Oh how the mighty fall
von Tavington
Kurzbeschreibung
General Lord Cornwallis ist mit den Nerven am Ende. Ständig missachtet der arrogante und selbstgefällige Colonel Tavington seine Befehle und untergräbt damit vor aller Augen die Autorität des Generals. Damit soll Schluss sein - doch wie den eigensinnigen Dragoon an die Kette legen? Schneller als Cornwallis zu glauben gewagt hätte, findet sich für dieses Problem eine unerwartete Lösung - und nicht nur der Colonel ist mit dieser mehr als unzufrieden...
GeschichteAllgemein / P16 / Gen
Captain Wilkins
Colonel William Tavington
General Lord Charles Cornwallis
General Lord O'Hara
05.10.2007
28.08.2008
6
11.390
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05.10.2007
3.469
Wieder einmal hat es mit dem neuen Kapitel etwas länger gedauert. Das hatte verschiedene Gründe, die ich hier nicht näher ausführen möchte, da sie ohnehin belanglos sind.
Soviel jedoch: Es ist nicht gerade motivierend, wenn man sich stundenlang mit einem Kapitel beschäftigt, Geschriebenes immer wieder löscht, weil es einem nicht gut genug erscheint und seine Freizeit in die Story investiert – und dann kaum bis gar kein Feedback dafür bekommt.
An dieser Stelle möchte ich daher allen Lesern recht herzlich danken, die es doch tatsächlich fertig bringen, nicht nur zu lesen, sondern auch zehn Minuten zu erübrigen, um ein anständiges Review zu verfassen.
~
@Hidalgo89:
Es ist durchaus eine Herausforderung bei strahlendem Sonnenschein eine „Weltuntergangsszene“ zu schreiben. Heute wurd’s mir da schon leichter gemacht. Es regnet zwar nicht, aber schön ist es draußen auch nicht! :P
Ich bin eingefleischter Pessimist – kein Wunder, dass das auch auf meine Charaktere abfärbt! ;)
@Eve:
Jaah – das letzte Kapitel war wirklich etwas kurz. Dafür ist dieses allerdings (für meine Verhältnisse) wirklich lang! :P
Es freut mich, dass mein Schreibstil es dir ermöglicht, die Szene so plastisch vor deinem Inneren Auge zu sehen! :)
Nun… würde Amanra es nicht an Land schaffen, wäre die Story ja schon zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat! ;)
Jaah – auf Tavington musstet ihr im letzten Kapitel leider verzichten. Dafür ist das folgende Kapitel ein reines „Tavington-Kapitel“.
Genieß es! ;)
~
Dumpf klang das Donnern unzähliger Pferdehufe auf dem schlammigen Boden des schmalen Weges, der sich zwischen Mais- und Weizenfeldern hindurchschlängelte und zu einem stattlichen Herrenhaus führte, in dessen oberen Stockwerken – ungeachtet der späten Stunde – hinter zugezogenen Gardinen noch Licht brannte.
Dreckiges Wasser und feuchte Erdbrocken spritzten unter den beschlagenen Hufen empor und mehr als einmal geriet ein Pferd auf dem rutschigen Boden ins Straucheln.
Bordon hielt seinen Wallach auf Flankenhöhe mit Tavingtons Hengst, welcher weit ausgreifend an der Spitze galoppierte. Der Fuchs schien sich an dem weichen, gefährlich glitschigen Boden ebenso wenig zu stören, wie sein Reiter es tat.
Seit sie losgeritten waren, legte der Kommandeur der Dragoons auf seinem gewaltigen Hengst ein Tempo vor, welches bei diesen Wetter- und Bodenbedingungen lediglich als ‚wahnsinnig’ zu bezeichnen war und es grenzte wahrhaftig an ein Wunder, dass es noch nicht zu einem Sturz gekommen war.
Dennoch trieb er – um nicht zurückzufallen – sein eigenes Pferd weiter an, indes er seine Pistole aus der Halterung zog und den Hahn spannte.
Der Weg ließ die erntebereiten Felder hinter sich; die letzten zweihundert Meter wurde er von hochgewachsenen, uralten Eichen flankiert, deren ineinander verwachsenes Blätterdach so dicht war, dass weder Sonnenstrahlen noch Regen es zu durchdringen vermochten.
Laut hallte das Donnern der Pferdehufe auf dem nunmehr trockenen Boden durch die Nacht und endlich zügelte Tavington seinen Fuchs etwas, sodass der Rest des sechzig Mann starken Reitertrupps zu ihm und Bordon aufschließen konnte.
Sie alle waren bis auf die Knochen durchnässt, erschöpft und außer Atem, des langen und schnellen Rittes wegen, doch keiner von ihnen sagte ein Wort, keiner wagte es, den Colonel nach dem Grund seiner enormen Eile zu fragen.
Zum einen, weil es überflüssig gewesen wäre – der plötzliche Aufbruch, der waghalsige Ritt, die Entschlossenheit in den kalten grauen Augen ihres Kommandeurs, all dies konnte nur eins bedeuten: Rebellen – und zum anderen, weil nicht ein Mann unter den Dragoons den Mut besaß, Tavington anzusprechen, wenn er sich in solch schlechter Stimmung wie heute befand.
Selbst Bordon, welcher in gewisser Weise eine Sonderstellung in des Colonels Gunst innehatte, hielt sich zurück, trieb sein verschwitztes Pferd nur schweigend neben den Fuchshengst und wandte seinen Blick in Richtung des Herrenhauses – ihrem Ziel.
Das Gebäude, welches von imposanter Größe war, ragte in weniger als hundert Metern Entfernung in die Höhe. Der Besitzer hatte offenbar keine Kosten gescheut, um dafür zu sorgen, dass das Anwesen seinen Reichtum auch in gebührendem Maße widerspiegelte.
„Durch den Handeln mit England wurden sie reich und nun investieren sie jenes Vermögen in einen Krieg gegen ihr Vaterland – elende Verräter!“
Verächtlich schnaubte der Captain, was jedoch im Prasseln des Regens unterging.
„Bordon!“
Tavingtons Stimme riss den Captain unsanft aus seiner Gedankenwelt heraus.
Irritiert nahm der Dragoon zur Kenntnis, dass der Colonel gerade laut genug gesprochen hatte, um das Rascheln der Blätter, welche dem Wind hilflos ausgeliefert waren, und das beständige Geräusch herabfallenden Wassers zu übertönen.
„Sir?“
„Geben Sie mir Ihre Pistole! Unauffällig!“, verlangte Tavington, nahm beide Zügel in die linke Hand und ließ die rechte langsam sinken.
Dem Drang widerstehend, sich umzusehen und zu suchen, was der Colonel offensichtlich entdeckt hatte, trieb Bordon seinen Wallach mit leichtem Schenkeldruck noch ein Stück näher an das Pferd seines Vorgesetzten heran.
Durch den Körper seines Reittieres und seines eigenen, war die bewaffnete Hand nun vor etwaigen Blicken geschützt; dies ermöglichte dem Captain, die Pistole ungesehen weiterzureichen.
Tavingtons Hand schloss sich fest um den Griff der Waffe.
Er war des Wachpostens erst vor wenigen Augenblicken gewahr geworden, als dieser den Fehler begangen hatte, sich von seinem eigentlichen Platz zu entfernen und näher an den Reitertrupp heranzuschleichen.
Nicht mehr als ein Schemen war er gewesen, nahezu lautlos und von der nächtlichen Dunkelheit geschützt. Nichtsdestotrotz hatte der Colonel die Bewegung wahrgenommen.
Schwarzes Leder knirschte leise, als Tavington die Hand fester um den Pistolengriff schloss, und kurz darauf ertönte ein Knacken, welches vom Spannen eines Zündhahns erzählte.
Der Wachposten legte an.
Mittels Schenkelhilfen zwang Tavington seinen Hengst blitzschnell herum und feuerte in die Schwärze zwischen den gewaltigen Eichen. Donnernd zerriss der Schuss die vermeintlich friedliche Stille der Nacht; in der kühlen Luft breitete sich der charakteristische Geruch des Schießpulvers aus. Das dumpfe Aufschlagen des zu Boden fallenden Körpers war kaum noch zu vernehmen – zwei weitere Schüsse lösten sich aus Musketenläufen irgendwo rechts der Dragoons.
Eine der Kugeln streifte die Brust des Fuchshengstes, woraufhin dieser, erschrocken der plötzlichen Schmerzen wegen, zusammenzuckte und stieg.
„Angriff!“, schrie Tavington über das alarmierende Rufen der Rebellen und das beunruhigte Schnauben der Pferde hinweg und presste seinem Hengst die Beine in den Bauch, was diesen dazu veranlasste einen gewaltigen Sprung nach vorne zu machen und dann in einen schnellen Galopp zu verfallen.
Bordon – seiner Pistole beraubt – zog seinen Säbel und folgte dem Colonel, hinter ihm donnerte der restliche Reitertrupp die Allee entlang.
Rund um das Anwesen herrschte mittlerweile helle Aufregung.
Männer riefen sich über das Krachen von Schüssen und das dumpfe Donnern der Pferdehufe Worte zu, die nicht verstanden wurden, hinter dem Geländer der Veranda stand eine Frau und kreischte hysterisch, während ein weinendes Kind auf die Fronttreppe zurannte, eine Puppe unter den linken Arm geklemmt.
Der beißende Geruch von Schießpulver breitete sich in der regenfeuchten Nachtluft aus und die Schwaden, welche aus den vereinzelten Pistolen und Musketen emporstiegen, vereinten sich zu einer wabernden, stinkenden weißen Wand, welche die Sicht erheblich beeinträchtigte.
Nichtsdestotrotz traf Tavingtons Schuss einen der bewaffneten Männer in die Brust. Die Wucht der Kugel riss den Rebellen nach hinten; die Muskete entglitt dem Griff seiner Hand, der sterbende Körper prallte gegen die Hauswand und sank daran herab, eine blutige Spur hinterlassend.
Das Schreien der Frau wurde lauter, ein Projektil surrte nur Zentimeter an der rechten Schulter des Colonels vorbei und beförderte einen hinter ihm reitenden Dragoon mit einer hässlichen Wunde unterhalb des Schlüsselbeins aus dem Sattel.
Die Allee hinter sich lassend, fächerten die Kavalleristen auseinander. Die vordersten Reiter feuerten nun ihrerseits; sechs Rebellen fielen den Kugeln zum Opfer, zwei sanken verwundet auf den nassen Boden – der Schusswechsel verstummte.
Tavington brachte seinen Fuchshengst wenige Schritte vor der Treppe, welche hinauf auf die Veranda und somit auch zur Eingangstür des Anwesens führte, zum Stehen.
„Vierzig Dragoons umstellen das Gebäude! Sie sollen die Fenster im Auge behalten. Jedes Lebewesen, ganz gleich ob Tier oder Mensch, welches auch nur versucht, das Gebäude zu verlassen, wird auf der Stelle erschossen!“
Die Stimme des Colonels war ruhig; der nicht zu überhörende nachdrückliche Unterton, riet dringend dazu, den Befehl ohne mit der Wimper zu zucken auszuführen.
Bordon, der seinen Wallach neben Tavingtons Pferd gelenkt hatte, nickte stumm und reichte den Befehl an die übrigen Reiter weiter.
Umgehend setzten sie sich in Bewegung.
Die Zeit, welche der Captain benötigte, um den übrigen Dragoons die Anweisung mitzuteilen, nutzte Tavington zum Nachladen seiner Pistole. Erst als diese wieder sicher in ihrer Halterung steckte, fuhr er fort.
„Die Übrigen kümmern sich um unsere Toten und Verwundeten! Sie sollen in den Scheunen nach einem Wagen suchen, falls einige Dragoons nicht mehr in der Lage sein sollten, sich auf dem Rücken ihrer Pferde zu halten.“
Wieder gab Bordon den Befehl weiter und wieder wurde er sofort befolgt, anschließend stieg der Captain – ebenso wie sein Vorgesetzter – ab.
„Ich nehme an, die Rädelsführer haben sich irgendwo im Haus verschanzt! Brennen wir es nieder?“, fragte der Dragoon und blickte hinüber zu Tavington. Jener steuerte die am Boden liegenden, verwundeten Rebellen an und hatte den Captain entweder gar nicht gehört oder ihn schlicht und ergreifend ignoriert.
Seufzend winkte Bordon vier Soldaten heran. Wenn der Colonel gedachte, das Haus zu betreten, war ein wenig Unterstützung sicherlich sehr hilfreich.
Verächtlich musterte Tavington den im Dreck liegenden, tödlich verwundeten Rebellen, welcher gerade dabei war, sein unwertes Leben auszuhauchen.
Die Kugel hatte sich in seine rechte Brustseite gefressen; Blut veranlasste den Stoff dazu, gleich einer zweiten Haut am Körper des Mannes zu kleben.
Beim Anblick des Dragoons verfinsterte sich der vernebelte Blick des Rebellen und er versuchte, etwas zu sagen, doch an der Stelle von Worten floss lediglich dunkles Blut über seine Lippen.
Die Lunge war zerschossen – er konnte keinen Laut mehr von sich geben, außer einem ekelhaften Gurgeln, hervorgerufen durch das Blut in seiner Kehle.
Tavington überließ ihn seinem Schicksal und begutachtete den zweiten Verwundeten.
Ganz offensichtlich hatte jenen das Projektil nicht tödlich verletzt, denn als sich der Colonel näherte, machte er Anstalten sich in die Höhe zu stemmen.
Ein harter Tritt des Dragoons unterband die Anstrengungen umgehend. Keuchend wand sich der Rebell am Boden.
„Eure kleine Versammlung ist hiermit beendet!“
Tavington musterte den verwundeten Mann verächtlich und rümpfte leicht die Nase, gerade so, als liege ein besonders widerliches Tier vor ihm im Schlamm.
„Dem Tod kannst du ohnehin nicht mehr entkommen. Wenn du mich allerdings über den Anlass eures Zusammentreffens informierst, könnte ich mich dazu durchringen, dir ein schnelles Ableben zu gewähren.“
Auf diese Worte hin unternahm der Rebell noch einmal den Versuch, sich in die Höhe zu stemmen – diesmal verließ ihn jedoch die Kraft; keuchend sank er zurück, ohne dass Tavington hätte eingreifen müssen.
„Fahr zur Hölle, Schlächter!“
Höhnisch lächelnd winkte der Colonel zwei Soldaten herbei.
„In den Augen von Vaterlandsverrätern mag es heroisch sein, die Auskunft zu verweigern und stattdessen mit derartigen Äußerungen das eigene Schicksal zu besiegeln – andere sehen es als Zeichen äußerster Dummheit. Wie dem auch sei – heroisch oder nicht, es war die falsche Antwort!“
Gelassen wandte sich der Kommandeur der Dragoons an seine beiden Untergebenen.
„Hängt ihn auf! Seht allerdings zu, dass er sich nicht das Genick bricht. Wir wollen ihm den Heldentod nicht zu einfach machen.“
Ohne einen weiteren Blick an den Rebellen zu verschwenden, drehte Tavington den drei Männern den Rücken zu und kehrte gelassenen Schrittes zu Bordon und der auf Befehle wartenden Unterstützung zurück.
Mit der schussbereiten Pistole in der rechten Hand erklomm der Colonel – dicht gefolgt von Bordon und den vier Dragoons – die kleine, hölzerne Treppe, welche auf die Veranda führte und presste sich direkt neben der nicht sonderlich massiven Eingangstür an die weiß gestrichene Wand.
Eine knappe Geste genügte – einer der Soldaten trat heran und schloss die Hand um den bronzenen Griff der Tür. Ohne Probleme ließ sich diese öffnen und schwang mit einem leisen Knarren nach innen auf.
Nahezu lautlos betraten die Dragoons die geräumige, edel eingerichtete Eingangshalle, welche sich dunkel und verlassen vor ihnen erstreckte. Keine Menschenseele, niemand hieß sie mit angelegter Muskete willkommen.
Bordon machte Anstalten, den Soldaten mittels Handzeichen zu bedeuten, die übrigen Räume im Erdgeschoss nach menschlichem Leben abzusuchen, doch Tavington hielt ihn davon ab, indem er entschossen den Kopf schüttelte und die breite Treppe hinaufdeutete, die in das zweite, ebenfalls der nächtlichen Schwärze überlassene Stockwerk führte.
Leises Weinen drang von irgendwo dort oben kaum hörbar zu ihnen herab.
Seine Augen erwiesen ihm in der tiefen Finsternis, welche in dem Korridor herrschte, keinen Dienst und so ließ sich Tavington allein von seinem Gehör leiten; jenes führte ihn zu einer schweren Eichentür, ganz am Ende des schmalen Flurs.
Er sparte sich ein Handzeichen, welches seinen Begleitern suggerieren sollte, ihm Feuerschutz zu geben, da sie es in der Dunkelheit wahrscheinlich ohnehin nicht wahrnehmen würden und verließ sich darauf, dass zumindest Bordon wusste, was zu tun war.
Ein heftiger Tritt riss die Tür aus dem Schloss, schwungvoll schwang sie auf und krachte vernehmlich an die Wand – die Wucht ließ das Holz erzittern.
Gefolgt von Bordon und den Soldaten betrat Tavington den dahinterliegenden Raum.
Aufschreiend sprang eine Frau mittleren Alters aus einem großen Ohrensessel auf, welcher nahe des Kamins stand und zerrte panisch ein kleines Mädchen an sich, welches bis dahin auf dem weichen Teppich mit einer Puppe gespielt hatte.
Selbst wenn seine Augen die beiden nicht wiedererkannt hätten – sein Gehör, welches beim hysterischen Schreien der Frau schmerzhaft protestierte und ihm ein gereiztes Knurren abverlangte, machte ihm ohne weiteres klar, dass es sich um dieselbe Frau handelte, die kreischend auf der Veranda gestanden hatte.
Glücklicherweise verstummte sie in diesem Moment und begnügte sich damit, erbärmlich zitternd und blass, an ein teuer aussehendes Bücherregal gepresst dazustehen, das Kind fest an ihre Seite gedrückt. Ihre panisch aufgerissenen Augen hafteten auf Tavington.
Dessen Blick galt jedoch einem älteren Mann mit dunklem, von grauen Strähnen durchgezogenem Haar, welcher vor dem Kamin kniete und darum bemüht war, mit einem Schüreisen die heruntergebrannte Glut neu anzufachen.
„Haltet ihn auf!“, war alles, was Tavington in schneidendem Tonfall anordnete und die Dragoons beeilten sich, dieser Order nachzukommen.
Gerade in dem Augenblick, da zwei der Soldaten den Mann unsanft packten und in die Höhe zerrten, entflammte das kleine Stück Papier, welches auf der schwelenden Glut gelegen hatte.
Grob stieß Bordon einen dritten Dragoon beiseite und fischte das Blatt aus den züngelnden Flammen.
So behutsam es auf die Schnelle ging, erstickte er die Flammen und begutachtete seine Beute.
Das Blatt war mit einer eleganten Handschrift eng beschrieben, die nicht aussah, als stamme sie von einem dieser ungebildeten Bauerntölpel, und leicht zu entziffern war, jedoch war mehr als die Hälfte des Geschriebenen bereits den Flammen zum Opfer gefallen; unrettbar verloren.
Schweigend überreichte der Captain seinem Vorgesetzten das Beweisstück, welcher es umgehend überflog.
Nachdem wir genug Verbü… …bereitungen zu beginnen, um schnellstm… iten einen harten Schlag zu versetz… en uns in einer Woche in… schlag zu besprechen…
Mehr war nicht mehr zu entziffern.
Tavington gab Bordon den kläglichen Rest des Schriftstücks zurück und fixierte den älteren Mann – seiner Kleidung nach zu urteilen der Hausherr – aus eiskalten Augen heraus, in welchen heißer Zorn loderte.
„Worum geht es in dem Schriftstück? Wo trefft ihr verdammten Verräter euch in einer Woche?“, zischte der Colonel und klang dabei einer angriffslustigen Kobra nicht unähnlich.
Der Mann schenkte dem Dragoon nur einen überheblichen Blick und schwieg.
„Wo trefft ihr euch?“
Tavingtons Stimme hatte sowohl an Lautstärke, als auch an Schärfe gewonnen – der Zorn, welcher bei ihm stets dicht unter der Oberfläche brodelte, brach durch.
„Bordon, bringen Sie mir das Kind!“
Die Stimme des Colonels war zu einem düsteren Grollen geworden. Selbst die Dragoons, welche vor ihrem Vorgesetzten nichts zu befürchten hatten, solange sie sich still verhielten und nicht einmischten, zuckten merklich zusammen.
Wieder schrie die Frau gellend auf, doch ein Schlag ins Gesicht stellte sie ruhig und beförderte sie zu Boden, wo sie schluchzend liegen blieb.
„Nein, bitte… bitte, nicht Marie… ich flehe Sie an… bitte…“
Ohne auf das Gewimmer der Frau zu achten, zerrte Bordon das weinende Mädchen an Tavingtons Seite.
Was hätte er auch tun sollen? Den Befehlen seines Kommandeurs Widerstand zu leisten würde des Mädchens Leben nicht retten.
Die dunklen Augen des Hausherren weiteten sich voller Entsetzen, als der Colonel die rechte Hand im blonden Haarschopf das Mädchens vergrub und ihm den Lauf der Pistole an die Schläfe hielt.
Mit einem verzweifelten Aufschrei warf er sich nach vorne, doch seine Kraft reichte bei weitem nicht aus, sich dem Griff der beiden Soldaten zu entziehen. Auch sie waren blass.
„Ich frage ein letztes Mal: Wo ist der Treffpunkt?“
Der Blick beider Männer – Zorn und Verzweiflung – kreuzten sich für wenige Lidschläge, ehe der ältere der beiden den Kopf senkte.
„Origan Cottage! Origan Cottage ist der Treffpunkt!“
Schon das Unterbrechen des Blickkontaktes hatte Tavingtons Erwartung, dass der Verräter lügen würde, bestätigt – der spezielle Unterton, welcher bei den meisten Lügen die Stimme begleitete, unterstrich dies nur noch.
„Sie haben soeben das Todesurteil ihrer kleinen Tochter unterzeichnet!“
Der Kopf des Mannes ruckte in die Höhe, abermals warf er sich mit aller Gewalt gegen den Griff der Soldaten. Verbissen hielten sie dagegen.
Währenddessen hielt Bordon die nach ihrem Kind schreiende, vollkommen aufgelöste Frau mit eisernem Griff fest.
„Nein, ich habe es Ihnen doch gesagt! Ich hab Ihnen gesagt, wo sie sich treffen, bitte, ich…“
Ungerührt zog Tavington den Abzug durch. Links von ihm zersprang eine stattliche Vase. Sowohl das Klirren, als auch das dumpfe Aufschlagen des kleinen Körpers auf dem Teppich ging in dem markerschütternden Schrei der Frau unter, welche – nachdem Bordon den Griff um ihren Oberarm gelöst hatte – neben ihrem toten Kind zu Boden ging. Mit dem Oberkörper halb über dem Mädchen liegend, das Gesicht in den hellen Haaren vergraben und die blutige Puppe in der Hand, schrie sie ihre Trauer heraus.
Bordon senkte den Blick und schloss für einen Augenblick die Augen, indes die Dragoons vergeblich versuchten, den tobenden Mann festzuhalten. Dieses Mal gelang es ihnen nicht. Trauer und Hass verliehen ihm eine Kraft, der die Soldaten nichts entgegenzusetzen hatten.
Mit einem animalischen Aufschrei riss er sich los, sprang über seine zusammengekauerte Frau und seine tote Tochter hinweg… und direkt in Tavingtons gezogenen Säbel hinein.
Der Stahl drang in den Unterbauch des Mannes ein und fraß sich schräg nach oben durch dessen Körper.
Seine Augen weiteten sich erstaunt, ehe sie brachen. Der Tod riss sein Leben mit sich. Leblos sank er neben seiner Familie zu Boden.
Gelassen trat Tavington an eins der Fenster, welche von schweren samtenen Vorhängen verdeckt wurden und benutzte den teuren Stoff, um seinen Säbel zu säubern, ehe er die Waffe zurück in die Scheide gleiten ließ.
„Der Teufel soll dich holen, Schlächter!“
Ohne auf die Worte der Frau zu achten, welche die blutgetränkte Puppe ihrer Tochter an ihre linke Brust presste, wandte sich Tavington ab und verließ das Zimmer, dicht gefolgt von Bordon und den restlichen Dragoons. Und den geschrienen Worten der Frau.
„Mörder! Schlächter! Teufel!“
Auf dem Platz vor dem Anwesen standen mittlerweile zwei Planwagen. Vor beide waren jeweils zwei kräftig gebaute Pferde gespannt, deren ganze Aufmerksamkeit dem saftigen Gras galt, das zwischen den hohen Eichen wuchs.
Im vorderen Wagen waren die fünf Verwundeten untergebracht, im hinteren die drei Toten.
Tavington schwang sich auf den Rücken seines Fuchshengstes und setzte gerade dazu an, Bordon den Befehl zu geben, die Dragoons zusammenzurufen, als ein junger Soldat auf ihn zugeeilt kam.
„Sir, wir haben im Pferdestall einen leeren, aber nicht unbenutzten Stellplatz entdeckt und außerdem Spuren, die von dem Anwesen weg in den Wald führen. Sie sind knapp drei Stunden alt.“, fasste der Kavallerist zusammen.
Diese Neuigkeit verbesserte die ohnehin gefährliche Stimmung des Colonels nicht.
Sichtlich wütend riss er seinen Fuchs herum.
„Nehmen Sie sich zwanzig Mann, lassen Sie die Pferde aus dem Stall holen, veranlassen Sie, dass das restliche Vieh getötet wird und brennen Sie das Anwesen und sämtliche anderen Gebäude nieder. Anschließend folgen Sie uns mit fünf Mann – den Rest schicken Sie mit den Verwundeten und Toten nach Winnsboro!“, lautete der scharfe Befehl an Bordon. Dieser nickte zur Bestätigung, zwang sein Pferd herum und trieb es auf die Gruppe wartender Reiter zu, welche sich um die Planwagen versammelt hatten. Über das Wiehern und Schnauben der Pferde bellte er ihnen Befehle zu.
„Zeigen Sie mir die Fährte!“
Der junge Soldat nickte eifrig, schlug seinem Reittier die Beine in den Bauch und galoppierte davon. Tavington veranlasste seinen Hengst dazu, dem Kavalleristen zu folgen.
Jene Soldaten, die Bordon nicht um sich gesammelt hatte, um den Befehlen ihres Kommandeurs nachzukommen, schlossen sich dem Colonel an.
Während das stattliche Herrenhaus in Flammen aufging und das hungrige, rasant wachsende Feuer die Schwärze und Kühle der Nacht verdrängte und den Zuschauern ein schauderhaftes Schauspiel der Zerstörungswut bot, donnerte eine Abteilung Reiter über die schlammigen Felder der Plantage – einer gut sichtbaren Spur in Richtung Wald folgend.
Normalerweise habe ich immer ein Schlusskommentar parat, aber heute weiß ich nicht so recht, was ich schreiben soll.
Diesem unschuldigen Mädchen das Schicksal zu bereiten, welches ich für es vorgesehen hatte, war schwieriger, als ich dachte.
Das liegt sicher auch daran, dass ich – wenn ich schreibe – die Szenen bildlich vor Augen habe, was es nicht gerade leichter gemacht hat.
Soviel jedoch: Es ist nicht gerade motivierend, wenn man sich stundenlang mit einem Kapitel beschäftigt, Geschriebenes immer wieder löscht, weil es einem nicht gut genug erscheint und seine Freizeit in die Story investiert – und dann kaum bis gar kein Feedback dafür bekommt.
An dieser Stelle möchte ich daher allen Lesern recht herzlich danken, die es doch tatsächlich fertig bringen, nicht nur zu lesen, sondern auch zehn Minuten zu erübrigen, um ein anständiges Review zu verfassen.
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@Hidalgo89:
Es ist durchaus eine Herausforderung bei strahlendem Sonnenschein eine „Weltuntergangsszene“ zu schreiben. Heute wurd’s mir da schon leichter gemacht. Es regnet zwar nicht, aber schön ist es draußen auch nicht! :P
Ich bin eingefleischter Pessimist – kein Wunder, dass das auch auf meine Charaktere abfärbt! ;)
@Eve:
Jaah – das letzte Kapitel war wirklich etwas kurz. Dafür ist dieses allerdings (für meine Verhältnisse) wirklich lang! :P
Es freut mich, dass mein Schreibstil es dir ermöglicht, die Szene so plastisch vor deinem Inneren Auge zu sehen! :)
Nun… würde Amanra es nicht an Land schaffen, wäre die Story ja schon zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat! ;)
Jaah – auf Tavington musstet ihr im letzten Kapitel leider verzichten. Dafür ist das folgende Kapitel ein reines „Tavington-Kapitel“.
Genieß es! ;)
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~-~-~-~-[*]-~-~-~-~
~* Blutige Nacht *~
~+~
~* Blutige Nacht *~
~+~
Dumpf klang das Donnern unzähliger Pferdehufe auf dem schlammigen Boden des schmalen Weges, der sich zwischen Mais- und Weizenfeldern hindurchschlängelte und zu einem stattlichen Herrenhaus führte, in dessen oberen Stockwerken – ungeachtet der späten Stunde – hinter zugezogenen Gardinen noch Licht brannte.
Dreckiges Wasser und feuchte Erdbrocken spritzten unter den beschlagenen Hufen empor und mehr als einmal geriet ein Pferd auf dem rutschigen Boden ins Straucheln.
Bordon hielt seinen Wallach auf Flankenhöhe mit Tavingtons Hengst, welcher weit ausgreifend an der Spitze galoppierte. Der Fuchs schien sich an dem weichen, gefährlich glitschigen Boden ebenso wenig zu stören, wie sein Reiter es tat.
Seit sie losgeritten waren, legte der Kommandeur der Dragoons auf seinem gewaltigen Hengst ein Tempo vor, welches bei diesen Wetter- und Bodenbedingungen lediglich als ‚wahnsinnig’ zu bezeichnen war und es grenzte wahrhaftig an ein Wunder, dass es noch nicht zu einem Sturz gekommen war.
Dennoch trieb er – um nicht zurückzufallen – sein eigenes Pferd weiter an, indes er seine Pistole aus der Halterung zog und den Hahn spannte.
Der Weg ließ die erntebereiten Felder hinter sich; die letzten zweihundert Meter wurde er von hochgewachsenen, uralten Eichen flankiert, deren ineinander verwachsenes Blätterdach so dicht war, dass weder Sonnenstrahlen noch Regen es zu durchdringen vermochten.
Laut hallte das Donnern der Pferdehufe auf dem nunmehr trockenen Boden durch die Nacht und endlich zügelte Tavington seinen Fuchs etwas, sodass der Rest des sechzig Mann starken Reitertrupps zu ihm und Bordon aufschließen konnte.
Sie alle waren bis auf die Knochen durchnässt, erschöpft und außer Atem, des langen und schnellen Rittes wegen, doch keiner von ihnen sagte ein Wort, keiner wagte es, den Colonel nach dem Grund seiner enormen Eile zu fragen.
Zum einen, weil es überflüssig gewesen wäre – der plötzliche Aufbruch, der waghalsige Ritt, die Entschlossenheit in den kalten grauen Augen ihres Kommandeurs, all dies konnte nur eins bedeuten: Rebellen – und zum anderen, weil nicht ein Mann unter den Dragoons den Mut besaß, Tavington anzusprechen, wenn er sich in solch schlechter Stimmung wie heute befand.
Selbst Bordon, welcher in gewisser Weise eine Sonderstellung in des Colonels Gunst innehatte, hielt sich zurück, trieb sein verschwitztes Pferd nur schweigend neben den Fuchshengst und wandte seinen Blick in Richtung des Herrenhauses – ihrem Ziel.
Das Gebäude, welches von imposanter Größe war, ragte in weniger als hundert Metern Entfernung in die Höhe. Der Besitzer hatte offenbar keine Kosten gescheut, um dafür zu sorgen, dass das Anwesen seinen Reichtum auch in gebührendem Maße widerspiegelte.
„Durch den Handeln mit England wurden sie reich und nun investieren sie jenes Vermögen in einen Krieg gegen ihr Vaterland – elende Verräter!“
Verächtlich schnaubte der Captain, was jedoch im Prasseln des Regens unterging.
„Bordon!“
Tavingtons Stimme riss den Captain unsanft aus seiner Gedankenwelt heraus.
Irritiert nahm der Dragoon zur Kenntnis, dass der Colonel gerade laut genug gesprochen hatte, um das Rascheln der Blätter, welche dem Wind hilflos ausgeliefert waren, und das beständige Geräusch herabfallenden Wassers zu übertönen.
„Sir?“
„Geben Sie mir Ihre Pistole! Unauffällig!“, verlangte Tavington, nahm beide Zügel in die linke Hand und ließ die rechte langsam sinken.
Dem Drang widerstehend, sich umzusehen und zu suchen, was der Colonel offensichtlich entdeckt hatte, trieb Bordon seinen Wallach mit leichtem Schenkeldruck noch ein Stück näher an das Pferd seines Vorgesetzten heran.
Durch den Körper seines Reittieres und seines eigenen, war die bewaffnete Hand nun vor etwaigen Blicken geschützt; dies ermöglichte dem Captain, die Pistole ungesehen weiterzureichen.
Tavingtons Hand schloss sich fest um den Griff der Waffe.
Er war des Wachpostens erst vor wenigen Augenblicken gewahr geworden, als dieser den Fehler begangen hatte, sich von seinem eigentlichen Platz zu entfernen und näher an den Reitertrupp heranzuschleichen.
Nicht mehr als ein Schemen war er gewesen, nahezu lautlos und von der nächtlichen Dunkelheit geschützt. Nichtsdestotrotz hatte der Colonel die Bewegung wahrgenommen.
Schwarzes Leder knirschte leise, als Tavington die Hand fester um den Pistolengriff schloss, und kurz darauf ertönte ein Knacken, welches vom Spannen eines Zündhahns erzählte.
Der Wachposten legte an.
Mittels Schenkelhilfen zwang Tavington seinen Hengst blitzschnell herum und feuerte in die Schwärze zwischen den gewaltigen Eichen. Donnernd zerriss der Schuss die vermeintlich friedliche Stille der Nacht; in der kühlen Luft breitete sich der charakteristische Geruch des Schießpulvers aus. Das dumpfe Aufschlagen des zu Boden fallenden Körpers war kaum noch zu vernehmen – zwei weitere Schüsse lösten sich aus Musketenläufen irgendwo rechts der Dragoons.
Eine der Kugeln streifte die Brust des Fuchshengstes, woraufhin dieser, erschrocken der plötzlichen Schmerzen wegen, zusammenzuckte und stieg.
„Angriff!“, schrie Tavington über das alarmierende Rufen der Rebellen und das beunruhigte Schnauben der Pferde hinweg und presste seinem Hengst die Beine in den Bauch, was diesen dazu veranlasste einen gewaltigen Sprung nach vorne zu machen und dann in einen schnellen Galopp zu verfallen.
Bordon – seiner Pistole beraubt – zog seinen Säbel und folgte dem Colonel, hinter ihm donnerte der restliche Reitertrupp die Allee entlang.
Rund um das Anwesen herrschte mittlerweile helle Aufregung.
Männer riefen sich über das Krachen von Schüssen und das dumpfe Donnern der Pferdehufe Worte zu, die nicht verstanden wurden, hinter dem Geländer der Veranda stand eine Frau und kreischte hysterisch, während ein weinendes Kind auf die Fronttreppe zurannte, eine Puppe unter den linken Arm geklemmt.
Der beißende Geruch von Schießpulver breitete sich in der regenfeuchten Nachtluft aus und die Schwaden, welche aus den vereinzelten Pistolen und Musketen emporstiegen, vereinten sich zu einer wabernden, stinkenden weißen Wand, welche die Sicht erheblich beeinträchtigte.
Nichtsdestotrotz traf Tavingtons Schuss einen der bewaffneten Männer in die Brust. Die Wucht der Kugel riss den Rebellen nach hinten; die Muskete entglitt dem Griff seiner Hand, der sterbende Körper prallte gegen die Hauswand und sank daran herab, eine blutige Spur hinterlassend.
Das Schreien der Frau wurde lauter, ein Projektil surrte nur Zentimeter an der rechten Schulter des Colonels vorbei und beförderte einen hinter ihm reitenden Dragoon mit einer hässlichen Wunde unterhalb des Schlüsselbeins aus dem Sattel.
Die Allee hinter sich lassend, fächerten die Kavalleristen auseinander. Die vordersten Reiter feuerten nun ihrerseits; sechs Rebellen fielen den Kugeln zum Opfer, zwei sanken verwundet auf den nassen Boden – der Schusswechsel verstummte.
Tavington brachte seinen Fuchshengst wenige Schritte vor der Treppe, welche hinauf auf die Veranda und somit auch zur Eingangstür des Anwesens führte, zum Stehen.
„Vierzig Dragoons umstellen das Gebäude! Sie sollen die Fenster im Auge behalten. Jedes Lebewesen, ganz gleich ob Tier oder Mensch, welches auch nur versucht, das Gebäude zu verlassen, wird auf der Stelle erschossen!“
Die Stimme des Colonels war ruhig; der nicht zu überhörende nachdrückliche Unterton, riet dringend dazu, den Befehl ohne mit der Wimper zu zucken auszuführen.
Bordon, der seinen Wallach neben Tavingtons Pferd gelenkt hatte, nickte stumm und reichte den Befehl an die übrigen Reiter weiter.
Umgehend setzten sie sich in Bewegung.
Die Zeit, welche der Captain benötigte, um den übrigen Dragoons die Anweisung mitzuteilen, nutzte Tavington zum Nachladen seiner Pistole. Erst als diese wieder sicher in ihrer Halterung steckte, fuhr er fort.
„Die Übrigen kümmern sich um unsere Toten und Verwundeten! Sie sollen in den Scheunen nach einem Wagen suchen, falls einige Dragoons nicht mehr in der Lage sein sollten, sich auf dem Rücken ihrer Pferde zu halten.“
Wieder gab Bordon den Befehl weiter und wieder wurde er sofort befolgt, anschließend stieg der Captain – ebenso wie sein Vorgesetzter – ab.
„Ich nehme an, die Rädelsführer haben sich irgendwo im Haus verschanzt! Brennen wir es nieder?“, fragte der Dragoon und blickte hinüber zu Tavington. Jener steuerte die am Boden liegenden, verwundeten Rebellen an und hatte den Captain entweder gar nicht gehört oder ihn schlicht und ergreifend ignoriert.
Seufzend winkte Bordon vier Soldaten heran. Wenn der Colonel gedachte, das Haus zu betreten, war ein wenig Unterstützung sicherlich sehr hilfreich.
Verächtlich musterte Tavington den im Dreck liegenden, tödlich verwundeten Rebellen, welcher gerade dabei war, sein unwertes Leben auszuhauchen.
Die Kugel hatte sich in seine rechte Brustseite gefressen; Blut veranlasste den Stoff dazu, gleich einer zweiten Haut am Körper des Mannes zu kleben.
Beim Anblick des Dragoons verfinsterte sich der vernebelte Blick des Rebellen und er versuchte, etwas zu sagen, doch an der Stelle von Worten floss lediglich dunkles Blut über seine Lippen.
Die Lunge war zerschossen – er konnte keinen Laut mehr von sich geben, außer einem ekelhaften Gurgeln, hervorgerufen durch das Blut in seiner Kehle.
Tavington überließ ihn seinem Schicksal und begutachtete den zweiten Verwundeten.
Ganz offensichtlich hatte jenen das Projektil nicht tödlich verletzt, denn als sich der Colonel näherte, machte er Anstalten sich in die Höhe zu stemmen.
Ein harter Tritt des Dragoons unterband die Anstrengungen umgehend. Keuchend wand sich der Rebell am Boden.
„Eure kleine Versammlung ist hiermit beendet!“
Tavington musterte den verwundeten Mann verächtlich und rümpfte leicht die Nase, gerade so, als liege ein besonders widerliches Tier vor ihm im Schlamm.
„Dem Tod kannst du ohnehin nicht mehr entkommen. Wenn du mich allerdings über den Anlass eures Zusammentreffens informierst, könnte ich mich dazu durchringen, dir ein schnelles Ableben zu gewähren.“
Auf diese Worte hin unternahm der Rebell noch einmal den Versuch, sich in die Höhe zu stemmen – diesmal verließ ihn jedoch die Kraft; keuchend sank er zurück, ohne dass Tavington hätte eingreifen müssen.
„Fahr zur Hölle, Schlächter!“
Höhnisch lächelnd winkte der Colonel zwei Soldaten herbei.
„In den Augen von Vaterlandsverrätern mag es heroisch sein, die Auskunft zu verweigern und stattdessen mit derartigen Äußerungen das eigene Schicksal zu besiegeln – andere sehen es als Zeichen äußerster Dummheit. Wie dem auch sei – heroisch oder nicht, es war die falsche Antwort!“
Gelassen wandte sich der Kommandeur der Dragoons an seine beiden Untergebenen.
„Hängt ihn auf! Seht allerdings zu, dass er sich nicht das Genick bricht. Wir wollen ihm den Heldentod nicht zu einfach machen.“
Ohne einen weiteren Blick an den Rebellen zu verschwenden, drehte Tavington den drei Männern den Rücken zu und kehrte gelassenen Schrittes zu Bordon und der auf Befehle wartenden Unterstützung zurück.
Mit der schussbereiten Pistole in der rechten Hand erklomm der Colonel – dicht gefolgt von Bordon und den vier Dragoons – die kleine, hölzerne Treppe, welche auf die Veranda führte und presste sich direkt neben der nicht sonderlich massiven Eingangstür an die weiß gestrichene Wand.
Eine knappe Geste genügte – einer der Soldaten trat heran und schloss die Hand um den bronzenen Griff der Tür. Ohne Probleme ließ sich diese öffnen und schwang mit einem leisen Knarren nach innen auf.
Nahezu lautlos betraten die Dragoons die geräumige, edel eingerichtete Eingangshalle, welche sich dunkel und verlassen vor ihnen erstreckte. Keine Menschenseele, niemand hieß sie mit angelegter Muskete willkommen.
Bordon machte Anstalten, den Soldaten mittels Handzeichen zu bedeuten, die übrigen Räume im Erdgeschoss nach menschlichem Leben abzusuchen, doch Tavington hielt ihn davon ab, indem er entschossen den Kopf schüttelte und die breite Treppe hinaufdeutete, die in das zweite, ebenfalls der nächtlichen Schwärze überlassene Stockwerk führte.
Leises Weinen drang von irgendwo dort oben kaum hörbar zu ihnen herab.
Seine Augen erwiesen ihm in der tiefen Finsternis, welche in dem Korridor herrschte, keinen Dienst und so ließ sich Tavington allein von seinem Gehör leiten; jenes führte ihn zu einer schweren Eichentür, ganz am Ende des schmalen Flurs.
Er sparte sich ein Handzeichen, welches seinen Begleitern suggerieren sollte, ihm Feuerschutz zu geben, da sie es in der Dunkelheit wahrscheinlich ohnehin nicht wahrnehmen würden und verließ sich darauf, dass zumindest Bordon wusste, was zu tun war.
Ein heftiger Tritt riss die Tür aus dem Schloss, schwungvoll schwang sie auf und krachte vernehmlich an die Wand – die Wucht ließ das Holz erzittern.
Gefolgt von Bordon und den Soldaten betrat Tavington den dahinterliegenden Raum.
Aufschreiend sprang eine Frau mittleren Alters aus einem großen Ohrensessel auf, welcher nahe des Kamins stand und zerrte panisch ein kleines Mädchen an sich, welches bis dahin auf dem weichen Teppich mit einer Puppe gespielt hatte.
Selbst wenn seine Augen die beiden nicht wiedererkannt hätten – sein Gehör, welches beim hysterischen Schreien der Frau schmerzhaft protestierte und ihm ein gereiztes Knurren abverlangte, machte ihm ohne weiteres klar, dass es sich um dieselbe Frau handelte, die kreischend auf der Veranda gestanden hatte.
Glücklicherweise verstummte sie in diesem Moment und begnügte sich damit, erbärmlich zitternd und blass, an ein teuer aussehendes Bücherregal gepresst dazustehen, das Kind fest an ihre Seite gedrückt. Ihre panisch aufgerissenen Augen hafteten auf Tavington.
Dessen Blick galt jedoch einem älteren Mann mit dunklem, von grauen Strähnen durchgezogenem Haar, welcher vor dem Kamin kniete und darum bemüht war, mit einem Schüreisen die heruntergebrannte Glut neu anzufachen.
„Haltet ihn auf!“, war alles, was Tavington in schneidendem Tonfall anordnete und die Dragoons beeilten sich, dieser Order nachzukommen.
Gerade in dem Augenblick, da zwei der Soldaten den Mann unsanft packten und in die Höhe zerrten, entflammte das kleine Stück Papier, welches auf der schwelenden Glut gelegen hatte.
Grob stieß Bordon einen dritten Dragoon beiseite und fischte das Blatt aus den züngelnden Flammen.
So behutsam es auf die Schnelle ging, erstickte er die Flammen und begutachtete seine Beute.
Das Blatt war mit einer eleganten Handschrift eng beschrieben, die nicht aussah, als stamme sie von einem dieser ungebildeten Bauerntölpel, und leicht zu entziffern war, jedoch war mehr als die Hälfte des Geschriebenen bereits den Flammen zum Opfer gefallen; unrettbar verloren.
Schweigend überreichte der Captain seinem Vorgesetzten das Beweisstück, welcher es umgehend überflog.
Nachdem wir genug Verbü… …bereitungen zu beginnen, um schnellstm… iten einen harten Schlag zu versetz… en uns in einer Woche in… schlag zu besprechen…
Mehr war nicht mehr zu entziffern.
Tavington gab Bordon den kläglichen Rest des Schriftstücks zurück und fixierte den älteren Mann – seiner Kleidung nach zu urteilen der Hausherr – aus eiskalten Augen heraus, in welchen heißer Zorn loderte.
„Worum geht es in dem Schriftstück? Wo trefft ihr verdammten Verräter euch in einer Woche?“, zischte der Colonel und klang dabei einer angriffslustigen Kobra nicht unähnlich.
Der Mann schenkte dem Dragoon nur einen überheblichen Blick und schwieg.
„Wo trefft ihr euch?“
Tavingtons Stimme hatte sowohl an Lautstärke, als auch an Schärfe gewonnen – der Zorn, welcher bei ihm stets dicht unter der Oberfläche brodelte, brach durch.
„Bordon, bringen Sie mir das Kind!“
Die Stimme des Colonels war zu einem düsteren Grollen geworden. Selbst die Dragoons, welche vor ihrem Vorgesetzten nichts zu befürchten hatten, solange sie sich still verhielten und nicht einmischten, zuckten merklich zusammen.
Wieder schrie die Frau gellend auf, doch ein Schlag ins Gesicht stellte sie ruhig und beförderte sie zu Boden, wo sie schluchzend liegen blieb.
„Nein, bitte… bitte, nicht Marie… ich flehe Sie an… bitte…“
Ohne auf das Gewimmer der Frau zu achten, zerrte Bordon das weinende Mädchen an Tavingtons Seite.
Was hätte er auch tun sollen? Den Befehlen seines Kommandeurs Widerstand zu leisten würde des Mädchens Leben nicht retten.
Die dunklen Augen des Hausherren weiteten sich voller Entsetzen, als der Colonel die rechte Hand im blonden Haarschopf das Mädchens vergrub und ihm den Lauf der Pistole an die Schläfe hielt.
Mit einem verzweifelten Aufschrei warf er sich nach vorne, doch seine Kraft reichte bei weitem nicht aus, sich dem Griff der beiden Soldaten zu entziehen. Auch sie waren blass.
„Ich frage ein letztes Mal: Wo ist der Treffpunkt?“
Der Blick beider Männer – Zorn und Verzweiflung – kreuzten sich für wenige Lidschläge, ehe der ältere der beiden den Kopf senkte.
„Origan Cottage! Origan Cottage ist der Treffpunkt!“
Schon das Unterbrechen des Blickkontaktes hatte Tavingtons Erwartung, dass der Verräter lügen würde, bestätigt – der spezielle Unterton, welcher bei den meisten Lügen die Stimme begleitete, unterstrich dies nur noch.
„Sie haben soeben das Todesurteil ihrer kleinen Tochter unterzeichnet!“
Der Kopf des Mannes ruckte in die Höhe, abermals warf er sich mit aller Gewalt gegen den Griff der Soldaten. Verbissen hielten sie dagegen.
Währenddessen hielt Bordon die nach ihrem Kind schreiende, vollkommen aufgelöste Frau mit eisernem Griff fest.
„Nein, ich habe es Ihnen doch gesagt! Ich hab Ihnen gesagt, wo sie sich treffen, bitte, ich…“
Ungerührt zog Tavington den Abzug durch. Links von ihm zersprang eine stattliche Vase. Sowohl das Klirren, als auch das dumpfe Aufschlagen des kleinen Körpers auf dem Teppich ging in dem markerschütternden Schrei der Frau unter, welche – nachdem Bordon den Griff um ihren Oberarm gelöst hatte – neben ihrem toten Kind zu Boden ging. Mit dem Oberkörper halb über dem Mädchen liegend, das Gesicht in den hellen Haaren vergraben und die blutige Puppe in der Hand, schrie sie ihre Trauer heraus.
Bordon senkte den Blick und schloss für einen Augenblick die Augen, indes die Dragoons vergeblich versuchten, den tobenden Mann festzuhalten. Dieses Mal gelang es ihnen nicht. Trauer und Hass verliehen ihm eine Kraft, der die Soldaten nichts entgegenzusetzen hatten.
Mit einem animalischen Aufschrei riss er sich los, sprang über seine zusammengekauerte Frau und seine tote Tochter hinweg… und direkt in Tavingtons gezogenen Säbel hinein.
Der Stahl drang in den Unterbauch des Mannes ein und fraß sich schräg nach oben durch dessen Körper.
Seine Augen weiteten sich erstaunt, ehe sie brachen. Der Tod riss sein Leben mit sich. Leblos sank er neben seiner Familie zu Boden.
Gelassen trat Tavington an eins der Fenster, welche von schweren samtenen Vorhängen verdeckt wurden und benutzte den teuren Stoff, um seinen Säbel zu säubern, ehe er die Waffe zurück in die Scheide gleiten ließ.
„Der Teufel soll dich holen, Schlächter!“
Ohne auf die Worte der Frau zu achten, welche die blutgetränkte Puppe ihrer Tochter an ihre linke Brust presste, wandte sich Tavington ab und verließ das Zimmer, dicht gefolgt von Bordon und den restlichen Dragoons. Und den geschrienen Worten der Frau.
„Mörder! Schlächter! Teufel!“
Auf dem Platz vor dem Anwesen standen mittlerweile zwei Planwagen. Vor beide waren jeweils zwei kräftig gebaute Pferde gespannt, deren ganze Aufmerksamkeit dem saftigen Gras galt, das zwischen den hohen Eichen wuchs.
Im vorderen Wagen waren die fünf Verwundeten untergebracht, im hinteren die drei Toten.
Tavington schwang sich auf den Rücken seines Fuchshengstes und setzte gerade dazu an, Bordon den Befehl zu geben, die Dragoons zusammenzurufen, als ein junger Soldat auf ihn zugeeilt kam.
„Sir, wir haben im Pferdestall einen leeren, aber nicht unbenutzten Stellplatz entdeckt und außerdem Spuren, die von dem Anwesen weg in den Wald führen. Sie sind knapp drei Stunden alt.“, fasste der Kavallerist zusammen.
Diese Neuigkeit verbesserte die ohnehin gefährliche Stimmung des Colonels nicht.
Sichtlich wütend riss er seinen Fuchs herum.
„Nehmen Sie sich zwanzig Mann, lassen Sie die Pferde aus dem Stall holen, veranlassen Sie, dass das restliche Vieh getötet wird und brennen Sie das Anwesen und sämtliche anderen Gebäude nieder. Anschließend folgen Sie uns mit fünf Mann – den Rest schicken Sie mit den Verwundeten und Toten nach Winnsboro!“, lautete der scharfe Befehl an Bordon. Dieser nickte zur Bestätigung, zwang sein Pferd herum und trieb es auf die Gruppe wartender Reiter zu, welche sich um die Planwagen versammelt hatten. Über das Wiehern und Schnauben der Pferde bellte er ihnen Befehle zu.
„Zeigen Sie mir die Fährte!“
Der junge Soldat nickte eifrig, schlug seinem Reittier die Beine in den Bauch und galoppierte davon. Tavington veranlasste seinen Hengst dazu, dem Kavalleristen zu folgen.
Jene Soldaten, die Bordon nicht um sich gesammelt hatte, um den Befehlen ihres Kommandeurs nachzukommen, schlossen sich dem Colonel an.
Während das stattliche Herrenhaus in Flammen aufging und das hungrige, rasant wachsende Feuer die Schwärze und Kühle der Nacht verdrängte und den Zuschauern ein schauderhaftes Schauspiel der Zerstörungswut bot, donnerte eine Abteilung Reiter über die schlammigen Felder der Plantage – einer gut sichtbaren Spur in Richtung Wald folgend.
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Normalerweise habe ich immer ein Schlusskommentar parat, aber heute weiß ich nicht so recht, was ich schreiben soll.
Diesem unschuldigen Mädchen das Schicksal zu bereiten, welches ich für es vorgesehen hatte, war schwieriger, als ich dachte.
Das liegt sicher auch daran, dass ich – wenn ich schreibe – die Szenen bildlich vor Augen habe, was es nicht gerade leichter gemacht hat.