Honey ~ Der Weg deines Herzens
von LunaLu
Kurzbeschreibung
Für die junge Honey bricht eine Welt zusammen, als einer ihrer vom Gesetz gejagten Brüder von Soldaten gefasst wird und sich vor ihren Augen das Leben nimmt. Schlimmer noch - der Hauptmann, Captain Love, nimmt sie gefangen. Es scheint, als stünde Honey nun die schlimmste Zeit ihres Lebens bevor - doch eine unerwartete Beziehung entwickelt sich zwischen den beiden. Eine verbotene Freundschaft in einer Zeit der Gewalt und Rache, Liebe und Leidenschaft.
GeschichteAbenteuer, Drama / P16 / Gen
Captain Harrison Love
OC (Own Character)
06.04.2008
25.07.2021
40
168.234
6
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03.02.2015
3.472
Kapitel 37 - Wieder der Wald
Montero starrte Love an, den Mund halboffen. Dann hob er langsam den Kopf. Auch die Soldaten blickten Love erstaunt an.
"Das... ist Ihr Ernst?"
"Mein voller Ernst", sagte Love und es klang auch danach, als sei es eine seit Wochen feststehende Tatsache. Seine Ernsthaftigkeit verhinderte, dass Montero weiter Einspruch einlegte. Er sagte nur, sich sammelnd: "Lassen Sie sich etwas einfallen, verdammt."
"Ich habe ihn bereits einmal gefangen. Das schaffe ich auch erneut", versicherte Love kühl.
Montero machte kehrt, offensichtlich immernoch perplex.
Love wandte sich an seine Soldaten: "Er kann nicht weit sein. Durchsuchen Sie die Stallungen, das Gelände, die Lagerräume, alles."
Die Soldaten salutierten und rannten los.
Love wand sich um. Honey war wieder aufgestanden. Wie eingefroren starrte sie Love an.
Sie wollte offensichtlich etwas fragen, etwas sagen, doch brachte kaum ein Wort hervor.
Er trat ein und kam auf sie zu.
"Weißt du etwas?", fragte er dabei.
Sie starrte ihn nur an.
"Antworte mir."
"Ihre Frau...?"
Love sah zu Boden und wieder auf, ernst.
"Antworte auf meine Frage."
Honey blickte zu ihm hoch.
"Nein", sagte sie benebelt, schüttelte den Kopf, als wolle sie ihn ordnen. Dann wurde sie klarer. "Love...was-was haben Sie da gerade gesagt? Was haben Sie getan?"
"Dich vor dem Galgen bewahrt."
Honey schüttelte erneut den Kopf, verständnislos.
"Montero will dich so oder so hingerichtet sehen, für alles, was auf der Mine geschehen ist, früher oder später... Es ist eine glatte Möglichkeit."
"Es ist... Es ist absurd!", rief Honey, "Wie stellen Sie sich das vor, d-dass wir in einem Haus leben, ich Sie 'Harrison' nenne und wir Kinder- ich... Love das... das geht nicht!"
Love prüfte seinen Revolver. "Dafür ist jetzt keine Zeit", sagte er, dich Honey unterbrach ihn.
"Sie haben keine... Love..."
Love steckte den Revolver in sein Holster, atmete durch und sah sie an, als sie nicht weitersprach.
"Was?", fragte er.
"Sie lieben mich nicht!"
Love lachte auf. "Sei nicht so naiv. Darum geht es nicht, es ist geschäftlich."
"Was springt denn für Sie dabei heraus?!"
Love atmete schwer aus, antwortete nicht sofort. Er sah sie an und meinte schließlich: "Murieta hat sich aus dem Staub gemacht und ich muss ihn finden."
Er wollte sich umdrehen, doch Honey trat vor und zog ihn zurück.
"Das ist mein Leben! Das muss... Das können Sie nicht einfach-"
"Honey!", schrie Love sie an und fuhr herum, doch er kontrollierte sich und sprach ruhig weiter, "Kein weiteres Wort darüber."
Es war Honey nicht möglich, Widerspruch einzulegen, denn in dem ohnehin belebten Flur ertönten hallende Schritte, ein Soldat kam angerannt, gefolgt von - Duval.
"Sir, ich- dieser Mann behauptet, den Aufenthaltsort zu kennen, den-"
Love trat vor und unterbrach den Soldaten.
"Wo ist er?", fuhr er Duval an.
Duval sah kurz Honey, die hinter Love erschrocken über das erneute unerwartete Auftauchen ihres Vaters vorgetreten war, dann sah er Love an.
"Ich habe ihn aus dem linken Seiten flügel der Kaserne fliehen sehen, ich bin ihm gefolgt... er... ist zu einem großen Wasserfall unter der Ruine einer Hacienda-"
"Der ehemaligen Hacienda De la Vega?", stieß Love hervor und wartete gar nicht erst auf eine Antwort, "...er denkt nicht, dass darauf kommen, dass er dahin zurückkehrt - das muss es sein! Ein Dutzend Männer dorthin, sofort!"
"Nein", hauchte Honey.
Doch Love trat aus dem Raum und mit der Tür zum Flur schien sich jede Möglichkeit zu schließen, Alejandro zu warnen.
Es war ein halbstündiger Ritt zum Rand des Pueblos, noch etwas Außerhalb, zu den Klippen mit der Ruine, unter denen ein dünner Arm des Ozeans zu einem kleinen See führte, der dazu noch von einem Wasserfall genährt wurde. Dahinter, das wusste Love, war die besagte Höhle.
Als sie sich näherten, wies Love seine Männer an, sich aufzuteilen. Das laute Rauschen des Wassers dämpfte alle Geräusche, dennoch stiegen die Soldaten ab und gingen vorsichtig umher, die Waffen gezogen.
Love trat hinter zwei seiner Männer als erstes in die Höhle. Es war noch finsterer als in der dunklen Nacht draußen, keine Fackel erleuchete die geräumige, feucht triefende Höhle, zu der ein steinerner Felsdurchgang führte.
Love hatte seinerseits seine Pistole gezogen.
"Suchen Sie weiter!", flüsterte er seinem Korporal zu, als sie die Höhle ergebnislos mit einer Fackel durchkämmt hatten.
Innerlich verfluchte Love sich dafür, dass er Murieta nicht am Vormittag erledigt hatte. Es war beinahe lächerlich - er hatte schon auf der Hinrichtungstribübe gestanden, am Pfahl...
Und dann die Ereignisse des Tages; Duval, Honey, Loves Beförderung. Er wusste nicht, an welchem Eckpunkt er zuerst ansetzen sollte und wie gewohnt schwirrten seine Gedanken unwillkürlich um das Mädchen, um die Entscheidung, die er im Affekt getroffen hatte, als Montero davon gesprochen hatte, sie auf der Plaza an den Pranger zu stellen.
Er verachtete sich dafür - solche spontanen Akte brachte meist unbändige Konsequenzen mit sich.
Er verließ die Höhle, um sich draußen umzusehen, es war kein Pferd in Sicht, mit dem Murieta geflohen sein konnte... und wenn Duval in an der Nase herumgeführt hatte?
Dann würde er diesen Kerl - in diesem Moment hörte er Geräusche aus dem Wald um den See. Es waren dumpfe Geräusche, oder Hufen?
Mit der Hand wies er zwei der Soldaten an, vorzugehen, er selbst schlich mit der Fackel seitlich durch die dicht wachsenden Bäume. Fast alle anderen Soldaten suchten in der Höhle.
Da knisterte etwas, entfernt... Feuer. Jemand hatte ein Lagerfeuer entfacht.
Triumpfierend lud Love seine Waffe, als die dumpfen Geräusche erneut ertönten. Nun, näher, hörte Love auch Rufe und schließlich - eine Mädchenstimme. Was zur Hölle...
Er ging schneller, auch die beiden Soldaten wurden von der Geräuschkulisse und dem Feuer angelockt und trafen zuerst an dem sehr provisorischen Lager ein. Ein Pferd war an einen Baum gebunden, ein Feuer entzündet - und einige Meter daneben rangelten zwei Männer am Boden, während eine kleinere Gestalt davor stand und immer wieder Anstalten machte, einzugreifen, was jedoch jeweils von den Kämpfenden abgewehrt wurde.
Die Soldaten warteten nicht und griffen ein, Love, der das Geschehen beobachtet hatte, blieb etwas zurück, als ein Schuss ertönte und einer der Soldaten zu Boden ging. Love näherte sich leise, die Waffe im Anschlag.
Wenngleich das Feuer entfernt war, erleuchtete es flackernd die Gestalten.
Murieta und Duval lieferten sich einen Kampf, Duval hatte eine Pistole, aber Murieta wich für einen entkräfteten Mann erstaunlich geschickt aus. Dennoch hatte Duval soeben anscheinend einen der Soldaten erschossen, während Murieta den anderen mit zwei Hieben außer Gefecht setzte.
Honey stand, mit dem Rücken zu Love, drei Meter entfernt von den Männern und war erstarrt, als der erschossene Soldat zusammengebrochen war.
Murieta und Duval kämpften derweil wieder gegeneinander. Offensichtlich war es ein Kampf auf Leben und Tod, wobei Duval in der Offensive war und Murieta sich eher zu verteidigen schien.
Er streckte Duval mit einem Schlag in den Magen und einem ins Gesicht zu Boden, doch Duval riss ihn mit sich. Er war nicht geschickt oder schnell, aber er hatte etwas kräftiges und vor allem zügelloses an sich, was seine Angriffe brutal und gewichtig werden ließ.
Während die Duval am Boden versuchte, Alejadro zu würgen, dieser jedoch dessen Kopf gegen den Boden stieß, schlich Love näher an Honey heran.
Gerade, als sie einen Schritt in Richtung der Kämpfenden machen wollte, zog er sie zurück und legte ihr blitzschnell eine behandschuhte Hand auf den Mund.
Sie erstarrte und wollte sich wehren, als sie das kalte Metall eines Pistolenlaufs an ihrer Schläfe spürte. Nicht erkennend, wer sie in seiner Gewalt hatte, blieb sie widerstandslos stehen.
Love schob sie vor sich her, sachte in Richtung der Männer, die sie nicht bemerkten.
"Ruhig", flüsterte er. Sie erkannte ihn. Nun hielt sie nicht mehr still, sie machte einen Satz, um ihn von sich zu stoßen. Ein Schuss ging ins Leere.
Eine Sekunde dachte Love, sie sei verletzt, doch sie war nur erschrocken zusammengezuckt und stieß schnell mit einem Satz seinen Arm weg, so dass er die Pistole fallenließ.
Die Männer hatten erneut innegehalten, vom Schuss völlig überrascht. Duval fing sich zuerst, während Alejandro schreckstarr Honey angeblickt hatte, schlug er ihn zu Boden und kroch zu der Pistole, die vor Love und Honey gelandet war.
"Nein!", schrie Honey und wollte vorschnellen, doch Love sah, was geschehen würde - sie wollte sich vor Alejandro werfen. Er riss sie zurück, hob sie praktisch mit beiden Armen durch die Luft, einen um ihren Hals, einen um ihre Taille, hielt sie gewaltsam an sich gepresst, denn sie wehrte sich und zappelte weiter, auch nachdem sich erneut ein Schuss gelöst hatte.
Honey schrie und kämpfte, biss und kratzte und wusste nicht, was sie zuerst wahrnahm. Den Rauch der Pistole, der sich langsam verflüchtige, das Gurgeln, das von Alejandro kam, Duvals triumphierendes Ausatmen, das Geräusch, das Alejandro machte, als er zu Boden fiel, das Blut, das aus der großen Schusswunde aus seiner Brust triefte, im Fackelschein eher schwarz als rot glänzend.
Dann sackte sie zusammen, ihr Körper wurde schlaff, so dass sie zusammenbrach, als Love sie losließ. Sie keuchte nicht, denn sie hatte keine Stimme mehr, und die Tränen kontrollierte sie gar nicht erst.
Sie kroch zu Alejandro, doch als sie ihn nur berührte, wusste sie bereits, dass er tot war. Kein letzter Atemzug, kein letzter Blick. Tot in dem Moment, in dem die Kugel seine Brust durchdrungen hatte.
Trotzdem umarmte sie ihn, als könne er es spüren, sein Blut färbte ihr Kleid dunkel. Sie presste ihre Lippen auf seinen Kopf und hörte, dass die neuen Geräusche, die wie von einem verletzten Tier klangen, ihre eigenen waren.
In diesem Moment fand sie ihre Stimme wieder. "Alejandro", keuchte sie, doch sie klang, als sei sie heiser, durchzogen vom Beben der Tränen, zitternd. Die Zeit stand still und alles verschwamm.
Love ließ Honey los, die zur Leiche kroch.
Er blickte kurz das Geschehen an, dann sah er zu Duval, der voller Genugtuung zu Murieta blickte. Und der soeben die Beute erlegt hatte, die eigentlich Love zustand.
Dann drehte sich Duval kurz vage lächelnd zu Love um.
Einen Augenblick waren seine Muskeln angespannt, denn das Adrenalin in Duvals Augen schien ihn offensichtlich in Versuchung zu bringen, auch Love anzugreifen, doch da ertönten die Stimmen der anderen Soldaten, die offensichtlich von den Schüssen angelockt worden waren.
Love blickte zurück zu Honey, während Duval einige Schritte vortrat und Honey hochziehen wollte. Sie stieß ihn weg, ihn gar nicht wahrnehmend, als sei er etwas Lästiges, das sie von etwas sehr Wichtigem abhielt. Die Soldaten waren fast da, es waren beinahe alle, die durch Rufe die anderen verständigten. Die Jagd war abgeschlossen.
Duvals nächster Versuch, Honey hochzuziehen, war härter - wie ein Schraubstock griff er um ihren Oberarm und riss sie hoch. "Beruhige dich", zischte er sie an, doch als sie sich durch einen Tränenschleier zu ihm umwandte und ihn schließlich wahrzunehmen schien, wirkte sie nicht, als würde sie sich zeitnah beruhigen.
Sie blickte ihn voller Schmerz an, nicht körperlichem Schmerz, sondern so, als habe er ihr soeben einen Teil aus der Seele gerissen. Love hatte diesen Blick einmal bei ihr gesehen - als er, nachdem er Joaquín Murietas Kopf abgeschlagen hatte, zu ihr getreten war, während sie unter dem Griff des sie festhaltenden Soldaten bebte.
Sie wollte möglicherweise sogar etwas sagen, doch leblos wie sie war, brachte sie nichts hervor.
Als Duval sie jedoch mit sich ziehen wollte, wollte sie ihn abschütteln, um sich erneut vor die Leiche zu knien. Duval zog sie herum, so dass sie ihm direkt gegenüberstand. Sie ließ ihn nicht erneut zu Wort kommen, sondern spuckte ihm völlig unerwartet ins Gesicht.
Duval ließ sie los, holte, immernoch im Rausch, mit dem linken Handrücken aus und schlug sie mit voller Wucht zu Boden, so dass sie mit einem Aufschrei zwei Meter vor Loves Füßen landete.
Love indes trat schnell vor und schubste Duval zurück, der in Richtung Honey nachsetzte.
"Das genügt!", bellte er, doch Duval hob nun die Hand mit dem Revolver an.
Love ließ es gar nicht so weit kommen. Er trat Duval gegen das rechte Bein, so dass dieser einknickte und die Hand wieder senkte, Love griff um den Lauf und entzog ihm die Waffe. Duval bäumte sich auf und warf sich mit einem Wutschrei auf Love. Sein volles Gewicht am Boden auf ihn, begann er, ihn zu würgen.
Die Soldaten kamen angerannt, doch Love hatte schon gehandelt. Er brachte den Revolver in die richtige Position, lud nach und schoss.
Blut spritzte in Loves Gesicht, aber überwiegend zur Seite. Love hatte Duval mitten durch die Schläfe geschossen. Augenblicklich sackte der Mann auf ihm zusammen.
Ächzend schob er ihn von sich.
"Sir, Sir, alles in Ordnung?", rief der erste Soldat, der bei Love war, gefolgt von den anderen.
Love nickte und strich sich die wirren Haare aus dem Gesicht, während er Duvals Leiche mit dem Fuß verächtlich zur Seite trat.
Er blickte zu Honey, die am Boden kauerte, das Gesicht der Erde zugewandt, bebend.
"Schaffen Sie die Leiche dieses Bastards weg", meinte Love und nickte zu Duvals Körper. "Das Pferd kommt mit zurück zur Kaserne."
Er ging langsam zu Honey und hockte sich neben ihr hin. Sachte legte er ihr eine Hand auf den Rücken. Sie zuckte zusammen, doch vielleicht ging es auch nur mit einem Schluchzen einher.
Etwas bestimmter zog Love sie an der Schulter zurück, hoch, so dass sie auf alle Viere kam und schließlich auf den Knien saß, das Gesicht jedoch nach wie vor beinahe auf dem Boden, die Haare darum fallend.
Sie weinte und atmete so stoßweise, als würde ihr ein Messer im Bauch stecken.
Schweigend legte er die Hand auf ihren Kopf und strich sachte darüber.
"Komm, weg von ihm", sagte er sehr leise.
Doch sie schubste ihn weg, so dass er beinahe ins Taumeln geriet, und kroch zurück zu Alejandro.
"Honey", rief Love ihr hinterher und fand keine Beachtung. Weinend lag sie neben ihrem Bruder.
Nachdem alles zusammengebrochen war, sie so aufgebracht gewesen war, dass sie vergessen hatte, warum und gegen wen sie noch kämpfte, war die Taubheit gekommen.
Sie hatte jeden weggestoßen, der ihr zu Nahe gekommen war, bis ein Mann sie eisern vom Körper Alejandros weggezogen hatte, sie hochgehoben hatte. Sie hatte gekämpft, fiel zu Boden, wieder aufgehoben, sah verschwommen, wie Love, in seiner blauen Uniform, die im Feuerschein wie die Nacht leuchtete, an ihren toten Bruder herantrat.
Dann waren ihre Hände gefesselt, sie saß auf einem Pferd, hinter irgendeinem Mann.
Da begann die Taubheit. Sie kämpfte nicht mehr. Den Kopf nach vorne gelegt spürte sie die kalte Nachtluft an sich vorbeiziehen, spürte das Pferd unter sich traben - und versuchte mit aller Kraft, nichts mehr zu spüren.
Als sie aufwachte, lag sie wieder in einem Bett. Loves Bett. Es war ihr egal.
Ihre Arme waren nicht mehr gefesselt. Es war ihr egal. Alles war unwichtig. Alles war egal. Es war still im Raum, und völlig dunkel, auch wenn ein fahles, blau-weißes Licht draußen die Dämmerung ankündigte.
Sie war allein.
Aufgewacht war sie, weil jemand eingetreten war. Eine Kerze entzündet wurde.
Love, bemüht leise, war in den Raum gekommen. Er stellte die Kerze auf dem Schreibtisch ab und wollte zum Bad, als sein Blick Honey streifte, die ihn mit ausdruckslosen Augen, bewegungslos anstarrte, sehr ruhig atmend.
Sie sahen sich an.
Jemand hatte Honey den Dreck abgewaschen, oder sie hatte es selber getan, auf jeden Fall war ihr Gesicht bis auf die Schrammen völlig rein, ihre Haare fielen feucht um sie. Love hingegen waren die Spuren der Nacht noch anzusehen - seine Haare unter dem Soldatenhut waren ebenso mit Dreck und fremden Blut durchzogen wie sein Gesicht. Auch auf der verkrusteten 'M'-förmigen Narbe auf seinem Gesicht hatte sich Erde abgesetzt.
Doch seine Augen waren wachsam, wenngleich sein grimmiger Gesichtsausdruck etwas ruhiger wurde, als er sie ansah.
Er sagte nichts und ging nach einigen Momenten wortlos zum Badezimmer.
Als er, in eine braune Baumwollhose gekleidet und gewaschen, den Oberkörper mit blauen Flecken, Spuren der verganenen Kämpfe, übersät, lag Honey in exakt der gleichen Position da, nur starrte sie irgendwo in den Raum.
Love sah sie erneut kurz an, dann holte er die Kerze vom Schreibtisch zum Nachttisch.
Er legte sich ins Bett und deckte sich zu, bis er, auf dem Rücken liegend, den Kopf zur Seite wandte, und fragte: "Möchtest du die Nacht lieber allein verbringen?"
Honey schluckte.
Sie wandt den Kopf ebenfalls, so dass sie sich ansahen.
Sie weinte nicht, aber ihre Stimme zitterte, als sie flüsternd antwortete. "Ich weiß nicht, wo ich hin soll."
Love hob leicht den Kopf.
"Du ... musst nirgendwo hin. Ich dachte-"
"Hier nach", fuhr Honey fort, und ihre Stimme war hoch und schwach wie kristallenes Eis, "nach alldem. Ich weiß nicht, wohin. Alle sind weg."
Love blinzelte.
"Du hast nicht wirklich eine Wahl." Er wusste, dass das nicht unbedingt die passende Antwort war, doch auch ihr offensichtlich völlig verlorener Zustand brachte ihn nicht zur Beschönigung der Tatsachen. "Wenngleich die Pläne aufgegangen sind - Nach all den Eskapaden... Montero sieht dich immer noch als Gefangene. Er will dich bestrafen."
Honeys Gesicht nahm zum ersten Mal, seit Love das Zimmer betreten hatte, wieder einen Ausdruck an. Sie hob leicht die Brauen und schüttelte langsam den Kopf.
"Montero ist nicht das Problem. Und ich gehöre Ihnen nicht mehr. Ich werde-"
"Heirate mich", unterbrach Love sie. Sie blickten sich an, das Kerzenlicht flackerte und erinnerte Honey an den Wald, an das loderne Feuer, das das Grauen der Nacht beleuchtet hatte.
Sie schloss kurz die Augen.
"Zum letzten Mal - ich rette dich damit. Du könntest hier bleiben, unversehrt."
Honey schwieg, sah ihn aber mit ihren durchdringenden Augen an.
Love spürte den Drang, sie anzufassen, doch er wusste, dass nach allem, was sie körperlich in den letzten Stunden und Tagen erlebt hatte, ohnehin nur zurückzucken würde.
Also beließ er es dabei, beugte sich nach hinten und bließ die Kerze aus, woraufhin das Zimmer erneut in Dunkelheit versank.
"Ich habe seine Fesseln gelöst", ertönte Honeys leise Stimme, "in der Zelle. Während Sie meinen Vater angegriffen haben, habe ich seine Fesseln gelöst. So konnte er sich befreien."
Es war nicht klar, warum sie das gestand. Honey spürte, dass es den Kreis schloss, etwas vervollständigte, Love sollte es wissen, er sollte sie hassen, wütend werden, er wäre der Feind, Alejandro und sie wären Verbündete, vielleicht würde alles rückgängig gemacht werden können, ihr Bruder noch leben...
Love atmete schwer aus.
"Ich weiß", sagte er.
Love hatte nicht lange geschlafen, doch das Licht, die schallenden Trompeten und der Jubel der Leute machten ihn hellwach und erregt.
Es war soweit. General Love. Offiziell, feierlich, gebührend.
Er lief an den in einer Reihe aufgestellten, die Säbel Gewehre die Luft gestreckten Soldaten vorbei, die salutierten, während die Zuschauer, eine Reihe Dons und weitere Adelige und weiter hinten das Volk klatschten und schaulustig das Geschehen beobachteten. Die Plaza war recht voll, und die Stimme des neu ernannten Unteroffiziers drang darüber.
Schließ trat Love auf das feierliche Podest, auf der Seite gegenüber der Hinrichtungstribüne, auf dem Montero wartete, lächelnd.
Elenas Platz auf dem Podest war leer, doch sie hatte Love seit den Geschehnissen auf der Mine nicht gesehen.
Ein Diener hielt eine längliche, prunkvolle Schatulle. Nachdem Montero sich mit einer kurzen, aber feierlichen, wie üblich einnehmenden Rede an die Zuschauer gewandt, hatte, in der er von Ehre, von Loves Erfolgen und von der Bedeutung der neu erlangten Unabhängigkeit Kaliforniens sprach, war die Menge ins Jubeln ausgebrochen. Weder Zorro, noch die Mine waren Publik geworden - wie geplant.
Schließlich lächelte Montero Love zu und steckte ihm erneut traditionsgemäß den Generalsorden an, bevor er aus der Schatulle einen prächtigen Degen nahm, mit goldenem Griff und roten Verzierband. Love beugte sich vor, die Männer schüttelten sich die Hand.
Montero gratulierte ihm ins Ohr.
"Sie haben mich nicht enttäuscht, General", sagte er.
Love lächelte schief. "Wie versprochen, Sir."
Montero sah ihn prüfend an und murmelte: "Vielleicht sollten Sie heute Abend mit Elena dinieren. Sie fängt sich wieder."
Love runzelte leicht die Stirn, doch dann wendeten sich die Männer der applaudierenden Menge zu, winkend. Love war reflexartig versucht gewesen, entweder sofort zuzustimmen, oder im Gedanken an Honey direkt Einspruch einzulegen, doch beides verwarf er. Der Tag würde zeigen, wie Elena zu ihm stand.
Doch vordergründiger war sein Erwachen am Morgen in seinem Kopf.
Denn als er nach recht kurzem Schlaf die Augen aufgeschlagen hatte, das Zimmer von goldener Sonne erhellt, war von Honey weit und breit keine Spur mehr zu sehen gewesen.
Montero starrte Love an, den Mund halboffen. Dann hob er langsam den Kopf. Auch die Soldaten blickten Love erstaunt an.
"Das... ist Ihr Ernst?"
"Mein voller Ernst", sagte Love und es klang auch danach, als sei es eine seit Wochen feststehende Tatsache. Seine Ernsthaftigkeit verhinderte, dass Montero weiter Einspruch einlegte. Er sagte nur, sich sammelnd: "Lassen Sie sich etwas einfallen, verdammt."
"Ich habe ihn bereits einmal gefangen. Das schaffe ich auch erneut", versicherte Love kühl.
Montero machte kehrt, offensichtlich immernoch perplex.
Love wandte sich an seine Soldaten: "Er kann nicht weit sein. Durchsuchen Sie die Stallungen, das Gelände, die Lagerräume, alles."
Die Soldaten salutierten und rannten los.
Love wand sich um. Honey war wieder aufgestanden. Wie eingefroren starrte sie Love an.
Sie wollte offensichtlich etwas fragen, etwas sagen, doch brachte kaum ein Wort hervor.
Er trat ein und kam auf sie zu.
"Weißt du etwas?", fragte er dabei.
Sie starrte ihn nur an.
"Antworte mir."
"Ihre Frau...?"
Love sah zu Boden und wieder auf, ernst.
"Antworte auf meine Frage."
Honey blickte zu ihm hoch.
"Nein", sagte sie benebelt, schüttelte den Kopf, als wolle sie ihn ordnen. Dann wurde sie klarer. "Love...was-was haben Sie da gerade gesagt? Was haben Sie getan?"
"Dich vor dem Galgen bewahrt."
Honey schüttelte erneut den Kopf, verständnislos.
"Montero will dich so oder so hingerichtet sehen, für alles, was auf der Mine geschehen ist, früher oder später... Es ist eine glatte Möglichkeit."
"Es ist... Es ist absurd!", rief Honey, "Wie stellen Sie sich das vor, d-dass wir in einem Haus leben, ich Sie 'Harrison' nenne und wir Kinder- ich... Love das... das geht nicht!"
Love prüfte seinen Revolver. "Dafür ist jetzt keine Zeit", sagte er, dich Honey unterbrach ihn.
"Sie haben keine... Love..."
Love steckte den Revolver in sein Holster, atmete durch und sah sie an, als sie nicht weitersprach.
"Was?", fragte er.
"Sie lieben mich nicht!"
Love lachte auf. "Sei nicht so naiv. Darum geht es nicht, es ist geschäftlich."
"Was springt denn für Sie dabei heraus?!"
Love atmete schwer aus, antwortete nicht sofort. Er sah sie an und meinte schließlich: "Murieta hat sich aus dem Staub gemacht und ich muss ihn finden."
Er wollte sich umdrehen, doch Honey trat vor und zog ihn zurück.
"Das ist mein Leben! Das muss... Das können Sie nicht einfach-"
"Honey!", schrie Love sie an und fuhr herum, doch er kontrollierte sich und sprach ruhig weiter, "Kein weiteres Wort darüber."
Es war Honey nicht möglich, Widerspruch einzulegen, denn in dem ohnehin belebten Flur ertönten hallende Schritte, ein Soldat kam angerannt, gefolgt von - Duval.
"Sir, ich- dieser Mann behauptet, den Aufenthaltsort zu kennen, den-"
Love trat vor und unterbrach den Soldaten.
"Wo ist er?", fuhr er Duval an.
Duval sah kurz Honey, die hinter Love erschrocken über das erneute unerwartete Auftauchen ihres Vaters vorgetreten war, dann sah er Love an.
"Ich habe ihn aus dem linken Seiten flügel der Kaserne fliehen sehen, ich bin ihm gefolgt... er... ist zu einem großen Wasserfall unter der Ruine einer Hacienda-"
"Der ehemaligen Hacienda De la Vega?", stieß Love hervor und wartete gar nicht erst auf eine Antwort, "...er denkt nicht, dass darauf kommen, dass er dahin zurückkehrt - das muss es sein! Ein Dutzend Männer dorthin, sofort!"
"Nein", hauchte Honey.
Doch Love trat aus dem Raum und mit der Tür zum Flur schien sich jede Möglichkeit zu schließen, Alejandro zu warnen.
Es war ein halbstündiger Ritt zum Rand des Pueblos, noch etwas Außerhalb, zu den Klippen mit der Ruine, unter denen ein dünner Arm des Ozeans zu einem kleinen See führte, der dazu noch von einem Wasserfall genährt wurde. Dahinter, das wusste Love, war die besagte Höhle.
Als sie sich näherten, wies Love seine Männer an, sich aufzuteilen. Das laute Rauschen des Wassers dämpfte alle Geräusche, dennoch stiegen die Soldaten ab und gingen vorsichtig umher, die Waffen gezogen.
Love trat hinter zwei seiner Männer als erstes in die Höhle. Es war noch finsterer als in der dunklen Nacht draußen, keine Fackel erleuchete die geräumige, feucht triefende Höhle, zu der ein steinerner Felsdurchgang führte.
Love hatte seinerseits seine Pistole gezogen.
"Suchen Sie weiter!", flüsterte er seinem Korporal zu, als sie die Höhle ergebnislos mit einer Fackel durchkämmt hatten.
Innerlich verfluchte Love sich dafür, dass er Murieta nicht am Vormittag erledigt hatte. Es war beinahe lächerlich - er hatte schon auf der Hinrichtungstribübe gestanden, am Pfahl...
Und dann die Ereignisse des Tages; Duval, Honey, Loves Beförderung. Er wusste nicht, an welchem Eckpunkt er zuerst ansetzen sollte und wie gewohnt schwirrten seine Gedanken unwillkürlich um das Mädchen, um die Entscheidung, die er im Affekt getroffen hatte, als Montero davon gesprochen hatte, sie auf der Plaza an den Pranger zu stellen.
Er verachtete sich dafür - solche spontanen Akte brachte meist unbändige Konsequenzen mit sich.
Er verließ die Höhle, um sich draußen umzusehen, es war kein Pferd in Sicht, mit dem Murieta geflohen sein konnte... und wenn Duval in an der Nase herumgeführt hatte?
Dann würde er diesen Kerl - in diesem Moment hörte er Geräusche aus dem Wald um den See. Es waren dumpfe Geräusche, oder Hufen?
Mit der Hand wies er zwei der Soldaten an, vorzugehen, er selbst schlich mit der Fackel seitlich durch die dicht wachsenden Bäume. Fast alle anderen Soldaten suchten in der Höhle.
Da knisterte etwas, entfernt... Feuer. Jemand hatte ein Lagerfeuer entfacht.
Triumpfierend lud Love seine Waffe, als die dumpfen Geräusche erneut ertönten. Nun, näher, hörte Love auch Rufe und schließlich - eine Mädchenstimme. Was zur Hölle...
Er ging schneller, auch die beiden Soldaten wurden von der Geräuschkulisse und dem Feuer angelockt und trafen zuerst an dem sehr provisorischen Lager ein. Ein Pferd war an einen Baum gebunden, ein Feuer entzündet - und einige Meter daneben rangelten zwei Männer am Boden, während eine kleinere Gestalt davor stand und immer wieder Anstalten machte, einzugreifen, was jedoch jeweils von den Kämpfenden abgewehrt wurde.
Die Soldaten warteten nicht und griffen ein, Love, der das Geschehen beobachtet hatte, blieb etwas zurück, als ein Schuss ertönte und einer der Soldaten zu Boden ging. Love näherte sich leise, die Waffe im Anschlag.
Wenngleich das Feuer entfernt war, erleuchtete es flackernd die Gestalten.
Murieta und Duval lieferten sich einen Kampf, Duval hatte eine Pistole, aber Murieta wich für einen entkräfteten Mann erstaunlich geschickt aus. Dennoch hatte Duval soeben anscheinend einen der Soldaten erschossen, während Murieta den anderen mit zwei Hieben außer Gefecht setzte.
Honey stand, mit dem Rücken zu Love, drei Meter entfernt von den Männern und war erstarrt, als der erschossene Soldat zusammengebrochen war.
Murieta und Duval kämpften derweil wieder gegeneinander. Offensichtlich war es ein Kampf auf Leben und Tod, wobei Duval in der Offensive war und Murieta sich eher zu verteidigen schien.
Er streckte Duval mit einem Schlag in den Magen und einem ins Gesicht zu Boden, doch Duval riss ihn mit sich. Er war nicht geschickt oder schnell, aber er hatte etwas kräftiges und vor allem zügelloses an sich, was seine Angriffe brutal und gewichtig werden ließ.
Während die Duval am Boden versuchte, Alejadro zu würgen, dieser jedoch dessen Kopf gegen den Boden stieß, schlich Love näher an Honey heran.
Gerade, als sie einen Schritt in Richtung der Kämpfenden machen wollte, zog er sie zurück und legte ihr blitzschnell eine behandschuhte Hand auf den Mund.
Sie erstarrte und wollte sich wehren, als sie das kalte Metall eines Pistolenlaufs an ihrer Schläfe spürte. Nicht erkennend, wer sie in seiner Gewalt hatte, blieb sie widerstandslos stehen.
Love schob sie vor sich her, sachte in Richtung der Männer, die sie nicht bemerkten.
"Ruhig", flüsterte er. Sie erkannte ihn. Nun hielt sie nicht mehr still, sie machte einen Satz, um ihn von sich zu stoßen. Ein Schuss ging ins Leere.
Eine Sekunde dachte Love, sie sei verletzt, doch sie war nur erschrocken zusammengezuckt und stieß schnell mit einem Satz seinen Arm weg, so dass er die Pistole fallenließ.
Die Männer hatten erneut innegehalten, vom Schuss völlig überrascht. Duval fing sich zuerst, während Alejandro schreckstarr Honey angeblickt hatte, schlug er ihn zu Boden und kroch zu der Pistole, die vor Love und Honey gelandet war.
"Nein!", schrie Honey und wollte vorschnellen, doch Love sah, was geschehen würde - sie wollte sich vor Alejandro werfen. Er riss sie zurück, hob sie praktisch mit beiden Armen durch die Luft, einen um ihren Hals, einen um ihre Taille, hielt sie gewaltsam an sich gepresst, denn sie wehrte sich und zappelte weiter, auch nachdem sich erneut ein Schuss gelöst hatte.
Honey schrie und kämpfte, biss und kratzte und wusste nicht, was sie zuerst wahrnahm. Den Rauch der Pistole, der sich langsam verflüchtige, das Gurgeln, das von Alejandro kam, Duvals triumphierendes Ausatmen, das Geräusch, das Alejandro machte, als er zu Boden fiel, das Blut, das aus der großen Schusswunde aus seiner Brust triefte, im Fackelschein eher schwarz als rot glänzend.
Dann sackte sie zusammen, ihr Körper wurde schlaff, so dass sie zusammenbrach, als Love sie losließ. Sie keuchte nicht, denn sie hatte keine Stimme mehr, und die Tränen kontrollierte sie gar nicht erst.
Sie kroch zu Alejandro, doch als sie ihn nur berührte, wusste sie bereits, dass er tot war. Kein letzter Atemzug, kein letzter Blick. Tot in dem Moment, in dem die Kugel seine Brust durchdrungen hatte.
Trotzdem umarmte sie ihn, als könne er es spüren, sein Blut färbte ihr Kleid dunkel. Sie presste ihre Lippen auf seinen Kopf und hörte, dass die neuen Geräusche, die wie von einem verletzten Tier klangen, ihre eigenen waren.
In diesem Moment fand sie ihre Stimme wieder. "Alejandro", keuchte sie, doch sie klang, als sei sie heiser, durchzogen vom Beben der Tränen, zitternd. Die Zeit stand still und alles verschwamm.
Love ließ Honey los, die zur Leiche kroch.
Er blickte kurz das Geschehen an, dann sah er zu Duval, der voller Genugtuung zu Murieta blickte. Und der soeben die Beute erlegt hatte, die eigentlich Love zustand.
Dann drehte sich Duval kurz vage lächelnd zu Love um.
Einen Augenblick waren seine Muskeln angespannt, denn das Adrenalin in Duvals Augen schien ihn offensichtlich in Versuchung zu bringen, auch Love anzugreifen, doch da ertönten die Stimmen der anderen Soldaten, die offensichtlich von den Schüssen angelockt worden waren.
Love blickte zurück zu Honey, während Duval einige Schritte vortrat und Honey hochziehen wollte. Sie stieß ihn weg, ihn gar nicht wahrnehmend, als sei er etwas Lästiges, das sie von etwas sehr Wichtigem abhielt. Die Soldaten waren fast da, es waren beinahe alle, die durch Rufe die anderen verständigten. Die Jagd war abgeschlossen.
Duvals nächster Versuch, Honey hochzuziehen, war härter - wie ein Schraubstock griff er um ihren Oberarm und riss sie hoch. "Beruhige dich", zischte er sie an, doch als sie sich durch einen Tränenschleier zu ihm umwandte und ihn schließlich wahrzunehmen schien, wirkte sie nicht, als würde sie sich zeitnah beruhigen.
Sie blickte ihn voller Schmerz an, nicht körperlichem Schmerz, sondern so, als habe er ihr soeben einen Teil aus der Seele gerissen. Love hatte diesen Blick einmal bei ihr gesehen - als er, nachdem er Joaquín Murietas Kopf abgeschlagen hatte, zu ihr getreten war, während sie unter dem Griff des sie festhaltenden Soldaten bebte.
Sie wollte möglicherweise sogar etwas sagen, doch leblos wie sie war, brachte sie nichts hervor.
Als Duval sie jedoch mit sich ziehen wollte, wollte sie ihn abschütteln, um sich erneut vor die Leiche zu knien. Duval zog sie herum, so dass sie ihm direkt gegenüberstand. Sie ließ ihn nicht erneut zu Wort kommen, sondern spuckte ihm völlig unerwartet ins Gesicht.
Duval ließ sie los, holte, immernoch im Rausch, mit dem linken Handrücken aus und schlug sie mit voller Wucht zu Boden, so dass sie mit einem Aufschrei zwei Meter vor Loves Füßen landete.
Love indes trat schnell vor und schubste Duval zurück, der in Richtung Honey nachsetzte.
"Das genügt!", bellte er, doch Duval hob nun die Hand mit dem Revolver an.
Love ließ es gar nicht so weit kommen. Er trat Duval gegen das rechte Bein, so dass dieser einknickte und die Hand wieder senkte, Love griff um den Lauf und entzog ihm die Waffe. Duval bäumte sich auf und warf sich mit einem Wutschrei auf Love. Sein volles Gewicht am Boden auf ihn, begann er, ihn zu würgen.
Die Soldaten kamen angerannt, doch Love hatte schon gehandelt. Er brachte den Revolver in die richtige Position, lud nach und schoss.
Blut spritzte in Loves Gesicht, aber überwiegend zur Seite. Love hatte Duval mitten durch die Schläfe geschossen. Augenblicklich sackte der Mann auf ihm zusammen.
Ächzend schob er ihn von sich.
"Sir, Sir, alles in Ordnung?", rief der erste Soldat, der bei Love war, gefolgt von den anderen.
Love nickte und strich sich die wirren Haare aus dem Gesicht, während er Duvals Leiche mit dem Fuß verächtlich zur Seite trat.
Er blickte zu Honey, die am Boden kauerte, das Gesicht der Erde zugewandt, bebend.
"Schaffen Sie die Leiche dieses Bastards weg", meinte Love und nickte zu Duvals Körper. "Das Pferd kommt mit zurück zur Kaserne."
Er ging langsam zu Honey und hockte sich neben ihr hin. Sachte legte er ihr eine Hand auf den Rücken. Sie zuckte zusammen, doch vielleicht ging es auch nur mit einem Schluchzen einher.
Etwas bestimmter zog Love sie an der Schulter zurück, hoch, so dass sie auf alle Viere kam und schließlich auf den Knien saß, das Gesicht jedoch nach wie vor beinahe auf dem Boden, die Haare darum fallend.
Sie weinte und atmete so stoßweise, als würde ihr ein Messer im Bauch stecken.
Schweigend legte er die Hand auf ihren Kopf und strich sachte darüber.
"Komm, weg von ihm", sagte er sehr leise.
Doch sie schubste ihn weg, so dass er beinahe ins Taumeln geriet, und kroch zurück zu Alejandro.
"Honey", rief Love ihr hinterher und fand keine Beachtung. Weinend lag sie neben ihrem Bruder.
Nachdem alles zusammengebrochen war, sie so aufgebracht gewesen war, dass sie vergessen hatte, warum und gegen wen sie noch kämpfte, war die Taubheit gekommen.
Sie hatte jeden weggestoßen, der ihr zu Nahe gekommen war, bis ein Mann sie eisern vom Körper Alejandros weggezogen hatte, sie hochgehoben hatte. Sie hatte gekämpft, fiel zu Boden, wieder aufgehoben, sah verschwommen, wie Love, in seiner blauen Uniform, die im Feuerschein wie die Nacht leuchtete, an ihren toten Bruder herantrat.
Dann waren ihre Hände gefesselt, sie saß auf einem Pferd, hinter irgendeinem Mann.
Da begann die Taubheit. Sie kämpfte nicht mehr. Den Kopf nach vorne gelegt spürte sie die kalte Nachtluft an sich vorbeiziehen, spürte das Pferd unter sich traben - und versuchte mit aller Kraft, nichts mehr zu spüren.
Als sie aufwachte, lag sie wieder in einem Bett. Loves Bett. Es war ihr egal.
Ihre Arme waren nicht mehr gefesselt. Es war ihr egal. Alles war unwichtig. Alles war egal. Es war still im Raum, und völlig dunkel, auch wenn ein fahles, blau-weißes Licht draußen die Dämmerung ankündigte.
Sie war allein.
Aufgewacht war sie, weil jemand eingetreten war. Eine Kerze entzündet wurde.
Love, bemüht leise, war in den Raum gekommen. Er stellte die Kerze auf dem Schreibtisch ab und wollte zum Bad, als sein Blick Honey streifte, die ihn mit ausdruckslosen Augen, bewegungslos anstarrte, sehr ruhig atmend.
Sie sahen sich an.
Jemand hatte Honey den Dreck abgewaschen, oder sie hatte es selber getan, auf jeden Fall war ihr Gesicht bis auf die Schrammen völlig rein, ihre Haare fielen feucht um sie. Love hingegen waren die Spuren der Nacht noch anzusehen - seine Haare unter dem Soldatenhut waren ebenso mit Dreck und fremden Blut durchzogen wie sein Gesicht. Auch auf der verkrusteten 'M'-förmigen Narbe auf seinem Gesicht hatte sich Erde abgesetzt.
Doch seine Augen waren wachsam, wenngleich sein grimmiger Gesichtsausdruck etwas ruhiger wurde, als er sie ansah.
Er sagte nichts und ging nach einigen Momenten wortlos zum Badezimmer.
Als er, in eine braune Baumwollhose gekleidet und gewaschen, den Oberkörper mit blauen Flecken, Spuren der verganenen Kämpfe, übersät, lag Honey in exakt der gleichen Position da, nur starrte sie irgendwo in den Raum.
Love sah sie erneut kurz an, dann holte er die Kerze vom Schreibtisch zum Nachttisch.
Er legte sich ins Bett und deckte sich zu, bis er, auf dem Rücken liegend, den Kopf zur Seite wandte, und fragte: "Möchtest du die Nacht lieber allein verbringen?"
Honey schluckte.
Sie wandt den Kopf ebenfalls, so dass sie sich ansahen.
Sie weinte nicht, aber ihre Stimme zitterte, als sie flüsternd antwortete. "Ich weiß nicht, wo ich hin soll."
Love hob leicht den Kopf.
"Du ... musst nirgendwo hin. Ich dachte-"
"Hier nach", fuhr Honey fort, und ihre Stimme war hoch und schwach wie kristallenes Eis, "nach alldem. Ich weiß nicht, wohin. Alle sind weg."
Love blinzelte.
"Du hast nicht wirklich eine Wahl." Er wusste, dass das nicht unbedingt die passende Antwort war, doch auch ihr offensichtlich völlig verlorener Zustand brachte ihn nicht zur Beschönigung der Tatsachen. "Wenngleich die Pläne aufgegangen sind - Nach all den Eskapaden... Montero sieht dich immer noch als Gefangene. Er will dich bestrafen."
Honeys Gesicht nahm zum ersten Mal, seit Love das Zimmer betreten hatte, wieder einen Ausdruck an. Sie hob leicht die Brauen und schüttelte langsam den Kopf.
"Montero ist nicht das Problem. Und ich gehöre Ihnen nicht mehr. Ich werde-"
"Heirate mich", unterbrach Love sie. Sie blickten sich an, das Kerzenlicht flackerte und erinnerte Honey an den Wald, an das loderne Feuer, das das Grauen der Nacht beleuchtet hatte.
Sie schloss kurz die Augen.
"Zum letzten Mal - ich rette dich damit. Du könntest hier bleiben, unversehrt."
Honey schwieg, sah ihn aber mit ihren durchdringenden Augen an.
Love spürte den Drang, sie anzufassen, doch er wusste, dass nach allem, was sie körperlich in den letzten Stunden und Tagen erlebt hatte, ohnehin nur zurückzucken würde.
Also beließ er es dabei, beugte sich nach hinten und bließ die Kerze aus, woraufhin das Zimmer erneut in Dunkelheit versank.
"Ich habe seine Fesseln gelöst", ertönte Honeys leise Stimme, "in der Zelle. Während Sie meinen Vater angegriffen haben, habe ich seine Fesseln gelöst. So konnte er sich befreien."
Es war nicht klar, warum sie das gestand. Honey spürte, dass es den Kreis schloss, etwas vervollständigte, Love sollte es wissen, er sollte sie hassen, wütend werden, er wäre der Feind, Alejandro und sie wären Verbündete, vielleicht würde alles rückgängig gemacht werden können, ihr Bruder noch leben...
Love atmete schwer aus.
"Ich weiß", sagte er.
Love hatte nicht lange geschlafen, doch das Licht, die schallenden Trompeten und der Jubel der Leute machten ihn hellwach und erregt.
Es war soweit. General Love. Offiziell, feierlich, gebührend.
Er lief an den in einer Reihe aufgestellten, die Säbel Gewehre die Luft gestreckten Soldaten vorbei, die salutierten, während die Zuschauer, eine Reihe Dons und weitere Adelige und weiter hinten das Volk klatschten und schaulustig das Geschehen beobachteten. Die Plaza war recht voll, und die Stimme des neu ernannten Unteroffiziers drang darüber.
Schließ trat Love auf das feierliche Podest, auf der Seite gegenüber der Hinrichtungstribüne, auf dem Montero wartete, lächelnd.
Elenas Platz auf dem Podest war leer, doch sie hatte Love seit den Geschehnissen auf der Mine nicht gesehen.
Ein Diener hielt eine längliche, prunkvolle Schatulle. Nachdem Montero sich mit einer kurzen, aber feierlichen, wie üblich einnehmenden Rede an die Zuschauer gewandt, hatte, in der er von Ehre, von Loves Erfolgen und von der Bedeutung der neu erlangten Unabhängigkeit Kaliforniens sprach, war die Menge ins Jubeln ausgebrochen. Weder Zorro, noch die Mine waren Publik geworden - wie geplant.
Schließlich lächelte Montero Love zu und steckte ihm erneut traditionsgemäß den Generalsorden an, bevor er aus der Schatulle einen prächtigen Degen nahm, mit goldenem Griff und roten Verzierband. Love beugte sich vor, die Männer schüttelten sich die Hand.
Montero gratulierte ihm ins Ohr.
"Sie haben mich nicht enttäuscht, General", sagte er.
Love lächelte schief. "Wie versprochen, Sir."
Montero sah ihn prüfend an und murmelte: "Vielleicht sollten Sie heute Abend mit Elena dinieren. Sie fängt sich wieder."
Love runzelte leicht die Stirn, doch dann wendeten sich die Männer der applaudierenden Menge zu, winkend. Love war reflexartig versucht gewesen, entweder sofort zuzustimmen, oder im Gedanken an Honey direkt Einspruch einzulegen, doch beides verwarf er. Der Tag würde zeigen, wie Elena zu ihm stand.
Doch vordergründiger war sein Erwachen am Morgen in seinem Kopf.
Denn als er nach recht kurzem Schlaf die Augen aufgeschlagen hatte, das Zimmer von goldener Sonne erhellt, war von Honey weit und breit keine Spur mehr zu sehen gewesen.