Für meinen König
von Ash
Kurzbeschreibung
Nach seiner Ernennung zum Musketier macht König Ludwig XIII D'Artagnan zu seinem persönlichen Leibwächter. Doch bei Hofe erwarten unseren jungen Helden nicht nur neue Aufgaben und Abenteuer, sondern auch die Liebe - allerdings dort, wo er sie nie vermutet hätte. Natürlich sind auch seine drei Freunde wieder mit von der Partie. Auf dem Musical basierend; diese Geschichte beginnt dort, wo das Stück aufhört.
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Aramis
Athos
D'Artagnan
14.03.2006
15.10.2006
20
67.255
3
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Dieses Kapitel
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14.03.2006
4.304
Als D'Artagnan am nächsten Morgen aufwachte, sein Kissen fest umarmend, dachte er im ersten Moment, er habe einen besonders schönen Traum gehabt. Aber dann fiel ihm ein, dass das alles wirklich passiert war, und er war mit einem Schlag hellwach und hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht.
Schwungvoll stand er auf, zog sich sein Nachthemd über den Kopf, warf eine Kusshand in Richtung der Verbindungstür und verschwand in seinem Badezimmer - keine Sekunde zu früh, denn kaum war er drin, hörte er, wie seine Tür aufging und die Bediensteten hereinströmten.
Ziemlich zufrieden musterte er sich nackt im Spiegel und dachte gerade "So sieht also ein Mann aus" - denn das war er ja jetzt, und kein Junge mehr - da fiel sein Blick auf seine Schulter. Er trat näher und fuhr vorsichtig mit seinen Fingern über das Mal, das sich über Nacht von tiefrot in dunkelstes Blau, Lila und stellenweise sogar fast Schwarz verwandelt hatte. Er verzog das Gesicht ein wenig, weil es schmerzte, aber immerhin hatte er so ein Andenken daran, wie heftig Ludwig gekommen war, wenn er so fest hatte zubeißen müssen...
Er warf noch einen letzten Blick darauf bevor er sich anzog, und in Gedanken war er bereits bei ihrem Ausritt. Aber vorher würde er wieder den professionellen Leibwächter spielen müssen, und ehrlich gesagt bereitete ihm das ein wenig Sorgen. Nicht für diesen Tag, und auch nicht etwa, weil er sich das nicht zutraute. Nein, er machte sich Sorgen wegen Ludwig. Er konnte nicht dessen Blick vergessen, gestern noch in dessen Arbeitszimmer - wie verzweifelt er ausgesehen hatte, und wie... entgleist. Und das, weil er gedacht hatte, dass D'Artagnan ihn nicht wiederliebte und kühl zu ihm war.
Mit leicht sorgenvoll gerunzelter Stirn knöpfte er sich das Hemd vor dem Spiegel zu. Er würde vielleicht noch einige Male so kühl sein müssen. Vielleicht würde er sogar in übertriebener Distanz Schutz suchen müssen, um sich nicht zu verraten, denn schließlich fiel es ihm auch nicht leicht, zu verbergen, was er für Ludwig fühlte. Aber es konnte sie so dermaßen in Schwierigkeiten bringen...
Er fragte sich, ob Ludwig schon soweit gedacht hatte. Der lebte für einen König ziemlich von hier auf jetzt, dachte er etwas besorgt, aber andererseits war es ja gerade dieses versonnene und verträumte, was ihn so besonders und liebenswert machte, und was D'Artagnan ihm erhalten wollte. Er würde eben für sie beide aufpassen, und Ludwig würde das schon verstehen. Es würde schon alles gut gehen.
Jetzt zwang er sich, solche Gedanken beiseite zu schieben, und er trat vollständig angekleidet wieder aus seinem Zimmer, um mit klopfendem Herzen auf den König zu warten. Der kam diesmal leider nicht alleine aus dem Zimmer, sondern begleitet von seinem Sekretär, der gar nicht davon angetan schien, dass Ludwig sich einen Tag frei nehmen wollte. Aber an Ludwigs Gesichtsausdruck konnte D'Artagnan sehen, dass dieser fest entschlossen war.
"Guten Morgen, Majestät!", sagte er laut, den Sekretär unterbrechend, trat vor und lächelte Ludwig mit einem Funkeln in den Augen an. Er nickte dem Sekretär zu, und dann ließ er es sich nicht nehmen, nach Ludwigs Hand zu greifen, um ihm einen kurzen, aber intensiven Handkuss zu geben.
Auf Ludwigs Gesicht breitete sich ei D'Artagnans herzlicher Begrüßung ein Strahlen aus. Er hatte sehr gut und erholsam geschlafen in dieser Nacht und sogar bei der Ankleidezeremonie war er überraschend gut gelaunt gewesen, sehr zum Erstaunen seiner Diener.
Sein Sekretär hatte es allerdings schon fast wieder geschafft, diese Laune zu trüben. Er wollte ihm klar machen, dass es auf gar keinen Fall möglich war, dass er sich frei nahm und noch dazu ausritt, ohne Begleitung wie ein ganz gewöhnlicher Bürger. Sein Gerede erinnerte Ludwig fast ein bisschen an Richelieu, der damals sein Leben auch von vorne bis hinten in der Hand gehabt hatte. Nur in den Fällen, die ihm persönlich besonders wichtig waren, war es Ludwig gelungen, sich durchzusetzen. Und jetzt war so ein Fall. Mit D'Artagnan an seiner Seite fühlte er sich umso stärker.
Er sah seinen Sekretär sehr streng an. "Es wäre mir neu, dass Ihr mir etwas zu befehlen habt." sagte er in einem ungewöhnlich entschlossenen Tonfall und für einen Moment sah er tatsächlich königlich aus. "Ich bin mir sicher, dass es sich im Schloss bereits herumgesprochen hat wie ein Lauffeuer, dass man versucht hat, mich zu vergiften."
"Nein Majestät, davon wusste ich nichts" stammelte der Sekretär mit einer Verbeugung, aber ihm war deutlich anzusehen, dass er die Unwahrheit sagte.
"Es ist das Mindeste, dass ich diesen Tag nutze, um mich zu erholen. Die Gespräche mit meinen Beratern müssen auf Morgen verschoben werden." sagte Ludwig fest. "Wenn ihr euch nützlich machen wollt, dann veranlasst, dass für uns die zwei besten Pferde des Stalls gesattelt werden."
Mit dieser für einen Sekretär unwürdigen Aufgabe ließ er ihn stehen und wandte sich an D'Artagnan, dem er eine Hand auf die Schulter legte. D'Artagnan zuckte kaum merklich zusammen, da Ludwig ihm die Hand ausgerechnet auf die Stelle legte, an der er ihn gebissen hatte, aber der leichte Druck dort war nicht einmal unangenehm. Der König sah ihn mit einem Ausdruck an, von dem es gut war, dass ihn niemand anders wahrnahm. Was das Verbergen seiner Emotionen D'Artagnan gegenüber anbetraf würde Ludwig wirklich noch dazulernen müssen. "Ich hoffe du hast auch gut geschlafen?" fragte er sanft und es hätte nicht viel gefehlt, dass er noch ein "mein Schöner" drangehängt hätte.
"Vielen Dank, Majestät, ich habe sehr gut geschlafen", antwortete D’Artagnan höflich und versucht, seiner Stimme die nötige Distanz zu geben. Ludwig machte es ihm nicht einfach, wenn er ihn auch noch so berührte.
Den ganzen Weg bis zum Speisesaal liefen sie so nebeneinander her, bis sie dort getrennt wurden, weil die Königin nicht anwesend war und D'Artagnan auf dem Platz gegenüber dem des Königs sitzen musste. Er freute sich wahnsinnig auf den Ausritt, und er langte wie immer ordentlich zu, ohne jedoch zu vergessen, auch ein Auge darauf zu haben, ob Ludwig genug aß. So ein Ausritt brauchte schon ein bisschen Energie, aber wenn Ludwig müde war, konnte er ja auf sein Pferd umsteigen...
Er erschauerte kurz, als er sich vorstellte, wie es wäre, wenn sie zu zweit auf einem Pferd säßen und Ludwig sich eng an ihn schmiegte... Aber so etwas durfte er hier gar nicht denken. Er war schon froh, dass er die Blicke, die er Ludwig zuwarf, als Kontrolle von dessen Essverhalten ausgeben konnte.
Sie sprachen nicht einmal miteinander, weil sie so beschäftigt damit waren, das Frühstück möglichst schnell zu beenden, und als der König sich erhob, sprang D'Artagnan ebenfalls auf, eilte an seine Seite und verließ mit ihm den Saal.
"Ich bin sicher, der Ausritt wird Euch gut tun", sagte er und lächelte. "Und ich bin schon sehr gespannt auf den Platz, den Ihr mir zeigen wollt."
Ludwig war erfreut über D'Artagnans Begeisterung. Er selbst wurde ebenfalls davon mitgerissen, denn der Gedanke, den ganzen Tag mit D'Artagnan zu verbringen und endlich einmal wirklich ungestört zu sein, war fast zu schön um wahr zu sein. Er konnte sich heute kaum noch vorstellen, dass es ihm gestern noch so schlecht gegangen war. Heute fühlte er sich, wie das blühende Leben. Schon allein, dass er heute Reiterkleidung tragen konnte, hob seine Stimmung enorm. Auch diese war natürlich prunkvoll und reichlich übertrieben, aber immerhin konnte man sich darin bewegen, ohne ständig Angst zu haben zu stolpern.
Der Anführer seiner Leibgarde, die natürlich auch aus Musketieren bestand, hielt ihn auf dem Weg aus dem Schloss auf und bat ihn, ihm noch ein paar Männer an die Seite stellen zu dürfen. Caronne war einer der wenigen, von denen sich Ludwig ganz sicher war, dass sie ihm treu ergeben waren und wirklich um seine Sicherheit besorgt. Trotzdem lehnte Ludwig natürlich ab. "Mein Leibwächter wird sich um mein Wohlergehen kümmern" sagte er und schaffte es, nur innerlich über die kleine Zweideutigkeit zu lächeln. "Ihr braucht euch nicht zu sorgen, ich bin in guten Händen. Heute brauche ich die Ruhe und Einsamkeit."
"Ich verstehe" sagte Caronne und verbeugte sich leicht. Er wandte sich an D'Artagnan. "Ich bin überzeugt, dass du den Musketieren Ehre machen wirst. Beschütze unseren König, wenn nötig mit deinem Leben." Mit einer weiteren Verbeugung entfernte er sich und Ludwig sah ihm ein wenig gerührt nach. "Wenn nur alle so treu wären wie meine Musketiere..." sagte er leise und nachdenklich. Doch dann lächelte er wieder als er D'Artagnan ansah. "Aber ich sollte froh sein über das was ich habe."
Sie traten in den Burghof hinaus, wo ihre Pferde bereits gesattelt waren. Ein nachtschwarzer und ein glänzend weißer Hengst standen ungeduldig nebeneinander und zogen an den Zügeln, die zwei Stallburschen festhielten. "Sombre und Soleil" stellte Ludwig sie D'Artagnan vor. „Die besten Pferde aus meinem Stall. Sie sind argentinische Halbblüter und sehr temperamentvoll. Ich hoffe du kannst gut mit Pferden umgehen?" Er tätschelte dem dunklen Pferd den Hals.
D'Artagnan erinnerte sich an das Pferd, das ihm von seinen Eltern mitgegeben worden war: Pomme de terre, das beste und leider auch einzige Pferd ihres Stalles. Es war alt gewesen und als einziges übrig geblieben, aber früher hatten sie mehrere Pferde gehabt, und auf denen hatte er gelernt, zu reiten wie der Teufel. Er hatte ein Lieblingspferd gehabt, Cathédrale, so genannt wegen einer interessanten Zeichnung auf der Flanke, aber sie hatten sie leider verkaufen müssen.
"Ja, das kann ich", sagte er selbstbewusst. Er war ganz stolz darauf, vom Anführer der Leibgarde mit soviel Respekt und Achtung angesprochen worden zu sein, und etwas abwesend tätschelte er dem schwarzen Pferd das Hinterteil, so dass es einen Satz nach vorne machte und beinahe den König umgeworfen hätte.
"Hoppla!", rief D'Artagnan und rannte dem Hengst hinterher, bis er dessen Zügel zu fassen bekam, die Hacken in den Boden stemmte und das Pferd zum Anhalten zwang. Etwas verlegen grinsend führte er das Pferd, das ihn vergnügt aus seinen rabenschwarzen Augen anfunkelte, zurück zum Ausgangspunkt und rieb ihm die Nase. "Der kann es wohl kaum erwarten!", versuchte er seinen kleinen Faux pas zu überspielen, während er dem Hengst geschäftig das perfekt angelegte Zaumzeug ordnete. "Welches ist Eures?", fragte er beflissen, und dann blitzten seine Augen auch ein wenig wie die des Pferdes. "Soll ich Euch beim Aufsteigen behilflich sein...?"
"Danke, das ist nicht nötig" sagte Ludwig mit einigem Amusement. Er hatte sich schon davon erholt beinahe umgerannt worden zu sein. Pferde waren nun mal unberechenbar, besonders diese. "Ich denke du solltest vielleicht lieber darauf achtgeben, dass dein Pferdchen nicht mit dir durchgeht" fügte er in einem für ihn sehr ungewöhnlichen scherzhaften Ton hinzu. "Da du dich ja mit Sombre so gut zu verstehen scheinst, kannst du ihn auch gleich reiten. Weiß steht mir sowieso besser."
Die zwei Stallburschen warfen sich einen erstaunten Blick zu, der sich auf die ungewöhnlich gute Laune des Königs bezog.
Ludwig schwang sich elegant auf das weiße Pferd und strahlte von dort oben weit mehr Würde aus, als es ihm auf Bällen oder Empfängen gelang. Wohlwollend sah er zu, wie D'Artagnan ebenfalls ohne weitere Zwischenfälle und mit unbestreitbarem Können sein Pferd bestieg und es sofort unter Kontrolle hatte. Von einem Diener wurde das Picknick für sie beide in D'Artagnans Satteltaschen verstaut und dann ritten sie los.
Als sie die Straßen von Paris durchquerten, die zum Stadttor führten, erwartete sie eine Überraschung. Offenbar hatte sich herumgesprochen, dass Ludwig heute ausreiten würde, denn vor allen Häusern standen Frauen und Kinder, die Blumen auf die Straße streuten und ihrem König zujubelten. Paris hatte bereits erfahren, dass man versucht hatte den König zu vergiften und der Schock darüber hatte zu einem plötzlichen enormen Anstieg seiner Beliebtheit geführt. Denn Frankreich ohne einen König war schließlich rein gar nichts und man erinnerte sich plötzlich auch wieder daran, dass ein sanfter König wie Ludwig durchaus Vorteile gegenüber einem harten Herrscher wie seinem Vater hatte.
Ludwig nahm sprachlos eine Rose nach der anderen entgegen, die ihm von jungen Mädchen hochgereicht wurden und drehte sich in völligem Erstaunen zu D'Artagnan um, der ebenfalls mit Blumen, selbstgemachten Likören, Honig und anderen Kostbarkeiten, die die einfachen Leute zu bieten hatten, überhäuft wurde, so dass er es kaum noch in seinen Satteltaschen verstauen konnte.
"VIVE LE ROI!" rief die Menge und brach wieder in lautes Jubeln aus, als Ludwig die Hand hob.
D'Artagnan strahlte wie die Sonne. So etwas hatte er bisher nicht erlebt, zumindest nicht aus dieser Perspektive. Er erinnerte sich, dass er einmal mit seinen Brüdern und seinem Vater in Paris gewesen war, und als kleiner Dreikäsehoch auf den Schultern seines Vaters zugesehen hatte, wie der König in einer Kutsche durch die Stadt gefahren war. Leider hatte man dabei nicht viel von ihm gesehen, aber die Leute hatten genau wie jetzt Blumen gestreut und allerlei Geschenke dabeigehabt.
Es freute ihn so sehr für Ludwig, dass dieser jetzt sehen konnte, wie sein Volk zu ihm stand. Diese große Begeisterung wollte beinahe kein Ende nehmen, und vor lauter Geschenken, mit denen er die bereits zum Bersten gefüllten Satteltaschen vollstopfte, kam er gar nicht dazu, den Weg für den König zu ebnen, wie er es sicher eigentlich hätte tun sollen.
Aber er konnte sehen, wie sehr Ludwig sich freute, und sie hatten ja keine Eile. Er wehrte mit den Händen weitere Geschenke ab, aus akutem Platzmangel, und versuchte, sich dennoch darauf zu konzentrieren, den König zu schützen. Wie angreifbar er in so einer Menge war, und wie ungehindert sich jemand, der Böses im Sinn hatte, ihm nähern konnte...
Er trieb sein Pferd ein wenig an, so dass er dicht bei Ludwig war, und behielt die Menge, besonders die Menschen, die am nächsten bei ihnen standen, genau im Auge.
Ludwig bemerkte D'Artagnans Versuch ihn zu schützen und lächelte ihm ermutigend zu. Er wusste selbst, wie angreifbar er in so einer Situation war, aber er hatte keine Angst. Alle waren so gut gelaunt und fröhlich und er war sich sicher, dass D'Artagnan ihn schützen würde, egal was geschah. Aber alles blieb friedlich.
Einige Kinder folgten ihnen noch bis zum Stadttor und winkten ihnen nach, als sie hindurchritten. Vom Mauergang streute noch jemand einen Korb Blüten auf sie, so dass sie wirklich geschmückt waren, als sie die Stadt schließlich hinter sich ließen und in Richtung des Waldes ritten.
Ludwig war so gerührt, dass er eine Weile ganz still war. "Damit habe ich nicht gerechnet" sagte er dann an D'Artagnan gewandt. "Meinst du, dass das Volk mich vielleicht doch noch achtet?" fragte er schüchtern und hoffnungsvoll.
"Ludwig!", sagte D'Artagnan impulsiv und sah sich gleich darauf etwas hektisch um, ob ihn auch keiner gehört hatte. Dann wandte er sich mit fast empörtem Gesichtsausdruck wieder an den König. "Was braucht Ihr denn noch, um zu sehen, dass Euer Volk froh ist um Euch? Habt Ihr nicht ihre Gesichter gesehen? Die Blumen! Die Geschenke! Sie empfinden Bewunderung für Euch, und für mich könnte nicht deutlicher sein, dass sie Euch vergeben haben!"
Er sah ihn eindringlich an; dann lächelte er. Ludwig war einfach zu bezaubernd in seiner Schüchternheit und seiner für einen König völlig ungewöhnlichen Bescheidenheit. "Euer Volk liebt Euch", sagte er ernst. "Und Euer Leibwächter auch."
Er genoss den Ausdruck, der sich daraufhin in Ludwigs Züge schlich, und dann breitete sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Ihr hattet übrigens recht: Weiß steht Euch vortrefflich. Aber jetzt will ich sehen, ob Ihr auf einem Pferd nicht nur gut aussehen, sondern auch wirklich darauf reiten könnt!" Und er holte aus und schlug mit seiner Hand klatschend auf das Hinterteil des weißen Hengstes, so dass der wild den Kopf hob, schnaubte und dann beinah aus dem Stand losschoss wie eine Rakete. D'Artagnan lachte und trieb sein Pferd ebenfalls an, und während er versuchte, den König einzuholen, genoss er es, wie der Wind ihm um die Ohren pfiff, und wie er Ludwig vor sich herreiten sah. In diesem Moment gab es nur sie beide - keine Gefahren, keine Verpflichtungen und keine Begrenzungen. Er fühlte sich wild und frei, und er wünschte sich, dass Ludwig genauso fühlte.
Ludwig wären um ein Haar die Zügel entglitten, als Solei auf D'Artagnans Hieb hin plötzlich losschoss. Doch er war ein zu guter Reiter, um sich dadurch wirklich aus dem Konzept bringen zu lassen. Lachend preschte er auf seinem Hengst vor D'Artagnan her und machte keine Anstalten ihn wieder langsamer werden zu lassen. Soleil war froh, dass er seinen Energien wieder einmal freien Lauf lassen konnte und galoppierte wiehernd über die Au, die zum Waldrand führte. Ludwigs Zopf löste sich und seine dunklen Haare wehten im Wind.
Er fühlte mehr als er sah, dass D'Artagnan ihn einholte und jetzt neben ihm ritt und in diesem Moment war er so frei und glücklich, wie ein Vogel der gerade Fliegen gelernt hat.
Erst als sie sich dem Waldrand näherten, zügelte er Soleil. Entzückt sah er auf die Laubbäume des Mischwaldes, die um diese Jahreszeit in den schönsten Farben erstrahlten. Leuchtendes Gelb mischte sich mit feurigem Rot und dem satten Grün der Tannen. Da es noch früh am Tag war glitzerte auf einigen der Blätter noch etwas Raureif. Zum ersten Mal in diesem Jahr nahm er die Schönheit der Natur wirklich wahr.
Ludwig ritt ganz nah an D'Artagnan heran. "Ist das nicht wunderschön?" fragte er. "Ich glaube mir ist vorher nie aufgefallen, wie schön der Herbst ist. Komm, dort geht es hinein. Es ist noch ein Stück zu reiten bis zu meinem Platz."
D'Artagnan hatte sich, während sie so nebeneinander entlanggeprescht waren, nichts sehnlicher gewünscht, als dieses Bild irgendwie festhalten zu können. Ludwig hatte so frei und glücklich ausgesehen, und so sicher...
Als ihre Pferde dann erst in einen raschen Trab verfielen und dann wieder nebeneinander herschritten, hatten sie beide gerötete Wangen, und ihre Haare waren vom Wind zerzaust. In dem Moment hätte man sie für ganz gewöhnliche Freunde aus der Stadt oder einem der umliegenden Dörfer halten können, wenn Ludwig nicht seine prunkvolle Reitkleidung getragen hätte.
D'Artagnan sah sich kaum um, als Ludwig mit ihm sprach. Er klebte die ganze Zeit mit seinem Blick nur an ihm, denn so schön der Herbst auch war - er fand, dass das schönste hier immer noch Ludwig war.
"Es ist wunderschön", bestätigte er lächelnd, und dann ritten sie eine kleine Weile nebeneinander her in den Wald hinein, die Schönheit der Natur und die Anwesenheit des anderen still genießend. "Früher bin ich manchmal mit meinen Brüdern ausgeritten", sagte er dann, während er nach oben ins bunte Laub sah, durch das der Himmel blitzte; es würde ein klarer Tag werden. "Ihr Lieblingsspiel war es, plötzlich mitten im Ausritt davonzupreschen und mich alleine zurückzulassen. Am Anfang haben sie mir damit Angst eingejagt, aber ich habe ziemlich schnell herausgefunden, dass mein Pferd immer den Weg nach Hause findet." Er grinste Ludwig an. "Und als ich mir dann das erste Mal Zeit ließ, heimzukommen, und lieber noch eine Stunde ausgeritten bin, hat meine Mutter ihnen die Hölle heiß gemacht." Er legte den Kopf schief, stützte sich ein wenig nach vorne auf seinen Sattel und sah Ludwig an. "Wie war Eure Mutter? Und Euer Vater?"
"Meine Mutter war eine sehr sanfte und warmherzige Frau" sagte Ludwig und lächelte. "Leider habe ich sie nur sehr selten gesehen, denn mein Vater wollte, dass ich zum Mann erzogen werde. Ich war erst bei Ammen, dann bei Gouvernanten und schließlich bei Lehrern, die alle sehr streng und unnachgiebig waren. Mein Vater hat mir immer nur gesagt, dass ich eine Enttäuschung für das gesamte Geschlecht bin." Ludwigs Hände verkrampften sich um die Zügel. "Dass ich zu schwach wäre, zu dumm und viel zu sanft und verwöhnt. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals ein freundliches Wort für mich über hatte. Aber meine Mutter hatte mich sehr gern. Wenn wir zusammen sein durften hat sie mir schöne Dinge beigebracht, wie Singen oder Klavier spielen. Einmal hat sie mir einen kleinen Vogel geschenkt, damit ich nicht so allein bin, aber mein Vater hat ihn vor meinen Augen getötet. Er sagte durch so etwas würde ich nur unnötig verhätschelt werden." Ludwig sah starr nach vorne, während er das erzählte, aber ihm war deutlich anzumerken, dass er sehr darunter gelitten hatte. "Meine Mutter ist gestorben, als ich noch acht war. Sie war kränklich so wie ich und manchmal habe ich gehört, dass mein Vater sich darüber beklagt hat, so eine schwache Frau geheiratet zu haben, die ihm nur einen einzigen schmächtigen Sohn geboren hat. Aber jetzt ist er ebenfalls tot. Und ich vermisse ihn nicht."
Er sah D'Artagnan an und sein finsterer Gesichtsausdruck verwandelte sich wieder in ein Lächeln. "Du hattest sicher eine angenehmere Kindheit. Ich erinnere mich noch sehr deutlich an deinen Vater. Er war auch mal mein Lehrer im Fechten und er war sehr gut zu mir. Er hat oft von seinen Söhnen erzählt und ich habe sie sehr beneidet. Du musst viele ältere Brüder haben, oder? Er hat immer gesagt, dass sein jüngster Sohn der ist, der ihm am ähnlichsten ist. Und, dass er auch Musketier werden will, wenn er groß ist. Er war sehr stolz auf dich."
D'Artagnan hatte sich ganz befangen gefühlt, als Ludwig von seinem Vater erzählt hatte. Besonders die Geschichte mit dem Vogel fand er grausam. Er dachte, dass es ein Wunder war, dass Ludwig trotzdem immer noch der sanfte, liebevolle Mensch geblieben war, und er war sehr, sehr dankbar dafür.
"Ich habe sieben Brüder!", sagte er, als er sich wieder ein wenig gefasst hatte. "Und wir hatten auch einmal einen Vogel, den einer von ihnen aus dem Wald mitgebracht hat. Er war verletzt und Vater hat gesagt, wir sollen ihn pflegen. Als er dann gesund war, haben wir ihn wieder fliegen lassen." Er lächelte bei der Erinnerung. Allerdings hatten sie öfter verletzte Tiere aus dem Wald versorgt, und er erinnerte sich daran, als sie alle noch kleiner gewesen waren. Da hatte diese Tiere manchmal ein anderes als das ihnen ursprünglich zugedachte Schicksal ereilt, und zwar waren sie in ihren Händen gestorben, die das Tier behalten wollten. Jeder wollte es für sich haben, und ihr Vater hatte sehr mit ihnen geschimpft.
"Mein Vater war immer sehr gut zu mir", erzählte er. "Aber ich habe auch einen Bruder, der mich an Euch erinnert. Er hat sich nie für das Fechten und das Kämpfen interessiert. Dabei hat Vater uns praktisch von klein auf so erzogen, aber Jean hat schon immer gern gelesen. Damit war Vater auch nicht zufrieden." Er dachte nach. Sein Vater hatte zwar viel über Jean geseufzt und versucht, ihn zu animieren, und einmal hatte er ihm sogar die Bücher weggenommen und ihn öfter zur Strafe Holz hacken lassen. Aber er war nie grausam zu ihm gewesen. Schließlich hatte er kapitulieren müssen, aber er hatte ja auch noch sechs andere, eifrige Fechter, von denen er, D'Artagnan, natürlich der eifrigste gewesen war.
"Aber auf mich war er wirklich immer stolz", fuhr er fort und war auch gleich mal selbst stolz auf sich. "Ich war immer der halsbrecherischste von uns, und er hat mich ganz oft mitgenommen auf kleinere Reisen oder auf Ausritte oder Spaziergänge."
Er lächelte Ludwig an. Der sah einfach zu entzückend aus, mit dem etwas zerzausten Haar und dem stets etwas versonnenen Gesichtsausdruck mit dem angedeuteten Lächeln darin. "Ist es noch weit?", fragte er. Er konnte es nicht erwarten, Ludwig endlich wieder berühren zu können, obwohl es auch wundervoll war, ihn zu Pferde zu beobachten. Bisher der einzige Ort, an dem er ihn sicher und frei erlebt hatte.
"Nein, es ist nicht mehr weit" Ludwig streckte seine Hand aus und nahm D'Artagnans, so dass sie jetzt Hand in Hand ritten. Er trug heute keine Handschuhe, so dass er D'Artagnans Haut spüren konnte, die vom Halten des Degens ein wenig rau war und sich sehr gut in seiner eigenen anfühlte.
"Ich wünschte ich hätte auch Brüder gehabt" sagte e. "Vielleicht wäre mein Vater dann etwas weniger streng mit mir gewesen, wenn er noch andere gehabt hätte, in die er seine Hoffnung setzen konnte. Auch wenn ich ihn niemals gemocht habe, mittlerweile verstehe ich ihn besser. Du glaubst nicht, wie sehr es mir zu schaffen macht, dass ich es nicht einmal schaffe einen Erben zu zeugen." Ludwig neigte den Kopf. Eigentlich hatte er all solche Gedanken heute zur Seite schieben wollen, aber andererseits tat es ihm gut gerade mit D'Artagnan darüber zu sprechen. Es kam ihm vor als würde jetzt und hier alles in einem anderen Licht erscheinen. "Ich habe mal gedacht, dass ich einfach ... wie nennt man es ..." Es war Ludwig deutlich unangenehm, das Wort auszusprechen "...impotent bin. Aber das hat sich ja jetzt als falsch erwiesen." Eine leichte Röte zeichnete seine Wangen und er war plötzlich froh, als sie sich dem Rand des Waldes näherten.
"Hier ist es, sieht du!" sagte er ein bisschen aufgeregt. "Die Nebelauen. Oh wie lange ich schon nicht mehr hier war" Sein Herz schlug ein paar Takte schneller, als er mit D'Artagnan seinen Lieblingsplatz erreichte.
Schwungvoll stand er auf, zog sich sein Nachthemd über den Kopf, warf eine Kusshand in Richtung der Verbindungstür und verschwand in seinem Badezimmer - keine Sekunde zu früh, denn kaum war er drin, hörte er, wie seine Tür aufging und die Bediensteten hereinströmten.
Ziemlich zufrieden musterte er sich nackt im Spiegel und dachte gerade "So sieht also ein Mann aus" - denn das war er ja jetzt, und kein Junge mehr - da fiel sein Blick auf seine Schulter. Er trat näher und fuhr vorsichtig mit seinen Fingern über das Mal, das sich über Nacht von tiefrot in dunkelstes Blau, Lila und stellenweise sogar fast Schwarz verwandelt hatte. Er verzog das Gesicht ein wenig, weil es schmerzte, aber immerhin hatte er so ein Andenken daran, wie heftig Ludwig gekommen war, wenn er so fest hatte zubeißen müssen...
Er warf noch einen letzten Blick darauf bevor er sich anzog, und in Gedanken war er bereits bei ihrem Ausritt. Aber vorher würde er wieder den professionellen Leibwächter spielen müssen, und ehrlich gesagt bereitete ihm das ein wenig Sorgen. Nicht für diesen Tag, und auch nicht etwa, weil er sich das nicht zutraute. Nein, er machte sich Sorgen wegen Ludwig. Er konnte nicht dessen Blick vergessen, gestern noch in dessen Arbeitszimmer - wie verzweifelt er ausgesehen hatte, und wie... entgleist. Und das, weil er gedacht hatte, dass D'Artagnan ihn nicht wiederliebte und kühl zu ihm war.
Mit leicht sorgenvoll gerunzelter Stirn knöpfte er sich das Hemd vor dem Spiegel zu. Er würde vielleicht noch einige Male so kühl sein müssen. Vielleicht würde er sogar in übertriebener Distanz Schutz suchen müssen, um sich nicht zu verraten, denn schließlich fiel es ihm auch nicht leicht, zu verbergen, was er für Ludwig fühlte. Aber es konnte sie so dermaßen in Schwierigkeiten bringen...
Er fragte sich, ob Ludwig schon soweit gedacht hatte. Der lebte für einen König ziemlich von hier auf jetzt, dachte er etwas besorgt, aber andererseits war es ja gerade dieses versonnene und verträumte, was ihn so besonders und liebenswert machte, und was D'Artagnan ihm erhalten wollte. Er würde eben für sie beide aufpassen, und Ludwig würde das schon verstehen. Es würde schon alles gut gehen.
Jetzt zwang er sich, solche Gedanken beiseite zu schieben, und er trat vollständig angekleidet wieder aus seinem Zimmer, um mit klopfendem Herzen auf den König zu warten. Der kam diesmal leider nicht alleine aus dem Zimmer, sondern begleitet von seinem Sekretär, der gar nicht davon angetan schien, dass Ludwig sich einen Tag frei nehmen wollte. Aber an Ludwigs Gesichtsausdruck konnte D'Artagnan sehen, dass dieser fest entschlossen war.
"Guten Morgen, Majestät!", sagte er laut, den Sekretär unterbrechend, trat vor und lächelte Ludwig mit einem Funkeln in den Augen an. Er nickte dem Sekretär zu, und dann ließ er es sich nicht nehmen, nach Ludwigs Hand zu greifen, um ihm einen kurzen, aber intensiven Handkuss zu geben.
Auf Ludwigs Gesicht breitete sich ei D'Artagnans herzlicher Begrüßung ein Strahlen aus. Er hatte sehr gut und erholsam geschlafen in dieser Nacht und sogar bei der Ankleidezeremonie war er überraschend gut gelaunt gewesen, sehr zum Erstaunen seiner Diener.
Sein Sekretär hatte es allerdings schon fast wieder geschafft, diese Laune zu trüben. Er wollte ihm klar machen, dass es auf gar keinen Fall möglich war, dass er sich frei nahm und noch dazu ausritt, ohne Begleitung wie ein ganz gewöhnlicher Bürger. Sein Gerede erinnerte Ludwig fast ein bisschen an Richelieu, der damals sein Leben auch von vorne bis hinten in der Hand gehabt hatte. Nur in den Fällen, die ihm persönlich besonders wichtig waren, war es Ludwig gelungen, sich durchzusetzen. Und jetzt war so ein Fall. Mit D'Artagnan an seiner Seite fühlte er sich umso stärker.
Er sah seinen Sekretär sehr streng an. "Es wäre mir neu, dass Ihr mir etwas zu befehlen habt." sagte er in einem ungewöhnlich entschlossenen Tonfall und für einen Moment sah er tatsächlich königlich aus. "Ich bin mir sicher, dass es sich im Schloss bereits herumgesprochen hat wie ein Lauffeuer, dass man versucht hat, mich zu vergiften."
"Nein Majestät, davon wusste ich nichts" stammelte der Sekretär mit einer Verbeugung, aber ihm war deutlich anzusehen, dass er die Unwahrheit sagte.
"Es ist das Mindeste, dass ich diesen Tag nutze, um mich zu erholen. Die Gespräche mit meinen Beratern müssen auf Morgen verschoben werden." sagte Ludwig fest. "Wenn ihr euch nützlich machen wollt, dann veranlasst, dass für uns die zwei besten Pferde des Stalls gesattelt werden."
Mit dieser für einen Sekretär unwürdigen Aufgabe ließ er ihn stehen und wandte sich an D'Artagnan, dem er eine Hand auf die Schulter legte. D'Artagnan zuckte kaum merklich zusammen, da Ludwig ihm die Hand ausgerechnet auf die Stelle legte, an der er ihn gebissen hatte, aber der leichte Druck dort war nicht einmal unangenehm. Der König sah ihn mit einem Ausdruck an, von dem es gut war, dass ihn niemand anders wahrnahm. Was das Verbergen seiner Emotionen D'Artagnan gegenüber anbetraf würde Ludwig wirklich noch dazulernen müssen. "Ich hoffe du hast auch gut geschlafen?" fragte er sanft und es hätte nicht viel gefehlt, dass er noch ein "mein Schöner" drangehängt hätte.
"Vielen Dank, Majestät, ich habe sehr gut geschlafen", antwortete D’Artagnan höflich und versucht, seiner Stimme die nötige Distanz zu geben. Ludwig machte es ihm nicht einfach, wenn er ihn auch noch so berührte.
Den ganzen Weg bis zum Speisesaal liefen sie so nebeneinander her, bis sie dort getrennt wurden, weil die Königin nicht anwesend war und D'Artagnan auf dem Platz gegenüber dem des Königs sitzen musste. Er freute sich wahnsinnig auf den Ausritt, und er langte wie immer ordentlich zu, ohne jedoch zu vergessen, auch ein Auge darauf zu haben, ob Ludwig genug aß. So ein Ausritt brauchte schon ein bisschen Energie, aber wenn Ludwig müde war, konnte er ja auf sein Pferd umsteigen...
Er erschauerte kurz, als er sich vorstellte, wie es wäre, wenn sie zu zweit auf einem Pferd säßen und Ludwig sich eng an ihn schmiegte... Aber so etwas durfte er hier gar nicht denken. Er war schon froh, dass er die Blicke, die er Ludwig zuwarf, als Kontrolle von dessen Essverhalten ausgeben konnte.
Sie sprachen nicht einmal miteinander, weil sie so beschäftigt damit waren, das Frühstück möglichst schnell zu beenden, und als der König sich erhob, sprang D'Artagnan ebenfalls auf, eilte an seine Seite und verließ mit ihm den Saal.
"Ich bin sicher, der Ausritt wird Euch gut tun", sagte er und lächelte. "Und ich bin schon sehr gespannt auf den Platz, den Ihr mir zeigen wollt."
Ludwig war erfreut über D'Artagnans Begeisterung. Er selbst wurde ebenfalls davon mitgerissen, denn der Gedanke, den ganzen Tag mit D'Artagnan zu verbringen und endlich einmal wirklich ungestört zu sein, war fast zu schön um wahr zu sein. Er konnte sich heute kaum noch vorstellen, dass es ihm gestern noch so schlecht gegangen war. Heute fühlte er sich, wie das blühende Leben. Schon allein, dass er heute Reiterkleidung tragen konnte, hob seine Stimmung enorm. Auch diese war natürlich prunkvoll und reichlich übertrieben, aber immerhin konnte man sich darin bewegen, ohne ständig Angst zu haben zu stolpern.
Der Anführer seiner Leibgarde, die natürlich auch aus Musketieren bestand, hielt ihn auf dem Weg aus dem Schloss auf und bat ihn, ihm noch ein paar Männer an die Seite stellen zu dürfen. Caronne war einer der wenigen, von denen sich Ludwig ganz sicher war, dass sie ihm treu ergeben waren und wirklich um seine Sicherheit besorgt. Trotzdem lehnte Ludwig natürlich ab. "Mein Leibwächter wird sich um mein Wohlergehen kümmern" sagte er und schaffte es, nur innerlich über die kleine Zweideutigkeit zu lächeln. "Ihr braucht euch nicht zu sorgen, ich bin in guten Händen. Heute brauche ich die Ruhe und Einsamkeit."
"Ich verstehe" sagte Caronne und verbeugte sich leicht. Er wandte sich an D'Artagnan. "Ich bin überzeugt, dass du den Musketieren Ehre machen wirst. Beschütze unseren König, wenn nötig mit deinem Leben." Mit einer weiteren Verbeugung entfernte er sich und Ludwig sah ihm ein wenig gerührt nach. "Wenn nur alle so treu wären wie meine Musketiere..." sagte er leise und nachdenklich. Doch dann lächelte er wieder als er D'Artagnan ansah. "Aber ich sollte froh sein über das was ich habe."
Sie traten in den Burghof hinaus, wo ihre Pferde bereits gesattelt waren. Ein nachtschwarzer und ein glänzend weißer Hengst standen ungeduldig nebeneinander und zogen an den Zügeln, die zwei Stallburschen festhielten. "Sombre und Soleil" stellte Ludwig sie D'Artagnan vor. „Die besten Pferde aus meinem Stall. Sie sind argentinische Halbblüter und sehr temperamentvoll. Ich hoffe du kannst gut mit Pferden umgehen?" Er tätschelte dem dunklen Pferd den Hals.
D'Artagnan erinnerte sich an das Pferd, das ihm von seinen Eltern mitgegeben worden war: Pomme de terre, das beste und leider auch einzige Pferd ihres Stalles. Es war alt gewesen und als einziges übrig geblieben, aber früher hatten sie mehrere Pferde gehabt, und auf denen hatte er gelernt, zu reiten wie der Teufel. Er hatte ein Lieblingspferd gehabt, Cathédrale, so genannt wegen einer interessanten Zeichnung auf der Flanke, aber sie hatten sie leider verkaufen müssen.
"Ja, das kann ich", sagte er selbstbewusst. Er war ganz stolz darauf, vom Anführer der Leibgarde mit soviel Respekt und Achtung angesprochen worden zu sein, und etwas abwesend tätschelte er dem schwarzen Pferd das Hinterteil, so dass es einen Satz nach vorne machte und beinahe den König umgeworfen hätte.
"Hoppla!", rief D'Artagnan und rannte dem Hengst hinterher, bis er dessen Zügel zu fassen bekam, die Hacken in den Boden stemmte und das Pferd zum Anhalten zwang. Etwas verlegen grinsend führte er das Pferd, das ihn vergnügt aus seinen rabenschwarzen Augen anfunkelte, zurück zum Ausgangspunkt und rieb ihm die Nase. "Der kann es wohl kaum erwarten!", versuchte er seinen kleinen Faux pas zu überspielen, während er dem Hengst geschäftig das perfekt angelegte Zaumzeug ordnete. "Welches ist Eures?", fragte er beflissen, und dann blitzten seine Augen auch ein wenig wie die des Pferdes. "Soll ich Euch beim Aufsteigen behilflich sein...?"
"Danke, das ist nicht nötig" sagte Ludwig mit einigem Amusement. Er hatte sich schon davon erholt beinahe umgerannt worden zu sein. Pferde waren nun mal unberechenbar, besonders diese. "Ich denke du solltest vielleicht lieber darauf achtgeben, dass dein Pferdchen nicht mit dir durchgeht" fügte er in einem für ihn sehr ungewöhnlichen scherzhaften Ton hinzu. "Da du dich ja mit Sombre so gut zu verstehen scheinst, kannst du ihn auch gleich reiten. Weiß steht mir sowieso besser."
Die zwei Stallburschen warfen sich einen erstaunten Blick zu, der sich auf die ungewöhnlich gute Laune des Königs bezog.
Ludwig schwang sich elegant auf das weiße Pferd und strahlte von dort oben weit mehr Würde aus, als es ihm auf Bällen oder Empfängen gelang. Wohlwollend sah er zu, wie D'Artagnan ebenfalls ohne weitere Zwischenfälle und mit unbestreitbarem Können sein Pferd bestieg und es sofort unter Kontrolle hatte. Von einem Diener wurde das Picknick für sie beide in D'Artagnans Satteltaschen verstaut und dann ritten sie los.
Als sie die Straßen von Paris durchquerten, die zum Stadttor führten, erwartete sie eine Überraschung. Offenbar hatte sich herumgesprochen, dass Ludwig heute ausreiten würde, denn vor allen Häusern standen Frauen und Kinder, die Blumen auf die Straße streuten und ihrem König zujubelten. Paris hatte bereits erfahren, dass man versucht hatte den König zu vergiften und der Schock darüber hatte zu einem plötzlichen enormen Anstieg seiner Beliebtheit geführt. Denn Frankreich ohne einen König war schließlich rein gar nichts und man erinnerte sich plötzlich auch wieder daran, dass ein sanfter König wie Ludwig durchaus Vorteile gegenüber einem harten Herrscher wie seinem Vater hatte.
Ludwig nahm sprachlos eine Rose nach der anderen entgegen, die ihm von jungen Mädchen hochgereicht wurden und drehte sich in völligem Erstaunen zu D'Artagnan um, der ebenfalls mit Blumen, selbstgemachten Likören, Honig und anderen Kostbarkeiten, die die einfachen Leute zu bieten hatten, überhäuft wurde, so dass er es kaum noch in seinen Satteltaschen verstauen konnte.
"VIVE LE ROI!" rief die Menge und brach wieder in lautes Jubeln aus, als Ludwig die Hand hob.
D'Artagnan strahlte wie die Sonne. So etwas hatte er bisher nicht erlebt, zumindest nicht aus dieser Perspektive. Er erinnerte sich, dass er einmal mit seinen Brüdern und seinem Vater in Paris gewesen war, und als kleiner Dreikäsehoch auf den Schultern seines Vaters zugesehen hatte, wie der König in einer Kutsche durch die Stadt gefahren war. Leider hatte man dabei nicht viel von ihm gesehen, aber die Leute hatten genau wie jetzt Blumen gestreut und allerlei Geschenke dabeigehabt.
Es freute ihn so sehr für Ludwig, dass dieser jetzt sehen konnte, wie sein Volk zu ihm stand. Diese große Begeisterung wollte beinahe kein Ende nehmen, und vor lauter Geschenken, mit denen er die bereits zum Bersten gefüllten Satteltaschen vollstopfte, kam er gar nicht dazu, den Weg für den König zu ebnen, wie er es sicher eigentlich hätte tun sollen.
Aber er konnte sehen, wie sehr Ludwig sich freute, und sie hatten ja keine Eile. Er wehrte mit den Händen weitere Geschenke ab, aus akutem Platzmangel, und versuchte, sich dennoch darauf zu konzentrieren, den König zu schützen. Wie angreifbar er in so einer Menge war, und wie ungehindert sich jemand, der Böses im Sinn hatte, ihm nähern konnte...
Er trieb sein Pferd ein wenig an, so dass er dicht bei Ludwig war, und behielt die Menge, besonders die Menschen, die am nächsten bei ihnen standen, genau im Auge.
Ludwig bemerkte D'Artagnans Versuch ihn zu schützen und lächelte ihm ermutigend zu. Er wusste selbst, wie angreifbar er in so einer Situation war, aber er hatte keine Angst. Alle waren so gut gelaunt und fröhlich und er war sich sicher, dass D'Artagnan ihn schützen würde, egal was geschah. Aber alles blieb friedlich.
Einige Kinder folgten ihnen noch bis zum Stadttor und winkten ihnen nach, als sie hindurchritten. Vom Mauergang streute noch jemand einen Korb Blüten auf sie, so dass sie wirklich geschmückt waren, als sie die Stadt schließlich hinter sich ließen und in Richtung des Waldes ritten.
Ludwig war so gerührt, dass er eine Weile ganz still war. "Damit habe ich nicht gerechnet" sagte er dann an D'Artagnan gewandt. "Meinst du, dass das Volk mich vielleicht doch noch achtet?" fragte er schüchtern und hoffnungsvoll.
"Ludwig!", sagte D'Artagnan impulsiv und sah sich gleich darauf etwas hektisch um, ob ihn auch keiner gehört hatte. Dann wandte er sich mit fast empörtem Gesichtsausdruck wieder an den König. "Was braucht Ihr denn noch, um zu sehen, dass Euer Volk froh ist um Euch? Habt Ihr nicht ihre Gesichter gesehen? Die Blumen! Die Geschenke! Sie empfinden Bewunderung für Euch, und für mich könnte nicht deutlicher sein, dass sie Euch vergeben haben!"
Er sah ihn eindringlich an; dann lächelte er. Ludwig war einfach zu bezaubernd in seiner Schüchternheit und seiner für einen König völlig ungewöhnlichen Bescheidenheit. "Euer Volk liebt Euch", sagte er ernst. "Und Euer Leibwächter auch."
Er genoss den Ausdruck, der sich daraufhin in Ludwigs Züge schlich, und dann breitete sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Ihr hattet übrigens recht: Weiß steht Euch vortrefflich. Aber jetzt will ich sehen, ob Ihr auf einem Pferd nicht nur gut aussehen, sondern auch wirklich darauf reiten könnt!" Und er holte aus und schlug mit seiner Hand klatschend auf das Hinterteil des weißen Hengstes, so dass der wild den Kopf hob, schnaubte und dann beinah aus dem Stand losschoss wie eine Rakete. D'Artagnan lachte und trieb sein Pferd ebenfalls an, und während er versuchte, den König einzuholen, genoss er es, wie der Wind ihm um die Ohren pfiff, und wie er Ludwig vor sich herreiten sah. In diesem Moment gab es nur sie beide - keine Gefahren, keine Verpflichtungen und keine Begrenzungen. Er fühlte sich wild und frei, und er wünschte sich, dass Ludwig genauso fühlte.
Ludwig wären um ein Haar die Zügel entglitten, als Solei auf D'Artagnans Hieb hin plötzlich losschoss. Doch er war ein zu guter Reiter, um sich dadurch wirklich aus dem Konzept bringen zu lassen. Lachend preschte er auf seinem Hengst vor D'Artagnan her und machte keine Anstalten ihn wieder langsamer werden zu lassen. Soleil war froh, dass er seinen Energien wieder einmal freien Lauf lassen konnte und galoppierte wiehernd über die Au, die zum Waldrand führte. Ludwigs Zopf löste sich und seine dunklen Haare wehten im Wind.
Er fühlte mehr als er sah, dass D'Artagnan ihn einholte und jetzt neben ihm ritt und in diesem Moment war er so frei und glücklich, wie ein Vogel der gerade Fliegen gelernt hat.
Erst als sie sich dem Waldrand näherten, zügelte er Soleil. Entzückt sah er auf die Laubbäume des Mischwaldes, die um diese Jahreszeit in den schönsten Farben erstrahlten. Leuchtendes Gelb mischte sich mit feurigem Rot und dem satten Grün der Tannen. Da es noch früh am Tag war glitzerte auf einigen der Blätter noch etwas Raureif. Zum ersten Mal in diesem Jahr nahm er die Schönheit der Natur wirklich wahr.
Ludwig ritt ganz nah an D'Artagnan heran. "Ist das nicht wunderschön?" fragte er. "Ich glaube mir ist vorher nie aufgefallen, wie schön der Herbst ist. Komm, dort geht es hinein. Es ist noch ein Stück zu reiten bis zu meinem Platz."
D'Artagnan hatte sich, während sie so nebeneinander entlanggeprescht waren, nichts sehnlicher gewünscht, als dieses Bild irgendwie festhalten zu können. Ludwig hatte so frei und glücklich ausgesehen, und so sicher...
Als ihre Pferde dann erst in einen raschen Trab verfielen und dann wieder nebeneinander herschritten, hatten sie beide gerötete Wangen, und ihre Haare waren vom Wind zerzaust. In dem Moment hätte man sie für ganz gewöhnliche Freunde aus der Stadt oder einem der umliegenden Dörfer halten können, wenn Ludwig nicht seine prunkvolle Reitkleidung getragen hätte.
D'Artagnan sah sich kaum um, als Ludwig mit ihm sprach. Er klebte die ganze Zeit mit seinem Blick nur an ihm, denn so schön der Herbst auch war - er fand, dass das schönste hier immer noch Ludwig war.
"Es ist wunderschön", bestätigte er lächelnd, und dann ritten sie eine kleine Weile nebeneinander her in den Wald hinein, die Schönheit der Natur und die Anwesenheit des anderen still genießend. "Früher bin ich manchmal mit meinen Brüdern ausgeritten", sagte er dann, während er nach oben ins bunte Laub sah, durch das der Himmel blitzte; es würde ein klarer Tag werden. "Ihr Lieblingsspiel war es, plötzlich mitten im Ausritt davonzupreschen und mich alleine zurückzulassen. Am Anfang haben sie mir damit Angst eingejagt, aber ich habe ziemlich schnell herausgefunden, dass mein Pferd immer den Weg nach Hause findet." Er grinste Ludwig an. "Und als ich mir dann das erste Mal Zeit ließ, heimzukommen, und lieber noch eine Stunde ausgeritten bin, hat meine Mutter ihnen die Hölle heiß gemacht." Er legte den Kopf schief, stützte sich ein wenig nach vorne auf seinen Sattel und sah Ludwig an. "Wie war Eure Mutter? Und Euer Vater?"
"Meine Mutter war eine sehr sanfte und warmherzige Frau" sagte Ludwig und lächelte. "Leider habe ich sie nur sehr selten gesehen, denn mein Vater wollte, dass ich zum Mann erzogen werde. Ich war erst bei Ammen, dann bei Gouvernanten und schließlich bei Lehrern, die alle sehr streng und unnachgiebig waren. Mein Vater hat mir immer nur gesagt, dass ich eine Enttäuschung für das gesamte Geschlecht bin." Ludwigs Hände verkrampften sich um die Zügel. "Dass ich zu schwach wäre, zu dumm und viel zu sanft und verwöhnt. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals ein freundliches Wort für mich über hatte. Aber meine Mutter hatte mich sehr gern. Wenn wir zusammen sein durften hat sie mir schöne Dinge beigebracht, wie Singen oder Klavier spielen. Einmal hat sie mir einen kleinen Vogel geschenkt, damit ich nicht so allein bin, aber mein Vater hat ihn vor meinen Augen getötet. Er sagte durch so etwas würde ich nur unnötig verhätschelt werden." Ludwig sah starr nach vorne, während er das erzählte, aber ihm war deutlich anzumerken, dass er sehr darunter gelitten hatte. "Meine Mutter ist gestorben, als ich noch acht war. Sie war kränklich so wie ich und manchmal habe ich gehört, dass mein Vater sich darüber beklagt hat, so eine schwache Frau geheiratet zu haben, die ihm nur einen einzigen schmächtigen Sohn geboren hat. Aber jetzt ist er ebenfalls tot. Und ich vermisse ihn nicht."
Er sah D'Artagnan an und sein finsterer Gesichtsausdruck verwandelte sich wieder in ein Lächeln. "Du hattest sicher eine angenehmere Kindheit. Ich erinnere mich noch sehr deutlich an deinen Vater. Er war auch mal mein Lehrer im Fechten und er war sehr gut zu mir. Er hat oft von seinen Söhnen erzählt und ich habe sie sehr beneidet. Du musst viele ältere Brüder haben, oder? Er hat immer gesagt, dass sein jüngster Sohn der ist, der ihm am ähnlichsten ist. Und, dass er auch Musketier werden will, wenn er groß ist. Er war sehr stolz auf dich."
D'Artagnan hatte sich ganz befangen gefühlt, als Ludwig von seinem Vater erzählt hatte. Besonders die Geschichte mit dem Vogel fand er grausam. Er dachte, dass es ein Wunder war, dass Ludwig trotzdem immer noch der sanfte, liebevolle Mensch geblieben war, und er war sehr, sehr dankbar dafür.
"Ich habe sieben Brüder!", sagte er, als er sich wieder ein wenig gefasst hatte. "Und wir hatten auch einmal einen Vogel, den einer von ihnen aus dem Wald mitgebracht hat. Er war verletzt und Vater hat gesagt, wir sollen ihn pflegen. Als er dann gesund war, haben wir ihn wieder fliegen lassen." Er lächelte bei der Erinnerung. Allerdings hatten sie öfter verletzte Tiere aus dem Wald versorgt, und er erinnerte sich daran, als sie alle noch kleiner gewesen waren. Da hatte diese Tiere manchmal ein anderes als das ihnen ursprünglich zugedachte Schicksal ereilt, und zwar waren sie in ihren Händen gestorben, die das Tier behalten wollten. Jeder wollte es für sich haben, und ihr Vater hatte sehr mit ihnen geschimpft.
"Mein Vater war immer sehr gut zu mir", erzählte er. "Aber ich habe auch einen Bruder, der mich an Euch erinnert. Er hat sich nie für das Fechten und das Kämpfen interessiert. Dabei hat Vater uns praktisch von klein auf so erzogen, aber Jean hat schon immer gern gelesen. Damit war Vater auch nicht zufrieden." Er dachte nach. Sein Vater hatte zwar viel über Jean geseufzt und versucht, ihn zu animieren, und einmal hatte er ihm sogar die Bücher weggenommen und ihn öfter zur Strafe Holz hacken lassen. Aber er war nie grausam zu ihm gewesen. Schließlich hatte er kapitulieren müssen, aber er hatte ja auch noch sechs andere, eifrige Fechter, von denen er, D'Artagnan, natürlich der eifrigste gewesen war.
"Aber auf mich war er wirklich immer stolz", fuhr er fort und war auch gleich mal selbst stolz auf sich. "Ich war immer der halsbrecherischste von uns, und er hat mich ganz oft mitgenommen auf kleinere Reisen oder auf Ausritte oder Spaziergänge."
Er lächelte Ludwig an. Der sah einfach zu entzückend aus, mit dem etwas zerzausten Haar und dem stets etwas versonnenen Gesichtsausdruck mit dem angedeuteten Lächeln darin. "Ist es noch weit?", fragte er. Er konnte es nicht erwarten, Ludwig endlich wieder berühren zu können, obwohl es auch wundervoll war, ihn zu Pferde zu beobachten. Bisher der einzige Ort, an dem er ihn sicher und frei erlebt hatte.
"Nein, es ist nicht mehr weit" Ludwig streckte seine Hand aus und nahm D'Artagnans, so dass sie jetzt Hand in Hand ritten. Er trug heute keine Handschuhe, so dass er D'Artagnans Haut spüren konnte, die vom Halten des Degens ein wenig rau war und sich sehr gut in seiner eigenen anfühlte.
"Ich wünschte ich hätte auch Brüder gehabt" sagte e. "Vielleicht wäre mein Vater dann etwas weniger streng mit mir gewesen, wenn er noch andere gehabt hätte, in die er seine Hoffnung setzen konnte. Auch wenn ich ihn niemals gemocht habe, mittlerweile verstehe ich ihn besser. Du glaubst nicht, wie sehr es mir zu schaffen macht, dass ich es nicht einmal schaffe einen Erben zu zeugen." Ludwig neigte den Kopf. Eigentlich hatte er all solche Gedanken heute zur Seite schieben wollen, aber andererseits tat es ihm gut gerade mit D'Artagnan darüber zu sprechen. Es kam ihm vor als würde jetzt und hier alles in einem anderen Licht erscheinen. "Ich habe mal gedacht, dass ich einfach ... wie nennt man es ..." Es war Ludwig deutlich unangenehm, das Wort auszusprechen "...impotent bin. Aber das hat sich ja jetzt als falsch erwiesen." Eine leichte Röte zeichnete seine Wangen und er war plötzlich froh, als sie sich dem Rand des Waldes näherten.
"Hier ist es, sieht du!" sagte er ein bisschen aufgeregt. "Die Nebelauen. Oh wie lange ich schon nicht mehr hier war" Sein Herz schlug ein paar Takte schneller, als er mit D'Artagnan seinen Lieblingsplatz erreichte.