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Marie - A long way from paradise

Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte / P16 / Gen
Kwai Chang Caine
27.12.2007
27.12.2007
4
11.431
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27.12.2007 2.985
 
Titel: Marie – a long way from paradise 1
Autor: Lady Charena
Fandom: Kung Fu TLC
Charaktere: Matthew Caine, Kwai Chang Caine, div.
Thema: # 009. Monate
Word Count:
Rating: A/R, PG
Anmerkung des Autoren: Vielen Dank an T’Len für’s betalesen.

Summe: Um 1949 flieht Matthew Caine mit seinem kleinen Sohn vor den roten Garden aus China in die USA. Auf dem Weg nach St. Louis, der Stadt in der er aufgewachsen ist, begegnet er in Boston einer Frau namens Marie Bradshaw. Für eine kurze Zeit gehen die beiden eine Beziehung ein.

Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Lyrics aus „I believe“ von Joana Zimmer.



1. Ankunft in Boston

*********************************************************
Now everybody,
has a right to be living their lives
but we're a long long way, a long way from paradise.
If there was freedom tell me why everybody wants to fight...

'cause we're a long long way, a long way from paradise.
*********************************************************


„Was werden Sie jetzt tun, Caine? Wohin werden Sie gehen?“, fragte Doktor Simons leise, um den Jungen nicht zu wecken. Der Arzt lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen in der offenen Tür und sah zu, wie Matthew Caine die letzten seiner wenigen Besitztümer verstaute. Die knappen, zielgerichteten Bewegungen ließen darauf schließen, dass dieser Mann schon häufiger gezwungen gewesen war, in großer Eile seine Sachen zu packen und zu fliehen. Simons konnte nicht behaupten, dass er viel davon wusste, was in diesem großen und geheimnisvollen Land namens China vor sich ging, nur das wenige, das Matthew Caine erzählt hatte und das, was in den Zeitungen stand. Doch es schien ihm ein Land zu sein, in dem große Unruhe und wenig Sicherheit herrschte.

Während er auf eine Antwort wartete – die er vielleicht nie bekommen würde – glitt sein Blick zu dem Kind auf der schmalen Koje. Das Kwai Chang bei dem Lärm, der selbst hier tief im Bauch des Schiffes wiederhallte, schlafen konnte, zeigte wie erschöpft und geschwächt Matthews Sohn nach der langen Flucht war.

Matthew schloss den letzten Riemen an dem größeren Bündel mit seinen Habseligkeiten. Dann erst wandte er sich Doktor Simons zu. „Wir werden nach Saint Louis gehen. Ein Teil der Familie meiner Mutter lebt dort.“ Ein müdes Lächeln zeigte sich in den ernsten Zügen des Mannes. „Natürlich weiß ich nicht, ob wir willkommen sein werden. Es sind mehr als zwanzig Jahre vergangen, seit mein Vater mich nach China brachte, damit ich meine Ausbildung vollenden konnte.“ Er kniete sich neben der Koje nieder und streckte die Hand aus, um seinen Sohn zu wecken.

Doktor Simons trat näher und hielt ihm verlegen ein paar Geldscheine hin, die er aus der Jackentasche gekramt hatte. „Ich möchte Ihnen das hier geben, Caine.“

Matthew sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Ich kann kein Geld annehmen, Doktor Simons.“

„Ach, Unsinn“, brummte der Arzt. „Sie haben mir auf der Überfahrt von Ceylon ne’ Menge über die chinesische Medizin beigebracht. Und einem sturen, alten Hund wie mir neue Tricks beizubringen ist eine Leistung, die belohnt werden muss.“

Der Shaolin lächelte. „Die Pflege, die Sie meinem Sohn angedeihen ließen, ist Belohnung genug, Doktor Simons.“

Kwai Chang hatte während der ganzen Überfahrt an starker Seekrankheit gelitten. Während Matthew arbeitete, um ihre Passage zu bezahlen, hatte sich der amerikanische Arzt, der sich nach langen Jahren in Indien auf dem Heimweg befand, des Kindes angenommen. Er hatte auch – vermutlich durch Bestechung – Medikamente gegen Seekrankheit aus der Schiffsapotheke besorgt. Matthew hätte es vorgezogen, seinen Sohn mit Kräutern zu behandeln, anstelle von Tabletten, die den Zustand des Jungen nur wenig besserten. Doch auf dem Schiff konnte er seine erschöpften Vorräte nicht erneuern. Während der vergangenen drei Monate hatte er seinen Erstgeborenen mehr als einmal fast verloren: hohes Fieber und die Unfähigkeit, auch nur wenig Nahrung bei sich zu behalten hatten das Kind einige Male an den Rand des Todes gebracht. Oft schlief er nur dann für wenige Stunden friedvoll, wenn er sich zu ihm legte und ihn in die Arme nahm. Nur Matthews ungewöhnliche Fähigkeiten hatten Kwai Chang am Leben erhalten.

Doktor Simons rieb sich den Nasenrücken. „Ich möchte, dass Sie das Geld annehmen, Matthew Caine. Damit können Sie zumindest einen Teil des Wegs nach St. Louis mit der Eisenbahn zurücklegen“, beharrte er. „Denken Sie an Ihren Sohn. Kwai Chang ist viel zu geschwächt, um die Strapazen einer Reise sonst durchzustehen.“ Als der Shaolin weiterhin keine Anstalten machte, das Geld anzunehmen, beugte Simons sich zu ihm hinunter und steckte die Geldscheine kurzerhand in Matthews abgetragene, braune Tasche. „Ich habe meinen Freund hier in Boston telegraphiert, dass er jemand schickt, der Sie abholt. Sie können unbesorgt einige Zeit bei ihm verbringen, bis es Ihrem Jungen besser geht.“ Simons lächelte. „Er war übrigens als junger Arzt einige Jahre in China tätig, in einem Missionskrankenhaus. Ich denke, Sie werden sich gut mit ihm verstehen.“

„Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihre Güte danken soll.“ Er verbeugte sich.

Das starke Licht der Glühbirne im Korridor hinter ihm spiegelte sich in Matthews runden Brillengläsern und machte es dem Arzt unmöglich, den Ausdruck in den Augen dahinter zu lesen. Er wandte den Blick ab. „Ich hatte einmal eine Frau und zwei Kinder. Meine Tochter war vier, mein Sohn kaum zwei Jahre alt, als sie und ihre Mutter bei einer Grippeepidemie starben. Ich habe sie in Kalkutta auf dem Ausländerfriedhof begraben. Ich möchte nicht, dass Sie...“ Er brach ab, räusperte sich und streckte Matthew die Hand hin. „Leben Sie wohl, Matthew Caine – und geben Sie gut auf Ihren Sohn acht.“ Nach einem kurzen Händedruck verließ er hastig die kleine Kabine.

Matthew sah ihm einen Moment nach, wandte sich dann seinem Sohn zu. Er berührte sanft seine Stirn und fand Kwai Chang zu seiner Erleichterung fieberfrei. Seine Hand strich über die im abgezehrten Gesicht stark hervortretenden Wangenknochen, neben dem dunklen Haar das einzige, was sein Sohn von Su Lin geerbt hatte, der Mutter, die Kwai Chang kaum kennen lernen durfte. Er schloss die Erinnerung an seine getötete Frau tief in sich ein, genauso wie der quälende Gedanke an das Schicksal des Kindes, das sie unter dem Herzen getragen hatte, als die Sing Wah sie entführten.

Augen, dunkel vor Erschöpfung, öffneten sich. „Vater?“

„Ja, mein Sohn. Wir sind in Amerika.“

„Amerika...“, wiederholte der Zehnjährige zögernd, als hinterließe das Wort einen fremden Geschmack in seinem Mund.

„Wir müssen das Schiff verlassen. Steh’ auf, mein Sohn.“ Matthew half dem Jungen auf, doch er sah, dass sich Kwai Chang kaum auf den Beinen halten konnte. Er hieß ihn sich auf den Pritschenrand setzen und schlang sich hastig die Riemen der beiden Bündel mit ihren Habseligkeiten über die Schultern. Dann nahm er seinen Sohn auf die Arme. Er war viel zu klein und zu dünn für sein Alter, die dürren Ärmchen, die sich um Matthews Hals schlangen, zeigten nur zu deutlich, wie sehr Kwai Chang unter der mehr als sechsmonatigen Flucht seit der Zerstörung des Tempels gelitten hatte. Seinen kleinen Sohn fest an sich gedrückt, eilte Matthew durch die Korridore des Schiffes.

* * *

Pater Bernard stammte aus Frankreich. Der weißhaarige, gebeugt gehende Mann war viele Jahre in China als Missionar tätig gewesen. Er hatte gute, schlimme und entsetzliche Zeiten dort überstanden. Doch jetzt fühlte er sich zu alt, um diesen neuen Konflikt mit zu tragen und kehrte zurück in das Stammhaus seines Ordens in der Bretagne, um dort sein Leben in Frieden ausklingen zu lassen. Er hatte Matthew Caine und dessen Sohn zu der Möglichkeit der Überfahrt nach Boston verholfen, indem er dem Captain so lange ins Gewissen redete, bis der sich dem Willen des Gottesmannes beugte und die beiden an Bord nahm.

Matthew war sich durchaus der besonderen Fügung bewusst – denn vor fast einem halben Jahrhundert hatte ein katholischer Priester seinen Vater vor den Schergen des Kaisers gerettet und ihm die Flucht aus China ermöglicht.

Jetzt hellte sich das Gesicht des alten Missionars auf, als er Vater und Sohn erblickte. „Ich hatte bereits befürchtet, Sie würden sich nicht von mir verabschieden, Caine.“

Matthew atmete tief die kalte, klare Nachtluft ein, bevor er antwortete. „Ich wäre niemals gegangen, ohne Ihnen zu danken, Pater. Sie haben sehr viel für meinen Sohn und mich getan.“

Es war sehr viel kälter in Boston, als er es von einem Tag Anfang Oktober erwartet hätte. Rasch ließ Matthew die Riemen der beiden Bündel über seine Schulter rutschen, setzte seinen Sohn auf dem größeren der Bündel ab und zog seine Jacke aus, um das frierende Kind darin einzuwickeln. Dann nahm er seine Last wieder auf und Kwai Chang in den Arm.

Der Pater winkte ab, als Matthew sich bedanken wollte und kratzte sich nachdenklich den Bart. „Ich fürchte, Sie werden Schwierigkeiten mit der Kontrolle haben, sobald Sie das Schiff verlassen. Seit so viele Menschen aus China flüchten, werden Rückkehrer ohne gültige Papiere abgewiesen.“

Matthew schüttelte den Kopf. „Ich habe einen amerikanischen Pass, ich bin in Amerika geboren.“

„Und was ist mit Ihrem Sohn? Er ist doch in China geboren, nicht wahr? Haben Sie Papiere für ihn?“

Der Shaolin nickte. „Einen vorläufigen Pass, der von den amerikanischen Behörden in Hongkong ausgestellt wurde und seine Geburtsurkunde.“

„Das ist gut. Das ist sehr gut.“ Der Missionar lächelte. „Ansonsten hätten Sie ihn mir anvertrauen müssen, ich hätte ihn dann als Waisenkind eingeschmuggelt.“

Matthew blickte den Priester erstaunt an – unsicher, ob der alte Mann scherzte oder seine Worte ernst gemeint waren. Bei seiner vorherigen Reise in die USA hatte es keine besonderen Schwierigkeiten gegeben und er hatte nicht bedacht, dass man seinen Sohn die Einreise verweigern könnte. Er drückte Kwai Chang unwillkürlich enger an sich.

Das entging dem Missionar nicht. Er legte Matthew die Hand auf die Schulter. „Kommen Sie und verzeihen Sie einem alten Mann seine unüberlegten Worte.“ Mit der anderen Hand zeichnete er ein Kreuzzeichen auf die Stirn des Kindes, das alles wortlos und mit halbgeschlossenen Augen verfolgt hatte.

Matthew sah es mit Verwunderung, ließ es aber geschehen.

Pater Bernard nahm seine beiden Koffer und schickte sich an, das Schiff zu verlassen. Matthew blickte ihm nach, strich seinem Sohn noch einmal über die Wange und folgte dem Missionar.

* * *

Die Frau eines heimkehrenden, amerikanischen Kaufmanns namens Lewis winkte ihm zu, als sie die Formalitäten endlich hinter sich gebracht hatten. Matthew hatte Mrs. Lewis Rheuma während der Überfahrt behandelt. Mit der Hilfe und Vermittlung von Pater Bernard war alles einfacher abgelaufen, als befürchtet. Dann stieg sie in einen bereitstehenden Wagen. Das Ehepaar waren die letzten Passagiere des Schiffes gewesen, die an ihnen vorbeigingen.

Im seltsam fahlen Licht der Laternen eilten Menschen im Hafen hin- und her. Gepäckstücke wurden herangebracht oder weggefahren, Schiffe mit Waren be- oder entladen. Niemand schenkte dem Mann in den abgetragenen Kleidern, der ein schlafendes Kind auf dem Arm trug, einen zweiten Blick. Niemand hatte Zeit, sich darüber zu wundern, was er um diese Zeit dort zu suchen hatte.

„Hey, bist du Caine?“

Matthew drehte sich langsam in die Richtung um, aus welcher der Ruf gekommen war. „Ich bin Matthew Caine.“

Ein kleiner, alter Mann mit runzligem Gesicht und schmutziger Kleidung kam auf sie zu. „Klingt nicht wie der Name von einem Chinamann. Und du siehst nicht so richtig aus wie ein Chinamann,“ meinte er misstrauisch. „Der Boss... also der Doc, der wo mein Boss ist... hat gesagt, ich soll nach einem Schlitzauge fragen.“

„Meine Mutter... war... Amerikanerin.“ Matthew beobachtete emotionslos, wie sich das Gesicht des alten Mannes in Abscheu verzerrte. Wie oft hatte er diese Reaktion in seiner Kindheit und Jugend erlebt. Vor allem nach der Rückkehr seines Vaters und ihrer Übersiedelung nach Saint Louis, wo es - anders als an der Westküste - nicht viele Asiaten gab. Als Kind hatte er manchmal stundenlang in den Spiegel seiner Mutter oder auf seine Reflektion im Fluss gestarrt und sich gefragt, welche Hässlichkeit in seinem Gesicht die Menschen dazu brachte, ihn mit Abscheu anzustarren oder seiner Mutter Beleidigungen hinterher zu rufen. Eine Reaktion der Menschen, die ihm sein Vater nie zufriedenstellend erklären konnte und von der er sich fragte, ob er sie seinem eigenen Sohn jemals würde erklären können. In China geboren und in der Sicherheit der Bruderschaft der Shaolin aufgewachsen, war Kwai Chang bisher noch nicht mit offenem Rassismus konfrontiert worden.

Der alte Mann schob die Hände in die Taschen seiner Jacke und zog fröstelnd die Schultern hoch. „Von einem Balg war nicht die Rede“, murrte er und wandte sich dann ab. „Mitkommen!“

Der Aufenthalt in der kalten Nachtluft war Gift für Kwai Chang und das war der einzige Grund, warum Matthew ihm folgte.

* * *

In der Halle, in der man ihn warten hieß, war es warm. Ein großer, offener Kamin war offenbar frisch angeheizt worden und füllte den – in den Augen des Shaolin – überwältigend luxuriös eingerichteten Raum mit Wärme. Sich selbst überlassen, legte Matthew sein Gepäck ab und setzte sich dicht beim Feuer auf den Boden. Als er Kwai Chang aus der Jacke wickelte und begann, die kalten Füße seines Sohnes zu reiben – man hatte seine Schuhe auf der Flucht gestohlen – wachte das Kind aus seinem benommenen Schlummer auf.

„Vater? Wo sind wir?“, fragte der Junge auf chinesisch.

„Du musst jetzt Englisch sprechen, Kwai Chang“, tadelte der Vater sanft.

Genau wie sein Vater ihn, hatte auch Matthew seinen Sohn zweisprachig erzogen. Anders als er jedoch, hatte Kwai Chang auf ihrer Wanderschaft von einem Dorf zum nächsten und von einem Tempel zum anderen, eine außergewöhnliche Begabung beim Erlernen neuer Sprachen gezeigt und verschiedene, zum Teil sehr alte, Dialekte zumindest in Bruchstücken verstehen gelernt. Sie waren nirgendwo lange genug geblieben. Gerüchte hatten Matthew auf der Suche nach dem Aufenthaltsort seiner Frau und seines zweiten Kindes von einer Provinz in die nächste geführt. Doch seine Suche resultierte nur in der Gewissheit, dass Su Lin getötet und das Kind – sein Sohn – von Sing Wah-Anhängern verschleppt worden war. Falls es sich noch am Leben befand.

„Ja, Vater.“ Langsam kam in die Augen des Jungen das gewohnte Leben zurück. „Sind wir jetzt in Amerika?“

„Ja, mein Sohn.“

„Und sind wir jetzt in Sicherheit?“

Matthew beugte sich vor und streichelte eine blasse Wange, in die langsam ein normaler Farbton zurückkehrte. „Ich denke, für den Moment sind wir sicher. Dieses Haus gehört einem Freund von Doktor Simons.“ Er spürte die Präsenz eines Dritten im Raum und stand auf. Kwai Chang hielt sich an ihm fest und er legte rasch einen Arm um die dünnen Schultern des Jungen.

„Mr. Caine?“ Ein untersetzter, dunkelhaariger Mann, etwas jünger als Matthew, kam eine breite Treppe herunter. Er lächelte freundlich und verbeugte sich, bevor er dem Shaolin die Hand entgegenstreckte.

„Ich bin Matthew Caine.“

„Ich freue mich, dass Sie hier sind. Mein Name ist William Linc. Mein alter Freund Simons hat mir Ihren Besuch angekündigt.“

Matthew verbeugte sich. „Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie uns gestatten, uns hier von der Überfahrt auszuruhen. Wir werden nicht lange bleiben.“

Dr. Linc schüttelte den Kopf. „Darüber sprechen wir morgen“, meinte er. „Es ist mitten in der Nacht und ich denke, dieser junge Mann hier gehört dringend ins Bett.“

Er ging vor Kwai Chang in die Hocke und streckte die Hand nach ihm aus. Das Kind wich erschrocken zurück, doch der beruhigende Druck des Arms des Vaters um seine Schultern hieß ihn stillhalten. Der Arzt legte die Hand leicht unter das Kinn des Jungen und drehte seinen Kopf erst in eine, dann in die andere Richtung.

„Hat Ihnen Simons mein Fachgebiet verraten?“, fuhr er im lockeren Plauderton fort. „Ich sehe schon, das hat er nicht. Ich bin Kinderarzt. Ich habe drei Jahre in einem Missionshospital in Hunnan Kinder behandelt. Und natürlich auch den einen oder anderen Erwachsenen. Es gab da in einem Dorf in der Nähe einen alten Mann, der mit seinen Kräutern wahre Wunder vollbrachte. Eins seiner Enkel- oder möglicherweise war es ein Urenkelkind, wurde von einer Schlange gebissen, als ich mich zufällig in diesem Ort aufhielt. Man rief mich hinzu, aber ich hätte nichts tun können. Es gibt kein Gegenmittel. Der Alte gab dem Kind eine Mixtur zu trinken und keine halbe Stunde später lief es mit den anderen wieder fröhlich herum. Er hat mir ein paar Dinge erzählt, die ich kaum glauben möchte. Und er sagte mir, er habe diese Dinge als junger Mann in einem Shaolintempel gelernt.“ Er zog die Hand zurück und stand auf, um Matthew anzusehen. „Simons hat mir gesagt, dass Sie ein Shaolinpriester und ein Heilkundiger sind.“ Seine Augen, blau wie der Himmel an einem Frühlingstag, lachten. „Sie kennen zu lernen ist... die Erfüllung eines Traumes.“

Ein leises Räuspern erklang und Dr. Linc wandte sich um. Lautlos war in der Tür eine korpulente Frau in strenger Kleidung und unbestimmbaren Alters aufgetaucht. „Oh – darf ich vorstellen? Das ist Miss Watkins, meine Haushälterin. Miss Watkins – dies ist Mr. Caine und sein Sohn. Sie werden für einige Zeit unsere Gäste sein.“

Die Haushälterin nickte. Ihr Blick flog über Matthew und Kwai Chang, ihr gutgeschultes Gesicht verriet jedoch nichts. „Sehr wohl, Sir.“

„Das Zimmer ist doch wohl bereit?“, fragte Dr. Linc mit sichtlicher Verlegenheit.

„Natürlich, Sir.“

„Gut... dann können Sie jetzt wieder gehen. Ich werde Mr. Caine den Weg selbst zeigen. Vielen Dank, Mrs. Watkins.“ Er wartete, bis die Haushälterin verschwunden war und murmelte dann: „Ich werde nie mit der alten Schreckschraube zurechtkommen.“ Er räusperte sich und wurde flüchtig rot, als er erkannte, dass er laut gesprochen hatte. „Äh... normalerweise habe ich nichts mit unseren Angestellten zu tun, das erledigt alles meine Frau. Sie besucht nur zur Zeit ihre Eltern.“ Er rieb sich die Hände. „In Ordnung, dann zeige ich Ihnen jetzt, wo wir Sie einquartiert haben.“ Dr. Linc eilte die Treppe voran hinauf, ohne darauf zu warten, dass Matthew sein Gepäck und seine Jacke aufsammelte und seinen bereits wieder halb schlafenden Sohn auf den Arm nahm.

Er folgte dem Arzt zögernd. Offensichtlich handelte es sich um einen sehr wohlhabenden Haushalt. Welches Interesse hatte ein Mann wie Doktor Linc an ihm und seinem Sohn?


Fortsetzung: # 008.Wochen / Marie – A long way from paradise 2
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