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Antworten

von Meldis
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama / P18 / Gen
27.05.2007
18.06.2007
4
9.401
2
Alle Kapitel
6 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
27.05.2007 3.521
 
Disclaimer: Keiner der Charaktere aus dem Film oder dem Comic entspringen meinem geistigen Eigentum. Ich habe keinerlei Rechte an ihnen und verdiene mit dieser Geschichte, natürlich, kein Geld. Wäre ja auch noch schöner...

Anmerkung: *möp* Noch ein Kapitel, auch wenn ich keine Ahnung habe, ob das hier überhaupt irgendwer liest...macht ja auch nix ^^. Ich hab das Kapitel in einem Rutsch durchgeschrieben und nicht noch mal übergelesen, sondern einfach fix gepostet. Es ist einfach zu spät, um nochmal nach Fehlern zu suchen und morgen und übermorgen habe ich dafür einfach keine Zeit mehr. Hoffentlich ist es trotzdem einigermassen und es gefällt euch. Wenn nicht, oder wenn doch (wer weiß!) schreibt mir doch bitte eine Review mit viel Kritik :). Ich würd mich freuen!
Mel



Heimweg

"...Für kranke Menschen. Für mein Herzeleid
Sucht' ich dort Heil, doch Liebe wärmt die Flut,
Kein Wasser aber kühlt der Liebe Glut."

Leise und voller Sehnsucht flogen die letzten Worte des 154. Sonetts von Shakespeare durch den Raum und verklangen leise in der anhaltenden Stille der anwesenden Gäste. Anah schloss kurz die Augen und lehnte sich glücklich in den flauschigen Ohrensessel zurück. Die 154 Sonette hatten sie berührt und sie fühlte, dass es auch den anderen Besuchern der Teeschenke so gegangen war. Nur bei einem Gast war sie sich nicht sicher, ob Ulis zauberhafte Stimme seine Wirkung entfalten konnte. Der Amerikaner nippte teilnahmslos an seinem Kaffee und starrte finster auf seine eigenen Hände, die, soweit es Anah sehen konnte, leicht zitterten.

Sie hatte sich von Anfang an darüber gewundert, warum Tanja ihn hineingebeten hatte. In seinem schmuddeligen Trenchcoat und seinem schwarzen Anzug wirkte er hier so fehlplatziert, dass er ihr schon fast leid tat. Auch die anderen Gäste hatten ihn anfangs zweifelnd gemustert, aber die Sonettreihe hatte sie schnell wieder in ihren Bann gezogen. Anah stand auf als die versammelten Gäste zu klatschen begannen und ging zu ihrem "Lieblingsgast". Innerlich wappnete sie sich, dass sie gleich der nächste finstere Blick treffen würde, doch dieses mal war sie vorbereitet und würde besser reagieren können - mit einem strahlenden Lächeln.

Constantine blickte nicht auf, als die junge Kellnerin wieder an ihn heran trat. Der Vortrag hatte auch ihn nicht unbeeindruckt gelassen und er ließ in Gedanken die letzten Worte des Gedichts noch einmal an ihm vorbeiziehen.

Kein Wasser aber kühlt der Liebe Glut.

>Stimmt...es gibt wesentlich effektivere Liebeskiller. Ein Arschloch zu sein ist zum Beispiel wesentlich schneller wirksam.<< dachte er bitter. Mit einem großen Schluck stürzte er den Rest des viel zu heißen Kaffees hinunter und spürte mit Genugtuung den stechenden Schmerz auf seiner Zunge und im Rachen.
"Entschuldigung, darf ich abräumen?" Die leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte überrascht hoch. Anah blickte sanft zu ihm hinab und er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie etwas von seinem Schmerz spüren konnte.

"Sicher, räum ruhig ab. Kann ich dir das Geld gleich geben?" Anah konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken als sie ihm die Tasse aus der Hand nahm. "Sie haben schon bezahlt. Vorhin als ich Ihnen den Kaffee gebracht habe." Sie zuckte zusammen, als sie seine Hand berührte. Die Anspannung, die in Johns Körper konstant herrschte war selbst in seiner Hand zu spüren. Sie fühlte sich hart und schon fast unangenehm kühl an. Rasch nahm sie ihm die Kaffeetasse ab und stellte sie auf ihr Tablett. Auch er hatte gespürt was in ihr vorging und ein schmales Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Es war die typische Reaktion der Leute, die ihn das erste Mal berührten, oder ihm so nahe waren, dass sie es spüren konnten. Chas und Angela und auch alle anderen waren im ersten Moment zurückgeschreckt. Sie alle spürten instinktiv die unnatürliche Spannung in seinem Inneren, die sich wie von selbst auf seine Muskeln übertrug.

Doch ihre Reaktion war heftiger als bei allen anderen gewesen und Constantine wäre nicht er gewesen, wenn er nicht hätte rausfinden wollen, woran das lag. Sie stand immer noch vor ihm und hielt das Tablet wie einen Schutz halb vor sich. Unvermittelt und schnell erhob er sich aus dem bequemen Sessel. Anah hatte keine Chance zurückzuweichen, denn hinter ihr befand sich die Wand und Constantine versperrte mit seinem Körper den einzigen Weg. Sie zitterte, als sie spürte, wie sich seine Anspannung fast greifbar um sie legte und sie drohte zu erdrücken. Ihre großen, braunen Augen huschten ängstlich nach rechts und nach links und Constantine lächelte.

Manchmal machte es einfach zu viel Spaß ein Arsch zu sein...

Er beugte sich noch ein wenig weiter zu ihr vor, während sie sich an die Wand lehnte, um seiner Nähe zu entkommen. Er wusste, dass er nahe an ihrer persönlichen Freiraumgrenze entlangschrappte, aber die Gelegenheit sie aus der Reserve zu locken wollte er sich nicht entgehen lassen. Ein weiterer kleiner Schritt in ihre Richtung ließ den Raum zwischen ihnen nur noch durch das schmale Brett erscheinen, auf dem immer noch einsam seine Tasse stand. Ihre Augen waren immer größer geworden und er konnte ihre Angst fast anfassen, so deutlich hing sie zwischen ihnen.

John grinste selbstgefällig und legte einen fünf Euroschein sanft auf das Tablett zwischen ihnen. "Danke für den Kaffee...hat gut geschmeckt." Er wandte sich von ihr ab, um seinen Mantel vom verschnörkelten Jackenständer zu nehmen. Anah atmete auf, als er endlich von ihr abließ. Ihr Herz raste und sie merkte erst jetzt wie sehr ihre Hände gezittert hatten. Stoßweise atmend löste sie sich von der Wand und stellte das Tablett auf die Theke, während sie sich mit der anderen Hand durch ihr Haar fuhr. Eine Strähne zwischen zwei Fingern drehend blickte sie zu den anderen Gästen hinüber, die anscheinend nichts bemerkt hatten. Auch Tanja und Uli waren voll und ganz beschäftigt und so war niemandem aufgefallen, was dort in der Ecke der Teeschenke vorgegangen war. Noch nie hatte Anah jemand so sehr verstört wie dieser Mann.

Es war ihr unangenehm gewesen, dass er ihr so nahe gekommen war. Sicher - sie kannte ihn nicht und er hatte ihre persönliche Grenze mit einer Brutalität überschritten, die ihr den Atem geraubt hatte, doch das war es nicht. Die Anspannung die diesen Mann durchflutete war ihr unheimlich und stimmte sie auf eine seltsame Art und Weise traurig. Anah hatte gespürt, dass sein Angriff, wenn man es so ausdrücken konnte, nicht speziell auf sie gerichtet war. Sie war zwar sein Ziel gewesen, doch trotzdem hatte sie nicht das Gefühl als wäre sie der konkrete Grund für sein merkwürdiges Verhalten. Langsam nahm sie die Schürze ab und legte sie ordentlich zusammengefaltet hinter die Theke. Es war Zeit die Teeschenke zu verlassen und den Heimweg anzutreten. Fahrig strich sie sich über ihr Kleid und griff rasch nach ihrer Umhängetasche, die unter der Theke an einem Haken baumelte.

Als sie noch einmal durch den Caféraum blickte, bemerkte sie erstaunt, dass der Amerikaner verschwunden war. Anah seufzte auf und schüttelte den Kopf. Es war seltsam, aber sie hätte sich, trotz seines mehr als seltsamen Verhaltens, gerne verabschiedet. Mit einem Scherz auf den Lippen verabschiedete sie sich von Uli und Tanja, die ihr lachend antworteten. Sie schob den Vorhang vor dem Ausgang zur Seite und winkte den beiden noch einmal zu.

"Anah!" rief ihr Uli grinsend nach und sie drehte sich im Gehen noch einmal um. "Wenn du heute Nacht noch jemanden aufreißt, denk dran: Kein Wasser aber kühlt der Liebe Glut. Also: wirf den armen Kerl nicht gleich in die Regnitz, wenn er dir nicht gefällt. Jetzt weißt du ja, dass auch das nicht hilft."

Anah lachte laut auf und schüttelte den Kopf. "Ich werd's mir merken, oh weiser Uli. Aber was hälst du davon, wenn ich ihn einfach in den Kanal schmeiße. Das hilft doch bestimmt." Ein Lachen der beiden ertönte als Antwort und schmunzelnd bog sie um die Ecke. Die Altstadt lag ruhig da und sie bewegte sich mit zügigen Schritten voran. Synchron zu ihrem schnellen Gang klimperte ihr Schlüssel in der Tasche leise.
>Kein Wasser aber kühlt der Liebe Glut. Na das wollen wir doch erstmal sehen.< schmunzelte sie und schlug den Weg über die Holzbrücke ein, unter der das Wasser der Regnitz schnell und ungestüm daher floss. Das Rauschen in den Bäumen am Ufer und das des Flusses verschmolzen in der Stille miteinander und Anah genoss das gleichmäßige Geräusch, während ihre Schritte leise auf dem Holzboden der Brücke ertönten.

In der Mitte der Brücke blieb sie stehen und blickte in die strömenden Wassermassen hinab. Die Gischt tanzte im Mondlicht auf den kleinen und großen Wirbeln und erzeugte immer wieder ein neues Bild. Ein Geräusch ließ sie aufblicken und sie erkannte am Anfang der Brücke eine Gestalt. Ihre Augen weiteten sich erstaunt, als sie den Amerikaner aus dem Café erkannte. Ihr Herz schlug unwillkürlich schneller und sie spürte wie ihr kalt wurde. Ihre Hände krallten sich in das hölzerne Geländer der Brücke und sie atmete bewusst langsam aus.

Constantine war ihr gefolgt. Er selber wusste nicht genau was er sich davon versprach, aber die junge Frau stellte eine Verbindung zu dem beunruhigenden Traum her und er war nicht gewillt sich diese Chance entgehen zu lassen. In dem schwarzen Kleid hob sie sich kaum vom dunklen Hintergrund der Nacht ab und unwillkürlich schoss ihm wieder die Frage in den Kopf auf welcher Seite sie wohl stand. Er hatte auch in ihrer unmittelbaren Gegenwart nicht ausmachen können wer oder auch was sie war und das beunruhigte ihn. Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass sie ein ganz normaler Mensch war, doch Constantine ging lieber von dem schlimmsten aus. Ein dreckiges Halbblut war meistens leichter zu ertragen - und zu beseitigen - als ein Mensch. Gelassen betrat er die Brücke und bewegte sich auf sie zu. Innerlich musste er grinsen, denn sie sah ihn an wie ein Reh im Scheinwerferlicht - unfähig sich zu rühren oder eine Emotion außer Angst zu zeigen.

Kurz bevor er sich erreichte, er war vielleicht nur noch 10 Schritte von ihr entfernt, drehte sie sich mit einer Geschwindigkeit, die er ihr nicht zugetraut hätte, um und spurtete davon. John fluchte lauthals und setzte zur Verfolgung an. Ihre Schritte trappelten im schnellen Stakkato über das Holz der Brücke, während er ihr fast geräuschlos nachsetzte. Sie ließ die Brücke hinter sich und bog hinter einer Bank scharf links ab. Constantine schlitterte fast um die Kurve, so überraschend war ihre halbe Wende für ihn gekommen. Doch er fing sich schnell und der Abstand zwischen ihnen begann zu schmelzen. Links von ihnen lag der Fluss während rechts von ihnen ein großes, sehr altes Herrenhaus den Weg begrenzte. Es gab keine Straßenlaternen und er konnte sie an manchen Stellen nur noch durch ihren keuchenden Atem vor sich ausmachen.

Anah war noch nie eine gute Rennerin gewesen und auch jetzt musste sie sich eingestehen, dass es wohl doch Zeit wurde mehr Sport zu treiben. Ihre Beine fingen an schwer zu werden, obwohl die Angst ihr zusätzliche Kräfte verliehen hatte. Das Adrenalin pumpte wie wild durch ihre Adern und mobilisierte noch einmal alles, als sie die steile Rundbogenbrücke über dem Fluss überquerte. Sie erreichte beinahe den Zenitpunkt der Brücke als ihr rechter Fuß aufeinmal unter ihr wegknickte. Mit einem leisen Schmerzensschrei hielt sie sich am Geländer fest und keuchte erschrocken auf. Keine Zeit stehen zu bleiben, sie musste weiter. Humpelnd machte sie ein paar verzweifelte Schritte, doch eine Hand an ihrem Oberarm machte ihr klar, dass die Flucht alles andere als erfolgreich verlaufen war.

Beide starrten sich heftig atmend in die Augen. Ihre waren angsterfüllt, während seine vor Zorn und Unmut über ihre überflüssige Flucht dunkel geworden waren. Er sah wie sie das Gesicht schmerzerfüllt verzog, als er sie vollends zu sich umdrehte. Der Griff um ihren Oberarm lockerte er ein wenig und blickte sie ruhig an. Ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre Brust hob und senkte sich in einem schnellen Rhythmus, der ihm zeigte, dass sie schnelles Rennen nicht gewöhnt war. Sie selbst blickte ihn immer noch angsterfüllt an, nicht wissend was nun kommen sollte. Ohne weiter nachzudenken versuchte sie seine Hand abzuschütteln.

"Fuck, man lass mich los! Was bist du eigentlich für ein gestörter Idiot?! Ich hab dir nichts getan und jetzt lass - mich - los!" Wütend zerrte sie an seiner Hand und schüttelte wie wild ihren Oberarm. Mit unbewegter Miene drückte Constantine etwas fester zu und sie schrie leise auf. "Scheiße, jetzt lass mich los! Ich, ich versprech auch alles zu tun was du willst." Er konnte sehen, wie sich ihre Augen mit Tränen zu füllen begannen und sie verzweifelt versuchte diese zurück zu halten. Er zog sie so nahe zu sich, dass er seine Stirn fast an ihre lehnen konnte. "Ich habe nur eine Frage." Seine Stimme klang gefährlich leise und sie schluckte die patzige Antwort, die ihr auf der Zunge lag wieder runter und nickte stattdessen eingeschüchtert.

"Was zur Hölle bist du? Oder um es noch anders zu sagen: Für welche Seite arbeitest du?" Forschend bohrte sich sein Blick in ihre braunen Augen in denen sich erst völliges Unverständnis und dann unverhohlene Panik ausbreitete.
>Der Kerl ist völlig wahnsinnig...< schoss es Anah durch den Kopf und ihre Angst bekam damit neues Feuer. Fieberhaft überlegte sie, was sie sagen sollte, um ihn davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war und er sie endlich los ließ. Seine bedrohliche Nähe machte ihr furchtbare Angst und seine stechenden Augen verursachten eine Gänsehaut auf ihren Armen.

"Ich...ich...bin auf der gleichen Seite...wie du auch." Ihre Stimme war nur ein heiseres Krächzen. Anah spürte einen Funken Hoffnung aufkeimem als sie sah, wie er bedächtig nickte. Doch dieser erlosch und sie schien innerlich zu Eis zu gefrieren, als sie seine weiteren Worte vernahm.

"Das werden wir ja gleich sehen."

>Oh Gott...der Kerl tötet mich! Warum hab ich das verdammte Pfefferspray nicht mitgenommen?! Scheiße, hier muss doch irgendwer vorbei kommen, der mir helfen kann." Wild blickte die junge Frau um sich, während die Tränen nun ungehindert ihre Wangen hinunter strömten. Constantine bemerkte ihre Verzweiflung und zuckte innerlich mit den Schultern. Halbblüter hatten ihn schon auf jede erdenkliche Art und Weise verarscht und an der Nase herumgeführt. Das hatte er leid. Während er sie mit der einen Hand immer noch festhielt, langte er mit der anderen in seine rechte Manteltasche und zog ein kleines Fläschschen voller Weihwasser heraus. Mit dem Daumen ließ der den Korken aus der Flasche ploppen und näherte sich mit dem Weihwasser ihrem Gesicht.

Wimmernd und vor Angst starr blickte Anah auf das Fläschchen. Das Kreuz auf der ihr zugewandten Seite ließ sie stutzen, doch ehe sie weiter reagierne konnte hatte der Amerikaner ihr die Flüssigkeit über den Kopf gegossen. Etwas Kühles rann ihren Nacken hinab und lief in Tropfenform ihren Rücken hinunter, während sie vor Erleichterung aufschluchzte. Das war weder Benzin, noch sonst etwas Brennbares. Kein Geruch, kein langsames Fließen -nichts. Als hätt er pures Wasser über ihrem Schädel geleert. Sie öffnete zitternd die Augen und blickte ihn an.

John runzelte die Stirn. Anscheinend war sie kein dämonisches Halbblut und von einem Dämon war sie augenscheinlich auch nicht besessen. Sollte sie etwa zum Himmel gehören? Constantine hatte noch nie von einem Engel gehört, der kein Hermaphrodit war und hier sprachen zwei recht gute Gründe dafür, dass das auch hier nicht der Fall war. Eine Augenbraue hochgezogen trat er auf Armlänge zurück und musterte sie.

"Wer bist du?" fragte er sie noch einmal. Anah blickte ihn aus tränenüberströmten Augen an und schluchzte leise auf. "Mein Name ist Anah Lucian....ich...ich...Gott, was soll das alles denn hier?! Hab ich dir irgendwas getan? Ich will doch nur nach Hause...ich....ich." Ein heiseres Schluchzen entwich ihrer Kehle und sie sackte in sich zusammen. Vorsichtig ließ er ihren Arm los und runzelte die Stirn. Ein Mensch - sie war ein ganz normaler Mensch. Constantine sah zu ihr hinab, während er weiter nachdachte.

>Ich kann an ihr nichts besonderes entdecken. Das war noch nie so...Verdammt...normalerweise sehe ich doch sofort, ob jemand sieht oder nicht. Was, wenn ich sie einfach nur verwechselt habe? Wenn sie gar nicht die Frau aus meinem Traum ist?< John ließ ein frustriertes Knurren ertönen, während sie sich selbst mit den Armen umschlang und auf den kalten Boden der Brücke sank. Bevor er eine weitere Frage an sie richten konnte, hörte er hinter sich ein Rauschen. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung drehte er sich um und blickte in ein paar goldene Augen.

"Constantine...ich glaube, du kannst hier ein wenig Hilfe gebrauchen." Chas klappte vorsichtig seine Flügel zusammen. Er sprang mit einem federnden Sprung von der Brüstung und landete lautlos vor dem Mädchen. Geschmeidig ließ er sich in die Hocke nieder und berührte sanft ihre Wange. "Was macht du hier, Kid?" Johns Stimme war ungewöhnlich rau und Chas lächelte, als er kurz zu ihm hinaufblickte. "Ich hatte das Gefühl, dass du hier Hilfe brauchen könntest. Du hast die Kleine hier fast zu Tode erschreckt und sie kann noch nicht mal etwas dafür. Sie hat nichts mit alldem zu tun John."
>Noch nicht...< fügte Chas in Gedanken hinzu, doch das würde sein Freund noch früh genug erfahren.  

Der Engel strich sanft über ihre bebenden Schultern und flüsterte ihr ein paar beruhigende Worte zu. Anahs Blick wurde seltsam leer und jegliche Spannung schien aus ihren Glieder zu weichen. Wie eine Puppe ließ sie sich von Chas in die Arme schließen. Vorsichtig und langsam erhob er sich mit ihr in den Armen. Constantine musterte ihn. Der Anblick seines Freundes schmerzte ihn mehr als er gedacht hatte und sein Versagen in dieser Hinsicht wurde ihm wieder deutlich in Erinnerung gebracht. "Siehst gut aus, Kid." murmelte er und steckte die Hand in seine Manteltasche, um die Zigarettenschachtel, die schon lange nicht mehr dort war hinaus zu ziehen. Alte Freunde förderten manchmal alte Gewohnheiten wieder zu Tage. Chas grinste und trat näher an ihn heran.

"Danke John. Das gleiche kann man von dir ja nicht sagen. Siehst ganz schön abgefuckt aus. Was ist das eigentlich für ein neues Ding? Erschreckst du jetzt statt der Dämonen ein paar Frauen, um nicht aus der Übung zu kommen?" Chas musterte ihn und der besorgte Ausdruck in seinen goldenen Augen ließ John unruhig werden.
"Sie ist keine normale Frau." stieß er hervor. Selbst in seinen Augen klang es wie eine lächerliche Ausrede und er fragte sich bestürzt, was er da gerade getan hatte.

"Schon gut. Ich verstehe dich, allerdings kann ich dir nicht viel sagen." Der ehemalige Fahrer blickte kurz nach oben, wie um auf ein Zeichen zu warten, welches nur er sehen konnte. Beruhigt fasste er dann Anah fester und trat auf John zu. "Ich kann dir nur soviel sagen: Sie ist etwas besonderes, aber in einer anderen Art und Weise als du denkst. Sie hat nichts mit dem zu tun, was dich beschäftigt und ich rate dir sie aus deinem Geschäft so gut es geht herauszuhalten. Ich bin mir sicher, dass es dir recht ist, wenn ich die Erinnerung an diese unerfreuliche zweite Begegnung von euch beiden etwas abändere. Denn so wie ich dich kenne wirst du nicht locker lassen und weiter in ihrer Nähe bleiben oder?" Constantine nickte und musterte Chas ausdruckslos.
Dieser lachte und reichte ihm vorsichtig die junge Frau. "Pass ein wenig auf sie auf John. Sie hat es verdient, dass sich jemand ein wenig um sie kümmert. Und wenn du dazu keine Veranlassung verspürst, so bring sie wenigstens nach Hause."

Chas nickte ihm zu und trat ein paar Schritte zurück, sodass er auf dem Scheitelpunkt der Brücke stand. Seine mächtigen Schwingen entfalteten sich und er und John nickten sich zu. "War schön dich wieder zu sehen, Kid." "Ebenfalls, Constantine." Er zögerte und blickte ihm noch einmal fest in die Augen. Das übernatürliche Schimmern nahm zu und Chas lächelte. "Mach dir keine Sorgen. Du hast damals alles richtig gemacht und ich bin froh, dass alles so gekommen ist. Ich kann nun helfen und das tue ich gern. Ach und John. Nach der Brücke einfach links, durch die Fußgängerzone, über die große Brücke und dann die erste rechts. Hausnummer 15, 4. Stock. Viel Erfolg - und versau es nicht schon wieder."

Mit einem leisen Rascheln erhob sich Chas in die Lüfte und ließ Constantine mit dem Mädchen in seinen Armen zurück. Ein leiser Seufzer entschlüpfte seiner Kehle und er schluckte hart um seine Fassung wieder zu gewinnen. Dieses plötzliche Auftauchen seines toten Freundes hatte ihn aufgewühlt und die Bilder von Chas blutüberströmten Körper strömten erneut auf ihn ein. Es fiel ihm schwer Luft zu holen und er lehnte sich einen Moment gegen die Balustrade. Constantine blickte auf das Mädchen in seinen Armen hinab. Ihr Gesicht hatte einen friedlichen Ausdruck angenommen und sie schien fest zu schlafen. Chas Berührung hatte auf ihrer Wange einen goldenen Schimmer hinterlassen und gegen seinen Willen musste John lächeln.

"Ab nach Hause mit dir..." murmelte er leise und setzte sich in Bewegung.
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