Das Ende eines klassischen Trauerspiels
von Aku
Kurzbeschreibung
Lord Winter kehrt nach der Hinrichtung nach England zurück und muss feststellen, dass er etwas vermisst. --- [Lord Winter/John Felton]
GeschichteLiebesgeschichte / P12 / MaleSlash
28.01.2008
28.01.2008
1
1.110
28.01.2008
1.110
Das Ende eines klassischen Trauerspiels
Er war nach England zurückgekehrt, sobald es ihm möglich gewesen war, aber schon als er das Schiff verlassen hatte, war ihm klar geworden, dass das nicht mehr sein England war.
Der Krieg gegen Frankreich war so gut wie beendet und das zu ihren Ungunsten, aber es berührte ihn nicht im Geringsten. Irgendetwas sagte ihm, dass er dieses Land eigentlich noch immer lieben müsste, aber er konnte nicht. Der Herzog von Buckingham war tot und mit ihm war die Politik, die er unterstützt hatte, gestorben. Und er war schuld.
Er schüttelte den Kopf. Er hatte nichts getan. Seine Schwägerin hatte Buckingham getötet. Buckingham, seinen Bruder, Felton.
Lord Winter schluckte und schlang seinen Mantel enger um sich. Es war seine Schuld. Daran gab es nichts zu rütteln.
Mochte diese Frau die Mörderin gewesen sein, er hatte ihr freie Hand gelassen. Er hätte wissen müssen, dass sie intelligent war, aber er war sich zu sicher gewesen, hatte übersehen, dass die einzige Schwäche, die Felton hatte, seine Religiosität war... Es war seine Schuld. Im Grunde war er derjenige, der Buckingham und Felton getötet hatte.
Er war nicht schnell genug gewesen.
Schritte erklangen hinter ihm. Schritte von schweren Stiefeln, militärischer Gang. Er fuhr herum, starrte den eintretenden Mann an, als wäre er ein Wunder und in der Tat, für ihn war er das in diesem Moment. „John?!“
„Nein, Sir, tut mir leid, Sir... Störe ich?“ Der Leutnant seiner Wache verzog das Gesicht zu einer Grimasse und deutete eine Verbeugung an.
Er sah Felton nicht im Geringsten ähnlich.
Noch nie hatte sich Winter so allein gefühlt wie in diesem Moment.
„Durchaus nicht, Leutnant. Ist es etwas wichtiges?“
„Nein, in der Tat ist es nur der gewünschte Bericht über die Zeit Ihrer Abwesenheit, Sir.“
„Ich danke Ihnen. Ich werde das morgen früh mit Ihnen besprechen.“
Der Soldat entfernte sich wieder und jetzt erkannte Winter auch, dass der Rhythmus der Schritte ganz anders war als der Feltons.
Er seufzte. „John...“
Er hatte ihn umgebracht.
Weil er sich zu sicher gewesen war. Er hatte gewusst, dass seine Schwägerin den jungen Mann nicht verführen konnte. Wie hatte er vergessen können, dass sie ein intrigantes Luder war und die ganze Erscheinung John Feltons schon „Puritaner!“ schrie?
Nur weil sie es irgendwie geschafft hatten, sich über Levitikus 20,13 und Römer 1,27 hinwegzusetzen? Nur weil Felton in seiner Gegenwart zu mildem Spott fähig war? Weil er nicht hatte anerkennen wollen, dass Johns Herz vor allem seinem Gott gehörte?
Winter stütze den Kopf in die Hände. Was auch immer zu seiner Arroganz geführt hatte, zu glauben, dass er Mylady gewachsen war, es hatte John umgebracht.
„‚Freund, Sohn’?“ John lachte. „Das ist es also, Mylord?“
Auch Winter konnte nicht verhindern, dass er zu grinsen begann. „Lass mir den kleinen Triumph, mein lieber Felton. Lass sie glauben, dass sie dich verführen könnte.“
„Ihr überschätzt Euch und Eure Wirkung auf Eure Mitmenschen, Mylord“, spottete John und wandte sich ab, verharrte aber sofort und wartete auf die Antwort seines Lordes.
„Tue ich das, John? – Hast du das Himmelreich nicht schon längst für mich aufgegeben?“ Er legte ihm die Hände auf die Schultern.
„So ist es wohl. Und das einzige, was mich beruhigt, ist die Tatsache, dass Ihr noch viel schlimmer bestraft werden werdet.“
„Gott wird uns verzeihen. Schließlich hatte auch Jesus seinen Johannes.“
„Das glaube ich nicht. Aber jetzt ist es ohnehin zu spät für derartige Gedanken.“
Der Lord lachte. „Freund, Sohn... Geliebter.“
Er schloss die Augen, versuchte sich vorzustellen, wie sich Johns Hände angefühlt hatten, versuchte sich daran zu erinnern, wie sie einander mit Jonathan und David angesprochen hatten, aber es wollte ihm nicht gelingen. Das einzige, woran er sich erinnern konnte, waren die fünf Tage von Myladys Gefangenschaft, und wie er seinen Triumph über die Mörderin seines Bruders genossen hatte, ohne zu bemerken, dass sich auch der andere Mann, den er liebte in den Netzen dieser schönen Spinne verstrickte.
Er hätte nicht so arrogant sein dürfen zu glauben, dass Johns Verständnis von Recht vor der Liebe zu einem Mann, die schon an sich Unrecht genug war, in die Knie ging.
Es reichte einfach nicht, ihn gerächt zu haben.
Winter wusste, dass er den Jungen umgebracht hatte – und wenn die Bibel wirklich Gottes Wort war, hatte er ihn auch noch um den ihn zustehenden Platz im Himmelreich gebracht.
Warum hatte er den Jungen überhaupt mit in diese Geschichte ziehen müssen?
Ja, er hatte ihm vertraut. Ja, John Felton war tatsächlich der einzige gewesen, der nicht auf die schönen Augen und das Dekolleté dieser Frau hereinfallen würde, aber im Grunde war er nur ein tugendhafter, tiefgläubiger Junge. Und Winter hatte das gewusst.
Er vermisste die Wärme des schlanken Körpers, das trockene Lachen und die leuchtenden Augen, aber all dieser Schmerz schien ihm nicht genug Strafe für das, was er getan hatte, zu sein. – Warum hatte er ihm überhaupt das Leben gerettet, wenn er es auf diese Weise beendete?
„John. Jonathan... Es tut mir leid. Verzeih mir, bitte. Und wenn du es nicht kannst, so möge wenigstens Gott dir verzeihen und dich an seine Seite holen, wie du es verdient hast.“
Er schloss die Augen, senkte den Kopf. „Es tut mir so leid...“ Keine Frage, das hier war nicht das England, das er verlassen hatte.
England war immer der Ort gewesen, an dem John Felton auf ihn wartete, das war das Land, das er liebte. Nur dorthin zurückkehren konnte er nicht mehr. „Bitte, verzeih mir.“
Erläuterungen
Levitikus 20,13: Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft.
Römer 1,27: ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.
„Schließlich hatte auch Jesus seinen Johannes“: Unauffällige Anspielung auf das Johannesevangelium und die Bezeichnung eines Jüngers als „der, den Jesus liebte“. Außerdem hat König Jakob I. 1617 mit einer ähnlich lautenden Behauptung sein Verhältnis zum Herzog von Buckingham gerechtfertigt. – Dass das Ganze 1628 spielt, macht es nur noch schöner. ;)
David und Jonathan: David ist genau die biblische Figur, die ihr erwartet, der spätere König. Günstling König Sauls und sehr eng mit Sauls Sohn Jonathan befreundet (in der Tat äußerte er einmal, ihn verbinde mit ihm mehr als Frauenliebe). Mit Jonathans Hilfe flüchtete David vor Saul, als sich dieser gegen ihn wandte, David verschonte Saul mehrfach, obwohl er ihn eigentlich töten sollte und schloss sich schließlich den Philistern an. Jonathan starb im Krieg gegen die Philister. – Jepp, das ist der Stoff aus dem tragische Liebesgeschichten gemacht sind.
...Ich habe den Reliunterricht der 5. Klasse genossen.
Er war nach England zurückgekehrt, sobald es ihm möglich gewesen war, aber schon als er das Schiff verlassen hatte, war ihm klar geworden, dass das nicht mehr sein England war.
Der Krieg gegen Frankreich war so gut wie beendet und das zu ihren Ungunsten, aber es berührte ihn nicht im Geringsten. Irgendetwas sagte ihm, dass er dieses Land eigentlich noch immer lieben müsste, aber er konnte nicht. Der Herzog von Buckingham war tot und mit ihm war die Politik, die er unterstützt hatte, gestorben. Und er war schuld.
Er schüttelte den Kopf. Er hatte nichts getan. Seine Schwägerin hatte Buckingham getötet. Buckingham, seinen Bruder, Felton.
Lord Winter schluckte und schlang seinen Mantel enger um sich. Es war seine Schuld. Daran gab es nichts zu rütteln.
Mochte diese Frau die Mörderin gewesen sein, er hatte ihr freie Hand gelassen. Er hätte wissen müssen, dass sie intelligent war, aber er war sich zu sicher gewesen, hatte übersehen, dass die einzige Schwäche, die Felton hatte, seine Religiosität war... Es war seine Schuld. Im Grunde war er derjenige, der Buckingham und Felton getötet hatte.
Er war nicht schnell genug gewesen.
Schritte erklangen hinter ihm. Schritte von schweren Stiefeln, militärischer Gang. Er fuhr herum, starrte den eintretenden Mann an, als wäre er ein Wunder und in der Tat, für ihn war er das in diesem Moment. „John?!“
„Nein, Sir, tut mir leid, Sir... Störe ich?“ Der Leutnant seiner Wache verzog das Gesicht zu einer Grimasse und deutete eine Verbeugung an.
Er sah Felton nicht im Geringsten ähnlich.
Noch nie hatte sich Winter so allein gefühlt wie in diesem Moment.
„Durchaus nicht, Leutnant. Ist es etwas wichtiges?“
„Nein, in der Tat ist es nur der gewünschte Bericht über die Zeit Ihrer Abwesenheit, Sir.“
„Ich danke Ihnen. Ich werde das morgen früh mit Ihnen besprechen.“
Der Soldat entfernte sich wieder und jetzt erkannte Winter auch, dass der Rhythmus der Schritte ganz anders war als der Feltons.
Er seufzte. „John...“
Er hatte ihn umgebracht.
Weil er sich zu sicher gewesen war. Er hatte gewusst, dass seine Schwägerin den jungen Mann nicht verführen konnte. Wie hatte er vergessen können, dass sie ein intrigantes Luder war und die ganze Erscheinung John Feltons schon „Puritaner!“ schrie?
Nur weil sie es irgendwie geschafft hatten, sich über Levitikus 20,13 und Römer 1,27 hinwegzusetzen? Nur weil Felton in seiner Gegenwart zu mildem Spott fähig war? Weil er nicht hatte anerkennen wollen, dass Johns Herz vor allem seinem Gott gehörte?
Winter stütze den Kopf in die Hände. Was auch immer zu seiner Arroganz geführt hatte, zu glauben, dass er Mylady gewachsen war, es hatte John umgebracht.
„‚Freund, Sohn’?“ John lachte. „Das ist es also, Mylord?“
Auch Winter konnte nicht verhindern, dass er zu grinsen begann. „Lass mir den kleinen Triumph, mein lieber Felton. Lass sie glauben, dass sie dich verführen könnte.“
„Ihr überschätzt Euch und Eure Wirkung auf Eure Mitmenschen, Mylord“, spottete John und wandte sich ab, verharrte aber sofort und wartete auf die Antwort seines Lordes.
„Tue ich das, John? – Hast du das Himmelreich nicht schon längst für mich aufgegeben?“ Er legte ihm die Hände auf die Schultern.
„So ist es wohl. Und das einzige, was mich beruhigt, ist die Tatsache, dass Ihr noch viel schlimmer bestraft werden werdet.“
„Gott wird uns verzeihen. Schließlich hatte auch Jesus seinen Johannes.“
„Das glaube ich nicht. Aber jetzt ist es ohnehin zu spät für derartige Gedanken.“
Der Lord lachte. „Freund, Sohn... Geliebter.“
Er schloss die Augen, versuchte sich vorzustellen, wie sich Johns Hände angefühlt hatten, versuchte sich daran zu erinnern, wie sie einander mit Jonathan und David angesprochen hatten, aber es wollte ihm nicht gelingen. Das einzige, woran er sich erinnern konnte, waren die fünf Tage von Myladys Gefangenschaft, und wie er seinen Triumph über die Mörderin seines Bruders genossen hatte, ohne zu bemerken, dass sich auch der andere Mann, den er liebte in den Netzen dieser schönen Spinne verstrickte.
Er hätte nicht so arrogant sein dürfen zu glauben, dass Johns Verständnis von Recht vor der Liebe zu einem Mann, die schon an sich Unrecht genug war, in die Knie ging.
Es reichte einfach nicht, ihn gerächt zu haben.
Winter wusste, dass er den Jungen umgebracht hatte – und wenn die Bibel wirklich Gottes Wort war, hatte er ihn auch noch um den ihn zustehenden Platz im Himmelreich gebracht.
Warum hatte er den Jungen überhaupt mit in diese Geschichte ziehen müssen?
Ja, er hatte ihm vertraut. Ja, John Felton war tatsächlich der einzige gewesen, der nicht auf die schönen Augen und das Dekolleté dieser Frau hereinfallen würde, aber im Grunde war er nur ein tugendhafter, tiefgläubiger Junge. Und Winter hatte das gewusst.
Er vermisste die Wärme des schlanken Körpers, das trockene Lachen und die leuchtenden Augen, aber all dieser Schmerz schien ihm nicht genug Strafe für das, was er getan hatte, zu sein. – Warum hatte er ihm überhaupt das Leben gerettet, wenn er es auf diese Weise beendete?
„John. Jonathan... Es tut mir leid. Verzeih mir, bitte. Und wenn du es nicht kannst, so möge wenigstens Gott dir verzeihen und dich an seine Seite holen, wie du es verdient hast.“
Er schloss die Augen, senkte den Kopf. „Es tut mir so leid...“ Keine Frage, das hier war nicht das England, das er verlassen hatte.
England war immer der Ort gewesen, an dem John Felton auf ihn wartete, das war das Land, das er liebte. Nur dorthin zurückkehren konnte er nicht mehr. „Bitte, verzeih mir.“
-----
Erläuterungen
Levitikus 20,13: Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft.
Römer 1,27: ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung.
„Schließlich hatte auch Jesus seinen Johannes“: Unauffällige Anspielung auf das Johannesevangelium und die Bezeichnung eines Jüngers als „der, den Jesus liebte“. Außerdem hat König Jakob I. 1617 mit einer ähnlich lautenden Behauptung sein Verhältnis zum Herzog von Buckingham gerechtfertigt. – Dass das Ganze 1628 spielt, macht es nur noch schöner. ;)
David und Jonathan: David ist genau die biblische Figur, die ihr erwartet, der spätere König. Günstling König Sauls und sehr eng mit Sauls Sohn Jonathan befreundet (in der Tat äußerte er einmal, ihn verbinde mit ihm mehr als Frauenliebe). Mit Jonathans Hilfe flüchtete David vor Saul, als sich dieser gegen ihn wandte, David verschonte Saul mehrfach, obwohl er ihn eigentlich töten sollte und schloss sich schließlich den Philistern an. Jonathan starb im Krieg gegen die Philister. – Jepp, das ist der Stoff aus dem tragische Liebesgeschichten gemacht sind.
...Ich habe den Reliunterricht der 5. Klasse genossen.