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Für meinen König

von Ash
Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Aramis Athos D'Artagnan
14.03.2006
15.10.2006
20
67.255
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14.03.2006 4.995
 
Ludwig kniete in einem dünnen Nachthemd vor seinem Bett und war in ein Gebet versunken. Seine Knie rebellierten bereits, aber er merkte davon nichts. Er war bei der Königin gewesen und seltsamerweise hatte er jetzt das Gefühl, sich reinigen zu müssen. Eine Empfindung, die er niemals hatte, nachdem er mit D'Artagnan zusammengewesen war. Aber jetzt fühlte er sich wieder so verwirrt und so unsicher, dass er Zuflucht bei seinem Herrn hatte suchen müssen. "Oh Herr, warum schickst du mir diese Prüfung?" flüsterte er. "Warum lässt du mich etwas als vollkommen richtig empfinden, was doch Sünde ist? Willst du mich in die Irre führen, oder mich erlösen? Wenn ich D'Artagnan an meiner Seite habe dann..." Er hielt etwas irritiert inne und sah auf. Das konnte er nicht tun. Er konnte nicht in einem Gebet von seiner Liebe zu D'Artagnan sprechen. Das war nicht demütig.
Er stöhnte leise, weil er seine Knie jetzt überdeutlich spürte und setzte sich auf den Bettrand. D'Artagnans Bild stand ihm jetzt überdeutlich vor Augen. Sehnsüchtig sah er zu der Tür, die zu dessen Zimmer führte, und im nächsten Moment war er auch schon ohne darüber nachzudenken hindurchgehuscht. Auf nackten Füßen schlich er zu D'Artagnans Bett und tastete sich daran entlang. Sein Herz klopfte, als er schließlich die Decke anhob und darunter kroch. Selig schmiegte er sich an D'Artagnans warmen Körper.
D'Artagnan war aufgewacht, als er die Tür gehört hatte, und wenn das Geräusch noch so leise gewesen war. Er hatte jedoch nicht einmal an Gefahr gedacht. Es war, als hätte er Ludwig im Raum spüren können, noch bevor er ihn sah, und für einen Moment glaubte er, zu träumen, als der kurz darauf wirklich zu ihm unter die Decke kroch und sich an ihn schmiegte. Das war zu schön, und so unerwartet, das konnte doch nicht echt sein...
Aber Ludwig fühlte sich mehr als echt an, und D'Artagnan drehte sich überglücklich zu ihm, legte die Arme um ihn und hielt ihn ganz fest bei sich. Jetzt war alles wieder in Ordnung. Jetzt waren diese ganzen Gedanken fort, und jetzt zählte nicht, wo Ludwig gewesen war, sondern nur, dass er jetzt hier bei ihm war.
"Ludwig", flüsterte er sehr verliebt und küsste ihn auf die Stirn und auf die Wangen. Er fühlte sich ganz kalt in seinen Armen an, und er zog ihn noch enger an sich, um ihn aufzuwärmen. "Ist alles in Ordnung?", fragte er, weil er sich nicht getraute, genauer nachzufragen, ob es mit der Königin - geklappt hatte oder nicht, und weil er darauf auch keine klare, unverschlüsselte Antwort hören wollte.
"Ja, es ist alles in Ordnung" flüsterte Ludwig mit etwas rauer Stimme. "Ich habe getan, was ich tun musste." Er genoss es, wie unglaublich warm D'Artagnan sich anfühlte. Wie eine kleine Sonne, die ihn ganz tief innen wärmte. Er lachte ganz leise.
Früher wäre er in einer solchen Stimmung wahrscheinlich die ganze Nacht über wach geblieben und hätte gebetet. Und am nächsten Morgen wäre er halb krank vor Kälte und Erschöpfung gewesen und hätte sich noch viel schlechter gefühlt.
Jetzt allerdings war ihm wieder ganz leicht ums Herz und seine Zweifel und Unsicherheiten fielen von ihm ab. Die Wärme war so schnell auf ihn übergegangen, dass er bereits jetzt etwas erhitzt war und fast ein wenig fordernd drängte er sich an D'Artagnan. "Hast du dich mit deinem Bruder ausgesprochen?" fragte er ein wenig atemlos und drückte seine Hüfte gegen D'Artagnans.
Diesem tat es so gut, wie Ludwig sich jetzt an ihn drängte. Natürlich wusste er, dass es für Ludwig eine Tortur war, mit seiner Frau zu schlafen, aber dennoch hatte er immer ein wenig Angst, dass für ihn nichts mehr überblieb, wenn Ludwig sich jetzt darauf konzentrierte...
Offenbar war dem nicht so. Und das war gut, denn er war ganz verrückt nach ihm. "Ja, das habe ich", antwortete er leise und strich mit seinen Händen Ludwigs Rücken hinab, über seinen Po bis zum Saum des Nachthemds und ließ sie dann darunter schlüpfen. "Allerdings war er sehr erschöpft, deswegen müssen wir uns morgen noch einmal zusammensetzen..." Während er redete, streichelte er sehr intensiv Ludwigs Po und drängte sich ihm gleichzeitig von vorne entgegen. "Athos, Porthos und Aramis sind zurückgekehrt", fiel ihm dann noch ein, und dann gleich darauf die peinliche Entdeckung, die Aramis gemacht hatte. "Wegen ihnen muss ich noch etwas mit Euch besprechen... aber jetzt..." Seine Hände packten fordernder zu, und seine Lippen trafen auf Ludwigs. Oh, wie er es liebte, ihm nah zu sein. Er konnte davon nicht genug bekommen.
"Ja jetzt..." flüsterte Ludwig. D'Artagnans letzte Aussage hatte er gar nicht mehr so wirklich mitbekommen. Er war schon viel zu sehr darauf konzentriert, was D'Artagnans Nähe mit seinem Körper anstellte.
Es war seltsam. Mit der Königin kam ihm das was sie taten wie eine Pflichtübung vor. Es kostete ihn wirklich Kraft und zehrte an ihm. Hier bei D'Artagnan war es das genaue Gegenteil. Er schäumte geradezu über vor Erregung und sein Verlangen, ihn überall zu berühren war übermächtig. Ganz von selbst schoben seine Hände D'Artagnans Nachthemd nach oben und ertasteten den warmen, muskulösen Körper darunter. Kurz ließen sie beide voneinander ab, um sich von ihren Nachthemden zu befreien und dann pressten sich ihre Körper fest aneinender. Er schlang die Arme um D'Artagnan und zog ihn noch näher zu sich. Es war überwältigend ... atemberaubend ...
Er keuchte leise auf, als er D'Artagnans Erektion neben seiner eigenen fühlte. Gott, das war so unglaublich schön...
D'Artagnans Hand schob sich zwischen sie beide, um Ludwig Erleichterung zu schaffen. "Ich würde dich gern noch näher spüren" flüsterte er und erschauerte am ganzen Körper. "Am liebsten ... in mir..."
D'Artagnan zitterte bereits vor Erregung. Er war so unendlich froh, dass Ludwig hier war, und ihn nackt und so nah bei sich zu haben, war bereits wieder fast zuviel für ihn.
Er war damit beschäftigt, Ludwig zu streicheln und seinen Hals zu küssen, als er hörte, was der sagte. Irgend etwas an diesen Worten brachte ihn dazu, mit beiden Tätigkeiten innezuhalten, den Kopf zu heben und Ludwig in die Augen zu sehen. Es klang nicht nur wie etwas dahergesagtes, es klang wie... als wäre es Ludwigs sehnlichster Wunsch.
"In Euch?", fragte er schwer atmend, um sich zu vergewissern, dass er richtig gehört hatte. Allein beim Gedanken daran, in Ludwig zu sein, wurde ihm schwindlig und seine Erregung stieg um ein vielfaches. Er strich mit einer Hand an Ludwigs Körper hinab, wie um nachzuspüren, ob das überhaupt möglich war, aber er wusste von Liebesdingen nicht viel. Vielleicht war es tatsächlich machbar, woher sollte er das wissen?
Er gab Ludwig einen kleinen Kuss auf die Lippen, immer noch unheimlich erregt, und rieb sich ein wenig an ihm. "Geht das denn?", fragte er erhitzt.
Ludwig schloss die Augen und auf seine Wangen schlich sich eine leichte Röte. Er konnte D'Artagnan nicht erklären was er meinte. Er wusste es ja selbst nicht so ganz genau und das was ihm sein aufgeregter Geist gerade vorgaukelte konnte er unmöglich aussprechen. Er wusste jetzt schon, dass ihm diese Aussage morgen, wenn er wieder bei ganz klarem Verstand war und D'Artagnan in die Augen sehen musste, unendlich unangenehm sein würde.
"N-nein" flüsterte er deswegen. "Ich wünsche es mir nur."
Er ließ sich auf das Bett zurücksinken, so dass er auf dem Rücken lag und D'Artagnan war sofort über ihm. Ludwig lächelte zu ihm hoch. "Ich hoffe nur, dass dir nie etwas fehlen wird, wenn du mit mir zusammen bist."
Er schob seine Hand zwischen sie und tastete nach D'Artagnans Härte.
D'Artagnan kam sich ein wenig albern und töricht vor. Morgen würde ihm diese Frage sicher peinlich sein. Natürlich ging das nicht, wie sollte das auch bei zwei Männern funktionieren? Er hatte ja selbst bei Frauen nur eine vage Vorstellung, wie das vonstatten ging; er hatte ja noch nie eine nackt gesehen.
"Solange ich Euch nahe sein kann wird mir nie etwas fehlen", flüsterte er und schloss die Augen, um besser fühlen zu können, wie Ludwig ihn berührte. Er war in seiner Erregung schon wieder ziemlich weit, und er fragte sich, ob das je anders werden würde. Ludwig machte ihn ganz verrückt, und obwohl es nicht möglich war, gingen ihm dessen Worte nicht aus dem Kopf. In ihm... und wie er das gesagt hatte... Oh Gott, allein die Vorstellung...
D'Artagnan keuchte auf und ergoss sich heiß über Ludwig, während er von diesen Worten und dieser Vorstellung angefüllt war. Seine Hüften drückten sich gegen den heißen Körper unter ihm, und er biss die Zähne zusammen, um nicht zu laut zu werden. Dann fiel ihm ein, dass Ludwig selbst immer dieses Problem hatte, und geistesgegenwärtig schob er eine Hand nach oben und legte sie an Ludwigs Lippen, damit dieser hineinschreien konnte, wenn er musste - oder hineinbeißen. Ihm war es gleich, wenn es wehtat, es durfte sie nur keiner hören.
Als sich D'Artagnans heißer Samen über Ludwigs Körper ergoss, gab es auch für ihn kein Halten mehr. Er war ihm dankbar für die Hand über seinen Lippen, denn so wurde sein Aufschrei zu einem dumpfen Stöhnen gedämpft. Gleich danach drehte er allerdings den Kopf zur Seite, um tief atmen zu können.
Es war unglaublich, wie schnell es ging, wenn er mit D'Artagnan zusammen war. Als habe sich die Erregung all der Jahre in ihm aufgestaut und drängte jetzt nach außen. Und auch jetzt wieder fühlte er sich so zufrieden und glücklich, wie er es nur bei D'Artagnan sein konnte. Irgendein Winkel seines Gehirns sagte ihm, dass er unbedingt in sein eigenes Bett zurück musste, aber der größere Teil gab sich einfach der Glückseligkeit hin, die ihn jetzt ergriffen hatte. Er wollte in D'Artagnans Arm einschlafen. Während ihm schon die Augen zufielen, drängte er sich an D'Artagnan und schlief schließlich ein.
D'Artagnan blieb erschöpft neben Ludwig liegen, die Arme um ihn gelegt und auf seinen sich langsam beruhigenden Herzschlag horchend. Er hatte für den Moment völlig vergessen, dass er den König noch hatte warnen wollen, was für eine Geschichte er morgen zu Mittag erzählen müssen würde, und selbst wenn er daran gedacht hätte, wäre es ihm nicht wichtig vorgekommen. Die Welt war gerade so weit weg, und jetzt gab es nur Ludwig und ihn in diesem großen, weichen Bett.
Erst, als ihm ebenfalls die Augen zufielen und er daraufhin etwas hochschreckte, fiel ihm wieder ein, wo und wer sie waren, und dass Ludwig auf keinen Fall hier weiter bei ihm schlafen konnte. Er richtete sich seitlich auf und sah auf ihn herab; nein, er konnte ihn nicht wecken. Er sah so glücklich aus.
D'Artagnan drehte sich um und holte ein Tuch vom Nachttisch. Mit einer Hand lüpfte er die Decke ein wenig, und dann säuberte er Ludwig so gut es ging, denn es war sicherlich nicht von Vorteil, wenn sich der König morgen früh mit solchen Spuren am Körper seinen Dienern präsentierte.
Er blickte auf Ludwigs Nachthemd, aber sicher würde es ihn wecken, wenn er versuchte, es ihm anzuziehen. Also legte er es ihm auf den Bauch, und dann stand er auf und versuchte ganz, ganz vorsichtig, Ludwig auf seine Arme zu heben ohne ihn zu wecken.
Als er es geschafft hatte, trug er ihn sehr behutsam in sein Schlafzimmer, legte ihn ins Bett und zog die Decke über ihn. Das Nachthemd stopfte er ihm noch in Griffnähe darunter, dann gab er ihm einen Kuss auf die Lippen und wollte gehen. Aber er konnte sich nicht von diesem Anblick losreißen, also blieb er stehen, bis ihm die Kälte in alle Glieder gekrochen war, und schlich dann erst zurück in sein Zimmer. Er hoffte, dass Ludwig schon verfügt hatte, dass die Diener zuerst anklopfen mussten, bevor sie sein Zimmer betraten, denn wenn Ludwig nicht vorher erwachte und sie einen splitternackten König vorfanden... D'Artagnan kicherte leise, als er sich in seine Decke einkuschelte, die jetzt wunderbar nach Ludwig roch. Er atmete ein paar mal tief durch, und dann war auch er eingeschlafen.


Alexandre war am Abend noch eine Weile wach geblieben und in seinem Zimmer auf und ab gegangen. Er befand sich in keiner sehr guten Situation, das war ihm natürlich klar. Warum musste er aber auch ausgerechnet hier jemandem begegnen der ihn kannte und von seiner Vergangenheit wusste? Und warum musste dieser Jemand auch noch ausgerechnet mit Charles befreundet sein?
Er ließ sich schließlich im Sessel am Kamin nieder und starrte in die Flammen. Von einem Diener hatte er sich ein Glas Branntwein bringen lassen, das er jetzt in den Fingern drehte. Natürlich hatte er noch ein Ass im Ärmel, aber bisher wusste er nicht einmal von welcher Art dieses Ass war. Ganz unverkennbar war der König Feuer und Flamme für seinen Bruder. Wie aber Charles dazu stand, hatte er noch nicht herausfinden können. Ließ er sich benutzen oder war er ebenfalls verliebt in den König? Oder war er ihm so treu ergeben, dass er einfach alles mit sich machen ließ? Früher wäre Alexandre sich sicher gewesen, dass Charles nur jemanden umarmen würde, in den er auch verliebt war. Aber er wusste nicht, wie sehr sich sein Bruder geändert hatte. Und das konnte wichtig sein für sein weiteres Vorgehen. Bevor er irgendetwas unternahm, musste er es herausfinden.


Bevor Ludwig am nächsten Morgen die Augen aufschlug, tastete er nach D'Artagnan. Erst als er merkte, dass das Bett neben ihm leer war, wurde ihm bewusst, dass es fatal wäre, wenn er noch in D'Artagnans Bett läge und er schreckte auf. Aber er war in seinem eigenen Zimmer. D'Artagnan musste ihn hierher zurückgetragen haben.
In dem Moment klopfte es auch schon an die Tür. Ludwig sah an sich herab. Er war nackt. Nicht einmal sein Nachthemd hatte er mehr an. Etwas panisch sah er sich um und ertastete es dann unter seinen Fingern. Hastig streifte er es über und rief seine Diener herein.
Er schalt sich selbst für seine Verantwortungslosigkeit in der vergangenen Nacht. Mit einiger Freude nahm er allerdings zur Kenntnis, dass die Musketiere erfolgreich zurückgekehrt waren. Sein Sekretär teilte ihm mit, dass die Anhörung seines ehemaligen Leibarztes heute zu seinen Aufgaben gehörte. Eine Aufgabe, die Ludwig sehr gerne abgegeben hätte.

D'Artagnan erwachte, als die Diener durch sein Zimmer marschierten und sich der Verbindungstür näherten. "Anklopfen!", sagte er automatisch, die Stimme noch voller Schlaf und trotzdem so bestimmt, dass der vorderste Diener tatsächlich anklopfte und ihn erst danach etwas verwundert und pikiert ansah. Aber D'Artagnan war zufrieden. Ein etwas älterer, hochnäsiger Diener teilte ihm mit, dass sie seinen Befehl nicht benötigten, da sie einen solchen bereits vom König erhalten hatten, aber D'Artagnan hörte ihm kaum zu. Er erinnerte sich an letzte Nacht, grinste breit und verschwand mit seinen Klamotten im Bad, bevor der Diener überhaupt zuende geredet hatte.
Während er sich ankleidete, dachte er daran, was gestern alles passiert war. Sein Bruder war hier, und seine Freunde waren zurück! Und der König war in sein Bett gekommen... Seine Wangen glühten, als er in den Spiegel sah, und er fand, dass Aramis vollkommen recht hatte: Bis auf diese etwas jungenhafte, aber vorübergehende Röte war er wirklich ein Mann geworden. Stolz streckte er die Brust heraus und fragte sich, ob Ludwig das wohl auch bemerkt hatte; wie männlich er jetzt war. Er hob einen Arm und spannte die Muskeln an, und er hätte nicht zufriedener mit sich sein können. Er würde nachher Alexandre fragen, ob ihm etwas auffiel an ihm.
Dann fiel ihm ein, was die anderen für den Grund hielten, warum er gereift war, und er ließ den Arm sinken und hörte auf zu strahlen. Er hatte Ludwig gar nicht vorgewarnt wegen dem Mittagessen. Und wahrscheinlich würde er ihn vorher auch nicht mehr alleine erwischen, schließlich erwartete diesen heute wieder viel Arbeit. Er konnte nur hoffen, dass Ludwig sein logisches Denken einsetzte und ihm bei diesem Lügenmärchen vielleicht sogar noch zu Hilfe kam. Er konnte ja unmöglich glauben, dass es wahr war, was er erzählte - oder?
Angestrengt ging er im Kopf seine bisherige Geschichte durch. Es musste natürlich möglich sein - er konnte beispielsweise keinen Tag aussuchen, an dem er die ganze Zeit hier gewesen war. Also würde er sagen, dass es an dem Tag passiert war, als er alleine in der Stadt gewesen war und Ludwigs Medizin abgeholt hatte. Er biss sich auf die Lippen. Das war noch vor ihrem ersten Zusammensein gewesen, und hoffentlich glaubte Ludwig die Geschichte nicht wirklich...
Vielleicht konnte er ihn doch noch warnen. Aber als er in sein Zimmer ging und dort auf ihn wartete, kam er nicht allein heraus, sondern in Begleitung seines übereifrigen Sekretärs, der in D'Artagnan jedes Mal den Wunsch erweckte, ihn zu packen und bei den Füßen aus dem Fenster zu hängen.
"Guten Morgen, Majestät", sagte er und verbeugte sich, den Sekretär ignorierend.
"Guten Morgen D'Artagnan." Ludwig versuchte sich mit einem Blick dafür zu bedanken, dass D'Artagnan gestern seine eigene Unachtsamkeit ausgeglichen hatte. Es war ihm etwas unangenehm, dass er wieder einmal so gedankenlos gewesen war. Eigentlich gab er sich sehr große Mühe, aber er schaffte es einfach nicht, vorsichtig genug zu sein.
Gerade, als er den Kopf ein wenig hängen lassen wollte, wurde er von einem schallenden, dreistimmigen "Guten Morgen Majestät" aus seinen Gedanken gerissen. Mit mildem Erstaunen sah er auf und erblickte im Gang vor ihm die drei Musketiere, die ehrfürchtig die Köpfe geneigt hatten.
Richtig, ihm war ja heute Morgen mitgeteilt worden, dass sie ihren Auftrag erfüllt hatten und zurückgekehrt waren. Er lächelte freundlich. "Guten Morgen meine treuen Musketiere" begrüßte er sie. "Ich danke euch für eure Mühen und hoffe, dass ihr mir die Ehre erweist heute Morgen mit und zu frühstücken."
"Die Ehre erweist Ihr uns" sagte Aramis mit einer weiteren tiefen Verbeugung.
Ludwig hieß seine Diener noch drei weitere Gedecke auftragen, als sie alle am Tisch Platz genommen hatten.
D'Artagnan freute sich ja eigentlich, seine Freunde wieder um sich zu haben. Dennoch saß er mit langem Gesicht am Tisch, und nicht einmal die Tatsache, dass er wieder nah beim König sitzen konnte, heiterte ihn auf. Er senkte den Kopf über seinen Teller, um möglichst lange übersehen zu werden und der Aufforderung, seine Geschichte zum besten zu geben, aus dem Weg zu gehen.
Eine Weile ging das sogar ganz gut. Athos war zunächst damit beschäftigt, Ludwig ins Gewissen zu reden, damit er den geschnappten Leibarzt möglichst hart bestrafe, aber D'Artagnan hatte den Eindruck, dass der König nicht sehr empfänglich war und ihm Athos' Worte, wie man so sagte, zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus gingen.
Porthos hatte bei einer so reich gedeckten Tafel natürlich sowieso alle Hände voll zu tun. Einzig Aramis warf D'Artagnan ein ums andere Mal einen auffordernden, strahlenden Blick zu, den dieser so gut es ging ignorierte und sich stets mit irgend etwas den Mund so vollstopfte, dass er sowieso kein Wort mehr hätte sagen können.
"...geht es nicht an, dass Verräter an der Krone mit einem meiner Meinung nach viel zu mildem Urteil abgefertigt werden", ereiferte sich Athos gerade, dessen Teller immer noch randvoll war, weil er in einem fort auf den König einredete. "Man erinnere sich nur an damals, als der lang gesuchte Verräter, wie hieß er noch gleich, ach, ich weiß jedenfalls genau, es war im Jahre..."
"Athos, iss etwas", fiel ihm Aramis sanft, aber bestimmt ins Wort und legte ihm eine Hand auf den Arm. "Du verdirbst unserem König mit deinem Gerede noch völlig den Appetit. Ich könnte mir erfreulichere Themen vorstellen als die Enthauptung eines Verbrechers." Damit schickte er einen bedeutenden Blick zu D'Artagnan, der so tat, als wisse er überhaupt nicht, was gemeint war, während er sich abermals die Backen vollstopfte, um nicht antworten zu müssen. Ihm war bereits schlecht, aber er fürchtete, jetzt würde er kaum mehr um die Geschichte herumkommen. Er warf einen entschuldigenden und leicht hilflosen Blick zu Ludwig und schluckte die enorme Menge an Essen, die er im Mund hatte, mit einem leichten Würgen herunter.

Ludwig reagierte auf Athos' Ausführungen nur mit einem leichten Nicken. Er wusste jetzt schon, dass er es nicht können würde. Er war einfach nicht in der Lage Todesurteile auszusprechen. Er fand, dass es nicht Aufgabe eines Menschen war, über Leben und Tod eines anderen zu bestimmen. Laut der zehn Gebote war es eine Todsünde, einen anderen Menschen zu töten. Das war ganz allein Sache des Herrn. Andererseits wurde dieser Urteilsspruch natürlich des öfteren von ihm erwartet. Auch das hatte ihm Richelieu seinerzeit aus der Hand genommen, musste er zugeben.
Ein wenig erstaunt beobachtete er D'Artagnan, der heute einen sehr gesegneten Appetit zu haben schien. Zwar freut er sich, wenn es ihm schmeckte, aber im Moment wirkte es fast so, als würde D'Artagnan ersticken.
Athos sah Aramis ein bisschen empört an, weil er offenbar fand, dass es nichts wichtigeres gab, als dem König klarzumachen, dass Urteile auch manchmal hart sein mussten. Aber als Aramis zu D'Artagnan hinüber nickte, verstand er und grinste.
"D'Artagnan!", rief er, so dass der zusammenzuckte und hustete, und wandte sich dann wieder an den König. "Unser junger Freund scheint einen großen Schritt in seinem Reifungsprozess getan zu haben, seit wir weg waren", sagte er und grinste. "Wisst Ihr schon Bescheid?"
"Nein, weiß er nicht", sagte D'Artagnan rasch.
"Wie schön!", rief Aramis aus. "Dann erfreu uns jetzt alle mit dieser wichtigen Neuigkeit!"
D'Artagnan wurde knallrot und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Was erwarteten seine Freunde denn jetzt von ihm? Dass er ihnen einfach rundheraus erzählte, dass er mit einer Frau geschlafen hatte? Das hätte er ja nicht einmal tun können, wenn dem tatsächlich so wäre!
"Nur zu", sagte Aramis aufmunternd und strahlte ihn an. D'Artagnan vermied es, den König anzusehen, dessen Gesichtsausdruck er sich trotzdem lebhaft vorstellen konnte.
"Ich... ich war... ich habe...", stammelte er, aber er fand, dass es völlig unmöglich war, es zu sagen.
"D'Artagnan!", sagte Aramis überschwänglich und sah dann den König an. "Habt Ihr es nicht bemerkt, Majestät? Euer junger Leibwächter ist zum Mann geworden!"
D'Artagnan wurde noch eine Spur röter und rutschte ein Stückchen unter den Tisch, während Aramis hingegen sich stolz noch mehr aufrichtete und Ludwig begeistert anstrahlte. D'Artagnan warf ebenfalls einen Blick zum König, allerdings so flüchtig, dass er nur sehen konnte, dass Ludwig blass und etwas aus der Fassung gebracht aussah. Er musste etwas tun.
"Ja, stimmt", sagte er, von seinem Teint her immer noch einer Mohnblume ähnelnd, sich jedoch auf seinem Stuhl wieder aufrichtend. "Ich habe sie schon ein paar mal gesehen, und dann habe ich sie getroffen, als ich das letzte Mal in der Stadt war, und..."
"Wie hieß sie noch?", fragte Porthos dazwischen.
"Louise", seufzte Aramis und stützte verträumt den Kopf in die Hände.
"Genau", sagte D'Artagnan, der sich fühlte wie ein Glühwürmchen, das am falschen Ende leuchtet. Er zwang sich immer noch, möglichst keinen anzusehen - am allerwenigsten Ludwig - und seine Worte an die Tischplatte vor sich zu richten. "Jedenfalls habe ich sie da getroffen, und..."
"Du hast sie einmal getroffen, und schon...?", fragte Porthos beeindruckt. "Du bist wirklich ein Teufelskerl!"
"Wann siehst du sie wieder?", fragte Aramis.
"Überhaupt nicht!", sagte D'Artagnan schnell.
"Wieso nicht?", fragte Aramis entsetzt.
"Weil... sie weggeht! Zu ihrer Tante nach... Cannes", flunkerte er. "Und deswegen werde ich sie nie wiedersehen, was schade ist, aber so ist das Leben!" Er versuchte, tapfer auszusehen, hatte die Worte aber eher heruntergeleiert als bedauernd geseufzt. Das schien jedoch keinen zu stören.
"Wie schade!", sagte Aramis mit tiefstem Bedauern. "Sie hatte so einen schönen Namen! Du hast aber auch Pech mit den Frauen... Wie soll ein Herz das aushalten?"
"Es ist nicht so schlimm", murmelte D'Artagnan, der es immer noch kreuzpeinlich fand, dass sein fiktives erstes Mal mit einer Frau tatsächlich an der königlichen Tafel besprochen wurde. Er wäre am liebsten weggelaufen, und er war sich sicher, dass es Ludwig genauso ging. Sehr vorsichtig riskierte er einen Seitenblick, in der Hoffnung, dass Ludwig hiervon nichts falsch verstanden hatte.
"D'Artagnan wird wohl kaum Zeit für irgendwelche Liebeleien haben, solange er in meinem Dienst steht" sagte Ludwig ungewöhnlich heftig und sorgte damit für einiges Erstaunen bei den Musketieren. So bestimmt kannten sie ihren König nicht.
Ludwig riss sich bei ihren überraschten Gesichtern wieder ein wenig zusammen. Eigentlich hätte er gerne noch ein paar Dinge dazu gesagt, aber es war vermutlich besser es dabei bewendenn zu lassen.
Natürlich glaubte er nicht, dass das, was D'Artagnan erzählte, der Wahrheit entsprach. Das war völlig undenkbar, dass er in dieser kurzen Zeit ein Mädchen kennen gelernt hatte...
Obwohl ... unmöglich war es nicht. Schließlich gab es genug Mädchen, die leicht zu haben waren und sich nur allzu gern einem hübschen und bei Hofe so hoch angesehenen jungen Mann wie D'Artagnan hingaben. Etwas misstrauisch musterte er ihn von der Seite.
"Majestät, D'Artagnan wird seine Pflichten ganz sicher nicht vernachlässigen" sagte Aramis schmunzelnd. "Aber er ist jung! Wundert es Euch denn, wenn er eine Gelegenheit beim Schopfe packt?" Er wandte sich wieder an D'Artagnan. "Warte erst, bis ich dir alles über die hohe Kunst der Liebe beigebracht habe, mein junger Freund. Die Mädchenherzen werden dir zufliegen wie mir..."
"...früher" warf Porthos zwischen zwei Bissen ein, wurde aber nur mit einem tadelnden Seitenblick von Athos bedacht.
"Das wird nicht nötig sein, Aramis" sagte Ludwig spitz. "D'Artagnan hat genug andere, wichtigere Dinge, die er lernen muss."
"Das stimmt", sagte D'Artagnan sofort. Er warf einen etwas zerknirschten Blick zu Ludwig und dann einen unangenehm berührten zu Aramis. Wenn er daran dachte, wie der ihm alles über die hohe Kunst der Liebe beibrachte, stellten sich ihm die Nackenhaare auf. "Mich interessieren gar keine Mädchen - ich meine, doch, schon!", warf er hastig hinterher. "Aber ich habe im Moment so viel wichtigeres zu tun und zu lernen! Da bleibt mir für so etwas gar keine Zeit!"
"D'Artagnan, fang nicht so an!", sagte Aramis fast etwas erschrocken. "Natürlich wirst du Zeit für ein bisschen Spaß haben!" Er zwinkerte. "Schließlich wirst du sicher auch einige Abende mit uns verbringen, und sei dir sicher, vier gutaussehende Männer wie wir werden Blicke auf sich ziehen - auch wenn zwei davon sich in letzter Zeit etwas gehen lassen", bemerkte er leicht naserümpfend in Richtung Athos und Porthos. Die ließen sich davon nicht stören; Porthos aß in aller Ruhe weiter, und Athos warf lediglich einen Blick in Richtung Aramis, den man als vage Warnung interpretieren hätte können. "Mach aus dem Jungen keinen Hallodri", sagte er mit mäßiger Strenge zu seinem Freund. "Er hat ein gesundes Pflichtbewusstsein, und Eifer wie wir alle drei zusammen. Er hat sein Leben lang Zeit, Mädchen kennen zu lernen! Wenn für ihn jetzt noch nicht die Zeit ist, Röcken nachzustellen, wird er das eben später tun!"
"Aber er tut es ja schon!", verteidigte sich Aramis. "Außerdem kann man auch ZU spät mit so etwas anfangen!"
"Oder aufhören", ließ Porthos vernehmen, kurz bevor er sich ein Stück Schinken in den Mund stopfte, um so zu tun, als hätte er das unmöglich sagen können.
Aramis hob die Augenbrauen und wandte sich dann wieder an den König. "Ihr habt einen so beflissenen Leibwächter, Majestät, dass ich sicher bin, er wird kaum Schaden nehmen wenn er sich ab und an ein wenig - Vergnügen gönnt", sagte er zuversichtlich lächelnd. D'Artagnan bedachte ihn mit einem flehenden Blick und hätte am liebsten irgend etwas umgestoßen.
"Wir reisen ohnehin bald", warf er etwas zusammenhanglos ein, klopfte sich jedoch gedanklich auf die Schulter, dass ihm das eingefallen war.
"Und davor ist Ball!", rief Aramis begeistert aus.
Ludwig sah mittlerweile aus, als habe er in eine besonders saure Zitrone gebissen. Gerade noch hatte er sich so sehr über die Rückkehr der Musketiere gefreut, aber im Moment hätte er sie ganz gerne sofort wieder zu einem länger dauernden Auftrag weggeschickt. Aramis’ Interesse an D'Artagnans Liebesleben störte ihn sogar noch mehr, als Athos Drängen auf eine härtere Strafe. Am schlimmsten war es, dass ihm dadurch mehr bewusst wurde, wie groß D'Artagnans Chancen bei jungen Mädchen waren. Wahrscheinlich gab es zur Zeit im ganzen Land kaum einen begehrteren Junggesellen als D'Artagnan. Und, dass unter all den Mädchen eins sein könnte, das D'Artagnan gefiel, war sehr wahrscheinlich.
"Ihr entschuldigt mich" sagte er und stand auf, woraufhin alle, sogar Porthos aufhörten zu essen. "Ich muss euch leider alleine lassen, da die Pflicht mich ruft. Ich erwarte euch heute Nachmittag bei der Anhörung eures Gefangenen." Er rauschte aus dem Speisesaal und war in diesem Moment so verärgert über D'Artagnan, als habe dieser tatsächlich mit einem Mädchen angebandelt.
Ohne noch einmal zurück zu sehen machte er sich auf den Weg zur Kapelle.
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