"Wir sind immer für SIe da!"
von edda
Kurzbeschreibung
Eine Geschichte über Unfälle, Verzweiflung, Anrufbeantwortern und Polizeibeamte...
GeschichteAllgemein / P6 / Gen
28.02.2007
28.02.2007
1
2.095
28.02.2007
2.095
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Zu dieser Geschichte hat mich eine Bekannte angeregt. Sie war vor ein paar Tagen in etwa der selben lage wie die Hauptperson. Ein bischen was habe ich allerdings dazu erfunden.
Viel Spaß beim lesen!
Über Reviews freue ich mich natürlich sehr!!!
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Brrrrrrrrring, brrrrrrrrrrring!
Der Wecker klingelte. Sie tastete nach dem Ruhestörer, stieß ihn dabei um und das Gerät fiel auf den Boden. "So ein Mist!", grummelte sie schlaftrunken. Sie wollte aufstehen. Sank aber schon bei der geringsten Anstrengung zurück in ihr Bett. Sie wollte noch nicht einmal daran denken jetzt aufzustehen.
Draußen klatsche der Regen ans Fenster und der Wind pfiff um die Hausecke. Es war bestimmt sehr kalt da draußen. Richtig ungemütlich. Aber in ihrem Bett mit der warmen Decke über dem Körper lies es sich aushalten. Da war es warm und kuschlig.
Der Wecker klingelte immer noch, aber sie lies ihn lärmen. Bis ihr schließlich der Radau doch auf den Geist fiel und sie nicht in Ruhe vor sich hin dösen lies. Sie quälte sich aus dem Bett. Streckte sich ersteinmal ausgiebig und betrachtete endlich den Boden. Vor ihren Füßen lag der Wecker nicht. Also sah sie sich weiter um. Den Störenfried erblickte sie nicht. Der Wecker klingelte und klingelte. Es schien, als wolle er überhaupt nicht mehr damit aufhören. Sie kniete sich auf den Teppich, der vor ihrer Schlafstatt, ein einfaches IKEA-Holzbett, lag um unters Bett schauen zu können. Dort fand sie den Wecker endlich, drückte auf den Ausschalt-Knopf und stellte ihn wieder zurück auf das Nachtschränckchen (auch von IKEA).
Jetzt stand sie gähnend auf und beschloss erstmal Wasser für Schwarzentee (Kaffee mochte sie nicht. "Der ist so bitter wie Kreide") zu kochen. Also ging sie in die Küche, suchte nach dem Wasserkocher in einem der unteren Schränke, stellte ihn heraus und füllte die Kanne mit Leitungswasser. "Vielleicht sollte ich mir auch ein allmorgendliches Ritual ausdenken.", dachte sie als sie ins zurück ins Zimmer um sich anzuziehen. Als sie ihre Kleider zusammensuchte, fiel ihr Blick auf das zerwülte Bett. "Wie schön wäre es doch, an einem so verregneten Tag wenigstens neben einem gutausehenden, intelligenten, blauäugigen Mann aufzuwachen.", sie seufzte. Sie überlegte, wie lange ihre letzte Beziehung jetzt schon her war. Es muss über ein Jahr hergewesen sein; und diese Beziehung war alles andere als eine glückliche. Ihr damaliger Freund hatte sie betrogen und sogar geschlagen. Sie war froh, ihn endlich los zu sein. Trotzdem wünschte sie sich einen Mann an ihrer Seite. Diesmal wollte sie aber besser darauf achten, dass er auch zu ihr passte und ein netteres Exemplar war. Sie zog sich an und ging zurück in ihre Küche.
Das Wasser kochte inzwischen, deshalb holte sie eine Teekanne, Teebeutel und eine Tasse diesmal aus einem der oberen Schränke. Sie brühte den Tee in der Kanne auf und ging hinaus in das Esszimmer. Sie stellte Tee und Tasse ab, goss sich ein, ging darauf wieder in die Küche um den vergessenen Honig zu holen. Anschließend setzte sie sich, goss sich ein und nahm einige Akten zur Hand. Sie trank langsam, genießerisch, den Tee und Blätterte dabei die Papiere durch.
Langsam wurde es Zeit loszufahren. Folglich packte sie ihre Sachen, zog Jacke und Schuhe an und ging zu ihrem Auto, ein alter Ford Escord. Nachdem sie eingestiegen war, fuhr sie los, natürlich nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass die Fahrbahn frei war. Sie wohnte in einem kleinen Dorf in Unterfranken. Es war zwar winzig (Es gab einen Becker und einen Metzger, sonst keine weiteren Läden), hatte aber jenen bestimmten Charme, den die meisten fränkischen Bauerndörfer hatten. Sie mochte es. Ihr Arbeitzplatz, sie arbeitete als Bürokauffrau, dagegen lag in einer Industriestadt. Dort waren die Häuser grau von den Abgasen und die Menschen waren unfreundlich und hetzten durch die Straßen. Sie konnte sich nicht vorstellen jemals in einer solchen Stadt zu wohnen. Nein, das war nichts für sie, da blieb sie lieber in ihrem "Kuh-Kaff", wie es ihre Arbeitskollegen nannten. Da waren die Leute noch freundlich und man wurde von jedem gegrüßt, außerdem roch es dort wider erwarten der meisten Städter nicht nach "frischer Landluft".
Die Straße führte durch einen Wald. Wie oft war sie diese Strecke schon gefahren? Hunderte Male? Oder waren es schon tausende Male? Der Wald war grün und ab und zu sah sie ein TIer durch das Unterholz laufen. Sie träumte weiter von ihrem Traummann, stellte sich vor, ein Picknick im Wald mit ihm zu machen und was nach dem Essen kommen würde.
Plötzlich sprang etwas braunes aus dem Gebüsch am Straßenrand. Erschrocken trat sie auf die Bremse und riss am Lenkrad. Die Bremse quietschte Ohrenbetäubend und dann ein lauuter Schlag - und dann war es still. Der Wagen stand nun eben so fest wie der Schrecken in ihrem Gesicht. Es dauerte eine Weile bis sie in die Realität zurück kam, sich der Nebel um ihren Verstand lichtete. Zitternd öffnete sie die Tür, stieg aus und ging langsam um das Automobil herum. Bult. Dickes rotes Blut klebte am zerschrammten Lack und auf dem Boden war noch mehr Blut. Ihr wich das Blut aus dem Gesicht und das unangenehme Gefühl der Übelkeit kam über sie. Sie ging weiter um das Fahrzeug und erblickte ein Reh. Die leeren, leblosen Augen sahen sie an; vorwurfsvoll und ängstlich. Der Körper des Tieres War seltsam verrenkt und im rot-braunen Fell klebte Blut.
Als sie sich von dem Anblick losgerissen hatte, beschloss sie, erst einmal das Auto von der Straße zu fahren und am Straßenrand abzustellen. Danach suchte sie das Warn-Dreieck aus dem Kofferraum und stellte es auf.
In diesem Moment kam aus der Gegenrichtung ein schwarzer Mercedes. Der Fahrer, ein älterer Mann, hielt und kurbelte eines der Fenster herunter. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", fragte er. Mit Tränen in den Augen beshcrieb sie ihm ihre Situation. Daraufhin stieg er aus und ging zuerst um den Wagen ("Zum Glück nur ein Blechschaden.", bemerkte er dabei.) und dann um das tote Tier herum. Er schlug vor: "Wir sollten es von der Straße ziehen." und machte sich auch gleich an die Arbeit. Sie konnte nur zu sehen. Ihr spukte nur ein Gedanke im Kopf herum: "Ich habe dieses unschuldige Tier umgebracht!" Inzwischen lag das Reh hinter ihrem Auto am Straßenrand. "Wir sollten den Förster benachrichtigen.", sagte der Mann im zurück gehen. "Ja, das sollten wir.", antwortete sie. In diesem Moment kam ein weiterer Wagen angebraust; auch dieser hielt. "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?", es war ein junger Mann, anfang 20. "Die Dame hier hat einen Wildschaden. Kenen sie zufällig den Förster?", der ältere Mann übernahm das Reden. "Ja, den kenne ich. Ich werde schnell bei ihm vorbei fahren und ihn benachrichtigen.", und schon saß er wieder im Auto und brauste los.
Nach einer Weile hörten die beiden, die sich in der Zwischenzeit etwas bekannt gemacht hatten, wieder Motoerengeräusche. "Ah, ich glaube das ist er, Frau Schenk.",bemerkte Herr Kopitz. Und tatsächlich stieg aus dem Jeep ein man in Jägertracht. "Grüß´ God! Sin´ Sie die Fra´ mid´m Wildschad´n?", fragte dieser. Er war ein Franke wie aus dem Bilderbuch, mit Schnauzbart und breitem fränkischem Dialekt. "Ja.", antwortete sie, "sind sie der Förster?" Herr Kopitz unterbrach unwirsch das Gespräch indem er erklärte, er müsse sich jetzt sputen um noch rechtzeitig zur Arbeit zu kommen und die gute Frau Schenk hätte ja jetzt guten beistand. Er verabschiedete sich und fuhr davon. Frau Schenk wiederholte ihre Frage. Ihr Begleiter sah sie lächelnd an: "Ne´, Fräulein, i´ bin nua a Jächer. Aba ich kenn den Fö´schter gud! Ich werd´ ne glei´ ma oruf´n." Der Jäger nahm bedächtig sein Telefon zur Hand wählte und erklärte, nach einer herzlichen Begrüßung des Angerufenen, die Missere. "So! Er wird glei´ do sei´.", verkündete er (er war zweifelos ein Unterfranke und würde es vermutlich immer mit Herz, Leib und Seele bleiben.), "I´ werd´ Ihna g´sellschafd leisd´n. Ma´ kann ja an und für sich nie wiss´n was bassierd, ner?", er lachte. Ihr war dagegen überhaupt nicht zum Lachen, ehr zum Weinen. Der Franke schlug ihr vor, schon einmal ihre Versicherung anzurufen, und diese über den Vorfall zu informieren.
Sie stimmte zu, dass es wohl besser wäre, ging zurück zum Wagen und holte Handy und Geldbeutel heraus. Aus dem Portmoné nahm sie die Visitenkarte ihrer Auto-Versicherung und wählte die angegebene Telefonnummer. Während es klingelte, las sie die Aufschrift der Karte. Unter dem Logo der Versicherung prangte in großen Lettern der Schriftzug: "Wir sind immer für sie da!". Endlich wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen. Sie freute sich schon, doch es war nur der Anrufbeantworter der verlauten lies: "Willkommen bei der Notfall-Hotline der Versicherung Ihres Vertrauens. Leider ist zurzeit kein Mitarbeiter für Sie frei. Probieren Sie es bitte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal." So viel zur "Notfall-Hotline". Entnervt legte sie auf. "Anrufbeantworter", brummte sie, als sie den fragenden Blick ihres Helfers sah. "Probieren´s se´s no´ ma´!", war dessen Komentar. Also wählte sie. "Willkommen bei der Notfall-Hotline der Versicherung Ihres Vertrauens. Leider ist zurzeit kein Mitarbeiter für Sie frei. Probieren Sie es bitte später noch einmal." Sie sparte sich die Bemerkung und starrte trübsinnig in den Himmel.
Endlich kam ein weiterer Jeep in ihr Blickfeld. Auch aus diesem stieg ein Mann in Jägerstracht, nur hatte dieser ein Gewehr auf dem Beifahrersitz, das er sich fröhlich über die Schulter hängte. "Na gnäd´ge Frau, wo drüggd denn der Schuh?" auch dieser sprach in breitem Dialekt. "Mir ist ein Reh ins Auto gerannt.", antwortete sie ohne zu grüßen. "Oh, dann bin i´ aba der Falsch´. I´ bin nua a´ Jächer. Den Förschder müssen´s o´ruf!" "Juhu! Noch so ein Idiot!", dachte sie und laut fügte sie hinzu: "Und was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun?" "Dja. Ich hab jetzad leida ned di´ Delefonnumma vom Förschter do....", der Neuankömmling zögerte einen Moment befor er Fortfuhr: "Ham´s scho´ Ihr´ Versicherung o´gruf´n?" Sie antwortete in leicht gereiztem Ton: "Ja, das habe ich schon zwei mal versucht und beide Male ging nur der Anrufbeantworter ´ran!" Beide Männer schlugen vor, es ein drittes Mal zu probieren. Also nahm sie ihr Mobiltelefon, wählte und hielt es ans Ohr. Und - welche Überraschung- "Willkommen bei der Notruf-Hotline der Versicherung Ihres Vertrauens..." tönte aus der Muschel. Sie legte auf. "Wieder nichts."
"Dann versuchen´s ´s doch ma´ bei der Bolizei!", schlug der eine vor und der andere nickte ergänzend: "Jo die wiss´n bestimmt weita!" Also wählte sie die 110. "Guten Tag. Sie sind verbunden mit der Notruf Zentrale der Polizeistelle Würzburg. Zurzeit können wir Ihnen leider nicht helfen, da keiner unserer Beamten frei ist für Sie. Bitte probieren Sie es zu einem späteren Zeitpunkt wieder.", lautete die Bandansage. Jetzt reichte es ihr. Sie wollte schreien, lachen und weinen gleichzeitig; so groß war ihre Verzweiflung. Sie saß allein mit zwei nichtsnutzigen Jägern im Wald fest, wusste nicht, was zu tun war und ihre Versicherung, die "immer für Sie da" sein wollte, war nicht für sie da. Und dann die Pleite mit der Polizei. Nicht mal ein Polizist, "Dein Freund und Helfer", konnte oder wollte Ihr helfen. Jetzt liefen ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht. Doch es störte sie nicht mehr, dass die Männer sie anstarten. Sie wollte nur noch irgendwie nach Hause, in ihr Bett, die Decke über den Kopf ziehen und nie mehr hervor kommen.
Wieder hörten sie Motorengeräusche. Wieder ein Jeep. Doch diesmal stieg ein Mann in Försterkleidung, der etwa so alt war wie Frau Schenk, aus. Er sah erst die weinende Frau, dann die beiden Männer an. Er ging zuerst auf sie zu, grüßte sie und redete ihr gut zu. Sie beruhigte sich und er erklärte, er sei der Förster und würde ihr jetzt helfen, die beiden Herren könnten jetzt gehen und er danke ihnen, dass er auf die arme Frau aufgepasst hatten. Tatsächlich verabschiedeten sich die Jäger und fuhren davon.
Der Förster besah sich Wagen und Reh, rief die Polizei, die sofort zwei Polizisten entsant, den Fall aufzunehmen. Anschließend benachrichtigte er noch die Versicherung der Frau, weil diese immer noch schluchzend nicht fähig war, einen ganzen Satz zu sprechen.
So wendete sich alles zum Guten.
Zu dieser Geschichte hat mich eine Bekannte angeregt. Sie war vor ein paar Tagen in etwa der selben lage wie die Hauptperson. Ein bischen was habe ich allerdings dazu erfunden.
Viel Spaß beim lesen!
Über Reviews freue ich mich natürlich sehr!!!
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Brrrrrrrrring, brrrrrrrrrrring!
Der Wecker klingelte. Sie tastete nach dem Ruhestörer, stieß ihn dabei um und das Gerät fiel auf den Boden. "So ein Mist!", grummelte sie schlaftrunken. Sie wollte aufstehen. Sank aber schon bei der geringsten Anstrengung zurück in ihr Bett. Sie wollte noch nicht einmal daran denken jetzt aufzustehen.
Draußen klatsche der Regen ans Fenster und der Wind pfiff um die Hausecke. Es war bestimmt sehr kalt da draußen. Richtig ungemütlich. Aber in ihrem Bett mit der warmen Decke über dem Körper lies es sich aushalten. Da war es warm und kuschlig.
Der Wecker klingelte immer noch, aber sie lies ihn lärmen. Bis ihr schließlich der Radau doch auf den Geist fiel und sie nicht in Ruhe vor sich hin dösen lies. Sie quälte sich aus dem Bett. Streckte sich ersteinmal ausgiebig und betrachtete endlich den Boden. Vor ihren Füßen lag der Wecker nicht. Also sah sie sich weiter um. Den Störenfried erblickte sie nicht. Der Wecker klingelte und klingelte. Es schien, als wolle er überhaupt nicht mehr damit aufhören. Sie kniete sich auf den Teppich, der vor ihrer Schlafstatt, ein einfaches IKEA-Holzbett, lag um unters Bett schauen zu können. Dort fand sie den Wecker endlich, drückte auf den Ausschalt-Knopf und stellte ihn wieder zurück auf das Nachtschränckchen (auch von IKEA).
Jetzt stand sie gähnend auf und beschloss erstmal Wasser für Schwarzentee (Kaffee mochte sie nicht. "Der ist so bitter wie Kreide") zu kochen. Also ging sie in die Küche, suchte nach dem Wasserkocher in einem der unteren Schränke, stellte ihn heraus und füllte die Kanne mit Leitungswasser. "Vielleicht sollte ich mir auch ein allmorgendliches Ritual ausdenken.", dachte sie als sie ins zurück ins Zimmer um sich anzuziehen. Als sie ihre Kleider zusammensuchte, fiel ihr Blick auf das zerwülte Bett. "Wie schön wäre es doch, an einem so verregneten Tag wenigstens neben einem gutausehenden, intelligenten, blauäugigen Mann aufzuwachen.", sie seufzte. Sie überlegte, wie lange ihre letzte Beziehung jetzt schon her war. Es muss über ein Jahr hergewesen sein; und diese Beziehung war alles andere als eine glückliche. Ihr damaliger Freund hatte sie betrogen und sogar geschlagen. Sie war froh, ihn endlich los zu sein. Trotzdem wünschte sie sich einen Mann an ihrer Seite. Diesmal wollte sie aber besser darauf achten, dass er auch zu ihr passte und ein netteres Exemplar war. Sie zog sich an und ging zurück in ihre Küche.
Das Wasser kochte inzwischen, deshalb holte sie eine Teekanne, Teebeutel und eine Tasse diesmal aus einem der oberen Schränke. Sie brühte den Tee in der Kanne auf und ging hinaus in das Esszimmer. Sie stellte Tee und Tasse ab, goss sich ein, ging darauf wieder in die Küche um den vergessenen Honig zu holen. Anschließend setzte sie sich, goss sich ein und nahm einige Akten zur Hand. Sie trank langsam, genießerisch, den Tee und Blätterte dabei die Papiere durch.
Langsam wurde es Zeit loszufahren. Folglich packte sie ihre Sachen, zog Jacke und Schuhe an und ging zu ihrem Auto, ein alter Ford Escord. Nachdem sie eingestiegen war, fuhr sie los, natürlich nicht ohne sich vorher zu vergewissern, dass die Fahrbahn frei war. Sie wohnte in einem kleinen Dorf in Unterfranken. Es war zwar winzig (Es gab einen Becker und einen Metzger, sonst keine weiteren Läden), hatte aber jenen bestimmten Charme, den die meisten fränkischen Bauerndörfer hatten. Sie mochte es. Ihr Arbeitzplatz, sie arbeitete als Bürokauffrau, dagegen lag in einer Industriestadt. Dort waren die Häuser grau von den Abgasen und die Menschen waren unfreundlich und hetzten durch die Straßen. Sie konnte sich nicht vorstellen jemals in einer solchen Stadt zu wohnen. Nein, das war nichts für sie, da blieb sie lieber in ihrem "Kuh-Kaff", wie es ihre Arbeitskollegen nannten. Da waren die Leute noch freundlich und man wurde von jedem gegrüßt, außerdem roch es dort wider erwarten der meisten Städter nicht nach "frischer Landluft".
Die Straße führte durch einen Wald. Wie oft war sie diese Strecke schon gefahren? Hunderte Male? Oder waren es schon tausende Male? Der Wald war grün und ab und zu sah sie ein TIer durch das Unterholz laufen. Sie träumte weiter von ihrem Traummann, stellte sich vor, ein Picknick im Wald mit ihm zu machen und was nach dem Essen kommen würde.
Plötzlich sprang etwas braunes aus dem Gebüsch am Straßenrand. Erschrocken trat sie auf die Bremse und riss am Lenkrad. Die Bremse quietschte Ohrenbetäubend und dann ein lauuter Schlag - und dann war es still. Der Wagen stand nun eben so fest wie der Schrecken in ihrem Gesicht. Es dauerte eine Weile bis sie in die Realität zurück kam, sich der Nebel um ihren Verstand lichtete. Zitternd öffnete sie die Tür, stieg aus und ging langsam um das Automobil herum. Bult. Dickes rotes Blut klebte am zerschrammten Lack und auf dem Boden war noch mehr Blut. Ihr wich das Blut aus dem Gesicht und das unangenehme Gefühl der Übelkeit kam über sie. Sie ging weiter um das Fahrzeug und erblickte ein Reh. Die leeren, leblosen Augen sahen sie an; vorwurfsvoll und ängstlich. Der Körper des Tieres War seltsam verrenkt und im rot-braunen Fell klebte Blut.
Als sie sich von dem Anblick losgerissen hatte, beschloss sie, erst einmal das Auto von der Straße zu fahren und am Straßenrand abzustellen. Danach suchte sie das Warn-Dreieck aus dem Kofferraum und stellte es auf.
In diesem Moment kam aus der Gegenrichtung ein schwarzer Mercedes. Der Fahrer, ein älterer Mann, hielt und kurbelte eines der Fenster herunter. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", fragte er. Mit Tränen in den Augen beshcrieb sie ihm ihre Situation. Daraufhin stieg er aus und ging zuerst um den Wagen ("Zum Glück nur ein Blechschaden.", bemerkte er dabei.) und dann um das tote Tier herum. Er schlug vor: "Wir sollten es von der Straße ziehen." und machte sich auch gleich an die Arbeit. Sie konnte nur zu sehen. Ihr spukte nur ein Gedanke im Kopf herum: "Ich habe dieses unschuldige Tier umgebracht!" Inzwischen lag das Reh hinter ihrem Auto am Straßenrand. "Wir sollten den Förster benachrichtigen.", sagte der Mann im zurück gehen. "Ja, das sollten wir.", antwortete sie. In diesem Moment kam ein weiterer Wagen angebraust; auch dieser hielt. "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?", es war ein junger Mann, anfang 20. "Die Dame hier hat einen Wildschaden. Kenen sie zufällig den Förster?", der ältere Mann übernahm das Reden. "Ja, den kenne ich. Ich werde schnell bei ihm vorbei fahren und ihn benachrichtigen.", und schon saß er wieder im Auto und brauste los.
Nach einer Weile hörten die beiden, die sich in der Zwischenzeit etwas bekannt gemacht hatten, wieder Motoerengeräusche. "Ah, ich glaube das ist er, Frau Schenk.",bemerkte Herr Kopitz. Und tatsächlich stieg aus dem Jeep ein man in Jägertracht. "Grüß´ God! Sin´ Sie die Fra´ mid´m Wildschad´n?", fragte dieser. Er war ein Franke wie aus dem Bilderbuch, mit Schnauzbart und breitem fränkischem Dialekt. "Ja.", antwortete sie, "sind sie der Förster?" Herr Kopitz unterbrach unwirsch das Gespräch indem er erklärte, er müsse sich jetzt sputen um noch rechtzeitig zur Arbeit zu kommen und die gute Frau Schenk hätte ja jetzt guten beistand. Er verabschiedete sich und fuhr davon. Frau Schenk wiederholte ihre Frage. Ihr Begleiter sah sie lächelnd an: "Ne´, Fräulein, i´ bin nua a Jächer. Aba ich kenn den Fö´schter gud! Ich werd´ ne glei´ ma oruf´n." Der Jäger nahm bedächtig sein Telefon zur Hand wählte und erklärte, nach einer herzlichen Begrüßung des Angerufenen, die Missere. "So! Er wird glei´ do sei´.", verkündete er (er war zweifelos ein Unterfranke und würde es vermutlich immer mit Herz, Leib und Seele bleiben.), "I´ werd´ Ihna g´sellschafd leisd´n. Ma´ kann ja an und für sich nie wiss´n was bassierd, ner?", er lachte. Ihr war dagegen überhaupt nicht zum Lachen, ehr zum Weinen. Der Franke schlug ihr vor, schon einmal ihre Versicherung anzurufen, und diese über den Vorfall zu informieren.
Sie stimmte zu, dass es wohl besser wäre, ging zurück zum Wagen und holte Handy und Geldbeutel heraus. Aus dem Portmoné nahm sie die Visitenkarte ihrer Auto-Versicherung und wählte die angegebene Telefonnummer. Während es klingelte, las sie die Aufschrift der Karte. Unter dem Logo der Versicherung prangte in großen Lettern der Schriftzug: "Wir sind immer für sie da!". Endlich wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen. Sie freute sich schon, doch es war nur der Anrufbeantworter der verlauten lies: "Willkommen bei der Notfall-Hotline der Versicherung Ihres Vertrauens. Leider ist zurzeit kein Mitarbeiter für Sie frei. Probieren Sie es bitte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal." So viel zur "Notfall-Hotline". Entnervt legte sie auf. "Anrufbeantworter", brummte sie, als sie den fragenden Blick ihres Helfers sah. "Probieren´s se´s no´ ma´!", war dessen Komentar. Also wählte sie. "Willkommen bei der Notfall-Hotline der Versicherung Ihres Vertrauens. Leider ist zurzeit kein Mitarbeiter für Sie frei. Probieren Sie es bitte später noch einmal." Sie sparte sich die Bemerkung und starrte trübsinnig in den Himmel.
Endlich kam ein weiterer Jeep in ihr Blickfeld. Auch aus diesem stieg ein Mann in Jägerstracht, nur hatte dieser ein Gewehr auf dem Beifahrersitz, das er sich fröhlich über die Schulter hängte. "Na gnäd´ge Frau, wo drüggd denn der Schuh?" auch dieser sprach in breitem Dialekt. "Mir ist ein Reh ins Auto gerannt.", antwortete sie ohne zu grüßen. "Oh, dann bin i´ aba der Falsch´. I´ bin nua a´ Jächer. Den Förschder müssen´s o´ruf!" "Juhu! Noch so ein Idiot!", dachte sie und laut fügte sie hinzu: "Und was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun?" "Dja. Ich hab jetzad leida ned di´ Delefonnumma vom Förschter do....", der Neuankömmling zögerte einen Moment befor er Fortfuhr: "Ham´s scho´ Ihr´ Versicherung o´gruf´n?" Sie antwortete in leicht gereiztem Ton: "Ja, das habe ich schon zwei mal versucht und beide Male ging nur der Anrufbeantworter ´ran!" Beide Männer schlugen vor, es ein drittes Mal zu probieren. Also nahm sie ihr Mobiltelefon, wählte und hielt es ans Ohr. Und - welche Überraschung- "Willkommen bei der Notruf-Hotline der Versicherung Ihres Vertrauens..." tönte aus der Muschel. Sie legte auf. "Wieder nichts."
"Dann versuchen´s ´s doch ma´ bei der Bolizei!", schlug der eine vor und der andere nickte ergänzend: "Jo die wiss´n bestimmt weita!" Also wählte sie die 110. "Guten Tag. Sie sind verbunden mit der Notruf Zentrale der Polizeistelle Würzburg. Zurzeit können wir Ihnen leider nicht helfen, da keiner unserer Beamten frei ist für Sie. Bitte probieren Sie es zu einem späteren Zeitpunkt wieder.", lautete die Bandansage. Jetzt reichte es ihr. Sie wollte schreien, lachen und weinen gleichzeitig; so groß war ihre Verzweiflung. Sie saß allein mit zwei nichtsnutzigen Jägern im Wald fest, wusste nicht, was zu tun war und ihre Versicherung, die "immer für Sie da" sein wollte, war nicht für sie da. Und dann die Pleite mit der Polizei. Nicht mal ein Polizist, "Dein Freund und Helfer", konnte oder wollte Ihr helfen. Jetzt liefen ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht. Doch es störte sie nicht mehr, dass die Männer sie anstarten. Sie wollte nur noch irgendwie nach Hause, in ihr Bett, die Decke über den Kopf ziehen und nie mehr hervor kommen.
Wieder hörten sie Motorengeräusche. Wieder ein Jeep. Doch diesmal stieg ein Mann in Försterkleidung, der etwa so alt war wie Frau Schenk, aus. Er sah erst die weinende Frau, dann die beiden Männer an. Er ging zuerst auf sie zu, grüßte sie und redete ihr gut zu. Sie beruhigte sich und er erklärte, er sei der Förster und würde ihr jetzt helfen, die beiden Herren könnten jetzt gehen und er danke ihnen, dass er auf die arme Frau aufgepasst hatten. Tatsächlich verabschiedeten sich die Jäger und fuhren davon.
Der Förster besah sich Wagen und Reh, rief die Polizei, die sofort zwei Polizisten entsant, den Fall aufzunehmen. Anschließend benachrichtigte er noch die Versicherung der Frau, weil diese immer noch schluchzend nicht fähig war, einen ganzen Satz zu sprechen.
So wendete sich alles zum Guten.