Das Mordkomplott
von Heike
Kurzbeschreibung
Eine Geschichte um Rochefort und seine Zeit bei den Musketieren (basierend auf dem Film "Die drei Musketiere" von 1993, Disney)
GeschichteAbenteuer / P12 / Gen
Aramis
Athos
Graf Rochefort
Porthos
26.11.2005
21.07.2006
7
29.454
1
26.11.2005
2.808
5. Kapitel
Auf der Place Royale, noch immer einer der schönsten Plätze von ganz Paris, hielt eine geschlossene Kutsche vor einem sehr kunstvoll geschmückten, anscheinend frisch ausgebauten Hause. Der Kutsche entstieg Monsieur de Bernard, wie immer auffallend modisch und unpassend gekleidet und schritt auf das Haus zu, nachdem er dem Kutscher ein Zeichen gegeben hatte, zu warten. Monsieur de Bernards Wams war heute von leuchtend himmelblauer Farbe, ebenso die lange Feder, die an seinem Hut wippte - doch selbst diese auffallenden Farben konnten nicht verbergen, dass der Edelmann sehr blass wirkte und auch einen etwas fahrigen Eindruck machte. Doch es gab auf dem Platz vor dem Haus niemanden weiter, der sich um den Herrn kümmerte, nur ein junger Gärtner bemerkte den Gast, als dieser vorbeiging, um an der Tür zu klopfen. Den Gärtner aber interessierte der Edelmann nicht, da er mit viel Eifer und Liebe die Rosenbüsche stutzte. Es erübrigt sich zu sagen, dass auch Monsieur de Bernard den Gärtner nicht bewusst wahrnahm, da er viel zu sehr in seine eigenen Gedanken vertieft war.
Monsieur de Bernard stieg die vier Stufen vor der Tür hinauf und wollte gerade die Hand heben, um den Klopfer zu betätigen, als die Tür auch schon geöffnet wurde. Der Edelmann zuckte merklich zusammen, doch es war nur eine kleine Zofe, die knickste und mit heller Stimme sagte: "Mylady erwartet Euch im Salon. Ich führe Euch hinein."
Der Graf nickte hastig und trat ein, wobei er sich rasch den Hut vom Kopf riss und so seine Frisur in Unordnung brachte. Doch wie es schien, war ihm das nicht weiter wichtig.
Als er hinter der Zofe in den Salon trat, erblickte er Mylady, die offensichtlich gerade in elegant-lässiger Haltung in einem Sessel gesessen hatte und sich nun gekonnt anmutig erhob. Die Zofe wollte den Besucher melden, doch Mylady winkte sie fort. Mit einem Knicksen verschwand sie. Die Gräfin de la Fère kam die wenigen Schritte auf ihren Gast zu, der Muße hatte, seinen Blick wohlgefällig auf ihr ruhen zu lassen. Sie trug ein weichfallendes, cremefarbenes Hauskleid, das ihre vollendete Schlankheit noch betonte. Die Haare trug sie in einer sehr zwanglosen Frisur und Monsieur de Bernard, durch ihren Anblick wohltätig von seinem Kummer abgelenkt, dachte daran, wieviel Schönheit diese Haarpracht verlöre, wollte man sie in die moderne Löckchenfrisur zwingen.
Mylady reichte ihm mit einem faszinierenden Glitzern in den katzenhaften Augen die Hand, die der Graf fast verehrungsvoll an seine Lippen zog.
"Ich habe Euch erwartet, mein Freund", sagte sie entgegenkommend und er quittierte die Freundlichkeit mit einer Verneigung.
"Für meine Verspätung müsst Ihr mich entschuldigen, doch ich konnte nicht eher kommen." Die Miene des Edelmanns, die sich bei ihrem Anblick aufgehellt hatte, umschattete sich bei diesen Worten. Mylady betrachtete ihn forschend, unterließ es aber im Augenblick, ihn auf seine auffallende Blässe anzusprechen.
"Seine Eminenz wünscht mich wohl zu sehen, Monsieur de Bernard. Bitte nehmt Platz und erwartet mich hier. Ich werde in einer Viertelstunde wieder hier sein und dann können wir gemeinsam losfahren. Kann ich Euch eine Erfrischung anbieten?" Sie lächelte ihn bezaubernd an, doch er winkte nur matt ab. "Danke, nein, ich möchte nichts zu mir nehmen. Ich erwarte Euch hier."
Mylady schritt wie eine Königin aus dem Zimmer, während sich der Agent des Kardinals schwer in einen Sessel fallen ließ. Dort stützte er das Kinn auf die Hand und starrte eine Obstschale, die auf einem kleinen Tisch vor ihm stand, an. Die ganze halbe Stunde, die er auf die Gräfin de la Fère warten musste, veränderte er seine Haltung nicht um einen Zoll.
Als Mylady wieder kam, diesmal in einem wunderschönen rubinroten Seidenkleid, erhob sich Monsieur de Bernard sofort, lachte etwas albern und sagte: "Mit so einer Begleitung wird die Fahrt in die Bastille ja zu einem Vergnügen!"
Erstaunt und erzürnt sah Mylady ihn an, doch Monsieur de Bernard bemerkte dies offenbar gar nicht, sondern führte die Gräfin aus dem Hause hinaus in die Kutsche, wo er ihr beim Einsteigen behilflich war.
Als sie beide saßen und die Kutsche anfuhr, wandte sich Mylady an ihre Begleitung: "Monsieur de Bernard, was ist geschehen? Ich sehe Euch merkwürdig verändert?"
"Mit mir?" Der Edelmann gluckste, doch es klang nicht sehr überzeugend. "Ich bin wie immer. Wie habt Ihr gestern die Feierlichkeiten der Hochzeit überstanden?"
"Danke der Nachfrage. Doch, Monsieur de Bernard, ich spüre, mit Euch stimmt etwas nicht. Was ist es, das Euch so verändert hat?"
"Ihr irrt, Mylady, mit mir ist alles in Ordnung..." Bernard, der ihren prüfenden Blick nicht ertragen konnte, sah zum Fenster hinaus. Mylady beugte sich etwas zu ihm vor und fasste ihn am Kinn, um ihn so zu zwingen, zu ihr zu schauen. Wie gebannt starrte er sie an.
"Was ist geschehen?" fragte sie weich.
Monsieur de Bernard sah zur Seite. "Gestern...", sagte er langsam, wie hypnotisiert. "Bei den Feierlichkeiten, da gab es einen Plan..."
Mylady sah ihn überrascht an. "Einen Plan?", fragte sie. "Ich verstehe nicht..."
"Das könnt Ihr auch nicht verstehen, denn Ihr wart ja nicht dabei. Bei diesem Plan-" Bernard brach ab.
"Ja?", fragte die Gräfin sanft.
Er gab sich einen Ruck. "-sollte die Erbfolge oder besser gesagt, die Herrschaft ein wenig anders geordnet werden..."
Unsicher sah er zu ihr herüber. Sie nickte langsam und verstehend.
"Ihr wisst, ich darf nicht darüber sprechen, das versteht sich von selbst..."
Sie lächelte wieder und entblößte perlweiße, regelmäßige Zähne. Der Edelmann seufzte. "Der Plan ist misslungen und die Schuldigen werden bestraft. Morgen früh, mit dem Galgen."
Mylady sah überrascht aus und lehnte sich etwas zurück. "Und wer sind die Schuldigen?" fragte sie zögerlich.
Bernard zuckte mit den Schultern und sah wieder aus den Fenstern. Er atmete sehr flach.
"Oh mein Gott", brachte sie tonlos hervor.
"Nicht wahr?" sagte er bitter. "Es ist entsetzlich."
"Aber- der Kardinal?"
"Der?" Bernard lachte voller Ironie. "Als vor dem König herauskam, dass ich, der ich in seinen Diensten stehe, daran beteiligt war, sagte Seine Eminenz nur: `Unfassbar, dass sich solcher Abschaum mein Vertrauen erschleichen konnte.´ Damit war mein Todesurteil gesprochen." Bernards Hände krampften sich in den Stoff seines Wamses und er atmete gepresst. Mylady schwieg erschüttert und sah ihn nicht an.
Dann fragte sie: "Wie kommt es, dass Ihr mich abholen konntet? Müsstet Ihr nicht...?"
"Im Gefängnis sein?" vollendete der Edelmann den Satz für sie. "Zweifellos. Doch ich wollte nicht. Ich habe bei Seiner Eminenz um die letzte Gnade gebeten, Euch abholen zu dürfen. Er hat sie mir gewährt, weil man einem Sterbenden seinen letzten Wunsch nicht verweigern soll."
"Eueren letzten Wunsch?" frage Mylady fast ungläubig.
Monsieur de Bernard sah sie an und seine Nasenflügel bebten. "Nun ja, Mylady, fast mein letzter Wunsch..." , sagte er unbestimmt. "Meinen allerletzten Wunsch könnt nur Ihr mir erfüllen."
"Was soll das heißen?"
"Könnt Ihr es Euch nicht denken?", fragte Monsieur de Bernard heiser und seine Augen funkelten merkwürdig. "Ihr seid schön, Ihr seid jung. Erfüllt mir meinen letzten Wunsch..."
"Ich verstehe Euch nicht." Mylady, bis eben noch entsetzt und voller Mitgefühl, klang nun merklich kühl. Doch Monsieur de Bernard bemerkte es nicht.
"Vielleicht versteht Ihr mich doch. Sicher haben schon viele Eure Schönheit gerühmt." Etwas zittrig streckte Monsieur de Bernard die Hand aus und berührte ihre Haare. Mylady drehte den Kopf weg. Flehend sagte der Edelmann: "Ich bitte Euch darum, Mylady. Küsst mich einmal, als würdet Ihr mich lieben."
Mylady fuhr zurück, als hätte man sie geschlagen. "Ihr seid verrückt!" rief sie zornig aus. Bernard packte sie am Arm und wollte sie zu sich herüberziehen. "Es ist der Wunsch eines Sterbenden", sagte er mit rauer Stimme. Mylady riss sich rasch los und zog überraschend gewandt ein kleines Stilett aus ihrem Mieder. "Wagt es nicht", rief sie drohend, die Waffe dabei gegen seine Brust drückend. Entsetzt starrte der Edelmann die junge Frau ihm gegenüber an, deren Augen vor Zorn fast schwarz wirkten. Es war, als wollten sie ihre Kräfte messen und Monsieur de Bernard war es, der unterlag. Enttäuscht und zornig warf er sich in die Polster zurück.
"Der Zorn des Teufels über Euch, Mylady. Es war ein letzter Wunsch..."
Mylady steckte das Stilett wieder zurück.
"Befasst Euch in Gedanken lieber damit, wie es mit Euch weiter geht, wenn Euer Kopf ab ist", sagte sie kalt.
Der Edelmann sah sie von der Seite her kurz an, sagte aber nichts.
Den Rest der Fahrt hatten die beiden Agenten schweigend zurück gelegt und als sie an der Bastille ankamen, vermied Monsieur de Bernard, als er ihr beim Aussteigen behilflich war, jede überflüssige Berührung. Mylady zog einen dichten Schleier vor das Gesicht und der Edelmann führte sie wieder durch den kleinen Nebeneingang, den sie schon einmal benutzt hatten, in die Bastille.
Wieder gingen sie durch lange, feuchte Gänge immer tiefer in das gefürchtete Gefängnis herein, bis sie zu dem seltsamen Arbeitszimer Richelieus gelangten. Die schwere, beschlagene Tür wurde ihnen göffnet, als sie näher kamen und wie schon beim ersten Mal sank Monsieur de Bernard vor seinem Herrn auf die Knie. Mylady blieb stehen und sah, wie der Erste Minister Frankreichs dem Untergebenen mit einer herrischen Geste die Hand bot, auf dass dieser sie küßte. Richelieu wirkte zornig und gereizt und bedeutete dem Edelmann vor sich rasch, wieder aufzustehen. Sofort kam Bernard den Befehl nach und blieb nun mit gesenkten Blick vor dem Kardinal stehen. "Verfügt Euch wieder in Eure Zelle!" gebot Richelieu und seine Stimme hallte im Gewölbe wider. "Morgen werdet Ihr mir glücklicherweise für immer aus den Augen kommen. Verschwindet."
"Eure Eminenz!" Flehend und händeringend sank Bernard vor ihm wieder auf die Knie. "Ich bitte um Gnade, bitte erlasst mir den Tod!" Seine Stimme steigerte sich immer mehr in die Höhe und klang wie die eines Wahnsinnigen. "Ich werde fliehen, ins Ausland. Irgendwohin! Ihr werdet-"
"Hinaus!" Der Kardinal wies zur Tür.
Mit einem seltsamen Winseln kroch Bernard rückwärts zur Tür, immer wieder flehend zum Kardinal oder zu Mylady blickend. Doch diese sah durch ihn hindurch, als wäre er Luft. Bernard stieß rückwärts an die Tür, öffnete sie mit fahrigen Bewegungen und wurde draußen von zwei Wächtern in Empfang genommen, die ihn packten und mit sich fortzerrten. Durch die geöffnete Tür drang der Kerkerlärm, die Schreie und einmal auch Peitschenhiebe. Dann schrie es plötzlich weit entfernt irgendwo in der Bastille hoch und gellend und dann fiel die Tür mit einem sanften "Klonk" ins Schloss.
Stille umgab die beiden Zurückgebliebenen. Seine Eminez wandte sich mit einem öligen Lächeln an die Gräfin de la Fère.
"Ich hoffe, Ihr habt Euch hier in Paris gut eingelebt?" fragte er mit weicher Stimme.
Sie neigte zum Zeichen der Zustimmung den Kopf. "Mir gefällt Paris sehr gut..."
"Leider war gestern auf der Hochzeit nur wenig Zeit, um mit Euch zu plaudern." Des Kardinals ölige Freundlichkeit stand in einem seltsamen Widerspruch zu seiner ganz offensichtlich sehr schlechten Laune, die sein Lächeln nur schlecht zu bemänteln mochte. "Doch ich habe trotzdem mit Freuden feststellen können, dass Ihr gut zurechtgekommen seid. Ihr kamt erst später und wurdet sofort von Monsieur de Jounieux mit Lord de Winter bekannt gemacht."
"Das ist richtig", bestätigte Mylady. "Monsieur de Winter hat sich meiner fast den ganzen Abend über sehr freundlich angenommen."
Seine Eminenz war anscheinend befriedigt, das zu hören.
"Worüber habt Ihr mit ihm gesprochen?"
Mylady überlegte einen Moment. "Über nichts von Belang", antwortete sie dann. "Wir haben uns über Paris unterhalten."
Richelieu lächelte glatt. "Das ist ja sehr erfreulich. Nun, also wisst Ihr wahrscheinlich noch nicht, dass dieser Lord de Winter in den Diensten der englischen Krone steht..."
Sie sah überrascht aus. "Nein, das wusste ich nicht. Ich habe nur bemerkt, dass er Engländer ist. Allerdings haben wir uns wegen der gegenwärtigen Situation nicht über Politik oder ähnliches unterhalten."
"Sehr umsichtig", bemerkte der Kardinal. "Für Frankreich jedoch", Seine Eminenz wandte sich ab und ging tiefer in den Raum hinein, "ist es an der Zeit, neue Bündnispartner zu suchen. England erstarkt zur Zeit, Ihr habt sicherlich schon von Lord Buckingham gehört, der als Premierminister fast die gesamte Macht in den Händen hält." Seine Eminenz ging zu dem kleinen Tisch, der vor den zwei hohen Stühlen vor dem Kamin stand. Dort nahm er eine Schriftrolle auf, schüttelte sie auseinander und las die wenigen Zeilen, die auf dem Papier zu sehen waren. Myladys Blick blieb auf seiner roten Robe ruhen, die auf dem Boden etwas nachschleifte.
"Dieser Lord Winter nun", fuhr Richelieu mit erhobener Stimme fort und legte die Schriftrolle wieder zurück auf den Tisch, "gehört zu den Untergebenen von Buckingham. Ich möchte..." Seine Stimme wurde wieder weich und er kam langsam näher, "dass Ihr Euch mit diesem Winter anfreundet. Er hat Gefallen an Euch gefunden. Nutzt das aus, Ihr könnt Euch denken, dass alles, was er weiß, für mich von Belang ist. Je weiter Ihr geht, desto... besser." Sein Blick richtete sich auf sie, auf ihr schönes Gesicht und auf ihr Dekolleté.
Mylady verneigte sich leicht. Seine Eminenz näherte sich ihr und strich, als er schon dicht vor ihr stand, ihr die blonden Haare etwas aus dem Gesicht.
"Wie Ihr wünscht", sagte sie sehr ruhig. "Ich werde ihn heute Abend bei einer kleinen Festlichkeit treffen. Es wird mir gewiss nicht schwerfallen, ihn für mich zu gewinnen. Ich habe vollkommene Handlungsfreiheit?"
Durch den klaren, ruhigen Tonfall etwas überrascht trat Richelieu von ihr zurück und Mylady atmete fast unbemerkt auf.
"Ja, die habt Ihr. Ich wünsche, dass Ihr mir dann Bericht erstattet."
"Stets zu Diensten", erwiderte Mylady. "Aber, Eure Eminenz, gestattet mir eine Frage. Monsieur de Bernard, was wird mit ihm geschehen?"
Richelieus Miene änderte sich von Freundlichkeit in grenzenlosen Zorn. "Er wird morgen früh hingerichtet. Er konnte seine Aufgabe nicht zur Genüge erfüllen und war unfähig. Außerdem sollten meine Untergebenen nicht zu leidenschaftlich sein, das hindert am klaren Denken."
Mylady nickte lächelnd.
"Ich sehe, Ihr versteht", fuhr Richelieu fort. "Spätestens übermorgen seid Ihr wieder hier und teilt mir mit, was Ihr erreicht habt. Ihr könnt gehen."
Auf der Place Royale, noch immer einer der schönsten Plätze von ganz Paris, hielt eine geschlossene Kutsche vor einem sehr kunstvoll geschmückten, anscheinend frisch ausgebauten Hause. Der Kutsche entstieg Monsieur de Bernard, wie immer auffallend modisch und unpassend gekleidet und schritt auf das Haus zu, nachdem er dem Kutscher ein Zeichen gegeben hatte, zu warten. Monsieur de Bernards Wams war heute von leuchtend himmelblauer Farbe, ebenso die lange Feder, die an seinem Hut wippte - doch selbst diese auffallenden Farben konnten nicht verbergen, dass der Edelmann sehr blass wirkte und auch einen etwas fahrigen Eindruck machte. Doch es gab auf dem Platz vor dem Haus niemanden weiter, der sich um den Herrn kümmerte, nur ein junger Gärtner bemerkte den Gast, als dieser vorbeiging, um an der Tür zu klopfen. Den Gärtner aber interessierte der Edelmann nicht, da er mit viel Eifer und Liebe die Rosenbüsche stutzte. Es erübrigt sich zu sagen, dass auch Monsieur de Bernard den Gärtner nicht bewusst wahrnahm, da er viel zu sehr in seine eigenen Gedanken vertieft war.
Monsieur de Bernard stieg die vier Stufen vor der Tür hinauf und wollte gerade die Hand heben, um den Klopfer zu betätigen, als die Tür auch schon geöffnet wurde. Der Edelmann zuckte merklich zusammen, doch es war nur eine kleine Zofe, die knickste und mit heller Stimme sagte: "Mylady erwartet Euch im Salon. Ich führe Euch hinein."
Der Graf nickte hastig und trat ein, wobei er sich rasch den Hut vom Kopf riss und so seine Frisur in Unordnung brachte. Doch wie es schien, war ihm das nicht weiter wichtig.
Als er hinter der Zofe in den Salon trat, erblickte er Mylady, die offensichtlich gerade in elegant-lässiger Haltung in einem Sessel gesessen hatte und sich nun gekonnt anmutig erhob. Die Zofe wollte den Besucher melden, doch Mylady winkte sie fort. Mit einem Knicksen verschwand sie. Die Gräfin de la Fère kam die wenigen Schritte auf ihren Gast zu, der Muße hatte, seinen Blick wohlgefällig auf ihr ruhen zu lassen. Sie trug ein weichfallendes, cremefarbenes Hauskleid, das ihre vollendete Schlankheit noch betonte. Die Haare trug sie in einer sehr zwanglosen Frisur und Monsieur de Bernard, durch ihren Anblick wohltätig von seinem Kummer abgelenkt, dachte daran, wieviel Schönheit diese Haarpracht verlöre, wollte man sie in die moderne Löckchenfrisur zwingen.
Mylady reichte ihm mit einem faszinierenden Glitzern in den katzenhaften Augen die Hand, die der Graf fast verehrungsvoll an seine Lippen zog.
"Ich habe Euch erwartet, mein Freund", sagte sie entgegenkommend und er quittierte die Freundlichkeit mit einer Verneigung.
"Für meine Verspätung müsst Ihr mich entschuldigen, doch ich konnte nicht eher kommen." Die Miene des Edelmanns, die sich bei ihrem Anblick aufgehellt hatte, umschattete sich bei diesen Worten. Mylady betrachtete ihn forschend, unterließ es aber im Augenblick, ihn auf seine auffallende Blässe anzusprechen.
"Seine Eminenz wünscht mich wohl zu sehen, Monsieur de Bernard. Bitte nehmt Platz und erwartet mich hier. Ich werde in einer Viertelstunde wieder hier sein und dann können wir gemeinsam losfahren. Kann ich Euch eine Erfrischung anbieten?" Sie lächelte ihn bezaubernd an, doch er winkte nur matt ab. "Danke, nein, ich möchte nichts zu mir nehmen. Ich erwarte Euch hier."
Mylady schritt wie eine Königin aus dem Zimmer, während sich der Agent des Kardinals schwer in einen Sessel fallen ließ. Dort stützte er das Kinn auf die Hand und starrte eine Obstschale, die auf einem kleinen Tisch vor ihm stand, an. Die ganze halbe Stunde, die er auf die Gräfin de la Fère warten musste, veränderte er seine Haltung nicht um einen Zoll.
Als Mylady wieder kam, diesmal in einem wunderschönen rubinroten Seidenkleid, erhob sich Monsieur de Bernard sofort, lachte etwas albern und sagte: "Mit so einer Begleitung wird die Fahrt in die Bastille ja zu einem Vergnügen!"
Erstaunt und erzürnt sah Mylady ihn an, doch Monsieur de Bernard bemerkte dies offenbar gar nicht, sondern führte die Gräfin aus dem Hause hinaus in die Kutsche, wo er ihr beim Einsteigen behilflich war.
Als sie beide saßen und die Kutsche anfuhr, wandte sich Mylady an ihre Begleitung: "Monsieur de Bernard, was ist geschehen? Ich sehe Euch merkwürdig verändert?"
"Mit mir?" Der Edelmann gluckste, doch es klang nicht sehr überzeugend. "Ich bin wie immer. Wie habt Ihr gestern die Feierlichkeiten der Hochzeit überstanden?"
"Danke der Nachfrage. Doch, Monsieur de Bernard, ich spüre, mit Euch stimmt etwas nicht. Was ist es, das Euch so verändert hat?"
"Ihr irrt, Mylady, mit mir ist alles in Ordnung..." Bernard, der ihren prüfenden Blick nicht ertragen konnte, sah zum Fenster hinaus. Mylady beugte sich etwas zu ihm vor und fasste ihn am Kinn, um ihn so zu zwingen, zu ihr zu schauen. Wie gebannt starrte er sie an.
"Was ist geschehen?" fragte sie weich.
Monsieur de Bernard sah zur Seite. "Gestern...", sagte er langsam, wie hypnotisiert. "Bei den Feierlichkeiten, da gab es einen Plan..."
Mylady sah ihn überrascht an. "Einen Plan?", fragte sie. "Ich verstehe nicht..."
"Das könnt Ihr auch nicht verstehen, denn Ihr wart ja nicht dabei. Bei diesem Plan-" Bernard brach ab.
"Ja?", fragte die Gräfin sanft.
Er gab sich einen Ruck. "-sollte die Erbfolge oder besser gesagt, die Herrschaft ein wenig anders geordnet werden..."
Unsicher sah er zu ihr herüber. Sie nickte langsam und verstehend.
"Ihr wisst, ich darf nicht darüber sprechen, das versteht sich von selbst..."
Sie lächelte wieder und entblößte perlweiße, regelmäßige Zähne. Der Edelmann seufzte. "Der Plan ist misslungen und die Schuldigen werden bestraft. Morgen früh, mit dem Galgen."
Mylady sah überrascht aus und lehnte sich etwas zurück. "Und wer sind die Schuldigen?" fragte sie zögerlich.
Bernard zuckte mit den Schultern und sah wieder aus den Fenstern. Er atmete sehr flach.
"Oh mein Gott", brachte sie tonlos hervor.
"Nicht wahr?" sagte er bitter. "Es ist entsetzlich."
"Aber- der Kardinal?"
"Der?" Bernard lachte voller Ironie. "Als vor dem König herauskam, dass ich, der ich in seinen Diensten stehe, daran beteiligt war, sagte Seine Eminenz nur: `Unfassbar, dass sich solcher Abschaum mein Vertrauen erschleichen konnte.´ Damit war mein Todesurteil gesprochen." Bernards Hände krampften sich in den Stoff seines Wamses und er atmete gepresst. Mylady schwieg erschüttert und sah ihn nicht an.
Dann fragte sie: "Wie kommt es, dass Ihr mich abholen konntet? Müsstet Ihr nicht...?"
"Im Gefängnis sein?" vollendete der Edelmann den Satz für sie. "Zweifellos. Doch ich wollte nicht. Ich habe bei Seiner Eminenz um die letzte Gnade gebeten, Euch abholen zu dürfen. Er hat sie mir gewährt, weil man einem Sterbenden seinen letzten Wunsch nicht verweigern soll."
"Eueren letzten Wunsch?" frage Mylady fast ungläubig.
Monsieur de Bernard sah sie an und seine Nasenflügel bebten. "Nun ja, Mylady, fast mein letzter Wunsch..." , sagte er unbestimmt. "Meinen allerletzten Wunsch könnt nur Ihr mir erfüllen."
"Was soll das heißen?"
"Könnt Ihr es Euch nicht denken?", fragte Monsieur de Bernard heiser und seine Augen funkelten merkwürdig. "Ihr seid schön, Ihr seid jung. Erfüllt mir meinen letzten Wunsch..."
"Ich verstehe Euch nicht." Mylady, bis eben noch entsetzt und voller Mitgefühl, klang nun merklich kühl. Doch Monsieur de Bernard bemerkte es nicht.
"Vielleicht versteht Ihr mich doch. Sicher haben schon viele Eure Schönheit gerühmt." Etwas zittrig streckte Monsieur de Bernard die Hand aus und berührte ihre Haare. Mylady drehte den Kopf weg. Flehend sagte der Edelmann: "Ich bitte Euch darum, Mylady. Küsst mich einmal, als würdet Ihr mich lieben."
Mylady fuhr zurück, als hätte man sie geschlagen. "Ihr seid verrückt!" rief sie zornig aus. Bernard packte sie am Arm und wollte sie zu sich herüberziehen. "Es ist der Wunsch eines Sterbenden", sagte er mit rauer Stimme. Mylady riss sich rasch los und zog überraschend gewandt ein kleines Stilett aus ihrem Mieder. "Wagt es nicht", rief sie drohend, die Waffe dabei gegen seine Brust drückend. Entsetzt starrte der Edelmann die junge Frau ihm gegenüber an, deren Augen vor Zorn fast schwarz wirkten. Es war, als wollten sie ihre Kräfte messen und Monsieur de Bernard war es, der unterlag. Enttäuscht und zornig warf er sich in die Polster zurück.
"Der Zorn des Teufels über Euch, Mylady. Es war ein letzter Wunsch..."
Mylady steckte das Stilett wieder zurück.
"Befasst Euch in Gedanken lieber damit, wie es mit Euch weiter geht, wenn Euer Kopf ab ist", sagte sie kalt.
Der Edelmann sah sie von der Seite her kurz an, sagte aber nichts.
Den Rest der Fahrt hatten die beiden Agenten schweigend zurück gelegt und als sie an der Bastille ankamen, vermied Monsieur de Bernard, als er ihr beim Aussteigen behilflich war, jede überflüssige Berührung. Mylady zog einen dichten Schleier vor das Gesicht und der Edelmann führte sie wieder durch den kleinen Nebeneingang, den sie schon einmal benutzt hatten, in die Bastille.
Wieder gingen sie durch lange, feuchte Gänge immer tiefer in das gefürchtete Gefängnis herein, bis sie zu dem seltsamen Arbeitszimer Richelieus gelangten. Die schwere, beschlagene Tür wurde ihnen göffnet, als sie näher kamen und wie schon beim ersten Mal sank Monsieur de Bernard vor seinem Herrn auf die Knie. Mylady blieb stehen und sah, wie der Erste Minister Frankreichs dem Untergebenen mit einer herrischen Geste die Hand bot, auf dass dieser sie küßte. Richelieu wirkte zornig und gereizt und bedeutete dem Edelmann vor sich rasch, wieder aufzustehen. Sofort kam Bernard den Befehl nach und blieb nun mit gesenkten Blick vor dem Kardinal stehen. "Verfügt Euch wieder in Eure Zelle!" gebot Richelieu und seine Stimme hallte im Gewölbe wider. "Morgen werdet Ihr mir glücklicherweise für immer aus den Augen kommen. Verschwindet."
"Eure Eminenz!" Flehend und händeringend sank Bernard vor ihm wieder auf die Knie. "Ich bitte um Gnade, bitte erlasst mir den Tod!" Seine Stimme steigerte sich immer mehr in die Höhe und klang wie die eines Wahnsinnigen. "Ich werde fliehen, ins Ausland. Irgendwohin! Ihr werdet-"
"Hinaus!" Der Kardinal wies zur Tür.
Mit einem seltsamen Winseln kroch Bernard rückwärts zur Tür, immer wieder flehend zum Kardinal oder zu Mylady blickend. Doch diese sah durch ihn hindurch, als wäre er Luft. Bernard stieß rückwärts an die Tür, öffnete sie mit fahrigen Bewegungen und wurde draußen von zwei Wächtern in Empfang genommen, die ihn packten und mit sich fortzerrten. Durch die geöffnete Tür drang der Kerkerlärm, die Schreie und einmal auch Peitschenhiebe. Dann schrie es plötzlich weit entfernt irgendwo in der Bastille hoch und gellend und dann fiel die Tür mit einem sanften "Klonk" ins Schloss.
Stille umgab die beiden Zurückgebliebenen. Seine Eminez wandte sich mit einem öligen Lächeln an die Gräfin de la Fère.
"Ich hoffe, Ihr habt Euch hier in Paris gut eingelebt?" fragte er mit weicher Stimme.
Sie neigte zum Zeichen der Zustimmung den Kopf. "Mir gefällt Paris sehr gut..."
"Leider war gestern auf der Hochzeit nur wenig Zeit, um mit Euch zu plaudern." Des Kardinals ölige Freundlichkeit stand in einem seltsamen Widerspruch zu seiner ganz offensichtlich sehr schlechten Laune, die sein Lächeln nur schlecht zu bemänteln mochte. "Doch ich habe trotzdem mit Freuden feststellen können, dass Ihr gut zurechtgekommen seid. Ihr kamt erst später und wurdet sofort von Monsieur de Jounieux mit Lord de Winter bekannt gemacht."
"Das ist richtig", bestätigte Mylady. "Monsieur de Winter hat sich meiner fast den ganzen Abend über sehr freundlich angenommen."
Seine Eminenz war anscheinend befriedigt, das zu hören.
"Worüber habt Ihr mit ihm gesprochen?"
Mylady überlegte einen Moment. "Über nichts von Belang", antwortete sie dann. "Wir haben uns über Paris unterhalten."
Richelieu lächelte glatt. "Das ist ja sehr erfreulich. Nun, also wisst Ihr wahrscheinlich noch nicht, dass dieser Lord de Winter in den Diensten der englischen Krone steht..."
Sie sah überrascht aus. "Nein, das wusste ich nicht. Ich habe nur bemerkt, dass er Engländer ist. Allerdings haben wir uns wegen der gegenwärtigen Situation nicht über Politik oder ähnliches unterhalten."
"Sehr umsichtig", bemerkte der Kardinal. "Für Frankreich jedoch", Seine Eminenz wandte sich ab und ging tiefer in den Raum hinein, "ist es an der Zeit, neue Bündnispartner zu suchen. England erstarkt zur Zeit, Ihr habt sicherlich schon von Lord Buckingham gehört, der als Premierminister fast die gesamte Macht in den Händen hält." Seine Eminenz ging zu dem kleinen Tisch, der vor den zwei hohen Stühlen vor dem Kamin stand. Dort nahm er eine Schriftrolle auf, schüttelte sie auseinander und las die wenigen Zeilen, die auf dem Papier zu sehen waren. Myladys Blick blieb auf seiner roten Robe ruhen, die auf dem Boden etwas nachschleifte.
"Dieser Lord Winter nun", fuhr Richelieu mit erhobener Stimme fort und legte die Schriftrolle wieder zurück auf den Tisch, "gehört zu den Untergebenen von Buckingham. Ich möchte..." Seine Stimme wurde wieder weich und er kam langsam näher, "dass Ihr Euch mit diesem Winter anfreundet. Er hat Gefallen an Euch gefunden. Nutzt das aus, Ihr könnt Euch denken, dass alles, was er weiß, für mich von Belang ist. Je weiter Ihr geht, desto... besser." Sein Blick richtete sich auf sie, auf ihr schönes Gesicht und auf ihr Dekolleté.
Mylady verneigte sich leicht. Seine Eminenz näherte sich ihr und strich, als er schon dicht vor ihr stand, ihr die blonden Haare etwas aus dem Gesicht.
"Wie Ihr wünscht", sagte sie sehr ruhig. "Ich werde ihn heute Abend bei einer kleinen Festlichkeit treffen. Es wird mir gewiss nicht schwerfallen, ihn für mich zu gewinnen. Ich habe vollkommene Handlungsfreiheit?"
Durch den klaren, ruhigen Tonfall etwas überrascht trat Richelieu von ihr zurück und Mylady atmete fast unbemerkt auf.
"Ja, die habt Ihr. Ich wünsche, dass Ihr mir dann Bericht erstattet."
"Stets zu Diensten", erwiderte Mylady. "Aber, Eure Eminenz, gestattet mir eine Frage. Monsieur de Bernard, was wird mit ihm geschehen?"
Richelieus Miene änderte sich von Freundlichkeit in grenzenlosen Zorn. "Er wird morgen früh hingerichtet. Er konnte seine Aufgabe nicht zur Genüge erfüllen und war unfähig. Außerdem sollten meine Untergebenen nicht zu leidenschaftlich sein, das hindert am klaren Denken."
Mylady nickte lächelnd.
"Ich sehe, Ihr versteht", fuhr Richelieu fort. "Spätestens übermorgen seid Ihr wieder hier und teilt mir mit, was Ihr erreicht habt. Ihr könnt gehen."