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Moshi, moshi - Flo am Apperat

Kurzbeschreibung
GeschichteHumor / P12 / Gen
Sakurai Tomoki
31.05.2004
17.04.2006
12
40.033
 
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31.05.2004 4.231
 
Kapitel 12: Gefangen im Hungerturm!

In Deutschland konnte Flo den Tag des Schulfestes kaum erwarten. Philipp war zwar immer noch reichlich zurückhalten ihr gegenüber, aber da sie ihn jetzt schon ein paar Mal hatte treffen können, ohne das ihre blöden Brüder dabei auftaucht waren, wurde er doch etwas zugänglicher und begleitete sie sogar eines nachmittags zurück zur Burg.
Flo hüpfte glücklich neben ihm her. „Die Burg wird dir gefallen. Wir haben ganz viele alte Rüstungen und Möbel von meinen Vorfahren. Es gibt sogar eine richtige Ahnengalerie, die bis auf unseren ersten Altforderen zurückgeht. Da hängt auch ein Gemälde von Marc, Big T und mir als wir noch ziemlich klein waren. Tante Harriet will demnächst ein neues Bild von uns malen lassen. Allerdings hat sie immer noch keinen passenden Maler gefunden. Von diesem modernen Geklese hält sie nicht besonders viel.“
Philipp nickte schwach. Ihm war immer noch ein wenig mulmig zumute, wenn er daran dachte, dass er sich jetzt direkt in die Höhle des Löwen begab. Jan hatte ihn damit aufgezogen, dass er Flo immer nur außerhalb der Schule und weit weg von ihren Brüdern traf. Nun, der hatte auch gut reden. Er hatte noch kein unfreiwilliges Bad im See genommen oder sich diverse Pöbeleien durch ihre Brüder und deren Freunde gefallen lassen müssen. Selbst Linus, mit dem er sich sonst ganz gut verstanden hatte, behandelte ihn  jetzt abfällig und ließ ständig fiese Kommentare über ihn ab.
Flo ahnte nichts von Philipps Gedanken. Sie war nur zu begierig darauf, ihm die Burg zu zeigen und führte ihn durch ein kleines Seitentor in den Innenhof der Burg. „Marc ist noch an der Uni und Big T hat heute Nachmittag Training. Die beiden werden also erst heute Abend wieder da sein.“ Philipp lächelte gequält.
Flo grinste und knuffte ihn in die Seite. „Hey, die zwei sind nicht ganz so schlimm, wie du denkst. Es sind nur halbe Ausgeburten der Hölle.“ „Wie beruhigend.“, stöhnte Philipp. Flo lachte, zog ihn mit in die Burg hinein und stellte ihn zunächst einmal ihrer Mutter vor, die in ihrem privaten Salon saß und einen Brief schrieb. Die Herzogin erhob sich lächelnd, schob ihren Seidenschal zurück und reichte Philipp die Hand.
„Guten Tag. Ich nehme an, du bist Philipp. Franziska hat mir schon eine ganze Menge von dir erzählt.“ Philipp räusperte sich. „G..guten Tag.“, stammelte er und wurde rot. Die Herzogin lächelte nachsichtig. „Nun, ich denke, ihr habt noch eine Menge vor heute Nachmittag. Wir sehen uns dann später zum Tee.“ Philipp nickte schwach.
Flo trat hinter ihm von einem Bein auf das andere. Man, konnte Philipp die Zähne denn gar nicht auseinander kriegen. Er machte nicht gerade einen besonders intelligenten Eindruck wie er da so stumm vor ihrer Mutter stand und wie ein Fisch guckte.
Doch Philipp war so nervös, dass er nicht mehr sagen konnte. Flo beschloss daher, das es besser war, ihn aus dem Umkreis ihrer Familie zu entfernen. So nahm sie ihn auf eine Besichtigungstour durch das Schloss mit. Sie waren gerade oben in der Galerie, als Marc von der Uni zurückkehrte und in der Eingangshalle auf seine Mutter traf.
„Marc, Schatz. Du bist schon wieder da?“, fragte die Herzogin überrascht. „Ja, die letzte Vorlesung ist ausgefallen. Der Prof. ist krank. Ist Big T schon zum Training?“ „Ja, er ist direkt nach dem Mittagessen gefahren, da er vorher bei Linus vorbeischauen wollte.“
„Schade, ich wollte ihn eigentlich zum Training begleiten. Na, dann.“ „Du könntest Flo und ihren Freund zum Tee bitten. Die beiden sind gerade auf einer Besichtigungstour durch das Schloss.“, fuhr die Herzogin unbekümmert fort.
Marcs Kopf ruckte. „Philipp ist hier?“, fragte er vorsichtig. „Ja, Flo hat ihn eingeladen. Ich möchte, dass du dich anständig benimmst und ihn nicht ärgerst, Marc.“ Marc grinste. „Wie kommst du nur auf die Idee, dass ich das tun könnte? Das Weichei braucht man doch nur ein weniger schief ansehen und der bricht zusammen.“
Die Herzogin räusperte sich. „Ich gebe ja zu, dass ich Flos Geschmack in dieser Hinsicht nicht teilen kann, aber sie mag ihn nun einmal und in deine und Theogenis Liebeleien rede ich schließlich auch nicht herein.“ „Das ist auch etwas völlig anderes. Wir bilden uns nicht ein, in die Mädels verliebt zu sein.“ „Flo hat das Recht, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und bei diesem Jungen könne wir uns sicher sein, dass nichts weiter passieren wird, als vielleicht ein scheuer Kuss in einer dunklen Ecke.“, meinte die Herzogin. Marc verzog angeekelt das Gesicht. „Genau das macht mir ja Sorgen. Der Typ ist so eine Lusche, dass das Erlebnis für Flo nur abstoßend sein kann.“ „Marc, jetzt übertreibst du aber. Komm, ziehe dich erst einmal um, und bring deine Tasche rauf.“
Marc fügte sich dieser Anordnung ohne Widerspruch. Oben in seinem Zimmer warf er seine Tasche unter den Schreibtisch, zog sein Handy hervor und rief Big T an.
Big T stand gerade in der Umkleidekabine, nur mit einem Boxershorts bekleidet, als die Melodie von Nirvanas „Smell like Teenspirit“ aus seinem Rucksack erscholl. Verwundert zog er sein Handy hervor. „Hi Marc. Was gibt es?“
Marc, der sich auf sein Bett geworfen hatte, erklärte Big T in wenigen Worten die aktuelle Lage im Schloss. Big T brauchte nicht mehr zu hören. „Bin auf den Weg.“ Er warf sein Handy zurück in den Rucksack. „Hört mal Jungs, ich muss weg. Das mit dem Training wird heute nichts.“
Ohne weitere Erklärungen zog er sein T-Shirt und seine Baggyshorts wieder an, sprang auf sein Board und skatete zurück nach Hause. Zehn Minuten später stürmte er bereits die Schlosstreppe hinauf.
Marc hatte inzwischen seine Stoffhose gegen einen Baggyshorts, ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Love is a dream, satisfaction and aim“ und Turnschuhe getauscht. Er lehnte bereits lässig am Geländer der großen Treppe in der Eingangshalle. „Hi, Big T.“ „Hi, wo sind sie?“ „Dort drüben im Spiegelsaal. Dürften in ein paar Minuten hier auftauchen. Mama erwartet sie zum Tee.“ „Gut.“ Ein breites Grinsen trat in Big Ts Gesicht. Er schleuderte seine Tasche in eine Ecke und setzte sich auf einen alten Steinsockel am Treppengeländer.

*


Flo, die nichts von der Rückkehr ihrer beiden Brüder ahnte, zeigte Philipp gerade eine besonders alte Rüstung und erzählte im, dass sie und Kim sich mal vor Jahren auf einer Halloweenparty in diese Rüstungen gezwängt und die Gäste ihrer Eltern erschreckt hatten. Damals waren sie erst sechs gewesen und hatten an den offiziellen Bällen im Schloss noch nicht teilnehmen dürfen.
„Die Gräfin zu Lippe-Schamburg hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, als Kim mit scheppernder Rüstung auf sie zugewankt kam. Das Problem war nämlich, dass obwohl die Rüstungen ziemlich klein sind, wir immer noch ein wenig zu kurz dafür waren und so nicht richtig aus dem Visier gucken konnten. Die Gräfin ist schreiend davongelaufen.“
Flo lachte gehässig bei dieser Erinnerung. „Die alte Schnepfe war damals hinter Kims Vater her. Sie dachte wohl, die Ehe von Kims Eltern könnte wegen der Standesunterschiede nicht bestehen bleiben.“
Flo schüttelte missbilligend den Kopf. „Das war schon ein ziemlich starkes Stück von ihr. Da könnte ich dir noch Geschichten erzählen, aber lassen wir das. Jetzt gehen wir erst einmal in die Küche und trinken Tee. Unsere Köchin hat uns extra Windbeutel gemacht.“
„Mmh, hört sich gut an.“, murmelte Philipp. Er fühlte sich sichtlich entspannter und genoss es unbeschwert Flos Ausführungen zu folgen. Sie konnte wirklich lustig erzählen, auch wenn er bezweifelt, dass das wirklich alles wahr war. So schlimm konnten Kim und Flo als Kinder doch nicht gewesen sein, oder doch?
Flo stieß die Tür zum Flur auf. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als sie ihrer beiden Brüder ansichtig wurde. „Was macht ihr bitteschön hier?, fragte sie mit drohender Stimme. „Auf euch warten. Mama hat uns beauftragt euch zum Tee zu bitten.“, kam es lässig von Marc. „Ach ja?“ Flo hob eine Augenbraue. „Und warum bist du nicht in der Uni und du Big T, hast doch Training, wenn ich mich nicht ihre, oder?“
Big T wandte sich ein bisschen unter Flos wütenden Blicken.
„Na ja, hatte heute irgendwie keinen Bock und da bin ich eben nach Hause gefahren statt zum Training. Außerdem muss ich eigentlich für eine Klausur lernen.“ „Klar, und morgen kommt der Osterhase.“, knurrte Flo.
„Und welche Ausrede hast du parat, Marc? Nein sag nichts, lass mich raten. Bei dir ist eine Vorlesung ausgefallen, nicht wahr?“ Marc grinste breit. „Der Kandidat hat hundert Gummipunkte.“, antwortete er, stieß sich vom Geländer ab und schlenderte, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben gemächlich auf sie zu. Philipp wich sofort ein Stück hinter Flo zurück. Die stemmte die Hände in die Hüften und stellte sich Marc demonstrativ in den Weg. „Zieh Leine, Brüderchen, oder ich werde ernstlich böse.“
Big T kicherte hinter Marc. „Vorsichtig Alter. Der Flo wird giftig.“ „Das war kein Scherz.“, zischte Flo Big T an. „Schon klar.“ Big T hob beschwichtigend die Hände. „Warum gehen wir nicht alle nach unten und trinken Tee. Die Windbeutel sahen sehr verlockend aus.“
„Das ist eine gute Idee, findest du nicht.“, bemerkte Philipp schüchtern hinter Flo.
Flo brummte etwas, griff dann jedoch nach Philipps Hand und zog ihn hinter sich her die Treppe hinunter Richtung Küche. Marc und Big schlenderten gemächlich hinter her, beide süffisant grinsend. Philipp warf hin und wieder einen entsetzten Blick über die Schulter. So sehr er Flo auch schätzte, aber das war kein Mädchen Wert, sich mit diesen beiden Brüdern auseinander setzen zu müssen.
Flo, die sehr wohl Philipps Angst bemerkt hatte, kochte vor Wut über das Verhalten ihrer Brüder. Der letzte Denkzettel war wohl noch nicht genug gewesen. Nun gut, sie würde den beiden schon zeigen, was es hieß, sich mit Flo anzulegen. Die konnten nachher etwas erleben!
Flos Mutter bat sie alle in den kleinen blauen Salon und reichte dort Tee und Kuchen.
Flo, die solche Teerunden von klein auf gewöhnt war, fand nichts Besonderes daran und schwatze munter drauflos. Für Philipp war das jedoch eine ganz neue Erfahrung. Er, der aus normalen, bürgerlichen Verhältnissen stammte, hatte noch nie aus so feinen Porzellantassen Tee bzw. Kaffee getrunken und auf so alten, antiken Möbelstücken gesessen. Er musste einmal paar Mal zwinkern und sich selbst kneifen, um sich deutlich zumachen, dass er nicht träumte.
Auch wenn man in der Schule Flo und ihre Brüder genauso behandelte wie alle anderen Schüler – obwohl an dieser Stelle musste sich Philipp korrigieren – nein, irgendwie war das Verhalten der Lehrer und der Mitschüler den Dreien gegenüber schon anders, auch wenn man nicht sagen konnte, dass sie bevorzugt wurden.
Aber hier und jetzt wurde ihm deutlicher den je, dass Flo aus ganz anderen Verhältnissen stammte. Sie mochte noch so ungestüm sein und in ihren Klamotten mehr an einen kleinen Wildfang erinnern. Trotzdem passte sie in diese Räumlichkeiten. Sie agierte mit einer Unbefangenheit und Selbstsicherheit, die er nur bewundern konnte.
Für sie war es normal, den Tee einzuschenken, die Tassen zu reichen, dem Butler aufzutragen, noch mehr Kuchen zu bringen und dann mit ihrer Mutter im nächsten Satz über irgendwelchen Gesellschaftsklatsch zu sprechen. Das tat sie, obwohl sie dabei Baggyshorts und ein Bart Simpson T-Shirt mit nackten Hintern trug. Philipp schüttelte unmerklich den Kopf und nippte vorsichtig an seinem Tee.
Marc beobachtete Flos Freund unter gesenkten Augenliedern. Der Junge passte nicht hier her und das schien er auch selbst zu spüren. Flo brauchte jemanden, der sich in dieser Umgebung bewegen konnte und zugleich jemanden, der sie an die Kandare nehmen konnte. Weder das eine noch das andere traf auf Philipp zu.
Big T hing nicht so tiefschürfenden Überlegungen nach wie Marc. Er fand Philipp einfach nur lästig und störend. Der Typ war viel zu softi, um für Flo in Frage zu kommen.
Während Big T auf seinem Windbeutel herumkaute, kam ihm plötzlich eine Idee. „Sag mal Flo, hast du Philipp eigentlich schon die Stallungen gezeigt? James sagte mir, das Hydalgo heute ganz nervös ist und du ihn besser ein wenig bewegen solltest.“
Das stimmte sogar fast, nur das ihr Stallmeister sich die Anmaßung mit dem Reiten nie erlaubt hätte. Flo sah ihren Bruder ein wenig verblüfft an.
„Äh ne, aber das ist keine schlechte Idee. Was hältst du davon, wenn wir ausreiten, Philipp?“ Philipp sah sie entsetzt an. „Also, ich, ich weiß nicht. Ich kann n…nicht reiten.“, stammelte er. „Ach, das macht nichts. Wir haben eine ganz liebe, brave Stute. Auf der haben schon ganz andere das Reiten gelernt.“
„Liebling, du solltest ihn nicht zwingen. Zeig ihm doch einfach die Stallungen. Wenn er dann reiten möchte, ist es gut, wenn nicht, kann er doch solange hier im Schloss auf dich warten, während du Hydalgo ein wenig bewegst. Ich bin sicher, das Philipp das nichts ausmacht, nicht wahr?“
Flos Mutter sah Philipp lächelnd an, der daraufhin unbehaglich nickte. Allein hier im Schloss bleiben – oder alternativ sich auf irgend so ein Pferd wagen. Philipps Magen verkrampfte sich. Vielleicht konnte er sich in den Stallungen rasch verabschieden und nach Hause fahren. Ja, genau so würde er das machen.
Sie beendeten die Teestunde. Ein Dienstmädchen räumte die das Geschirr und den restlichen Kuchen ab. Flo huschte schnell nach oben, um die Kleidung zu wechseln. Wenig später erschien sie wieder in Reithose und Reitstiefeln. Ihr T-Shirt hatte sie gegen eine blau-weiß karierte Bluse getauscht. „Fertig. Sollen wir?“
Philipp stand auf. Er verabschiedete sich artig von der Herzogin, nickte Flos beiden Brüdern zu, die sich in den Sesseln räkelten und ihn immer noch hinterhältig anlächelten.
Flo zog an seinem Ärmel. „Komm, Hydalgo wird dir gefallen. Er ist eine echte Wucht.“ So kam es, dass die beiden in den Stall gingen und Flo ihm ihr Pferd Hydalgo vorstellte. Philipp machte bei dem Anblick dieses riesigen Tieres sofort einen Schritt rückwärts. Das Pferd war tief schwarz mit einer langen welligen Miene und großen dunklen Augen, die ihn jetzt anstarrten.
Das Pferd wieherte, als er in seine Nähe kam, keilte in der Box aus und rollte mit den Augen. „Ruhig, mein Schöner.“, flüsterte Flo und stich ihm über die Nüstern. „Das ist Philipp, ein Freund von mir.“ Sie drehte sich entschuldigen zu Philipp um. „Er mag allgemein keine Männer. Es ist also besser, wenn du ihn nicht streichelst. Da drüben steht übrigens Sabina, die Stute von der ich dir erzählt habe. Sie ist wirklich lammfromm.“
Philipp warf einen panischen Blick zu der Stute in der Nachbarbox. Sie war um einiges kleiner als Hydalgo und sah auch nicht so biestig aus, aber dennoch verspürte er kein Verlangen danach, sie zu reiten.
„Sei mir nicht böse, Flo, aber ich würde lieber nicht ausreiten. Warum genießt du nicht deinen Ausritt mit Hydalgo und ich…“ Flo fiel ihm ins Wort. „Na schön, aber du wartest hier im Schloss ja?“ Sie sah ihn mit strahlendem Lächeln an. Philipp seufzte innerlich. Wenn sie ihn so ansah, brachte er es einfach nicht über das Herz, sie zu enttäuschen.
„Na schön, ich setz mich solange in den Garten oder so.“ „Fein. Wenn du hier durch diese Tür gehst, kommst du in den Rosengarten. Da gibt es einen schönen Teich mit einer Bank. Von dort aus, kannst du die Vögel beobachten. Ich glaube, da liegt sogar noch mein Buch.
Unser Gärtner zeigt dir bestimmt auch gern die Gewächshäuser oder den Rest der Parkanlagen, wenn du magst. Ach ja, bevor ich es vergesse. Lass dich bloß nicht von meinen Brüder in den Irrgarten locken.“
Philipp sah unbehaglich drein. „Ne, ich denke, ich gehe einfach in den Rosengarten.“ „O.k..“ Flo wuselte bereits davon, um das Sattelzeug für Hydalgo zu holen.
Zehn Minuten später sprengte der mächtige Hengst mit seinem winzigen Reiter über den Hof und flog dann im schnellen Galopp die Wiesen entlang, bis er Philipps Sichtfeld entschwunden war. Philipp seufzte schwer, ließ sich dann aber auf die Bank am Gartenteich sinken. Flos Buch lag tatsächlich noch auf der Bank. Es war der fünfte Harry Potter Band. Philipp, der selbst keine große Leseratte war, begann gelangweilt ein wenig in dem Buch zu Blättern und überflog hier und da ein paar Textpassagen.
„Langweilig?“, ertönte es plötzlich hinter ihm. Philipp fuhr herum. Hinter ihm war Big T aufgetaucht, die Arme vor der Brust verschränkt lehnte er gegen die Mauer des Eingangstores zum Rosengarten. „N.. nicht wirklich.“, stammelte Philipp. Big T grinste. Er stieß sich von der Mauer ab und kam auf Philipp zu. Einen Stein aufhebend und ins Wasser schleudernd, fuhr er fort: “Flo und ihr Pferd werden eine Weile brauchen. Hydalgo ist ein ziemlich tempramentvolles Pferd.“ „Davon habe ich gehört. In der Schule haben sie mal von diesem Hengst erzählt. Ist er nicht ein wenig groß für Flo?“
Big T war Philipp einen kurzen Seitenblick zu, las in dessen Gesicht jedoch nur echte Besorgnis. „Sie hat ihn großgezogen. Hydalgo würde ihr nie etwas antun.“ „Vielleicht nicht absichtlich. Aber sie könnte doch stürzen.“ „Flo?“ Big T lachte auf. „Flo ist wohl schon tausendmal von einem Pferd gefallen, aber das hinter sie ganz bestimmt nicht daran, wieder aufzusitzen.“
Philipp schüttelte den Kopf. „Flo ist wirklich nicht gleich unterzukriegen, oder?“ „Nein, einen Wirbelwind kann man nicht bremsen.“ Big T schmunzelte. „Hör mal, warum kommst du nicht mit ins Schloss. Wir könnten dir den Rest zeigen, bis Flo wieder zurück ist.“
Philipp fühlte sich unbehaglich bei diesem Vorschlag, doch im Grunde hatte er auch wenig Lust hier sitzen zu bleiben. Vielleicht war das die Gelegenheit, endlich  mit ihren beiden Brüdern Frieden zu schließen.
Während Flo auf ihrem Hydalgo wieder einmal die Umgebung unsicher machte und so manchen Touristen oder gar Nachbar erschreckte, wenn sie plötzlich über eine Hecke geflogen kam und im gestreckten Galopp quer über ein Feld ritt, führten Marc und Big T den lieben Philipp fast auf direkten Weg zum Hungerturm. Dort gaben sie ihm einen kleinen Schups, als er nicht aufpasste und schlossen unter lautem Gelächter hinter ihm die Tür ab.
Als Flo zwei Stunden später verschwitzt und ein wenig müde zurück in den Schlosshof geritten kam, war Big T zu einem Date und Marc skaten gegangen.
Flo rieb Hydalgo ab, räumte das Sattelzeug weg und übergab ihn dann ihrem Stallknecht. Sie warf einen kurzen Blick in den Rosengarten, doch von Philipp fehlte jede Spur. „Na, vielleicht ist er mit dem Gärtner unterwegs.“, brummt Flo.
Sie lief hinauf in ihr Zimmer, nahm eine ausführliche Dusche und zog frische Sachen an. Die Haare noch mit einem Handtuch frottierend, warf sie einen Blick in die Zimmer ihrer Brüder. Von den beiden fehlte jede Spur. Sich immer noch ein wenig unbehaglich fühlend, machte  Flo sich auf die Suche nach ihrer Mutter.
„Hi Mum, hast du Philipp gesehen?“ „Nein mein Schatz. Vielleicht ist er im Garten?“ „Wo sind den Marc und Big T?“, fragte Flo vorsichtig. „Oh die zwei? Die sind schon seid fast zwei Stunden weg. Marc war mit Jaboo zum Skaten verabredet und Big T wollte sich, glaube ich, mit einem Mädchen in der Stadt treffen.“ „Ach so.“, kam es erleichtert von Flo.
Sie föhnte ihre Haare trocken. Danach machte sie sich erneut auf die Suche nach Philipp, konnte jedoch im Garten keine Spur von ihm entdecken. Auch der Gärtner hatte ihn nicht gesehen. „Mmh, vielleicht ist er nach Hause gefahren.“, brummelte Flo verärgert.
Sie machte sich wieder auf den Weg in ihr Zimmer. Vielleicht war Kim ja gerade online und sie konnten chatten. Damit hatte sie wenig Glück, aber während ihres Surfens stieß Flo auf ein paar sehr interessante Fotos von ihrem neuen Skisprungidol Bjørn Einar Romøren und die mussten sogleich an Kim weitergeleitet werden.
Flo bastelte danach ein wenig weiter an ihrer eigenen Homepage. Es war bereits fast Abendbrotzeit, als sie schließlich ihren Laptop herunterfuhr. Gähnend streckte sie sich und sah auf die Uhr. Fast sieben – eigentlich konnte sie Philipp anrufen und ihn fragen, ob er nicht noch Lust hatte, eine Runde Inliner zu fahren.
Draußen war es jetzt nicht mehr ganz so warm. So griff Flo zu ihrem Handy und tippte seine Nummer. Dieses Mal meldete sich Philipps Mutter. „Philipp – nein der ist nicht da. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Wollte er denn nicht zu dir?“
„Ja, da war er auch, aber als ich mein Pferd noch bewegen musste, ist er gefahren. Ich dachte er wäre jetzt zuhause.“ „Mmh, dann ist er bestimmt bei Jan. Versuch es mal bei ihm. Die Nummer hast du oder?“ „Ne, leider nicht.“, meinte Flo, die nun ein echtes Unbehagen spürte. Philipps Mutter nannte ihr Jans Nummer und trug ihr auf, Philipp auszurichten, dass er nicht so spät nach Hause kommen sollte.
Flo legte auf, wählte dann Jans Nummer und wartete. Niemand nahm das Telefon ab. Jetzt wurde Flo langsam wirklich nervös. Irgendetwas stimmte hier doch ganz und gar nicht. Sie sprang vom Bett. Von unten rief ihre Mutter. „Flo, ich bin noch einmal kurz in der Stadt. Iß ruhig schon mal allein zu Abend. Es könnte etwas später werden.“ „Ist gut, Mama.“, antwortete Flo automatisch.
Nervös lief sie auf und ab. Wahrscheinlich war ihre Sorge völlig unbegründet. Soweit würden ihre Bruder auch nicht gehen, und doch… Flo drehte auf dem Absatz um und lief auf direktem Weg zum Hungerturm. Die Tür war verriegelt – aber das war sie eigentlich immer, damit sich niemand so ohne weiteres in diesen Turm verirrte.
Flo kramte den Schlüssel hinter einem Stein hervor. Dann begann sie sich an dem alten rostigen Schloss zu schaffen zu machen. Von innen erklang einmerkwürdiges Wimmern. Flo blieb fast das Herz stehen. Mit fahrigen, hastigen Bewegungen, entfernte sie das Eisenschloss, schob die Riegel zurück und stemmte die Tür auf.
Keine zehn Meter von ihr entfernt, hockte ein völlig verängstigter Philipp, die Augen starr und weit aufgerissen vor Angst. Flo wollte auf ihn zu eilen, doch er wich zurück. „Geh weg.“, schrie er. „Das ist alles deine Schuld!“ „Philipp, ganz ruhig. Ich hole dich hieraus.“ „Geh weg.“, schrie er nur noch lauter und schlug ihre ausgestreckten Arme weg.
Flo blieb völlig geschockt ein wenig entfernt von ihm stehen. „Das, das tut mir so leid.“, brachte sie stockend hervor. „Dafür werden meine Bruder bezahlen, dass schwöre ich dir.“ „Die sind alle wahnsinnig. Ihr alle seid wahnsinnig. Ich will nie wieder etwas mit euch zu tun haben.“, kreischte Philipp. Wankend kam er auf die Beine. Flo wollte ihm erneut zur Hilfe eilen, doch er schlug abermals ihre Hände weg und starrte sie mit Hass und Furcht zu gleich an.
„Komm mir nie wieder zu nahe.“, flüsterte er. Dann humpelte er an ihr vorbei aus dem Turm und stieg die Stufen hinab. Flo rannte ihm hinter ihm her, versuchte ihm alles zu erklären, aber Philipp wollte nichts mehr hören.
Er flüchtete regelrecht aus dem Schloss, stieg auf sein Fahrrad und ließ eine völlig schockierte und aufgelöste Flo zurück.

*


Marc und Big T trieb es diesen Abend eher nach Hause als sonst. Ein wenig drückte sie schon das schlechte Gewissen wegen diesem Philipp, aber sie hatte sich auch in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt, dass Flo ihn erst so spät im Hungerturm finden würden.
Flo empfing ihre Brüder wie ein drohender Rachenengel. Zunächst ging sie mit Fäusten auf die beiden los, dann schrie sie sich nur noch an und rannte schließlich in Tränen aufgelöst hinauf in ihr Zimmer. Dort verbarrikadierte sie sich und wollte nicht einmal mehr mit ihrer Mutter reden.
Das das ganze kein strafrechtliches Nachspiel für Marc und Big T hatte, war eine reine Glücksache. Jan, der den Einfluss der Familie Hohenfels-Wittenstein kannte, und der zugleich auch ein Bekannter der Skaterclique war, wusste, wie sehr man Philipp die Hölle heiß machen würde, wenn er sich mit Flos Brüdern anlegte. So redete er lange auf Philipp ein, als dieser nach der Flucht vom Schloss bei ihm auftauchte.
Er war es auch, der Philipp schließlich klar machte, dass Flo an dem ganzen keine Schuld traf und es eben einfach am besten war, den Herzogskindern besser aus dem Weg zu gehen. Philipp wollte sich nicht so leicht überzeugen lassen, doch nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, und die Erinnerungen an die schrecklichen Stunden in diesem Turm ein wenig in den Hintergrund gerückt waren, war er bereit Jans Vorschläge zu hören.
Marc und Big T machten sich bezüglich einer Anzeige wegen Körperverletzung keine Gedanken. Es gab keine Zeugen. Ihre Aussage stand gegen seine. Außerdem hielten sie Philipp für viel zu ängstlich, um so etwas durchzuziehen. Natürlich hatten sie trotzdem ein schlechtes Gewissen. Das wurde dann auch um so mehr, als sie ihre Schwester am nächsten Morgen das erste Mal zu Gesicht bekamen.
Flo sah aus wie ein Schatten ihrer selbst. Die Augen waren total verquollen und rot. Sie hatte dicke Ränder unter den Augen und war leichenblass. Die Herzogin schickte sie auf direktem Weg ins Bett zurück. Danach nahm sie sich ihre beiden Söhne vor. Sowohl Marc und Big T vermieden es, die ganze Wahrheit zu erzählen, gaben aber zu Philipp wohl endgültig vergrault zu haben.
Das setzte eine neue Strafpredigt von ihren Eltern und weitere Strafarbeiten im Garten. Flo lag derweil apathisch auf ihrem Bett und verweigerte jegliche Nahrungsaufnahme. Erst Kims Anrufe lockten sie ein wenig aus ihrer Lethargie. Kim, die immer noch in Japan saß, kochte vor Wut über das Betragen von Flos Brüdern.
Wie hatten sie der armen Flo nur so etwas antun können. Das forderte blutige Rache. Sie mochte vielleicht tausende von Kilometern entfernt sein, aber sie, Kim, würde für Flo Rache nehmen.
Die beiden Jungen würden noch den Tag verfluchen, an dem sie geboren worden waren. Chiara Anna-Lena von Sandau würde sie auf dem Boden kriechen und um Gnade flehen lassen und dann würde sie noch einmal drauf treten und sie nieder machen!
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