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La Pensadilla

von Ajnat
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama / P12 / Gen
14.10.2007
14.10.2007
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1.125
 
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Das Wasser prasselt auf meine Haut. Ich spüre es kaum, bin zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt.
Wie soll ich es dir nur beibringen?
Einige Wassertropfen bahnen sich ihren Weg an den Fliesen nach unten und verschwinden im Ausguss. Ich verfolge sie nachdenklich mit meinem Blick.
Was soll ich bloß tun?
Seufzend steige ich aus der Dusche und betrachte mich selbst im Spiegel. Die Person, die mir da entgegenblickt, erkenne ich selbst kaum wieder. Man merkt, dass ich in letzter Zeit kaum geschlafen habe. Ich habe dunkle Ringe unter den Augen und tiefe Sorgenfalten haben sich auf meiner Stirn eingegraben.
Geistesabwesend streiche ich mir die Haare aus der Stirn und lege ein Handtuch um meinen Körper.
Ich strecke die Hand nach der Klinke der Badezimmertür aus. Kurz bevor sich meine Finger um das kalte Metall legen, halte ich inne.
Muss ich es denn wirklich heute tun?
Ich hadere mit mir selbst, bevor ich beschließe, dass es wohl niemals den richtigen Augenblick geben wird, für das, was ich dir zu sagen habe.
Ich werfe noch einmal kurz einen Blick auf den Spiegel, in dem mir ein ernstes Gesicht entgegenblickt.
Nein, es gibt keine andere Möglichkeit. Ich habe es dir schon zu lange verschwiegen.

Als ich die Tür schließlich hinter mir schließe und mich zu dir umdrehe, stockt mir der Atem. Du siehst aus wie ein Engel. Dein schwarzes Haar liegt ausgebreitet auf dem Kopfkissen und steht in perfektem Kontrast zu deiner blassen Haut.
Ich komme näher, setze mich auf die Bettkante und frage mich, wie ich dir so etwas antun kann. Du siehst so friedlich aus, wenn du schläfst. Deine Augen sind geschlossen, doch ich weiß, sobald du sie öffnest, werde ich in deinen strahlend blauen Augen versinken und es wieder nicht schaffen, dir zu sagen, was mich bedrückt. Solange ich dir nicht gegenüber stehe, sieht alles so einfach aus.
Doch ist es schwieriger als ich dachte. Ich will dir nicht weh tun, jedoch muss ich dir die Wahrheit sagen, denn meine Sorgen drohen mich zu ersticken. Ich strecke die Hand aus, um dir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Du blinzelst. Ich merke wie schwer es dir fällt, in die wirkliche Welt zurückzukehren. Ich würde es dir gern ersparen, aber tief im Inneren weiß ich, wenn ich es dir nicht jetzt sage, schaffe ich es nie.

Du setzt dich auf, lächelst mich an. Ich versuche ebenfalls zu lächeln, doch es will mir nicht recht gelingen. Deine Bettdecke rutscht bis zu deiner Hüfte hinunter, entblößt deinen Oberkörper. Ich bewundere deine schlanke Gestalt, deine feine Silhouette. Ich liebe jedes noch so kleine Stück deines Körpers, deiner Seele, deines Wesens, warum fällt es mir dann so schwer, es dir zu sagen?

Du siehst mich fragend an, merkst dass etwas nicht mit mir stimmt. Die Versuchung, die Wahrheit noch etwas aufzuschieben wird unendlich groß. Doch ich nehme all meinen Mut zusammen und sage dir die Wahrheit. Dein Blick schmerzt mehr, als das was du sagst. Du wirfst mir vor, dich belogen zu haben, meinst, ich habe dein Vertrauen verletzt. Ich kann nicht einmal widersprechen. Ich versuche nicht nach Ausflüchten zu suchen. Alles ist wahr. Ich habe dir eine wichtige Tatsache in meinem Leben verheimlicht und kann dies nicht mehr rückgängig machen.

Du beobachtest mich, siehst wie ich mit meinem schlechten Gewissen kämpfe. Plötzlich ist alle Wut aus deinem Blick verschwunden. In deinen Augen stehen Tränen. Für mich ist dieser Anblick noch schlimmer, als all die Wut, die du mir entgegen brachtest. Es zerreißt mir das Herz dich so zu sehen. Ich greife nach deiner Hand, versuche dir Mut zu machen. Du ziehst sie weg, musst mit deinem Schmerz allein sein. Doch das kann ich nicht zulassen. Ich nehme dich in die Arme. Du sträubst dich, willst dir nicht helfen lassen, doch dein Widerstand bröckelt bereits und schließlich krallst du dich an mir fest und beginnst zu schluchzen.

Ich streichle dein Haar, versichere dir, dass alles wieder gut wird, dass es nicht so schlimm ist, wie es sich anhört, doch selbst in meinen Ohren klingen diese Worte wie eine große Lüge. Ich weiß, dass es zu Ende geht, ich sehe es in den Blicken der Ärzte. Doch ich bin noch nicht bereit aufzugeben.
Ich versuche, dir klar zu machen, dass ich es mit deiner Hilfe schaffen kann, dass ich durch deine Liebe und Unterstützung wieder auf die Beine kommen kann.
Obwohl ich versuche für dich stark zu sein, merke ich, wie Tränen über meine Wangen laufen. Doch ich will dich nicht los lassen, um sie wegzuwischen. Sie setzen ihren Weg über mein Gesicht ungehindert fort.

Du siehst mich an, aus deinem Blick spricht pure Verzweiflung, und auch als du mich küsst, merke ich, wie verzweifelt du bist, wie viel Angst du hast, mich zu verlieren. Ich nehme dein Gesicht in meine Hände, streiche mit meinem Daumen die Tränen von deinen Wangen und küsse dich sanft.

Du fragst mich, wie lang ich es schon weiß. Ich kann mich selbst kaum erinnern, versuche es angestrengt, doch mehr als vereinzelte Erinnerungsfetzen bringe ich nicht zu Stande. Es ist, als hätte mein Gehirn den schlimmsten Augenblick meines Lebens ausgelöscht um mich zu schützen. Das einzige, an das ich mich erinnern kann, ist der Blick des Arztes, der auserkoren war, mir die schlechte Nachricht mitzuteilen. Es war einer jener Augenblicke, in denen keine Worte gewechselt werden mussten, er brauchte mich nur anzusehen, und ich wusste, was los war. An den Rest des Tages kann ich mich nicht mehr erinnern, wahrscheinlich ging ich direkt von Krankenhaus in eine Bar um meinen Kummer und meinen Schmerz wegzuspülen.

Als ich dir das erzähle, musst du trotz deiner Niedergeschlagenheit lächeln, denn du kennst mich viel zu gut und weißt, dass ich nicht so ein Mensch bin. In Gedanken drängt sich dir ein Bild auf. Das Bild eines einsamen jungen Mannes, der allein auf einer Bank in der Nähe des Sees sitzt um über sein Leben nachzudenken. Du beginnst erneut zu weinen. Deine Augen sind verschwollen, dein Gesicht ist tränennass und trotzdem warst du für mich noch nie so schön wie in diesem Augenblick. Liebe und bedingungsloses Vertrauen sprechen aus deinem Blick. Du weißt, dass ich dich nie anlügen würde. Du nimmst meine Hand in deine Hände und siehst mir in die Augen. Dies ist der Augenblick, den ich immer gefürchtet habe, jener Augenblick, der mich immer davor zurückschrecken ließ, es dir zu erzählen.
Doch anders als in meinen Albträumen sagst du mir nicht, dass du nicht bleiben kannst und mich verlässt, du siehst mir einfach nur in die Augen und flüsterst: „Wir schaffen das.“
Dies sind die schönsten Worte, die ich je in meinem Leben gehört habe und je hören werde.


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danke fürs lesen! wenns euch nicht zu viel mühe macht, lasst doch einen kommentar hier ;)

lg
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