter Honey seine Arme griffen um ihre Schultern, er drückte sie an sich. Sie spürte seine Stärke und Standhaftigkeit hinter sich.
Es war das Gegenteil einer Bedrohung, er wollte Nähe schaffen.
Beide sahen auf die Wellen, „… aber dann weiß ich, dass du es ernst meinst. Ich weiß, dass du jedes aufrichtige Wort, jede Zärtlichkeit von mir verdienst. Sonst werden wir immer in diesem Katz-und-Maus-Spiel gefangen sein.“
Honey atmete schwer aus. Ihre Brust hob und senkte sich unter seinen Armen.
„Also…“, sagte sie sehr, sehr leise. Es schien eine Frage zu sein.
„Also…“, sagte Love, „… hast du Gefühle für mich?“
Stille trat ein, aber sie war erfüllt von Meeresrauschen. Grillen zirpten aus den naheliegenden Sträuchern. Der sanfte Wind schien Honey zu erdrücken.
Schließlich erwiderte sie mit bebender Stimme: „Womöglich.“ Es klang wie ein ‚Ja‘, welches sie vor sich selber verstecken wollte.
Love nickte sachte. Dann löste er die Arme von Honey. Er machte sich an ihrem Hals zu schaffen und Honey verstand, dass er das Amulett, Zorros Kette, geöffnet hatte. Sie drehte sich zu ihm um. Er hielt es in der Hand.
„Ich habe dich damals im Wald gefragt, woher du die Narbe im Nacken hast“, sagte Love und sah zu Honey hinunter. Sie war ihm beim Öffnen der Kette zum wiederholten Male aufgefallen. Honey antwortete nicht, sondern sah auf seine Hand, in der das Amulett lose hing.
„… Du kennst das Gefühl, misshandelt zu werden.“
Honeys Brauen zuckten. Sie blinzelte, sah weiter hinunter.
„… Deine Familie hat sich kaum geschert. Dein Vater war bis zuletzt ein blinder Idiot, der weder deine Schönheit, noch deine Einzigartigkeit erkannt hat. Er hat nie aufgehört, dich zu misshandeln.“ Love hob Honeys Kopf mit der Hand. Ihr Blick fuhr hoch.
„Lass mich dir zeigen, dass es anders geht.“
Honey schluckte. „Lass das hinter dir“, meinte Love. Sein Atem traf ihr Gesicht. Er hob ihre Hand und plötzlich merkte sie, dass er ihr das Amulett hineingelegt hatte.
Sachte griff er sie an den Schulter und drehte sie herum.
Honey umklammerte das Amulett. Sie wusste, was er wollte.
Mit einem Ruck warf sie die silberne Kette über den Abhang ins Meer, das Medaillon schien einen Moment in der Luft zu verharren, bevor sein Gewicht das Schmuckstuck hinabzog.
„Ich werde nie vergessen, was geschehen ist, Love“, sagte Honey und drehte sich zurück zu ihm.
Er erwartete einen Vorwurf in ihrem Blick, doch sie sah ruhig aus.
Schließlich lächelte sie vage. Es war aufrichtig. Sie löste den Knoten ihrer Haare auf, die sich in der Brise entfalteten und ihr über die Schultern fielen.
Sie starrten sich an.
„Küssen Sie mich“, sagte Honey leise.
Er gehorchte zum ersten Mal einem ihrer Befehle.
_ _ _ _
... Leider waren es Extensions. Aber das mindert seine brilliante Darstellerung kaum ;-)
Kapitel 40 - WAHRHEIT UND PFLICHT
Stille.
War es eine halbe Stunde? Eine halbe Minute? Stille.
Ein unsichtbares Band bildete sich zwischen ihren Blicken, weshalb sie sie nicht voneinander abwenden konnten, aber so intensiv ihre Blicke auch waren, so still waren ihre Münder.
Love war nicht der Einzige, der irritiert, beinahe erschrocken über Honeys Aussage war.
Honey gab sich alle Mühe, fest entschlossen zu wirken, doch es war offensichtlich, dass es in ihr brodelte.
Zu ihrem Entsetzen ging Love einige Ausdrücke durch; Erstaunen, etwas wie Befriedigung, Zweifel… er endete bei aufkeimender Wut.
Leise und umso drohender meinte er: „Du hälst dich für sehr überlegen, oder?“ Honey hob die Brauen. Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Du denkst, du wickelst mich ein?“ Love kam langsam auf sie zu. Sie wich nicht zurück, aber ihre Sorge stieg exponenziell mit seinem Zorn.
„Glaubst du, du kannst mich mit deinen Gefühlschwankungen auf irgendeine Art und Weise manipulieren? Was meine Gefangenen angeht?!“ Er war jetzt bei ihr, doch er stoppte nicht, er ging weiter und zwang sie somit, rückwärts etwas zurückzustolpern.
Sie schüttelte immernoch erschrocken anhand seiner Reaktion den Kopf.
„Zwei Dinge solltest du nicht vergessen; Ich trenne immer“, er betonte das Wort überdeutlich mit einem weiteren Schritt, der Honey weiter nach hinten trieb, „Geschäft, Rechtschaffen und deine kleinen Ausfälle; Und zweitens hast du letztendlich auch nur die Wahl, selber meine Gefangene zu sein, oder nicht, verstanden?!“
Der letzte Schritt trieb Honey so weit, dass sie gegen die Wand stieß, zusammenzuckte.
Eine Träne lief Honey über das Gesicht, doch nun hatte sie offensichtlich Angst.
„Ich wollte Sie nicht beeinflussen, ich-“
Loves Hand war ohne Vorwarnung an ihrem Hals.
„Ich wollte Sie nicht-“, wiederholte Honey, „Ich wollte- ich- Love! Love!“, keuchte sie. Die Pferde schnaubten nervös. Honey wimmerte. Seine Hand nahm ihr die Luft.
„Love, bitte, Love!“, krächzte Honey.
Der General lockerte den Griff.
Er realisierte, dass er seine Aggression gegenüber dem Gefangenen, vor allem aber gegenüber dessen Worten, er werde nicht ernstgenommen, auf sie übertragen hatte.
Das änderte nichts daran, dass er wusste, dass er Recht hatte. Sie wollte ihn mit der Einwilligung auf seinen Antrag manipulieren. Doch diese Manipulation würde, wenn überhaupt, nur ein einziges Mal funktionieren. Wenn er und sie tatsächlich eine Ehe schlossen - wäre sie auf ewig ihm und seinem Wort unterlegen. Ob ihr das klar war? Er wollte ihr Gesicht studieren, wie er es so oft tat, als er wahrnahm, was er ihr gerade angetan hatte.
Sie keuchte, die Hand um ihren Hals fassend, hustend, Tränen auf den Wangen, vor Angst zitternd, die Muskeln angespannt.
Sie war eine pflegeleichte Gefangene; unterlegen im Standgefälle, physisch kein Gegner.
Sie war ein schlauer, schöner, gewitzter und wortgewandter Zeitvertreib.
Eine erregende, verbotene, zügellose Errungenschaft in seinem Schlafgemach.
Ein umwerfendes Mädchen, dass ihm sicher lange alles geben konnte, was er sich erwartete. Für ihn ein Gewinn, denn er brauchte keine standesgemäße Frau, die durchschnittlich schön und auch sonst ausreichend war.. Die verbotene Frucht, die Honey darstellte, und von der er gekostet hatte, würde die meisten noch kommenden Frauen wohl in den Schatten stellen.
Und Honey verlor bei dieser Gleichung ihr Angesicht vor sich selbst, denn Love wusste, was eine Heirat für sie und ihre Auffassung von Treue gegenüber ihrer verdorbenen Familie bedeuten würde. Dennoch könnte er ihr beweisen, dass er ihr Reichtum und Schutz bereitstellen würde. Paradoxerweise machte sie sich nichts daraus… was ihm gefiel, auch wenn er eine Frau wollte, die seinen Schutz und seine Kraft wertschätzte. Aber was, wenn der einzige Schutz, auf den Honey tatsächlich angewiesen sein würde, der Schutz vor dem Konflikt mit ihm selbst war? Wie gerade eben… Wollte er der Ehemann sein, der seiner Angetrauten Gewalt antat? Wenn Honey ihm die Stirn bot - würde er sie züchtigen? Er hatte es bereits getan. Wenn sie sich ihm des Nachts verwehrte - würde er sie doch gegen ihren Willen nehmen? Er war bereits versucht gewesen.
Und wenngleich er sie jetzt schon als Gefangene frei nach Belieben behandeln konnte… wäre all das unter dem Begriff der Ehe nicht das Gleiche für Honey, nur dass sie dann gesellschaftlich zum Nicken und Lächeln verdammt wäre?
Nein, tat Love seinen Gedankenwirbel ab. Er konnte sich zurückhalten. Er hatte es oft genug getan. Und sie … löste etwas in ihm aus, das er ohnehin nicht mehr weggeben wollte. Er wollte es aber auch nicht in einer Zelle halten.
Er starrte sie an. Er würde sich entschuldigen müssen.
Da machte sie von sich aus einen Schritt in seine Richtung.
Sie starrte ihn erhobenen Hauptes an.
„Glauben Sie, wenn ich Ihre Frau werde, werde ich nur noch Ihrer Meinung sein?“ „Deine Meinung zählt nicht, Honey, nicht in meinen beruflichen Angelegenheiten.“ Honey atmete aus.
Sie deutete vage auf ihren Hals. „Warum haben Sie das dann gerade getan?“
Love öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Honey sprach weiter.
„Ich… Sie haben mich so oft verletzt. Aber Sie haben mich nicht getötet. Sie haben mich nicht…“ Sie biss sich auf die Lippe. Dann sprach sie weiter. „Wenn Sie mir Gnade gewähren können, vielleicht erinnere ich Sie daran, dass Sie auch anderen Gnade gewähren können.“ Honey wusste, wie gefährlich es war, die Wahrheit auszusprechen. Aber sie wusste auch, dass es gefährlicher war, zu versuchen, zu verdeckt zu manipulieren. Aus irgendeinem Grund durchschauten sie sich größtenteils gegenseitig.
Wenn Love sie nicht gehen lassen würde, sie keinen Ort hatte, an den sie gehen musste oder konnte… Würde sie hier etwas bewirken können? Love zurückhalten können, auf die Gefahr hin, sich dann und wann einer Konfrontation mit ihm auszusetzen?
Love sah zu ihr herunter, entwaffnet von ihrer Aufrichtigkeit. Wenn sie den Manipulationsversuch zugab… vielleicht war auch ihre Einwilligung in sein Angebot ehrlicher als gedacht.
„So einfach ist das nicht“, sagte er ruhig.
„Ich weiß“, sagte Honey, blickte zu Boden und hustete etwas, sich an den Hals fassend. Dann sah sie auf. „Aber ich will es so“, sagte sie fest.
Love sah in ihre Augen. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen. Zu ihrem geröteten Hals. Kurz ihren Körper hinunter, dann landete er wieder in ihren Augen.
„Nein“, sagte er fest, sah sie ebenso eindringlich an, dann machte er kehrt und verließ die Ställe.
Honey sah ihm nach. Als er einige Minuten weg war, stand sie immernoch auf der selben Stelle. Dann überkam sie ein erschlagender Anflug von Tränen. Sie beugte sich zusammen, ließ sich auf den Boden sinken und vergrub die Hände ins Heu, den Kopf kraftlos zu Boden gerichtet.
Was nun? Er hatte sich umentschieden, und nun? Würde er sie gehen lassen? Würde er sie weiter als Gefangene halten? Was bedeutete es, dass sie die Chance, einigermaßen in Sicherheit in seiner Anwesenheit zu leben, vertan hatte.
Sie zuckte zusammen, als sie realisierte, dass sie an das Wort ‚Sicherheit‘ dachte, obwohl er sie gerade mit der Hand um ihren Hals gegen eine Wand gepresst hatte. Wollte sie hierbleiben? Oder wollte sie es nur für das größere Wohl? Nun, jetzt, wo sie ihre Gedankengänge offengelegt hatte, war das ‚größere Wohl‘, jede Möglichkeit, ihn zu einem sanfteren Mann zu machen, wohl Vergangenheit.
Es fühlte sich seltsam an, so von Trauer und Unsicherheit, aber auch von Wut und Demütigung erfüllt zu sein, nachdem Honey die letzten Tage versucht hatte, alle Gefühle von sich wegzuschieben.
Es gab keine Aussicht mehr auf Alejandro, auf ein gutes Ende. Sie war auf sich allein gestellt.
Die Sonne stand kurz vor ihrem tiefsten Punkt, der Horizontlinie, bevor sie sich mit der Endlosigkeit verbinden und untergehen würde, um am nächsten Tag erneut zu erleuchten.
Der ganze, wolkenfreie Himmel war violett eingefärbt und leuchtete, als wolle er all seine Schönheit zur Schau stellen.
Honey hatte ihre Tränen getrocknet, ihr Kleid und ihre Haare gerichtet, die sie sich komplett nach hinten genommen zu einem Dutt gesteckt hatte.
Sie lief über den Kasernenhof in Richtung des Hauptgebäudes, als sie von hinten an der Schulter gegriffen wurde.
Sie fuhr herum. Ein Soldat stand vor ihr und bellte steif: „Ich habe Order, dich zu geleiten.“ Honey zog die Brauen zusammen. „Order von wem, wohin?!“ Der Soldat hatte bereits ihren Oberarm gegriffen und zog sie mit sich zurück, in Richtung Ställe und Kasernentor.
„Order von wem?“, wiederholte Honey und stolperte mit dem Mann mit.
„General Love.“
Sie sah ihn irritiert an. „Er war vor einer guten Stunde bei mir, wieso hat er nicht-“
„Befehle“, sagte der Soldat und zog sie mit sich.
Sie passierten das Tor und gingen einen stringenten, schrägeren Weg in Richtung der - Honeys Verwirrung stieg - Küste.
Nicht zu der Stelle, an der Honey die Auseinandersetzung mit Love gehabt hatte, wo sie einen Mann getötet hatte. Nicht dorthin, wo sie vor kurzem noch mit Elena gesessen hatte.
Es war ein erhobenerer Teil des Strandes, von aus man einen fanstastischen Blick über den unteren Sandstrand und das ruhige Meer, das von der leichten Brise glitzernde Wellen warf, hatte. Nicht zuletzt eine Aussicht auf den Himmel, und die Sonne, die halbkreisförmig mit dem Meer verschmelzte.
Honey war von der Aussicht derart fasziniert und geblendet, dass sie recht spät warnahm, dass eine Gestalt am Ende der Bucht stand.
Als sie die Silhouette wahrnahm, wusste sie aber sofort, dass es Love war, ein großer Mann, aufrecht stehend, in blauer Uniform, mit blauem Hut, das kennzeichnende blonde Haar etwas im leichten Wind wehend.
Honey folgte dem Soldaten, der sie allerdings gute fünfzig Meter vor Love und dem Ende des Pfades, der auf eine Art über dem Strand thronende Plattform aus Stein führte, alleinließ.
„In die Richtung“, sagte er und deutete auf Love, der am Ende der bewachsenen Plattform stand, den Ankommenden nach wie vor den Rücken zugewandt.
Honey hielt kurz inne, ratlos. Hatte das etwas Schlechtes zu bedeuten? Dann ging sie langsam in Richtung Love.
Als sie die Plattform betrat, noch einige Schritt von ihm entfernt, nahm er sie war. Er drehte sich um.
Ihre zurückgenommenen Haare legten ihr blasses Gesicht frei, dessen marmorne Haut und funkelnd blaue Augen das rote Sonnenlicht golden reflektierten.
Der Ausdruck in ihren etwas aufgerissenen Augen war verwirrt.
Das Amulett ihres Bruders glänzte um ihren Hals.
Love lächelte vage.
Honey runzelte die Stirn. Schließlich sagte er: „Komm doch etwas näher. Schau dir diese Aussicht an.“ Honey blieb kurz stehen. Ihr erster Gedanke war die Frage, ob er sie hinunterstoßen wollte… doch sein Gesicht, sein Gehabe, strahlten etwas völlig anderes aus… Was ging hier vor? Sie trat an ihn heran, als sie bei ihm war, drehte er sich mit ihr in Richtung Meer.
Sie standen nebeneinander und blickten über die Endlosigkeit der atemberaubenden Kulisse.
Es war bis auf die Geräusche des mächtigen Wassers und den leicht wehenden Wind völlig still.
Doch Honey schaffte es nur einige Sekunden, womöglich ein, zwei Minuten, das Bild zu genießen.
Leise begann sie: „Love… wegen vorhin, ich-“
„Sch…“, unterbrach sie Love und brachte sie zum verstummen. Er sah hinaus auf die untergehende Sonne.
Dann sagte er: „Hör zu. Das ist die Brandung Kalifornias. Alles, was du siehst, gehört zu Kalifornia.“
Honey schwieg und sah auf die Wellen.
„Das Land ist groß. Und unabhängig. Es hat eine Armee, die ich befehlige. Recht, an dessen oberer Stelle ich stehe. Zahllose zu fangende Gesetzteslose. Aber auch zahllose zu beschützende Bürger.“
Honeys Blick glitt zur Seite. Sie sah ihn an.
Jetzt wand auch er sich zu ihr.
„Ich sehe dich als etwas von beidem an.“
Honey sah ihn starr an, immernoch unwissend, worauf er hinaus wollte.
„Und noch etwas mehr“, fügte er schließlich hinzu.
Er bewegte leicht die linke Hand, erst jetzt fiel Honey auf, dass er darin ein kleines, tiefblaues Bündel hielt.
Ein samtenes Säckchen.
Er holte etwas heraus. Gold blitzte auf.
Honey starrte hinab. Dann zu Love, der ihre Reaktion vage lächelnd genau beobachtete. Dann wieder hinunter.
„Love… Sie-Sie haben doch ‚nein‘ gesagt…“
„Und so habe ich es gemeint. Ich wollte nicht, dass du mein Angebot so annimmst. Trotz allem gönne ich dir ein bisschen etwas von… dem hier“, er machte eine auslandende Geste über die umwerfende Kulisse. Sein Blick war lächelnd, etwas spöttisch, wie immer. Aber es lag auch Wärme darin.
Honey sah zum Meer, zum Ring, zu ihm.
„Es sollte schon etwas mehr nach Protokoll gehen, oder?“, lächelte Love. „Es gibt niemanden, bei dem ich zuerst um deine Hand anhalten müsste. Aber ich kenne auch kein Mädchen, dass so gut für sich selbst entscheiden kann…“ Er nahm ihre Hand.
„Deshalb frage ich dich lieber direkt, und dieses Mal eindeutig: “ Er kniete auf ein Bein nieder, ihre Hand immernoch haltend. Sie starrte ihn nur an.
„Honey Charlotte Duval-Murieta… Darf ich dich zur Frau nehmen?“ Honey atmete aus.
Sie musste nicht überlegen. Ihre zwar berechnende, aber dennoch ehrliche Entscheidung war vor einigen Stunden gefallen. Dennoch war sie von dem Geschehen so überrascht, dass es ihr den Atem verschlug.
Nach einigen Momenten raffte sie sich zusammen und hauchte: „Ja!“
Love hob den Kopf, sein Lächeln erreichte seine Augen und er steckte ihr den Ring an. Er war ihr etwas zu groß, aber hielt dennoch. Er griff ihre Hand und merkte, dass sie leicht zitterte.
Mühelos stand er auf und trat etwas an sie heran.
Er legte ihr sanft eine Hand ins Genick und zog ihren Kopf zu sich. Er küsste sie, hielt mit der anderen Hand die ihre zwischen seiner und ihrer Brust.
Sie war immernoch überrollt, verwirrt. Ihr Körper war angespannt.
Love ließ von ihr ab, sah ihr ins Gesicht und strich ihr über die Wange.
„Zeig es mir“, sagte er fest, ein Befehl, doch geichzeitig schwang etwas in seiner Stimme mit, das zeigte, dass es ihm wirklich am Herzen lag. „Zeig mir, dass du das willst. Dass du es freiwillig tun willst.“
Honey sah ihn an. Jetzt oder nie. Sie entzog ihre Hand seinem Griff, griff ihm nun ihrerseits ins Genick, zog sich so zu ihm hoch und küsste ihn.
Love erwiderte den Kuss.
Als sie sich lösten, lächelte Love. Honeys Ausdruck war nach wie vor etwas benommener… Love wünschte sich, er würde den Glanz in ihren Augen sehen, den er am Anfang von Monteros Bankett wahrgenommen hatte. Ein aufrichtiges Lachen.
Doch das war gewesen, bevor ihr zweiter Bruder gestorben war.
Love wand sich zum Wasser. Die Sonne war jetzt zu drei Vierteln mit dem Meer verschwunden, das violette Licht färbte sich dunkler.
Honey hob die Hand und betrachtete den goldenen Ring.
„Er ist sehr schön“, murmelte sie.
„Er hat meiner Mutter gehört.“
Honey sah auf.
„Ihrer- Mutter?“
Love nickte. „Ihr Ehering.“
Honey sah nun auch in Richtung Wasser, da sich es nicht über sich brachte, Love anzuschauen, während sie die nächste Frage stellte.
„Vermissen Sie sie manchmal?“ Love lachte ein wenig auf. Er blickte zu Honey, die vage nach vorn sah. Dann meinte er: „Nein. Ich denke dann und wann an sie.“ „Und Ihren Vater?“, fragte Honey, immernoch leise.
Love schwieg einen Moment, dann sagte er: „Vermissen ist ein Gefühl, dass dich kaum weiterbringt. Besonders, wenn du die Toten vermisst. Sie sind tot.“
Love taxierte Honey. Ihr Blick war zu Boden gegangen.
„Wenn ich Sie bitten würde, den Mann nicht hinzurichten… Würden Sie es in Erwägung ziehen?“, fragte sie leise. Dann sah sie auf.
Love hatte genervt ausgeatmet. Das? Jetzt? Doch als er ihren Blick fing, der dem Seinen standhielt, beruhigte er sich.
„Er hat einen meiner Männer getötet. Er stirbt“, sagte er ernst.
„Love“, sagte Honey plötzlich, es kam leidenschaftlicher, als geplant, es war lauter und intensiver, als alles, was sie seit Loves Handgreiflichkeit im Stall gesagt hatte, „Love, Sie jagen mir Angst ein.“ Love runzelte die Stirn. „Das Schicksal trifft nicht dich.“ „Aber ich fühle mich involviert. Es reicht Ihnen nie. Es sind die Köpfe meiner Brüder, da in Ihrem Büro!“, ihre Lippe bebte, sie schrie nicht, aber ihre Stimme war lauter, als es die kurze Distanz zu Love erfordert hätte. „Und ich will Sie heiraten, Love, wirklich, ich will es. Aber ich… Sie-Sie jagen mir Angst ein.“
Love blickte sie ernst an. Nach all der Zeit, in der sie eine Geisel gewesen war. Ausgerechnet jetzt musste sie es so formulieren?
„Ich glaube“, sagte Love plötzlich und hob den Kopf, „Ich jage dir nicht mehr Angst als zuvor ein. Wovor du dich fürchtest, ist, dass du es freiwillig tun willst. Dass du dich mir hingeben willst.“
„Natürlich!“, rief Honey unwillkürlich und intensiv. Und damit schien die Wahrheit, die sie so benommen gemacht hatte, seit sie die intensiven Stunden mit Love in ihrem Bett verlebt hatte, seit sie den grauenhaften Anblick von Joaquíns Kopf ertragen hatte, aus ihr herauszubrechen.
„Natürlich“, wiederholte Honey, erstaunt. Dann sah sie ernst aus. Sie hatte Angst vor sich selbst, weil sie Love tatsächlich heiraten wollte. Anders gesagt, was bedeutete schon eine Heirat? Sie wollte nicht weg von hier!
Von… ihm.
Love sah sie eine Weile an. Die Sonne war nun fast untergegangen und die Natur verschwand allmählich in der klaren, blauen Dunkelheit der Nacht.
Schließlich sagte er: „Meine Mutter hat meinen Vater nicht freiwillig geheiratet. Es war arrangiert. Beziehungen, Militär und Aristrokratie. Und er hat sie nicht besonders gut behandelt. Angemessen, aber nicht besonders zimperlich. Als der Soldat mit der Nachricht kam, mein Vater sei im Gefecht erschossen worden, hat sie keine Miene verzogen. Auch nicht danach. Ich habe sie nicht weinen sehen. Aber ich habe sie weinen gehört - nachts. Allein. In ihrer Kammer. Sie trauerte, aber sie wollte es nicht zeigen. Nicht zugeben. Sie hätte es zugeben sollen - denn sie stand als rachsüchtige, gefühlskalte Witwe im Angesicht der Gesellschaft. Sie hätte es zeigen sollen, dann wäre ihr Trost zu Teil geworden. Ich war ein Jugendlicher, aber ich habe es verstanden.“
Honeys Lippen zitterten.
Sie sah auf das Meer, das sich dunkel verfärbt zu haben schien.
„Was ich damit sagen will… Wenn mich wirklich heiraten willst, und wir es nicht nur tun, weil es für jeden von uns seinen Vorteil birgt… überwinde deinen Stolz und gib es zu. Womöglich kann ich dir dann auch endlich Trost spenden.“
Honey sah ihn an.
„Wie wollen Sie mir Trost spenden? Sie sind in allem, was passiert ist, verankert.“
„Ja“, sagte Love, dann trat er hinter Honey seine Arme griffen um ihre Schultern, er drückte sie an sich. Sie spürte seine Stärke und Standhaftigkeit hinter sich.
Es war das Gegenteil einer Bedrohung, er wollte Nähe schaffen.
Beide sahen auf die Wellen, „… aber dann weiß ich, dass du es ernst meinst. Ich weiß, dass du jedes aufrichtige Wort, jede Zärtlichkeit von mir verdienst. Sonst werden wir immer in diesem Katz-und-Maus-Spiel gefangen sein.“
Honey atmete schwer aus. Ihre Brust hob und senkte sich unter seinen Armen.
„Also…“, sagte sie sehr, sehr leise. Es schien eine Frage zu sein.
„Also…“, sagte Love, „… hast du Gefühle für mich?“
Stille trat ein, aber sie war erfüllt von Meeresrauschen. Grillen zirpten aus den naheliegenden Sträuchern. Der sanfte Wind schien Honey zu erdrücken.
Schließlich erwiderte sie mit bebender Stimme: „Womöglich.“ Es klang wie ein ‚Ja‘, welches sie vor sich selber verstecken wollte.
Love nickte sachte. Dann löste er die Arme von Honey. Er machte sich an ihrem Hals zu schaffen und Honey verstand, dass er das Amulett, Zorros Kette, geöffnet hatte. Sie drehte sich zu ihm um. Er hielt es in der Hand.
„Ich habe dich damals im Wald gefragt, woher du die Narbe im Nacken hast“, sagte Love und sah zu Honey hinunter. Sie war ihm beim Öffnen der Kette zum wiederholten Male aufgefallen. Honey antwortete nicht, sondern sah auf seine Hand, in der das Amulett lose hing.
„… Du kennst das Gefühl, misshandelt zu werden.“
Honeys Brauen zuckten. Sie blinzelte, sah weiter hinunter.
„… Deine Familie hat sich kaum geschert. Dein Vater war bis zuletzt ein blinder Idiot, der weder deine Schönheit, noch deine Einzigartigkeit erkannt hat. Er hat nie aufgehört, dich zu misshandeln.“ Love hob Honeys Kopf mit der Hand. Ihr Blick fuhr hoch.
„Lass mich dir zeigen, dass es anders geht.“
Honey schluckte. „Lass das hinter dir“, meinte Love. Sein Atem traf ihr Gesicht. Er hob ihre Hand und plötzlich merkte sie, dass er ihr das Amulett hineingelegt hatte.
Sachte griff er sie an den Schulter und drehte sie herum.
Honey umklammerte das Amulett. Sie wusste, was er wollte.
Mit einem Ruck warf sie die silberne Kette über den Abhang ins Meer, das Medaillon schien einen Moment in der Luft zu verharren, bevor sein Gewicht das Schmuckstuck hinabzog.
„Ich werde nie vergessen, was geschehen ist, Love“, sagte Honey und drehte sich zurück zu ihm.
Er erwartete einen Vorwurf in ihrem Blick, doch sie sah ruhig aus.
Schließlich lächelte sie vage. Es war aufrichtig. Sie löste den Knoten ihrer Haare auf, die sich in der Brise entfalteten und ihr über die Schultern fielen.
Sie starrten sich an.
„Küssen Sie mich“, sagte Honey leise.
Er gehorchte zum ersten Mal einem ihrer Befehle.
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... Leider waren es Extensions. Aber das mindert seine brilliante Darstellerung kaum ;-)