Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Späte Rache

von Jadda
Kurzbeschreibung
GeschichteKrimi / P16 / Gen
Dr. Spencer Reid
25.09.2007
03.10.2007
2
8.866
4
Alle Kapitel
10 Reviews
Dieses Kapitel
3 Reviews
 
 
25.09.2007 2.047
 
Zärtlich strich er die blonden Haare aus dem Gesicht. Es fühlte sich so gut an und er wollte diesen Moment nicht verstreichen lassen und lies die Hand auf seiner Wange liegen. Die Haut fühlte sich so zart an unter seinen Fingern. Sein Haar umschmeichelte sein Gesicht und die feinen Züge faszinierten ihn. Er strich mit der Hand über die Wange und gab sich ganz und gar diesem Gefühl hin. Seine Finger fuhren die Konturen der Wangenknochen entlang und verharrten an seinen Lippen. Er spürte den warmen Atem des jungen Mannes und berauschte sich an dem Gefühl, vollkommene Macht über ihn zu haben.

Dexter Collins war von dem jungen FBI-Agenten überrascht worden und hatte unmittelbar auf die Bedrohung reagiert und ausgeholt. Nun lag der Mann regungslos vor ihm auf dem nackten Betonboden der alten Lagerhalle. Wie hatte er nur herausfinden können, wo er seine Opfer versteckt hielt? Niemand wusste wer er war und daher konnte auch niemand wissen, dass er hier früher gearbeitet hatte, bevor die Fabrik die Pforten geschlossen hatte. Das war nun bereits fünf Jahre her und seitdem war es immer nur bergab gegangen. Dexter hatte nach seinem Job auch sein Haus verloren und nun lebte er in einer billigen Absteige im North End, wo die Dealer vor seinem Zimmer ihre Geschäfte abwickelten. Doch Dexter würde nicht aufgeben, er hatte eine neue Herausforderung gesucht und gefunden. Beim ersten Mal war es schief gegangen, aber dieses Mal würde er alles richtig machen.

Seine Finger strichen wieder über das Gesicht des Mannes und verwischten dabei die feinen Linien aus Blut, die ihm über die Stirn liefen. Er hätte nicht so fest zuschlagen sollen, aber auf die schnelle hatte er nur den alten Eimer greifen können. Dexter sah sich den Mann genauer an. Ja, es war eindeutig der FBI-Agent, der hinter der blonden Frau und seinem Bruder gestanden hatte, als sie über die Fortschritte in seinem Fall berichtet hatte. Er sah so gar nicht wie ein Agent aus, eher wie ein Student.

Dexter fuhr mit der Hand in die Taschen des regungslosen und zog seine Brieftasche hervor. „Special Agent Dr. Spencer Reid!” Der Ausweis bestätigte seine Ahnung. Er musste sich etwas einfallen lassen. Bisher hatte er gedacht, das FBI würde ihn niemals finden, wie überheblich das war, zeigte ihm dieser junge Agent. Was machte er überhaupt ganz allein hier? Dexter drehte den Mann vorsichtig auf die Seite und zog die Waffe aus dem Gürtelhohlster. Er verabscheute Waffen jeder Art, sein Vater hatte ihm immer das Schiessen beibringen wollen, aber er hasste den Lärm den Waffen machten und er hasste den Ausdruck auf dem Gesicht seines Vaters, wenn er wieder einmal auf einen der streunenden Hunde ihrer Nachbarschaft geschossen hatte.

Dexter wog die Waffe in der Hand und warf sie dann nach rechts weg, wo sie mit einem Platschen in den alten Wasser gefüllten Gruben landete. Er durchsuchte den Mann weiter und fand noch ein Handy, dass er sorgsam zur Seite legte. „Gut, Agent Reid, nur weiß ich gar nicht, was ich nun mit ihnen machen soll. Vermutlich werden ihre Kollegen auch bald hier auftauchen und dann habe ich ein Problem.“ Dexter sah beunruhigt zur Rückseite des Raumes, wo eine kleine Luke zu einem schmalen Gang führte. Sie war kaum zu sehen und meist platzierte er noch eine große alte Öltonne davor, falls sich doch einmal jemand hier her verirrte.

„Nun gut!“ Er stand auf und zog dabei den Oberkörper Reids an seinen Armen hoch. Wie leicht der Kerl doch war. Dexter hatte immer schwer gearbeitet und so gelang es ihm mit Leichtigkeit sich den Mann über die Schultern zu werfen. Schleifspuren hätten sein Versteck verraten können. Wenn er zurückkam, würde er alle Spuren verwischen müssen.

***

„Komm schon JJ, das kann nicht dein Ernst sein.“

„Doch! Ich habe hier zweitausend mögliche Täter.“

„Lässt es sich wirklich nicht weiter eingrenzen?“ Morgan nahm der jungen Frau die Akten ab, die sie ihm entgegenhielt. Natürlich hatten sie bisher nicht viele Parameter, um die Suche nach dem Entführer einzugrenzen, aber diese Summe war wesentlich höher als er vermutet hatte.

„Leider nein, dafür sind die Indizien bisher zu dürftig. Ein weißer, ca. 40-50 Jahre alt, aus gutem Hause und mittlerer Bildung, vermutlich ohne feste Anstellung und laut Zeugenaussage Brillenträger und blond.“

„Was natürlich auch Tarnung sein könnte.“

JJ sah sich in dem Großraumbüro des San Jose Police Departments um. „Wo sind die anderen gerade?“

Derek griff zu seiner Kaffeetasse und schlug den ersten Aktendeckel auf. „Gideon spricht noch einmal mit den Eltern der Kleinen und Elle und Hotch sind in der Nachbarschaft unterwegs und Reid sollte sich noch einmal an der Seapers Primary School umsehen.“

JJ nahm sich einen Stuhl und zog eine der Akten zu sich herüber. „Ich verstehe einfach nicht, warum keiner etwas gesehen hat. Zweihundert Schüler feiern auf dem Sportplatz ein Sportfest und Kylie Simmons ist eine von ihnen. Es muss doch jemand etwas gesehen haben.“

„Du hast den Grund schon erkannt.“

„Was?“ Die junge Agentin sah irritiert zu ihrem Kollegen.

„Zweihundert Schüler - da achtet niemand auf das eine kleine Mädchen mit dem blauen Trainingsanzug und den blonden langen Haaren, das vielleicht kurz zur Umkleidekabine geht und dann nicht wieder zurückkommt.“

„Miss Jarreau, ich habe hier etwas, dass Sie interessieren dürfte.“ Captain Collins hatte den Fall von Anfang an betreut und war ihr Kontaktmann vor Ort.  In seiner Hand hatte er eine dicke Akte. Derek war der Kerl suspekt, er kniete sich dermaßen in die Klärung der Sache hinein, als wäre es sein ganz ureigener Kreuzzug. Er trat an den Tisch heran. „Es ist ein alter Fall.“

„Wir sind die ungeklärten Fälle doch bereits durchgegangen...“ Derek wollte ausholen, doch der eifrige Captain unterbrach ihn gleich wieder. „Ich weiß, ich weiß. Aber dieser Fall gilt als geklärt. Ich hab ihn damals mitbearbeitet und mich an die vielen Parallelen erinnert.“

„Zeigen Sie mal her.“ Derek nahm die Akte und schlug sie auf. Das erste was ihm auffiel, war die frappierende Ähnlichkeit des Mädchens auf dem Foto mit Kylie Simmons.

„Damals hatten wir einen Hauptverdächtigen, die Beweise waren knapp und so war es größtenteils ein Indizienprozess. Clive Atkins ist zu zwanzig Jahren verurteilt worden. Das ganze ist jetzt bereits zwei Jahre her und er sitzt im Attica Jail in San Francisco ein.“

JJ versuchte ebenfalls einen Blick in die Akte zu erhaschen. „Die Mädchen sehen sich sehr ähnlich, gibt es andere Gemeinsamkeiten?“

Beide Mädchen waren im gleichen Alter und beide Mädchen wohnten im gleichen Stadtgebiet und sie hatten beide Sport betrieben. Sabrina Meyers hatte damals mit ihrer Mutter im Park Verstecken gespielt und war dann nie wieder aufgetaucht. Ihre Leiche wurde nie gefunden.“

„Aber wie hatte man Atkins dann verurteilen können?“ Derek fand die Sache äußert seltsam.

„Man fand Blutspuren in seinem Haus, die dem Mädchen gehörten. Das genügte dem Richter, denn Atkins hatte auch kein Alibi vorzuweisen.“ Collins sah Derek erwartungsvoll an. Es war fast als erhoffte er eine Belohnung für seinen Hinweis. „Captain, können Sie mir alle Unterlagen zu diesem Fall besorgen?“

„Aber sicher, in 30 Minuten haben Sie alles auf dem Tisch.“ Damit wandte er sich um und strebte die Tür des Großraumbüros an. Derek vertiefte sich in das Bild von Sabrina Meyers.

„Denkst du die beiden Fälle gehören zusammen?“

„Möglich. Informierst du bitte die anderen, ich überprüfe das ganze mal.“

***

Kylie hatte fürchterliche Angst. Der Raum in dem sie eingesperrt worden war, roch fürchterlich und nur eine kleine Glühbirne über der eisernen rostigen Tür erhellte den Raum. Der Mann hatte sie vor kurzem hier zurückgelassen, fest gekettet an einem Rohr. Die ca. ein Meter lange Stahlkette ließ ihr nur wenig Spielraum, aber sie nutzte ihn, um nach einem Ausweg zu suchen. Nachdem der Kerl sie sich von hinten geschnappt und aus der Toilette geschleift hatte, war er mit ihr hier her gegangen. Kylie hatte sich gewehrt, doch der Mann hatte seinen Griff nur noch verstärkt und ihr wehgetan, also hatte sie es irgendwann aufgegeben. Sie hatte schreien wollen, aber die Hand auf ihrem Mund verhinderte dies unerbittlich. Irgendwann hatte sie den Sportplatz nicht mehr sehen können.

Sie erinnerte sich an den Geruch, den diese alte Fabrik verströmte. Früher hatte ihr Vater hier gearbeitet, aber dann war die Firma Bankrott gegangen. Kylies Dad war dort Wachmann gewesen und danach Portier in einem großen Hotel. Sie wünschte, ihr Vater wäre jetzt hier, sie hatte solche Angst. Vielleicht kam der Kerl nie wieder und sie würde hier sterben oder wenn er doch kam, was würde er mit ihr tun? Als sie hier angekommen waren, hatte er ihr die Fesseln angelegt und sich dann auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Raumes gesetzt und sie stundenlang angestarrt. Kylie hatte weggesehen, mit ihm geredet, ihn angeschrieen und geweint, doch er hatte keine Miene verzogen. Irgendwann war Kylie eingeschlafen und als sie erwachte, war er fort. Stundenlang hatte sie immer wieder um Hilfe geschrieen und an ihren Fesseln gezerrt, bis ihr Handgelenk ganz blutig war.

Geräusche, Kylie erkannte sie, so hörte es sich auch an, wenn ihr Vater spät abends von der Arbeit kam und noch einmal nach ihr sah. Aber dieses Mal waren  die Schritte schwerfälliger. Vielleicht brachte er etwas zu Essen oder Trinken mit.

Die eiserne Tür öffnete sich quietschend und er starrte sie direkt an. Kylie wollte dem Blick ausweichen, aber sie sah gebannt zu dem Mann, den er über seine Schultern gelegt hatte. Sie kannte ihn nicht, was sollte das bloß alles? Ihr Angreifer lies ihn neben ihr zu Boden gleiten und jetzt sah Kylie das viele Blut in seinem Gesicht. Sie wich zurück an die Wand, denn sie wollte auf keinen Fall in die Nähe ihres Peinigers kommen. Dieser nahm ein paar Handschellen aus einem Rucksack neben der Tür und kettete damit dem Bewusstlosen die Arme auf den Rücken. Dabei ging er schon fast vorsichtig mit dem jungen Mann um, dessen blonde Haare ihm wirr ins Gesicht hingen. Wortlos machte der Mann kehrt und schloss die Tür hastig hinter sich. Erleichtert und zugleich frustriert, hörte sie ihn das Schloss verriegeln.

Kylie wusste nicht was sie tun sollte. Wer war das andere Opfer dieses Mannes und warum war er hier mit ihr gefangen? Sie drückte sich so weit wie möglich an die Wand und schloss die Augen, vielleicht konnte sie so all dies hier ausblenden, wenn sie ganz kräftig an zu Hause dachte, wo Mummy und Daddy mit ihr spielten.

***

„Ich verstehe das nicht.“ Jason sah sich noch mal alle Details an, die sie bisher zusammenbekommen hatten. Vor 13 Stunden war die 10-jährige verschwunden und noch am gleichen Tag hatte man in einer der Umkleidekabinen des Sportcenters einen abgeschnittenen Zopf blonder Haare gefunden. Das war auch der Grund für das schnelle Einschalten des BAU gewesen. „Warum macht er das, das Ganze ergibt für mich kein rundes Bild.“

Derek hatte sie alle über den zweiten Fall Sabrina Meyers informiert. Auch sie hatte lange blonde Haare gehabt und Derek hatte den Haarschopf gleich auf ihre DNA hin überprüfen lassen, doch noch stand das Ergebnis aus. Es war fraglich ob sich in dem Haarbüschel ein Haar mit Wurzel befand.

„Elle, was haben die Nachbarn gesagt, ist ihnen irgendetwas aufgefallen?“

„Nein. Keine Autos, die das Haus der Simmons ausspioniert haben könnten, keine Einbrüche oder unbekannten Personen oder andere Beobachtungen. Jeder geht dort nur seinen eigenen Dingen nach. Eine Freundin von Kylie sagte, sie wäre auch auf dem Sportfest gewesen und sie hätte nach ihr gesucht. Sie wohnt drei Häuser weiter.“

„Das muss Ginger Mead sein, sie hat zuerst bemerkt, dass ihre Freundin nicht mehr da ist und eine der Lehrerinnen benachrichtigt.“ Jason hatte ihren Namen gestern auf die große Tafel geschrieben.

„Sie sagt, sie hätte mit Kylie oft Verstecken gespielt und zunächst gedacht, die würde sich vor ihr verstecken.“

„War nicht Sabrina Meyers beim Versteckspielen verschwunden?“

„Ja im Park.“.

Jason stellte sich erneut vor die Wand, die alle ihre bisherigen Spuren dokumentierte. Sie hatten bisher viel über das Opfer, vielmehr die Opfer erfahren, aber noch kaum Anhaltspunkte zum Täter gefunden. Einige Zeugenaussagen am Sportplatz berichteten von einem blonden Mann mit Brille, den sie nicht gekannt hatten. Jason sah zu den Angaben herüber, die Derek zum Fall Meyers ergänzt hatte. Auch dort gab es ein Phantombild, das einen Brillenträger zeigte. Es passte alles zusammen, war aber nicht eindeutig genug.

„Wo ist eigentlich Reid, die Schule ist doch schon längst aus?“
Review schreiben
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast