Hamburg, Hansaplatz im Stadtteil St. Georg: Anfang September um drei Uhr nachmittags, sind Regen und unangenehmer Geruch wesentliche Empfindungen. Nässe kriecht durch die Sommerkleidung. Gestank bahnt sich den Weg in die Nasenflügel. Geruch, müßte man ihn beschreiben, vergleichbar  dem auf einer Fähre nach Helgoland bei starkem Wellengang. Diese unvergleichliche, schon fast ein wenig gewagte Komposition aus verbranntem Diesel und ausgekotztem Frühstück.
Also, zwei Stunden Beobachtung, die sind nicht drin, nicht hier und nicht bei dem Wetter!
Der Blick fällt unweigerlich kurz auf die Bronzestatue samt Brunnen, die sich gleich einem Relikt vergangener Tage in den grauen, wolkigen Himmel erstreckt. Man liest die verwaschene Inschrift auf dem Denkmal und vergißt sie augenblicklich. Ironisch plätschert das Wasser im Brunnen vor sich hin. Ecke Bremer Reihe, 30 Schritte weiter ein Pissoir und gegrätschte Beine dahinter. Ein hemdsärmeliger Herr erscheint hinter dem Sichtschutz und fühlt sich wohl ein wenig beobachtet, zügigen Schrittes zurück zur Arbeit?
Mit dem Rücken Richtung Hauptbahnhof sticht eine Kneipe namens „Windstärke 11“ ins Auge. Im Eingang lehnen zwei  alte kugelige Bäuche, rauchend und über das Wetter lamentierend. Dann, ganz unverhofft haucht eine dunkle

Schönheit ein „Wanna come with me, babe?“ heraus.
„Willst Du mit mir kommen, Baby?“  Heißt das wohl auf Deutsch. Von dieser Aufforderung angetrieben schnell weiter über die „Bremer Reihe“. Ein Stau von Autos. Ein Mercedes ganz vorne. Eine dem Wetter nach unpassend gekleidete Dame am Straßenrand. Die Tür des Benz fliegt auf und ein grauer, glatzköpfiger, schlanker Herr im Anzug steigt aus.
„Herbert!“ kreischt sie voll falscher Begeisterung. Sie umarmt ihn.
„Komm malwieder, vorbei!“ Autofahrer in der Schlange machen ihrem Unmut per Hupe Luft.
Herbert macht noch ein bißchen auf Small Talk und steigt dann wieder in seine anthrazit farbene Luxuskarosse. Jetzt aber wieder fix ins Büro! Immobilien oder Anwaltskanzlei?
Zwei Polizisten schlendern die Bremer Reihe hoch. Hinterher! Vielleicht wird man ja noch Zeuge eines Zugriffes! Die in den Hauseingängen rumlungernden Jugendlichen interessieren die beiden Vertreter der Exekutive ebenso wenig wie die Mädchen, die in lumpigen Klamotten am Straßenrand auf Freier warten. Ihre Gesichter sind nicht mehr von dieser Welt: grau und irgenwie nicht einmal traurig.
„ Haben Sie ne Zigarette?“
„Danke.“ ihre Hände sind faltig und die Fingernägel dreckig.
„Paß auf dich auf!“

Nein, Du auf dich!