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Honey ~ Der Weg deines Herzens

von LunaLu
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Drama / P16 / Gen
Captain Harrison Love OC (Own Character)
06.04.2008
25.07.2021
40
168.234
6
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06.04.2008 3.292
 
Kapitel 32 - Hinter der Maske

Love ließ sich von dem Triumph nicht ablenken - das war nicht seine Art.
Lächelnd, aber gefasst, kühl und beinahe geschäftlich trat er Zorros Degen zur Seite. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Murieta und Zorro.
Zum Glück hatte er das Treffen, die Transaktion mit Santa Anna, mit Monteros Einverständnis um einen Tag nach hinten verschieben lassen. Santa Anna war wohl nicht begeistert gewesen, doch nach der Versicherung, nur so könne die problemlose Übergabe der großen Masse an Gold gewährleistet werden, hatte dieser seine Zusage überbringen lassen.
Und diese paar Stunden waren es gewesen, die Love benötigt hatte, um einen der größten Coups in seiner Karriere zu landen. Nun hatte er beide Murietabrüder zur Strecke gebracht und dazu noch, quasi nebenbei, die Reinkarnation eines Verräters gefasst, eine Legende.
Alejandro stöhnte auf, doch Love sah, dass es nicht wegen seiner Benommenheit war, sondern dass er, am Boden liegend, Einspruch gegen das erhob, was Honey geschah - der Wärter war, während Love zu Alejandro ging, zu ihr gerannt, hatte die Pistole aus ihrer Reichweite genommen und rollte sie grob auf den Bauch, um ihr die Hände auf den Rücken zu fesseln. Sie keuchte, als er dabei ihre gebrochene Hand packte, und trat ihn von sich. Er rappelte sich auf, grunzte zornig und trat ihr in den Bauch. Sie schrie und krümmte sich.
"Das reicht!", rief Love, lies von Alejandro ab, war mit einem Schritt bei dem Wärter und stieß ihn bei Seite. Er sah zu ihr hinab. Sie keuchte und blickte sich benommen um. Ihr Blick blieb an ihrem Bruder hängen, dann an Love.
"Bitte", stöhnte sie.
Love verdrehte die Augen.
Er ging zurück zu Alejandro. Sie versuchte, sich aufzurappeln, doch sackte zusammen.
Love stieß Alejandro brutal ein Knie auf die Schulterblätter, griff seine Arme und knurrte: "Ein Seil."
Der Wärter gab es Love.
"Ich fessele dich eigenhändig, Mistkerl", murmelte Love Alejandro zu und seine Kälte wurde zu Süffisanz, "Du kommst nicht davon. Das war es für dich."
Er verknotete das Seil so hart, dass Alejandros Hände blass anliefen und zog ihn dann an den Fesseln hoch.
Er stieß ihn zu dem Wärter hinüber.
"Knebeln."
In dem Gerangel hatte der Wärter Überhand, denn so behände Alejandro war - seine Fesseln brachten ihn immer wieder aus dem Gleichgewicht.
"Und jetzt gehen wir alle zusammen zur Gefangenenkutsche unten am Tor, hübsch langsam", sagte Love. Der Wärter riss Alejandro mit sich.
Schweiß lief von ihren Stirnen, die Sonne hatte ihren höchten Punkt erreicht.
Love streckte Honey die Hand entgegen, damit sie aufstehen konnte, doch sie nahm sie nicht, sondern hielt die Stirn gegen den Boden gesenkt, die Augen geschlossen, als könne sie, wenn sie es nur genug versuchte, alles um sich herum ausblenden.
"Steh auf", sagte er eisern.
Sie wimmerte, stieß sich mit der unverletzten Hand vom Boden ab und stand ungeschickt auf. Sie konnte das Gleichgewicht nicht halten, blieb leicht gebeugt, einen Arm um den schmerzenden Magen geschlungen.
Bevor sie umkippen konnte, war Love bei ihr und hielt sie mit einer Hand fest im Genick aufrecht.
Wütend aufschnaubend fuhr sie herum, mit einem Adrenalinschub trat sie ihm mit dem Knie zwischen die Beine und schubste ihn nach hinten. Er strauchelte zurück, perplex. Doch binnen eines Sekundenbruchteils schnaubte er tosend vor Zorn und wollte sie mit dem Handrücken schlagen. Sie beugte sich weg.
Die Wucht des in die Leere gehenden Schlages zog ihn nach vorn, als er über eine Erhöhung des Gerüsts stolperte, das Gleichgewicht verlor und an der Kante der Plattform abrutschte.
Die Zeit schien stehenzubleiben. Er ruderte leicht mit den Armen, es sah aus, als würde er einen Moment schier in der Luft schweben, zahlreiche Meter über dem Boden.
 Honey keuchte "Nein", reagierte vor seinem Fall, als hätte sie es kommen sehen. Sie zog ihn zurück, mit einem Ruck. Love landete mit halbem Körper auf festem Boden.
Honey zog ihn weiter, er kroch, bis er auf der Plattform lag. Erschöpft blieb auch sie benommen liegen, so schwer atmend, als wäre sie meilenweit gerannt.
Dann beruhigte sie sich. Ein Schock übermannte sie. Was hatte sie getan? Hätte sie ihn sterben lassen sollen?
Auch Love beruhigte seinen Atem. Er wischte sich Schweiß von der Stirn, immernoch starr liegend. Dann atmete er schwer aus und richtete sich auf, auf den Knien hockend.
Honey lag nun vor ihm, auf der Seite, mit Tränen in den Augen zu ihm sehend.
Sie war sich sicher, dass er sie nun töten oder zumindest ausschalten würde.
Er blickte sie an, seine Brust hob und senkte sich.
Dann griff er ihr ums Kinn und hob ihren Kopf, wesentlich sanfter, als gedacht.
"Du bist frei", sagte er.
Sie starrte ihn an. Eine Träne perlte über ihr Augenlid hinaus über ihr Gesicht.
"Wie bitte?", sagte sie mit bebender, hoher Stimme.
"Du bist frei", wiederholte er beinahe völlig emotionslos, "Ich habe ihn. Ich lasse dich gehen."
Er ließ ihr Gesicht los und stand auf.
Er wollte in Richtung der Treppen nach unten, als Honey sich, vor Schmerz stöhnend, aufrichtete und schrie:
"Nein!!", sie stützte sich mit den Armen vom Boden ab, "Nein!! Ich lasse nicht zu, dass Sie ihn-" Sie wollte aufstehen, doch fiel hin. Love hatte sich umgedreht und beobachtete sie. Schließlich schaffte sie es, aufzustehen. "Wenn Sie ihn töten, müssen Sie auch mich töten!"
"Sei nicht albern", sagte Love mit seinem altbekannten, kalten Lächeln, drehte sich um und ging.

Alejandro brüllte vor Schmerz auf, als der Wärter ihn mit einem heftigen Fausthieb in den Magen zu Boden beförderte.
Er kniete vorn übergebeugt, keuchend, als müsse er sich übergeben. Sein schwarzer Hut war ihm vom Kopf gefallen.
Zorro hatte versagt.
Er sah auf. Alles schien seine Farbe verloren zu haben.
Von weitem kam Love angelaufen, unverkennbar an seiner blauen Uniform.
Dieser Mann hatte gewonnen. Der Mörder seines Bruders.
Love hatte mehr Blut im Gesicht als Alejandro, wirkte aber völlig wohlauf, beinahe seelenruhig.
Er schritt auf den Gefesselten zu, während Alejandro nur starr und hasserfüllt zu ihm aufsah.
"Wo ist sie?", brachte er zwischen den Zähnen hervor.
"Wer?", fragte Love kalt lächelnd.
Alejandros Nasenflügel blähten sich, deine Körper zitterte vor Wut.
"Wo ist sie?!", schrie er.
"Ich habe sie freigelassen."
Love lächelte weiter und sah verächtlich auf Alejandro hinab. "Die wilde Stute ist wieder frei."
Alejandro biss, beinahe blind vor Zorn ob dieser erniedrigenden Bezeichnung, die Zähne zusammen.
"Was dich angeht... soll ich dir die Fesseln abnehmen, damit du Suizid begehen kannst? Oder stirbst du wie ein Mann, Murieta?"
Mit einem Ruck riss Love seinem Gefangenen die Maske vom Gesicht. Die Haare fielen Alejandro lockig und strähnig vor Schweiß ins Gesicht.
Love griff fester um seinen Degen, konzentriert.
Alejandro starrte stur geradeaus.
Bevor Love ausholen konnte, schrie eine Stimme hinter ihm:
"Love!"
Es war Montero. Er kam auf Love, Alejandro und den Wärter zu, leicht hinkend. "Love!", brüllte er.
Love salutierte, angedeutet, beinahe etwas verächtlich und wies auf Alejandro. Er hatte, wie er es angekündigt hatte, seine Beute gefangen.
Montero sah mit offenem Mund zu dem Demaskierten, den er nur als Don Alejandro gekannt hatte. Er kam noch näher.
Er schien im Kampf etwas verletzt worden zu sein und hielt einen Revolver in der Hand.
Doch auch hinter ihm war jemand in Bewegung - Love richtete sich etwas auf, als er sah, wie Honey hinter Montero angerannt kam. Ihn ignorierend rannte sie wie hypnotisiert auf ihren Bruder zu.
Montero blickte ihr nach und hob unerwartet, scheinbar ein Resultat des vorangeganenen Kampfes, seinen Revolver und zielte Honey hinterher, die nur noch ein paar Schritte von Alejandro entfernt war. Dieser brüllte eine Warnung, doch Love war schneller.
"Nein!", schrie er in Richtung Montero, trat zu Honey und zog sie aus der Schussbahn zu sich. Der Schuss ging ins Leere zwischen dem knieenden Gefangen und Love und Honey, die dastanden, der Captain Honey in einem über sie gebeugten Griff festhaltend, als wolle er sie vor Regen schützen.
Montero hatte die Gruppe nun auch erreicht.
Honey, schwer atmend, befreite sich nach einem Schreckensmoment fuchtelnd aus Loves Griff und hastete zu Alejandro, als würde niemand sie aufhalten wollen. Sie kniete vor ihm nieder und wischte ihm Blut aus dem Gesicht.
Love fing Monteros Blick.
Er schnalzte mit der Zunge und sagte ruhig: "Honey, weg von ihm."
Honey ignorierte ihn und kroch um Alejandro herum, um seine Fesseln zu lösen.
"Genug", zischte Montero und trat nun einfach vor, um Honey selbst davon abzuhalten. Als er sie hochzog, schlug sie ihm mitten ins Gesicht.
Eher perplex als verletzt taumelte Montero zurück.
Er starrte Honey an, als wäre sie eine merkwürdige Kreatur. Er schien den Reflex zu haben, zurückzuschlagen, doch sie lies den Moment gar nicht erst ruhen, sondern beugte sich zurück zu Alejandro, um ihn zu befreien.
"Schalten Sie sie aus, oder ich werde es tun", brachte Montero gerade so zwischen den Zähnen hervor.
"Honey, lass mich, weg von mir!", rief Alejandro, den Kopf zu ihr gedreht, ihr beschwörend zu.
Doch der Wärter kam schon einen Schritt auf sie zu und zog sie hoch. Honey erwartete, sich erneut losreißen zu können, doch diesmal war sein Griff dem einer Zange aus Stahl nicht unähnlich. Er griff ihr in die Haare und Honey fühlte sich, als würde ihr Kopf erschüttert. Dennoch wehrte sie sich so stark sie konnte, keuchend und strampelnd.
"Wenn Sie ihr etwas tun...", rief Alejandro.
"Still!", zischte Montero "De la Vega, wo ist er?"
Alejandro sah langsam auf. Diego war entkommen?
"Auf den Boden mit ihr!", brüllte Montero den Wärter an.
Love sah Montero fragend an. Dieser nickte nur kalt zu Honey.
Der Wärter stieß er sie mit einem Ruck auf die Knie, doch Montero setzte nach und schubste sie nach hart vorne, so dass sie wieder am Boden lag.
"Ich weiß nicht, wo er ist", sagte Alejandro wie unter Schmerzen.
"Er kann es nicht wissen, er hat mit mir gekämpft", warf Love nüchtern ein, während Montero mit dem Revolver vortrat und auf Honeys Kopf zielte.
"Nein!", brüllte Alejandro.
Das Geschehen fror ein, doch nicht, weil Montero oder jemand sonst handelte, sondern weil aus der selben Richtung, aus der der Don gerade noch gekommen war, drei Wärter angerannt kamen. Die Männer waren außer Atem und starrten perplex auf die Szene, die sich ihnen darbot. Doch einer von ihnen begann sofort zu reden, die Stirn nass von Schweiß.
"Sir", er sprach Love an, "Eine junge Frau, ich glaube,", er warf Montero einen unsicheren Blick zu, "es ist Eure ... Tochter... Sie befreite Gefangene! Wir- wir haben sie zurückgesperrt und die- die Dame dort... festgehalten. Aber sie ist außer sich!"
Love sah zu Montero. Elena? Auf der Mine?
Dieser Tag schien inzwischen zu viele Überraschungen zu beherbergen.
Montero starrte, sich scheinbar nach und nach sammelnd, den Wärter an, seinen wütenden Atem beruhigend.
Er senkte die Waffe langsam, dann sah er zu Boden, als würde dort stehen, was zu tun war.
Er richtete sich auf.
Dann schritt er entschlossen los.
"Bringen Sie mich zu ihr", fuhr er den Wärter an, "Und Love, Sie finden De La Vega, verdammt!"
Er stürmte mit dem Wärter in Richtung der Käfige davon.
Die übrigen zwei näherten sich dem Geschehen.
Love sah Montero kurz kalt nach.
Dann fiel sein Blick auf Honey, die am Boden kauerte, wie ein Hund, der Tritte erwartete.
"Wo könnte De La Vega sein?", fragte er Alejandro mit lauernder, verächtlicher Stimme.
"Wenn er weg ist, hat er einen Grund", antwortete Alejandro, sah dabei aber zu Honey, wissend, dass er antworten musste, um sie zu schützen.
Love folgte seinem Blick und sah zu ihr.
"Hat er Informationen, die die Mine...", er blickte zurück zu Alejandro, "Die Karte. Er hat die Karte."
Mit einem Ruck beugte er sich vor und riss Alejandro am Revers nach oben.
"Wird er sie Santa Anna zuspielen?"
Alejandro starrte seinem Todfeind in die Augen und spürte das Bedürfnis, ihm ins Gesicht zu spucken.
"Ich ... weiß es nicht", presste er zwischen den Zähnen hervor.
Love griff noch fester zu, die Lippen bebend: "Wie können wir ihn aufhalten?"
Alejandro schüttelte den Kopf. Gar nicht.
Love schien ihn schlagen zu wollen, doch dann stieß er ihn von sich, so dass der Gefesselte am Boden landete.
"Sichern Sie seine Fesseln erneut und knebeln Sie ihn wieder!", befahl er den Männern, die das Geschehen beobachtet hatten, die Gewehre über die Schulter gehangen, sichtlich verwirrt von der Situation.
"Die Kleine auch?", fragte einer der Männer plump und nickte zu Honey, die nach wie vor benommen am Boden lag.
Love sah zu ihr.
"Wenn Sie sie auch nur anfassen, dann-", fuhr Alejandro auf, dann würgte er vor Schmerz.
Der Wärter hatte ihm in den Bauch getreten, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Love sah zu ihm hinüber. Unwillkürlich trat er an ihn heran, bis Alejandro, Schweiß auf der Stirn, zu ihm aufsah. Selbst durch die schweißverschwommenen Lider erkannte er, dass Love kalt lächelte.
"Ich fürchte, ich werde sie anfassen, Murieta."
Dann verschwamm alles um ihn herum.
     Love sah verächtlich auf seinen Gefangenen herab, der zusammengesackt war.
Er wandte sich um.
"Nein", beantwortete er schließlich die Frage des Wärters. Er ging zu Honey und ging vor ihr in die Hocke. Er drehte sie auf den Rücken. Ihre Lider flackerten.
Love schüttelte sie etwas. Sie kam zu sich.
Dann fuhr sie auf. "Alejandro!", doch Love hielt sie zurück. Sie hatte nicht die Energie, sich zu wehren.
Sie stöhnte.
"Wo ist er?", fragte sie leise.
"Hier."
"Haben Sie-", sie blinzelte schnell und kurz, ihre Stimme bebte, "Ist er-"
Love antwortete nicht und sah sie mit ausdruckslosen Augen an.
Honey keuchte auf, da sie sein Schweigen als Bestätigung aufnahm, dass Alejandro wohl tot war. Sie machte ein Geräusch wie jemand, der kurz vor dem Ertrinken aus dem Wasser auftauchte und stützte sich mit den Armen ab, um sich aufzurichten und umzusehen.
Sie sah den bewusstlosen Alejandro, dem gerade von einem der Wärter ein Tuch in den Mund gestopft wurde.
Sie zitterte so sehr, dass ihre in den Boden gekrallten Hände Staub aufwirbelten.
"Weg von ihm!", brüllte sie den Wärter an und fuhr auf, um sich auf ihn zu stürzen.
Reflexartig richtete sich auch Love auf und zog sie zurück, einen Armen von hinten um ihren Oberkörper legend.
Da ihr müder Körper kein Gleichgewicht zu Stande brachte, stolperte Honey einen Schritt zurück, nun durch Loves Arm an seinen Körper gepresst. Ihre Brust hob und senkte sich schwer unter seinem Griff.
Sie schüttelte den Kopf, ungläubig, wie eine Wahnsinnige.
"Er ist am Leben", sagte Love leise, "Wenn er nicht leben würde, warum sollten wir ihn dann Knebeln?"
Love spürte, wie ihr Zittern unter seinem Arm langsam weniger wurde, sie schien sich zu beruhigen.
"Dann lassen Sie mich los. Sie sagten, ich bin frei", flüsterte Honey entkräftet.
"Das geht nicht."
Love ließ sie los. Sie fuhr herum. Er nickte dem Wärter kurz zu und dann in ihre Richtung.
Honey schien ihm etwas entgegenschreien zu wollen, doch dann wurde sie von dem Mann gepackt und gefesselt.
"W-Was", stotterte sie.
Love nicht zum Geschehen, sondern hob die Hand über die Stirn, um gegen die Sonne auf den Rest der Mine zu blicken. Montero war nirgends zu sehen, doch sonst schien alles in Ordnung zu sein.
Er wandte sich wieder zu Honey, als ihr fragendes Stottern in ein gedämpftes Schreien überging.
Der Wärter steckte nun auch ihr gewaltsam ein zusammengeballtes Stück Stoff in den Mund. Zum zweiten Mal an diesem Tag sah Honey verständnislos, beinahe flehend zu Love, der nur zurückblickte.

Dunkelheit.
Paradoxerweise spürte Honey ein befremdliches Gefühl der Geborgenheit in der Zelle, in der sie saß.
Unter diesen Umständen hatte sie, seit dem Tag an dem Joaquin gestorben war, nicht mehr gelitten... in die feuchte Kerkerwand gelehnt, die Knie angewinkelt, die nackten Beine blutig verschrammt unter dem Kleid hervorlukend. Die Füße in Ketten, die an der Wand befestigt waren, die Arme auf den Rücken gefesselt, einen Knebel im Mund. Nicht einmal Mondlicht schien durch das kleine Zellenfenster.
Und doch spürte sie keine Verlorenheit.
Sie lauschte dem Atem ihres Bruder, der an der gegenüberliegenden Seite der Zelle in der gleichen Position angekettet war, nur, dass seine Arme statt mit Seil auch mit Eisenketten angebunden waren.
Er lebte, er atmete. Das war alles, was zählte. Das gab ihr innere Ruhe.
Sie zog die Beine noch etwas enger an den Körper, um der schleichenden Kälte zu trotzen.
Die beiden harrten seit guten sechs Stunden aus. Alejandro war die ganze Zeit bewusstlos gewesen.
Honey hatte keine Ahnung, was Love und Montero indes getan hatten.
Sie war mit ihrem Bruder in eine der überdeckten Gefangenenkutschen gesperrt und zur Kaserne gekarrt worden, Love und Montero waren bei der Mine geblieben.
Wo Diego war... was aus den Menschen in der Mine geworden war... Honey kannte die Antworten nicht, doch suchte sie auch nicht. Nur das Alejandros Atmen zählte.
Ihr erzwungener innerer Frieden endete, als beinahe explosionsartig Schritte ertönten.
Menschen kamen näher, redend, aufgebracht.
Schatten näherten sich, in die Zelle geworfen von der Fackel an der Wand davor.
Es waren vier Männer. Honey sah zu ihnen auf und hätte am Liebsten gesagt, sie sollen leise sein, um Alejandro nicht zu wecken. Doch selbst wenn das Sinn gemacht hätte - ihr Knebel würde sie stummbleiben lassen.
Einer der Männer, ein Soldat in Wachpostenuniform, schloss die Zellentür auf.
Ein weiterer Soldat trat ein, gefolgt von Montero, der seinem schweren Atmen nach am schnellsten gelaufen war, doch nun seine Schritte verlangsamte. Zuletzt traten Captain Love ein. Der Soldat schloss die Zellentür, ohne sie zu verriegeln.
Love und Montero sah man im Gegenzug zu Alejandro nicht unbedingt an, dass sie am Morgen einen Kampf  auf Leben und Tod ausgetragen hatten. Sie hatten ihre Kleidung gewechselt, das Blut abgewischt.
Nur leichte Schrammen, sowie ein rot leuchtendes 'M' waren an Loves Bartansatz zu sehen.
"Weckt ihn auf", sagte Montero hellwach und hasserfüllt. Der Soldat in der Zelle nahm einen Eimer Wasser aus einer Ecke und goss ihn in einem Zug über Alejandro, der wie vom Blitz getroffen hochfuhr, doch dann von seinen Eisenketten zurückgehalten wurde.
Der Soldat zog ihm den Knebel aus dem Mund. Alejandro keuchte schwer und sah sich um, Tropfen von Wasser aus seinen Augen blinzelnd, sich an die Lichtverhältnisse gewöhnend.
Honey sah das Geschehen unbewegt an.
Die Männer ignorierten hatten sie ignoriert oder gar nicht erst bemerkt, doch als Alejandros Blick auf sie fiel, war sein erstes Wort, eher gekrächzt als geschrien: "Honey!"
Montero und Love fuhren herum.
Honey sah nicht zu ihnen auf, auch wenn sie Loves stechenden Blick spürte. Sie blickte ihren Bruder an und versuchte mit den Augen zu sagen: "Alles in Ordnung, bitte tu nichts Dummes."
Doch Alejandro, schwer atmend, blickte zu Montero, der ihm am nächsten stand, und zischte: "Sie lassen sie gehen, oder ich sage kein Wort."
Montero antwortete nicht. Er holte mit der flachen Hand aus und schlug Alejandro ins Gesicht, härter als eine Ohrfeige, aber nicht stark genug, um ihn wieder zu betäuben.
Honey regte sich.
Monteros Stimme war erstaunlich ruhig, als er sagte: "Es gibt auch gar nichts zu sagen."
Plötzlich triumphierte er beinahe und starrte Alejandro eindringlich an.
"Wir haben De La Vega gefunden. Er ist tot."
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