New World Order
von Yakuza
Kurzbeschreibung
Das Prequel zu Jims Fanfiction Eternal Fight. Während führende Politiker auf einer internationalen Konferenz zusammengekommen sind, um globale Probleme zu besprechen, wird diese von einer unbekannten Organisation gestört. Doch wer ist AnF und wie kann man deren Vorhaben unterbinden...?
GeschichteAbenteuer / P18 / Gen
13.05.2004
06.11.2004
9
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13.05.2004
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"03 - A look into Pandoras' Box - Jim enters the AnF-Headquarters!"
"Kyaaaah!!"
Schweißperlen flogen durch die stickige verbrauchte Luft, nasses Haar peitschte in ruckartigen, explosiven Bewegungen umher und Kampfschreie wie Atemstöße hallten in dem riesigen Trainingsraum wider, durch den Yakuza wirbelte und Kampfübungen vollführte. Er musste sich abreagieren.
Für gewöhnlich war der Sicherheitschef nicht nachtragend aber er nahm es seinem Kollegen und Kampfpartner Lone Demon noch immer übel, dass dieser ihn einfach "ausgeschaltet" hatte. Seit dem Vorfall vor gut einem Monat hatten sie kaum miteinander gesprochen. Der Spion saß nun in einer dunklen Ecke des spärlich beleuchteten Raumes und meditierte.
Yakuza hielt inne um zu verschnaufen und sich den Schweiß von seinem nackten Oberkörper zu wischen. Dabei warf er dem in Konzentration versunkenen Shinobi einen kurzen Blick zu. Vielleicht übertrieb er wirklich ein wenig und sollte das Eis zwischen den zwei Teamkollegen langsam wieder auftauen.
"Hey. Lone. Etwas Sparring?"
Wie üblich benötigte der Ninja ein paar Sekunden bevor er aus seiner Trance erwachte. Wenn Lone Demon meditierte, fiel er in einen narkotischen Zustand, er tauchte in eine ganz andere Welt ab - in seine Welt. Dort suchte er nach Antworten auf Fragen, die ihn beschäftigten oder stellte sich seinen inneren Dämonen. Manchmal meditierten die beiden Kampfkünstler auch gemeinsam und ließen buchstäblich ihr inneres Ki miteinander ringen, wobei weder der eine noch der andere sich als eindeutige Sieger herausstellte. Man konnte die beiden Kämpfer gern mit den jeweiligen Polen von Yin und Yang vergleichen, wenn man so wollte. Lone war teilweise der eher spirituelle, ruhige, besonnene und introvertierte wohingegen Yakuza extrovertiert, lebhaft, aggressiv und kriegerisch war. Weder das eine noch das andere war Vorteil oder Nachteil. Zusammen ergänzten sie sich gut.
"Gleich. Lass mir noch ein paar Minuten."
"Einverstanden."
Yakuza setzte sich in den Schneidersitz und atmete tief durch. Dann streckte er seine Hände nach vorne und spreizte seine Finger.
"Was tust du?", fragte Lone, obwohl er seine Augen geschlossen hielt. Er konnte fühlen, dass Yakuza etwas plante.
"Ein Übung. Ich habe von einem Mythos gehört, in dem ein großer Krieger so kräftig und so schnell zugeschlagen hatte, dass er die Luft vor seiner Faust derart stark komprimierte, dass sie zu einem Geschoss wurde."
"Und das willst du auch können."
"Ich strebe nach Vervollkommnung."
Lone Demon lächelte.
"Ich weiß. Dann lass uns nun beginnen."
Der Shinobi nahm eine charakteristische Körperhaltung ein und bereitete sich auf den Kampf vor.
"Drachen."
Yakuza tat es ihm gleich, doch statt klauenartige Hände zu formen und seinen Stand ausgewogen und stabil zu verbreitern, senkte er seinen vorderen Arm tief ab und erhob den hinteren weit über den Kopf, während er sich in eine extrem tiefe Position begab.
"Tiger."
Einen Augenblick herrschte absolute Stille wie auch absolute Anspannung, dann explodierte die elektrisierte Luft zwischen den beiden Kämpfern förmlich, als Yakuza mit einem Kampfschrei eröffnete.
Er setzte zu einem flachen Fußfeger mit dem hinteren Bein an, dem Lone aber leicht entging, indem er sein eigenes, vorderes anhob und sein Gewicht etwas nach hinten verlagerte. Yakuza blieb aber nicht untätig sondern nutzte den Schwung der Attacke aus um weiter aus seiner tiefen Position eine Körperdrehung zu vollführen. Dabei riss er seinen Ellbogen nach oben, als er sich mit dem Rücken Lone zuwand.
Dieser blocke abermals mit einer freien Hand und nutze die andere, um seinerseits einen Konter vorzubereiten. Bevor es aber dazu kam, trat Yakuza tief gegen Lones verbliebenes Bein. Der Shinobi kniff ein Auge zu, als der Schmerz in seinem Schienbein aufkeimte, brach seine Attacke jedoch nicht ab. Seine Faust steuerte auf Yakuzas Kopf zu, der allerdings auswich, indem er jenen zur Seite nahm.
Lone lies nun die zweite Hand von Yakuzas Ellbogen gleiten und formte eine Klaue, die er in Yakuzas Flanke trieb.
Sofort trennten sich die beiden mit einem Sprung von einander, nur um wieder aufeinander loszugehen.
Beide setzten zu einer Sprungeinlage an, doch mitten im Flug brach Yakuza seine Attacke ab und landete mit Händen und Knien auf dem Boden, während Lone über ihn hinwegflog und mit ihm zugewandten Rücken hinter Yakuza landete. Der Sicherheitschef seinerseits drückte sich sofort wieder vom Boden ab und wirbelte nun auf seinen eben erst gelandeten Gegner zu, um diesem in den Rücken zu fallen. Lone schaffte es aber noch, sich umzudrehen und so blockte er Yakuzas Fußtritt mit dem hochgerissenen Unterarm. Augenblicklich verkeilten sich die zwei Kämpfer ineinander und hielten die Kraftprobe.
"Du wirst langsam besser, Lone!"
"Tzzt! Du erzählst mir nichts Neues!"
Eine Schlagabfolge begann. Lone löste einen Griff und schlug eine rechte Gerade, die Yakuza ebenfalls mit der rechten blockte. Dann riss der Sicherheitschef sein Knie hoch, doch Lone wich mit einer geschickten Körperdrehung aus. Da es aber das linke Knie gewesen war und Lone sich nach rechts gekehrt hatte, lief er nun genau in Yakuzas Angriffswelle von rechts hinein.
"Ta-Ren-Ken! (Mashine-Gun-Punch)"
Eine Kanonade von Einzelschlägen prasselte in Lones linke Rippengegend und der Shinobi schrie unter Schmerzen auf, als die stahlharten Fäuste in seinem Körper einschlugen. Ein normales Auge hätte annehmen können, dass es drei Arme oder mehr waren, die den Spion traktierten, doch das war nichts anderes als Yakuzas absolute Höchstgeschwindigkeit, die er bei einigen wenigen Techniken für einen kurzen Moment mobilisieren konnte. Ta-Ren-Ken bekam ihren Namen nicht nur vom Tempo der Schläge als auch von dem Gefühl, dass sie beim Einschlag hinterlies.
Lone schmeckte Blut in seinem Mund und trotz der lähmenden Schmerzen brachte er es fertig einen Arm in die kaum sichtbare Schlagfolge einzuschleusen und somit effektiv deren volle Wirkung zu unterbrechen und Yakuza kurzzeitig aus dem Konzept zu bringen - genau das, was er sich erhofft hatte!
Yakuza war einen Sekundenbruchteil unaufmerksam und so riss Lone blitzschnell sein linkes Bein hoch und trat seinem Sparringspartner vor die Brust. Dieser stöhnte vor Schmerz und wurde ein Stück fortgeschleudert, landete aber wieder auf den Knien. Als er seinen Blick wieder anhob, fehlte von Lone jede Spur. Zu spät bemerkte Yakuza, dass der Jonin gesprungen war und sich nun mit beiden Knien auf ihn stürzte. Yakuza rollte zur Seite, zögerte den vermeintlichen Treffer aber nur heraus. Lone landete auf allen vieren und streckte ohne auch nur in die Richtung zu sehen, sein Bein nach hinten aus. Yakuza, der sich direkt dahinter befand, wurde mit voller Wucht ins Gesicht getroffen. Tränen schossen ihm in die Augen, als seine Nase knackte und Blut draus hervorschoss, doch er schaffte es, sich mit einem zügigen Hüpfer außer Reichweite zu bringen.
"Chinesisch, eh? Ich mag Chinesisch..."
Lone richtete sich auf und winkte Yakuza auffordernd zu sich. Der Trainingskampf ging in die zweite Runde...
Nguyen Tran Loc lehnte schmunzelnd im Türrahmen von Chiyois kleinem Büro, welches direkt an ihren Arbeitsbereich anschloss. Die junge Frau lag unter einer Hebebühne, auf jener war ein Arm des T 2000 aufgebockt und die Wissenschaftlerin, die zudem auch Technikerin und exzellente Taktikerin zugleich war, lag darunter und reparierte mit Anstrengung und Ächzen einige fehlerhafte Teile.
"Alles in allem muss ich aber sagen, dass der erste richtige Einsatz ein voller Erfolg war. Das Gefühl mit diesem Ding zu arbeiten war... einfach unbeschreiblich. So, als ob man mit der Maschine verschmelzen würde.", beschrieb NTL seine Erfahrung.
"Genau... das ist.. der Sinn... bei der Sache.", keuchte Chiyoi und schleuderte achtlos ein großes Metallteil des Armes unter dem Hebebühne hervor.
"Aber trotzdem macht er immer noch Fehler...eeewww!!"
Chiyoi spieh angewidert aus, als ihr Maschinenöl aus einem durchtrennten Versorgungsschlauch ins Gesicht spritzte. Genervt schob sie sich unter dem wuchtigen Stahlarm hervor und Nguyen warf ihr ein Handtuch zu, mit dem sie sich säubern konnte.
"Hier!"
"Danke. So ein Mist aber auch... wenigstens hab ich jetzt den Störenfried gefunden."
Sie bückte sich und hob die Komponente auf, die sie eben zu Tage gefördert hatte, um sie genauer zu betrachten.
"Das ist also der faule Zahn, hm?"
"So könnte man es nennen. Ich werde es wohl austauschen müssen, dann macht der Arm auch keine Zicken mehr."
"Als so schlimm empfand ich den Fehler gar nicht.", stellte NTL nach kurzem Überlegen fest, als er versuchte, sich an das Gefühl zu erinnern, welches er im Inneren des Tornado 2000 gespürt hatte.
"Natürlich nicht. Der Fehler ist ja zum Glück auch erst relativ spät nach der Mission aufgetreten. Und du sitzt ja eh im Trockenen. Stell dir mal vor, ein Projektil von 30 Zentimetern Durchmesser hätte sich so mir nichts, dir nichts aus der Kanone gelöst und wäre unbeabsichtigt auf dich zugeflogen. Das hättest du dann wohl schon als Fehler empfunden."
"Ja, da ist wohl was dran!", kicherte der Computerspezialist amüsiert und sein Blick musterte Chiyoi einen Moment lang. Für üblich traute er sich so etwas nicht, weil er wusste, dass sein Blick bemerkt wurde. Doch Chiyoi war zu sehr mit ihrem Bauteil beschäftigt, um NTLs Musterung zu bemerken.
Das Haar der jungen Frau war zerzaust und durcheinander, schweiß- und ölverklebt. Ihr Gesicht war ebenfalls schmutzig und die körperliche Anstrengung hatte sie erröten lassen. Diese Kombination zusammen mit Chiyois Arbeitskleidung aus einem engen grauen Overall und einer schwarzen Latzhose machten sie für einen Augenblick unheimlich sexy.
Der Gedanken daran erlosch aber sofort, als sich NTLs rationale Denkweise einschaltete, die dafür plädierte, dass an einer restlos verdreckten Frau, die sich nur für überdimensionale Kriegsmaschinen interessierte, absolut gar nichts sexy sein konnte - zumindest war dies eine effektive Verdrängungsmethode. Außerdem war sie wohl... zu jung, könnte man sagen.
NTL vergrub seine Hände tiefer in den Taschen seines langen schwarzen AnF-Mantels, den die Führungsoffiziere trugen - sofern sie nicht gerade mitten bei der Arbeit waren - und räusperte sich kurz.
"Ährm... nun... weswegen ich eigentlich hier herunter gekommen bin... ist etwas anderes. Ich hab hier einen Statusbericht verfasst, bezüglich der letzten Mission. Du weißt ja was das heißt."
"Ja, alle Führungsoffiziere von AnF müssen bei der Verlesung anwesend sein. Wann ist die Sitzung?"
"In ungefähr drei Stunden. Envinyatar hat mich damit beauftragt, dass jeder informiert wird. Normalerweise kümmert sie sich darum, dass jedes Mitglied die Nachricht und die Liste erhält, doch sie hat etwas wichtiges mit Jumpdevil zu besprechen. Und ich hab leider auch noch ne ganze Menge Arbeit, also wollte ich... na ja..."
"... mich fragen, ob ich nicht das Ding rumgeben kann, stimmt's?"
"Ja, richtig. Tut mir leid aber du tust mir echt einen Gefallen damit. Ich revanchiere mich auch."
"Schon in Ordnung. Du hast mir ja neulich auch in der Testphase des T 2000 geholfen. Außerdem hast du mehr oder weniger unser aller Ärsche gerettet, wie man so sagt."
Chiyoi überflog den Bericht kurzzeitig und sah dann wieder auf.
"Wer hat das Ding noch nicht gehabt?"
"Lone Demon, Yakuza und..."
"... und?"
Die Technikerin sah NTL erwartungsvoll an, doch ihr Blick wurde entnervt, als sie bemerkte, wie Nguyen Tran Loc augenrollend zu Boden blickte.
"Nein, oder? Mir schwant übles..."
"Ja. Ich weiß, keiner geht gern runter aber du tust mir wirklich..."
"Ich tu dir einen Gefallen, schon klar. Aber sonderlich scharf drauf bin ich nicht gerade."
"Sie beisst doch nicht.", versuchte NTL Chiyoi zu beruhigen, die ihn skeptisch ansah.
"Sicher? Nein, im Ernst. Es ist nicht so, dass ich sie nicht mag aber mir ist immer ziemlich unwohl, wenn ich in diesen Teil des Hauptquartiers muss. Ich mag die Biolabors nicht und ich mag vor allem das verdammte Reservat da unten nicht!"
"Vielleicht freut sie sich aber über Gesellschaft, wer weiß? Du kennst sie ja..."
"Ja, tue ich. Aber manchmal verstehe ich sie einfach nicht... sie ist halt manchmal... schwierig. Kenjin...."
Das Klacken von Chiyois Stiefelabsätzen auf den eisernen Treppenstufen, die sie tiefer in die AnF-Zentrale brachten, ging in dem Getöse, Gezische und Gedonnere unter, welches aus der riesigen Schmelzhalle drang. Dieser Bereich, in dem Waffen, Werkzeuge, Fortbewegungsmittel und andere Dinge, die große Mengen Stahl, Eisen, Legierungen und Edelmetalle erforderten, gefertigt wurden, lag im Einzugsbereich von Yakuza. Er hielt sich hier unten öfter auf und kontrollierte die Sicherheitsbestimmungen innerhalb der Gefahrenbereiche und im Maschinenraum. Sein Büro lag gleich in der Nähe des Trainingsraumes, wo er sich wohl gerade aufhielt, wie Chiyoi feststellte - denn sein Arbeitsplatz war verwaist. Lediglich ein Stellvertreter kümmerte sich um einige Protokolle und überprüfte Statistiken und Übungspläne.
*Furchtbar hier unten. Wie kann man nur diese Hitze, den Lärm und den Dreck so mögen?*, fragte sich Chiyoi, ihre Schläfen massierend. Dabei fiel ihr ein, dass sie im Augenblick auch nicht viel besser aussah - sie war ebenfalls mit Maschinenöl beschmiert und hatte schmutzige Kleidung an. Das brachte der Beruf als Technikerin leider mit sich aber sie bevorzugte schon lieber die saubere Laborarbeit oder das Entwerfen neuer Baupläne für Waffen und große Kriegsmaschinerie.
Die junge Frau schritt über einige Geländer und Gitterbrücken, bahnte sich ihren Weg kreuz und quer zwischen gewaltigen Schmelztiegeln hindurch, in denen roter, flüssiger Stahl floss oder vor sich hin köchelte. Kettengerassel, das Rumoren von schweren Maschinen, Motoren und das melodisch-metallische Trommeln gewaltiger Hämmer verliehen diesem Ort wohl die größte Geschäftigkeit in der ganzen AnF-Zentrale. Nirgendwo sonst ging es so belebt zu, allerdings wurde wegen der hohen körperlichen Belastung hier auch verhältnismäßig am kürzesten gearbeitet. Bereits nach fünf Uhr war hier alles still. Dann hatte dieser Ort etwas gespenstisches an sich. Ebenso wie der Geosektor bei Nacht - oder aber die Biolabors und das Reservat.
"Gleich bin ich da, gleich bin ich da...hmmmhmmmmhmmm...", summte Chiyoi vor sich hin, um ihr inneres Unwohlsein zu unterdrücken. Man sagte zwar, wer Angst in der Dunkelheit habe, pfeife oder spreche laut vor sich hin, um diese zu vertreiben, doch mit Angst hatte das nichts zu tun. Jedenfalls nicht direkt. Die Strategin konnte sich nur gut daran erinnern, dass sie einmal ganz allein durch das Reservat geschlichen war, um Kenjin eine Nachricht zu übermitteln. Diese hatte die junge Frau dann beinahe zu Tode erschreckt, als sie fast lautlos hinter ihr aufgetaucht war und ihr mit der als charismatisch bekannten Stimme ins Ohr ge-"buht" hatte. Kenjin fand diesen Scherz recht lustig, auch wenn er Chiyoi ohne weiteres das Leben hätte kosten können.
Nun denn, das war vergessen. Heute war sie auf der Hut und würde nicht auf einen der Streiche von Scarecrow hereinfallen. Sie steuerte auf eine abgelege Tür zu. Sie war gepanzert und sollte vor ausbrechenden Feuern schützen, war zudem in einem giftigen Grün lackiert und die Klinken setzten Rost an und waren einfach verkeimt. Ohne weiter über diesen Umstand nachzudenken, riss Chiyoi die Pforte auf und schritt einige Meter weit in den dortigen Gang hinein. Eine Schleuse zu ihrer Linken führte in die sauberen aber doch an ein Gruselkabinett erinnernden Biolabors, wo Gensoldaten gezüchtet, verbessert und entworfen wurden und andere Experimente stattfanden. Rechts von ihr befand sich eine weitere Feuerschutztür, diesmal in einem dunklen Rot und mit der deutlichen Aufschrift: "Testbiotop - Zuständigkeit: Kenjin".
Die Wissenschaftsoffizierin atmete tief durch und rieb sich mit der freien Hand den Arm, in dem sie den Bericht trug. Unterschwellig war sie schon wieder nervös, obwohl es dafür keinen Anlass gab. Kenjin war ihre Kollegin. Falls man das so nennen konnte. Vermutlich lag genau da das Problem - man sah sie einfach zu selten, hatte fast nie Kontakt zu ihr, um sie wirklich gut zu kennen. Es wurde sogar gemunkelt, dass sie nicht einmal ein richtiger Mensch sei oder überhaupt ein Geschlecht wie männlich oder weiblich besaß. Manch einer hielt sie für ein hochentwickeltes, androgynes Bioexperiment doch sicher konnte das niemand sagen. Was man über Kenjin wusste war, dass sie zurückgezogen lebte, bei Besprechungen aber stets anwesend war und häufig gute Laune hatte.
Das war ein Punkt, auf dem Chiyoi ihr Selbstvertrauen wieder aufzurichten versuchte. Genau. Kenjin war meist guter Laune, war ihre Kollegin und Mitstreiterin, vor der sie nichts zu befürchten hatte. Das war die Realität. Chiyoi stieß die Tür mit einem Knarren und einigem Kraftaufwand auf. Drinnen schlug ihr neben einem bläulich gedämpften Licht auch eine schwüle Hitzewelle entgegen. Zudem vernahm sie Tiergeräusche und Laute, die von Kleintieren, Vögeln oder Insekten stammen mussten. Hier unten erprobte AnF Kolonialisierungsmaßnahmen und Terraformingprojekte zur Wiederaufforstung bedrohter Naturgebiete oder zur Besiedelung bisher unbewohnbarer Gegenden. Kenjin hatte mehr oder weniger die Kontrolle über diesen Bereich. Obwohl man nie etwas von ihrer persönlichen Arbeit an diesen Projekten hörte, legte sie regelmäßig ordnungsgemäße Berichte vor, die auch von Erfolg gekrönt waren. Sie schien trotz allem zuverlässig zu sein.
Das war aber noch nicht Kenjins "Büro". Die besondere Betonung auf dem Wort Büro lag daran, dass es sich dabei um keines handelte. Kenjin bevorzugte es ebenfalls in einem Bioreservat zu arbeiten und zu wohnen. Dort schlief sie, aß sie, ging ihren Aufgaben nach und verfolgte ihre Freizeitaktivitäten. Chiyoi eilte zügig durch die verschiedenen, abgegliederten Testbereiche und kam schlussendlich vor dem letzten Gebäudeteil an. Sie öffnete die Tür und trat nach innen, auf eine Galerie, die in luftigen fünf Metern Höhe über dem Erdboden rundherum an den Wänden des riesigen Biotops angebracht waren. Man konnte gut nach unten sehen und von dort die gesamte Fläche des Erdbodens einsehen. Dieser war naturbelassen und es wuchs - so komisch es klang - ein Maisfeld darauf. Da die Pflanzen recht hoch standen und alles dunkel war und lediglich von einer schwachen, roten Lampe beleuchtet wurden, die an Brutkästen erinnerte, war Kenjin von hier oben nicht auszumachen. Chiyoi musste also die Treppe nach unten nehmen.
Es war totenstill. Das Zirpen einiger Grillen lag in der Luft aber ansonsten schien der Ort völlig leblos.
*Vielleicht schläft sie? Oder sie ist gar nicht da? Oder sie lauert hier irgendwo auf mich, um mich wieder zu Tode zu erschrecken...*
Chiyoi machte sich eine gedankliche Notiz, letzteren Gedanken entgültig aus ihrem Gehirn zu verbannen, denn sofort schloss sich wieder eine eisige Hand um ihr Herz und der Puls der jungen Frau beschleunigte. Sie sah sich nur kurz um und entdeckte am Rande des Kornfeldes eine Schreibtischkombination - vermutlich ihr Arbeitsplatz.
"Kenjin!?", rief sie sicherheitshalber in die Halle hinein, sodass es an den hohen, kahlen Wänden widerhallte, "Ich leg dir den Bericht hier hin! Bring ihn doch bitte nachher zu Yakuza und Lone Demon, ja?"
Dann machte sie kehrt und verlies so schnell wie möglich den Raum. Während die Wissenschaftlerin draußen vor der Tür in die Hocke sank und tief ausatmete, raschelte etwas durch die trockenen Pflanzenstängel des Maisfeldes. Das Geräusch erstarb und dann schälte sich ein schwarzer Lederhandschuh aus dem Dunkel und griff nach dem Papierbogen...
Der Kampf hatte seine Endstufe erreicht und beide Kämpfer waren inzwischen ganz schön angeschlagen. Lone wurde von Yakuzas letztem Fußtritt in die Luft geschleudert, besaß aber noch genug Körperbeherrschung, um vernünftig auf den Knien zu landen. Er schnaufte heftig und hatte Mühe, sein rechtes, geschwollenes Auge offen zu halten. Er griff in die kleine Tasche an seiner Hüfte und zog ein Kunai hervor, welches er sich zwischen die Zähne klemmte.
In einem waffenlosen Kampf war das vielleicht eine unfair anmutende Methode, doch er wusste, dass Yakuza nichts dagegen hatte. Der erfahrene Kampfkünstler hatte schon oft genug den unbewaffneten Kampf gegen einen bewaffneten Gegner trainiert und da war ein einzelnes Kunai kein Problem. Ein einzelnes wohl nicht... Lone grinste hämisch. Gleich würde sein Trainingspartner eine Überraschung erleben.
Yakuza zog sein Bein wieder zurück und hielt es noch eine Weile angewinkelt bei der Seite. Dann setzte er es mit erwartungsvollem Blick auf den Boden. Auch er war angeschlagen, wies einige Blessuren auf und blutete aus diversen Wunden doch insgesamt wirkte er frischer und weniger ausgelaugt als der Shinobi.
"Meinen Respekt... du hast dich wirklich verbessert... sogar mehr, als ich erwartet hätte. In einem Kampf mit Waffen hätte ich wohl verloren."
"Verloren? Soll ich deinen Worten entnehmen, dass du dich schon als Sieger siehst? Noch ist nichts entschieden!"
Damit sprang der Ninja mit einer fast nicht sichtbaren Schwungbewegung auf und sprintete nach vorne.
Yakuza nahm eine defensivere Körperhaltung ein, da der nächste Angriff wohl heftiger werden würde. Lone besaß in diesem Duell nicht mehr viel Spielraum und das wusste er auch.
In den vergangenen zwei oder drei Stunden, die dieser bis dato ausgewogene Kampf schon gedauert hatte, war es Yakuza gelungen, mehr und mehr die Oberhand zu gewinnen. Sicher, beide waren sie exzellente Kämpfer aber wenn es nun mal um den rein waffenlosen Kampf unter Einsatz des Körpers ging, war der Sicherheitsoffizier eben der bessere. Der Beste, musste man schon sagen, denn Yakuzas gesamter Körper war in jeder Hinsicht eine Waffe und bisher hatte es keinen normalen Menschen gegeben, der ihn je besiegt hatte. Und um diese Tatsache weiter aufrecht zu erhalten, hatte der kurzhaarige Kampfkünstler alle Register seiner Kunst gezogen.
Da Lone Demon einen Großteil seines Kempos von Yakuza erlernt und mit ihm ausgebaut hatte, kannte und beherrschte er nahezu jeden Stil, den auch sein Partner verwandt. Allerdings gab es da zwei Faktoren, die Lone bisher einfach nicht hatte ausmerzen können. Der erste war, dass Yakuzas Feinheit in Bezug auf Exaktheit und Ausführung der einzelnen Techniken viel stärker ausgeprägt war und er selbst die schwierigsten Techniken spielerisch meisterte. Das zweite Problem lag in der Vielfalt der Stile. Dem Sicherheitschef schien es einfach angeboren, die unterschiedlichsten Kampfkünste zu mischen, zu kombinieren und in den einzelnen Elementen zu wechseln. Das Tempo und die Korrektheit dabei waren es, was Lone einfach nicht in den Griff bekam. Er konnte sich den Stilwechseln nicht so rasch anpassen und er zog deswegen häufig den Kürzeren. Doch heute sollte es nicht so sein. Zumindest nicht, wenn es nach ihm ging.
Lone Demon sprang kräftig vom Boden ab. Fast in der Waagerechten rauschte er mit einem Fußtritt auf Yakuzas Kopf zu. Dieser riss einfach einen Arm hoch und lies die Fußsohle des Shinobis lautstark dagegen prallen. Blitzschnell griff er nun mit dem Blockarm um und packte das Fußgelenk des Ninja, um ihn daran in die Luft zu reißen. Lone ahnte aber, dass Yakuza versuchen würde, ihn auf den Boden zu schmettern und so entließ er das Kunai seinen Lippen und nahm es in die Hand, um es zu Boden zu werfen, wo es das Metall durchschlug und stecken blieb. Anschließend lies er seinen Opponenten einfach gewähren und sich von diesem herumwirbeln. Mitten in der Bewegung stoppte Yakuza aber voller Verwunderung, so als ob ihn eine unsichtbare Macht festhielte. Lone befreite sich aus dem Griff, rollte in der Luft mit einem Rückwärtssalto ab und landete auf beiden Füßen. Von dort sprang er nach vorne und rammte Yakuza mit aller Kraft beide Arme in den Bauch und in die Brust.
Der Sicherheitschef japste nach Luft, als ihm diese aus den Lungen gepresst wurde. Zudem fühlte es sich so an, als ob er gleich sein Mittagessen wiedersehen würde. Stöhnend fiel er auf ein Knie nieder, konnte aber mit der einzig freien Hand arrangieren, dass Lone keinen weiteren Treffer landete, indem er weitere Techniken blockte. Lone sprang weg, um Distanz aufzubauen. Ein waidwund geschlagenes Tier war gefährlich. Das galt auch für einen angeschlagenen Yakuza.
Dieser hatte inzwischen die Ursache für seinen missglückten Konter entdeckt.
"Du Bastard...", grinste er, während er mit einem Ruck das Stück Angelsehne von seinem Arm entfernte, "...wann hast du das drum gewickelt? Als ich den Tritt geblockt habe oder schon eher?"
"Genau da. Du hast Recht, während du meinen Tritt abwehrtest, wickelte ich fast unsichtbar die Sehne um dein Handgelenk und fixierte sie, indem ich den Kunai in den Boden rammte. Der war bereits vorher mit dem Strang verknotet gewesen und so konntest du deinen Arm nicht weiterbewegen."
Yakuza erlaubte sich ein schwaches Lächeln. Man konnte über die Methoden des Jonin denken was man wollte, sie waren effektiv. Und darum ging es letztendlich beim Job eines Ninjas. Ehre und Moral passten da einfach nicht hin - zumindest nicht immer. Innerlich jedoch verfluchte sich der Sicherheitschef. Er hatte nicht bemerkt, wie dies hatte geschehen können. Bei weniger Glück hätte Lone Demon ihm den Strick unbemerkt um den Hals schlingen können. So wäre er einfach erdrosselt worden.
"Spielereien. Dein Trick ist durchschaut, was willst du jetzt machen?"
Lone Demon richtete sich zu voller Größe auf und betrachtete Yakuza abschätzig. Einige Sekunden lies er so verstreichen, dann verwandelte sich der skeptische Blick in ein selbstsicheres Grinsen.
"Spielerei, also? Wenn du dich da mal nicht irrst. Weißt du, wo du stehst?"
Lones Aussage reizte Yakuza und er lies reflexartig seine Deckung hochschnellen.
"Was meinst du? Was hast du vor?"
"Ich habe gar nichts vor. Es ist schon längst im Gange. Und zwar genau... zwei...drei.... jetzt!!"
Fast lautlos rauschte ein gutes Dutzend von Wurfdolchen von der Decke auf Yakuza herab. Da dieser eher mit einer Attacke aus der Horizontalen gerechnet hatte, war es nun zu spät, etwas zu unternehmen. Außerdem konnte er mit dem bloßen Arm nichts gegen die messerscharfen Kunais tun, die ihn anderenfalls aufspießen würden, wenn er nicht gleich auswich. So brachte er sich mit einem Hechtsprung und einer anschließenden Rolle mehr schlecht als recht außer Reichweite.
"Du hast also Fallen gelegt! Wahrscheinlich hab ich irgendwann einen deiner Fäden durchtrennt und somit eine zeitlich verzögerte Falle ausgelöst, stimmt's?"
"Stimmt."
*Hinter mir!*
Ohne Anzeichen einer Bewegung, fast noch während des Sprechens, lies Yakuza seinen Fuß nach hinten ausschlagen, um den Ninja dort zu treffen. Einer Schlange gleich wand sich Lone Demon aber dank einer 360°-Drehung seines Körpers um den Tritt herum und befand sich nun an der linken Flanke des Kampfkünstlers. Dort lies er einen Uraken folgen, einen Schlag mit dem Handrücken, der in einer Schnappbewegung nach vorn ausgeführt wurde. Yakuza lies sich einfach fallen und landete in Liegestützhaltung. Lone stampfte, traf aber wieder nicht. Yakuza hatte sich zur Seite gerollt und war wieder auf den Beinen. Beide reagierten gleichzeitig und setzten zum entscheidenden Schlag an.
"YAKUZA!"
Die Stimme gehörte einer Frau. Da der Ruf wider erwarten von Chiyoi kam, die sich eben zutritt verschafft hatte, war der angesprochene abgelenkt worden und erstarrte mitten in der Attacke zur Salzsäule.
"Chi-aaarrrgh??!!!"
Lone Demon hingegen konnte nicht mehr bremsen und schickte den unvorbereiteten Yakuza nun mit einem glatten rechten Hacken auf die Bretter. Scheppernd schlug der Sicherheitsbeamte dort mit dem Kopf auf und sofort begann sich ihm alles vor Augen zu drehen. In seinen Ohren klingelte es und so konnte er Chiyois nüchtern - zynischen Kommentar gar nicht vernehmen.
"Wirkungstreffer durch Ablenkung - kein Niederschlag!"
Nun hob sie wie ein Ringrichter die Hand und entlockte so dem Oberninja ein leichtes Grinsen, der sich eben zu seinem Kampfpartner herunterbückte.
"Alles klar, Yakuza?"
"Arghh... hat sich einer die Nummer von dem Panzer gemerkt?"
Damit setzte er sich wieder auf und drehte den Kopf knackend zu Chiyoi herüber.
"Danke für die kleine Störung, Miss 'I-love-to-shock-people-with-my-damn-loud-appearrance'."
"Sehr witzig. Das hab ich ja nicht mit Absicht getan. Hört lieber zu, was ich sagen will."
"Schieß los", meinte Lone, der der jungen Frau indes den Bericht aus der Hand gerissen hatte. Kenjin hatte ihn ihr vor einer Weile wieder zurückgebracht, statt persönlich zu Lone Demon und Yakuza zu gehen und inzwischen war es auch schon spät geworden, sodass die Versammlung bald beginnen würde.
"Die Prozedur kennt ihr ja. Guckt euch den Bericht an, vermerkt eure Kommentare darauf und wenn ihr fertig seid - ewww..."
Chiyoi rümpfte die Nase, als sie endlich die dicke Luft gepaart mit dem Geruch von schwitzenden Männern in die Nase sog.
"...dann duscht euch bitte. Und kommt nachher zum Meeting. Es gibt wichtiges zu besprechen."
"Ist gut, machen wir.", stimmte Yakuza zu.
"Ja, wird auch Zeit. Ihr riecht beide ganz furchtbar."
"Er meinte das Meeting.", erklärte Lone belehrend und verzog mitleidig sein Gesicht.
"Meinetwegen. Wie auch immer, wir sehen uns nachher. Bis dann also."
"Ok, mach's gut, Chi."
Die junge Frau hob zum Abschied die Hand, dann verlies sie nach Yakuzas Gruß den Trainingsraum.
"Und nun?"
Lone zuckte mit den Achseln. Zwar war der Kampf nicht ganz so ausgegangen, wie geplant aber auf eine ziemlich verquere Weise hatte er doch bekommen, was er gewollt hatte - nämlich als Sieger aus dem Duell hervorzugehen.
"Ich schlage vor, du räumst deine Waffensammlung auf und ich wische noch den Boden. Dann unter die Dusche, ankleiden und wir sind fertig."
"In Ordnung...Zweiter."
Der Ninja grinste schadenfroh, was Yakuza sowohl Scham- als auch Zornröte ins Gesicht trieb.
"Du weißt genau, dass das nicht zählt! Du hast nur gewonnen, weil--"
Lone Demon schnitt ihm das Wort hab.
"Nur ein ehrloser Feigling redet sich aus der Niederlage raus, Zweiter!"
"Sagt wer?!"
"Hast du mal gesagt!"
Lachend drehte sich der Shinobi um und sammelte die Kunais und die Reste seiner scharfen Angelsehne auf und verstaute alles in seinen Transporttaschen. Yakuza hatte sich grummelnd in den Abstellraum verzogen, wo sich die Reinigungsutensilien befanden. Eigentlich verfügte AnF über derartigen Reinigungsservice doch der Sicherheitschef betrachtete den Dojo als zweites Zuhause und so übernahm er die Reinigung hier selbst. Während Yakuza in Bahnen gehockt über den Boden sprintete und den Lappen über den ausgekleideten Stahlboden schob, kamen ihm wieder Gedanken an den Kampf.
"Sag mal, Lone... wann hast du eigentlich die Falle gelegt?"
"Bevor du den Raum überhaupt betreten hattest. Wer das Terrain beherrscht, hat schon fast gewonnen. Kleine Ninja-Regel!"
Er grinste und streifte sich dann sein Oberteil vom Körper, welches er achtlos beiseite warf.
"Ich geh dann duschen."
"Ist gut, Lone. Übrigens... es war zwar hinterhältig und eigentlich unfair aber ziemlich genial von dir."
"Danke. Und noch was.... wegen neulich mit der Betäubung... du weißt..."
"Schon klar. Ist vergessen."
Der Raum war in Stille getaucht und irgendwie passte diese Atmosphäre zu dem in Elfenbein gehaltenen Ort, an dem sich die Führungsmitglieder regelmäßig versammelten. Die Stimmung war diesmal aber eher gedrückt.
Yakuza und Lone Demon waren die letzten beiden die eintraten, Nguyen Tran Loc, Chiyoi, Jumpdevil, Envinyatar und Kenjin saßen bereits auf ihren Plätzen und warteten ungeduldig auf das Erscheinen der zwei.
Jumpdevil strafte die zwei Kampfkünstler beim Betreten des Raumes mit einem düsteren Blick der verlauten lies, dass sie nicht nur für ihr zu spätes Erscheinen Konsequenzen tragen würden müssen.
"Entschuldigt.", lies Yakuza zahm verlauten, auch wenn das sonst nicht seine Art war. Doch vor ihrer aller Anführerin gestattete er es sich besser nicht aufmüpfig zu sein - nicht heute, da sie schlecht gelaunt schien.
Yakuza straffte seinen ärmellosen Ledermantel und setzte sich dann auf den freien Platz neben Kenjin, Lone nahm ihm gegenüber neben Nguyen Tran Loc platz.
"Damit sind wir endlich vollzählig. Wie ihr alle wisst, müssen wir die letzte Aktion besprechen. Es gab einige unvorhergesehene Ereignisse"
Sie lies ihren durchdringenden Blick langsam durch die Runde schweifen.
"Nicht nur von gegnerischer Seite."
Damit sollte sich in erster Linie Lone Demon angesprochen fühlen. Selbstverständlich vernahm er diesen verbalen Wink mit dem Zaunpfahl, blieb aber emotions- und regungslos am Tisch sitzen. Wenn er zur Rede gestellt werden würde, konnte er sich immer noch verteidigen.
"Ich mach es kurz."
Sie räusperte sich und überflog kurz den Bericht und die darauf befindlichen Daten, dann hob sie ihre Stimme.
"Insgesamt hatten wir es mit 29 männlichen Personen zu tun. Davon wurden 26 schwer verletzt, 21 durch Yakuza, fünf durch Nguyen Tran Loc. Weiterhin gab es drei Tote. Davon gingen alle drei auf Lone Demons Konto."
Jumpdevil warf ihm einen herausfordernden Blick zu, den der Ninja allerdings missachtete.
"Lone! Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen!"
Die drei Frauen neben Jumpdevil im Raum zuckten zusammen, als diese mit tieferer Stimme, als man ihr zugetraut hätte, ihren Kollegen und Untergebenen anfuhr und ihre Handfläche auf den edlen Konferenztisch krachen lies.
"Tche. Nichts. Was soll es da zu rechtfertigen geben? Ich habe die Ziele ausgelöscht, die eine potentielle Bedrohung darstellten. So wie wir es in unseren Richtlinien festgelegt haben."
"Dem stimme ich zu, Jumpdevil."
Chiyoi erhob sich von ihrem Stuhl. Dann stützte sie sich mit beiden Armen auf der Tischplatte ab und lehnte sich vor, um Jumpdevils Blick somit besser Paroli zu können.
"Wie hatten mit der Operation noch nicht einmal begonnen, als eine Abwehrrakete auf uns abgefeuert wurde. Wir hatten es mit radikalen Aggressoren zu tun! Wenn wir nicht so gehandelt hätten, wie wir es getan haben, wären wir diejenigen gewesen, über die man so eine Statistik verlesen hätte!"
"Zur Kenntnis genommen.", mischte sich Envinyatar ein, die sich nachdenklich zurücklehnte und die Arme über der Brust verschränkte.
"Aber wenn ich mich recht erinnere, hat Lone in seinem Bericht wahrheitsgemäß bescheinigt, dass seine Opfer keinen Schimmer davon hatten, wer sich außer ihnen noch im Raum befand. Es wäre einem so hervorragenden Shinobi wie ihm doch sicherlich möglich gewesen, die Männer einfach zu betäuben und sie nicht gleich umzubringen, oder?"
"Aber--!"
Kenjin warf Chiyoi, die ihr gegenüber saß einen eindeutigen Blick zu und schüttelte leicht mit dem Kopf. Es wäre unklug auf dieses Argument etwas zu erwidern, denn es war leider hieb- und stichfest. Und jeder im Raum wusste das, auch Lone Demon selbst.
"Du hast recht, Envinyatar.", gab Lone Demon mit einem zynischen Lächeln zu und schloss die Augen.
"Natürlich. Ich habe sie ermordet, obwohl es unnötig gewesen wäre. Jeder Versuch einer Rechtfertigung ist jetzt ohnehin hinfällig, ihr habt euch euer Urteil ja schon gebildet. Aber ihr könnt das nicht verstehen. Ihr sitzt hier in euren Büros, schmiedet hochtrabende Pläne... und wir stehen draußen im Wüstensand und machen für euch die Drecksarbeit. Ihr wisst doch beide nicht wie man kämpft! Keiner von euch - weder du, Jumpdevil, noch du, Envinyatar - hat jemals einen echten Kampf auf Leben und Tod ausgestanden! Fragt mal Yakuza! Oder fragt Chiyoi! Oder Kenjin! Selbst NTL hat sich mehr eingesetzt als ihr beide zusammen!"
"Das reicht jetzt!!"
Envinyatar fuhr von ihrem Platz hoch, nicht nur, weil sie sich als Unschuldige angegriffen fühlte sondern auch weil sich dieser Möchtegern-Superspion diesen Ton vor Jumpdevil herausnahm.
"Wir tragen ganz andere Risiken als ihr euch vorstellen könnt! Wage es ja nicht, noch mal so mit Jumpdevil zu reden! Du bist es, der keine Ahnung hat! Wenn wir nicht wären, hätte es AnF nie so weit gebracht und du wärst in irgendeiner Gosse geendet, als arbeitsloser Tagelöhner, der mit seinem Talent nichts anzufangen weiß!"
"Pah! Auf dieses Niveau lasse ich mich nicht herab. Außerdem solltest du besser still sein, Envinyatar... vergiss nicht, dass ich sehr gut deinen Platz hätte einnehmen können, wenn Jumpdevil dich damals nicht aus persönlichen Gründen auf Rang Nr. 2 berufen hätte..."
Envinyatar knurrte verärgert, unterlies aber weitere Anschuldigungen oder Gesten und lehnte sich in ihrem Sessel zurück.
"Hört auf jetzt. Uneinigkeit bringt überhaupt nichts.", stellte Nguyen Tran Loc nüchtern fest.
"Fakt ist, dass Lone gegen die Direktive verstoßen hat. Andererseits muss ich ihm recht geben, Jumpdevil. Ihr wart wirklich nicht dabei. Als Lone entdeckt worden war, sah er sich bereits zwei weiteren Gegnern gegenüber. Die Kerle waren schwer bewaffnet und Lone besaß nur seine Nahkampfwaffen. Wärest du ein Risiko eingegangen? Was, wenn er getötet worden wäre? Was, wenn irgendjemandem Informationen zugespielt worden wären, die man von Lone hätte erhalten können? Irgendetwas über unsere Technik, unsere Methoden, Pläne, alles mögliche. Das hätte unser Gefüge ins Wanken gebracht, nicht wahr?"
Jumpdevil hatte aufmerksam zugehört, während NTLs Stimme sanfter aber überdies auch bohrender geworden war. Man traute es ihm kaum zu, dass er auf zwischenmenschlichem Bereich so clever war und genau wusste, wie er Jumpdevils Schwachpunkt ködern konnte, denn die junge Anführerin hatte insgeheim genau die gleichen Faktoren vor Augen gehabt.
Die Führerin von AnF legte eine kurze Denkpause ein, dann gab sie sich mehr oder weniger geschlagen.
"Gut. Ich sehe, ihr seid nicht alle meiner Meinung. Nicht, dass ich das je von euch verlangt hätte, aber so macht es wohl wenig Sinn, etwas mit Gewalt durchzudrücken. Ich sehe von einer Strafe für Lone ab. Allerdings erhält er für den nächsten Monat eine Gehaltskürzung und er bekommt keine Aufträge der Stufe 5 mehr."
Lone nickte und seine angestaute Wut ebbte allmählich ab. Damit konnte er leben. Zwar war ein Monat ohne hochqualifizierte Aufträge lange und er hasste es, Amateure seine Arbeiten erledigen zu lassen aber verglichen mit Jumpdevils Möglichkeiten war das eine milde, akzeptable Bestrafung. So langsam glitten die Gedanken des Shinobis ab, er versank wieder in seiner eigenen Welt, in der er Pläne schmiedete und sich auf seine Zukunft konzentrierte. Er versäumte mehr oder weniger den Großteil des Restes der Konferenz und im Nu war die Besprechung an ihrem Ende angelangt.
"Gut. Damit schließen wir die Besprechung. Ich wünsche allen noch einen angenehmen Abend, ihr habt soweit frei. Bis morgen. Ihr könnt gehen."
Als sich die AnF-Offiziere erhoben und einer nach dem anderen den Raum verlies, streifte Envinyatar Lones Arm, als sie an ihm vorbei ging.
"Das war unfair von dir, Lone. Darüber sprechen wir noch mal.", teilte sie ihm aber ohne sonderliche Emotion in der Stimme mit. Sie klang fast eher enttäuscht anstatt wütend.
"Lone, du bleibst bitte noch eine Sekunde.", warf Jumpdevil ihm im Befehlston zu, als Envinyatar als letzte den Raum verlassen hatte.
Der Shinobi wand sich ihr nicht zu, richtete seinen Blick stumm auf die automatisch öffnende Tür. Er vernahm das Klacken von Jumpdevils Absätzen, als sich die exzellent gedresste Geschäftsfrau ihm näherte und dicht neben seiner Schulter stehen blieb.
"Was sollte das, Lone?", fragte sie verbindlich, während sie den Rücken des vergleichsweise großen Mannes musterte.
"Du willst dich nicht gegen mich stellen, das weiß ich. Aber warum bist du so uneinsichtig? Du kennst doch unsere Vorschriften."
Er schwieg eine Weile und kniff dann zornig die Augen zusammen. Warum kam es ihm nur so vor, als könnte sie wieder in seine Seele hineinblicken, ganz gleich, wie sehr er sich dagegen zur Wehr setzte?
"Vorschriften, mit denen wir eines Tages den Bach runter gehen. Du willst die Weltherrschaft. Was glaubst du, wie lange du sie mit diesem Methoden halten kannst? Denkst du, die übrigen Staaten werden genauso verfahren wie du? Nach irgendwelchen Direktiven? Die werden zusehen--"
"Die werden zusehen, dass sie alle möglichen Mittel gegen uns mobilisieren können, ich weiß."
Sie hatte ihm das Wort abgeschnitten und ihre Fingernägel in seine kräftigen Schulter gekrallt. Der Shinobi erschauerte und riss sich augenblicklich los.
"Lass das!", zischte er scharf und drehte sich endlich um, ihr tief in die Augen blickend und somit seinen Standpunkt deutlich machend, dass er sich ihr niemals, NIEMALS in irgendeiner Form unterwerfen würde, ganz gleich was geschah.
"Jumpdevil. Letztendlich sind mit deine Methoden egal. Wie du schon sagtest. Ich rebelliere nicht gegen dich. Aber ich bin auch nicht dein Freund oder Kumpel oder sonst etwas. Wir sind Partner. Kollegen. Ich arbeite für dich, weil sich unsere Interessen decken. Sollte das irgendwann nicht mehr der Fall sein, wirst du im Kampf nicht mehr meinen Rücken vor dir sehen sondern die scharfe Seite meines Schwertes. Vergiss nicht... Envinyatar mag eine starke Verbündete für dich sein aber mir steht es ebenfalls zu, ihren Platz einzunehmen. Halte mich nicht für so dumm oder schwach. Und glaube nicht, dass du in mir irgendeinen Gegner hättest, mit dem du leicht fertig wirst. Wenn du weiter so machst, hast du bald mehr Feinde in den eigenen Reihen als dir lieb ist. Also überleg dir trotz allem, was du tust."
"Du erklärst mir also den Krieg?"
"Nein. Ich spreche offen mit dir. Und zwar, weil ich dir bisher immer vertrauen konnte. Weil du bisher immer das Richtige getan hast. Und weil ich hoffe, dass das so bleibt. Und nun entschuldige mich."
Mit diesen Worten drehte er sich um und kurz darauf hatte der Shinobi den Raum verlassen. Jumpdevils Lippen zitterten leicht. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Hatte sie einen Fehler gemacht? Sie hasste ihre Selbstzweifel! Manchmal kam es ihr so vor, als lastete die gesamte Welt auf ihren Schultern. Lone Demon und auch all die anderen Spitzenoffiziere waren die einzigen, die diese Last zu vermindern mochten. Drohte nun ein Einbruch dieser Stärke? Riss sie nun mit ihren eigenen Prinzipien die Säulen ihrer Politik nieder?
Nervös fingerte sie in der Brusttasche ihres Designeranzuges und zog eine schmale Zigarillo hervor. Genüsslich zog sie an ihr, nachdem sie sie angezündet hatte und sog den angenehm milden Geruch des Tabaks in ihre Nase. Das beruhigte.
Regen prasselte gegen das kleine, bullaugenförmige Fenster, aus welchem Jim über die düstere Wolkendecke sah. Inzwischen war es fast Nacht geworden, lediglich ein letztes Glimmen der Sonnenstrahlen lies die Wolkenschicht auf seiner Höhe etwas heller erscheinen als das nächtliche Blau, das ihn umgab.
Hören konnte er den Regen zwar nicht, da die Geräusche des Tarnkappenbombers ihn bei weitem überschallten, doch irgendwie kam es ihm so vor, als sänge der Himmel mit diesen Tränen ein Requiem für ihn. Jim trat seinem Auftrag mit gemischten Gefühlen entgegen.
Sind Sie nervös?
Die aufmunternde Stimme gehörte zu einem Mann mittleren Alters, den Jim zwar kaum kannte, der aber zu seinen Ausbildern gehört hatte. Er hatte Jim die letzten Instruktionen übergeben und die Ausrüstung überreicht, in der sich der blonde Jungagent nun irgendwie eingezwängt und gefangen vorkam.
Etwas.
Kann ich verstehen. Wir setzen unsere Hoffnungen in Sie. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie können eigentlich gar nicht verlieren.
Der Ausbilder lächelte hinter seiner neonfarbigen Schutzbrille.
Warum das?
Jim erhob sich und setzte ein verwundertes Gesicht auf, als er sich von dem Bullauge wegdrehte.
Ganz einfach Sie sind zu gut dafür.
Der Kommentar rief Jim ein schwaches aber dennoch amüsiertes Lächeln auf die Lippen. Im Prinzip hatte der Mann nicht unrecht. Seine Ausbildung und auch das Equipment, das er bei sich trug, befähigten ihn zu vielem, wozu normale Menschen längst nicht in der Lage wären. Doch es wäre andererseits töricht, die AnF-Offiziere zu unterschätzen.
Wahrscheinlich bin ich einfach nur nervös, weil...
Weil?
Nun...., Jim grinste etwas verlegen, Ich bin noch nie Fallschirm gesprungen!
Aber die Simulation...
War nur eine Simulation. Da gibt es keinen Wind, keine echten Wolken, keine Vögel und keine gegnerischen Projektile die meinen Arsch in einen Schweizer Käse verwandeln wollen.
Der Ausbilder lachte und Fältchen bildeten sich unter seinen Augen.
Da haben Sie wohl Recht. Trotzdem. Ich kann nicht mehr tun, als Ihnen die Daumen drücken. Viel Glück, Jim.
Danke.
Allmählich wurde es Zeit. Der Flieger war nahe bei seinem Ziel. Sicher hatten ihn die Radars von AnF noch nicht entdeckt und falls doch, würde das Echo nicht viel mehr als einen Vogel registrieren. Von hier aus würde Jims Mission beginnen. Er würde aus dem Flugzeug springen und nachdem er den Fallschirm gezogen hatte, auf eine bestimmte Höhe herunterschweben. Von dort aktivierte er dann einen Gleitschirm und segelte bis zum Rande des riesigen Geosektors der AnF-Zentrale. Wenn alles glatt ging.
Ein kräftiger Windstoß fuhr herein, als die Heckklappe des Bombers geöffnet wurde. Da der Geräuschpegel zu hoch war und eine Konversation nichts gebracht hätte, verständigte sich Jim einfach mit seinem Begleiter, dass er nun springen würde. Dieser hob einfach den Daumen und formte mit den Lippen wie Worte "Viel Glück".
Jim erwiderte die Geste, dann schnürte er probehalber die Gurte seines Fallschirmes noch einmal fest und sprang dann mit konzentrierter Miene so weit in die Leere hinein, wie er konnte. Zwar trug er eine Schutzmaske über seinem Kopf aber dennoch war das Gefühl der Schwerelosigkeit und des an ihm herumzerrenden Windes atemberaubend. Er konnte nichts hören, doch das war augenblicklich nicht von Bedeutung.
Der Agent durchstieß die verschiedensten Wolkenschichten und raste weiter in Richtung Erdboden. Ihm blieben nur noch wenige Sekunden, bis er seinen Fallschirm öffnen musste. Solange konnte er noch den einzigartigen, nächtlichen Ausblick bewundern. Von hier oben wirkte alles so winzig. Weit entfernt konnte er die glimmenden Lichter des Stadtrandes erkennen, deren Farbenvielfalt an eine Schatztruhe voller Juwelen erinnerte. In entgegengesetzter Richtung machte Jim mit weniger freundlichem Blick sein Ziel aus. Erkennbar an vielen Warnleuchten, die tieffliegende Flugzeuge davon abhielten, einen Unfall zu verursachen, ragte dort der gigantische Tower der AnF-Zentrale in die Höhe, an welchen direkt der riesige Geosektor anschloss. Wie ein riesiger Monolith präsentierte sich die uneinnehmbare Festung der weltbeherrschenden Organisation. Die Festung, die es einzunehmen galt.
Jim löste den Fallschirm aus und ein Ruck ging durch seinen Körper als er aus dem freien Fall heraus abgebremst wurde. So schwebte er abermals einige Sekunden, dann kappte er das Hilfsmittel und testete die Vorrichtung, die unter seinem Rucksack auf seinen Rücken geschnallt war. Es erinnerte an eine schmale Metallplatte, von der aus an der oberen und unteren Kante stählerne Streben abstanden. Jim zündete eine Reißleine und sofort spannten sich Links und Rechts der Vorrichtung breite, stabile Schwingen aus. Ein Gleitdrachen, mit dessen Hilfe und mit Unterstützung des Aufwindes er bis zum Rande des Geosektors schweben sollte.
Ein erdiges Geräusch signalisierte, dass Jim erfolgreich gelandet war. Etliche Male hatte er die folgenden Tätigkeiten geübt, sodass er Routine darin besaß. Ruhig aber dennoch zügig nahm er seinen Rucksack mit seiner Ausrüstung ab, entfernte die Gleitvorrichtung und versteckte sie hinter einem größeren Felsen in seiner Nähe. Er kontrollierte das Wichtigste, obgleich er wusste, dass keines seiner Utensilien fehlte und führte einen Kontrollgriff zu den beiden Schwerthaltern an seinen Hüften durch. Im Prinzip erübrigte sich auch das, da er die beiden Klingen inzwischen in seinem Geist wahrnehmen konnte, doch es tat einfach gut, den Stahl von Kujo und Gouka in den Händen zu spüren.
Jim richtete seinen Blick nach vorn. Ein auf Anhieb kaum überschaubares Areal erstreckte sich vor ihm - der Geosektor. Was wie eine naturbelassene Landschaft aussah, war natürlich ein künstlich angelegtes Ressort, in welchem AnF Übungen ausführte, seine Anhängerschaft ausbildete und diverse Waffen testete. Von hier aus in das Hauptgebäude zu kommen war am einfachsten - und doch am schwersten. Da sich AnF mit diesem mehrere Kilometer umfassenden Gelände quasi eine direkte Einflugschneise für Gegner geschaffen hatte, war dieses Gelände streng von Soldaten bewacht. Jim war sich bewusst, dass er augenblicklich aufgespürt werden konnte, also rollte er sich hinter einen Felsblock, nachdem er die Lage grob sondiert hatte.
Der blonde junge Mann griff in die Brusttasche seines Kampfanzuges und spürte dort das kleine Gerät, dem er seine bisher störungsfreie Landung zu verdanken hatte - ein Zerhacker. Wie dieser Apparat funktionierte, wusste Jim auch nicht im Detail aber es störte die Radarfrequenzen von AnF und sorgte so dafür, dass sein Signal nicht oder nur sehr, sehr schwach wahrgenommen werden würde.
"Mal überlegen. Eine direkte Marschroute ist zu riskant. Ich glaube es ist besser, wenn ich einen kleinen Umweg mache und mich zick-zack-artig vorarbeite."
Gesagt, getan. Jim lugte hinter seinem Felsbrocken hervor, dann sprintete er in gehockter Haltung einige Meter auf Luftlinie zum nächsten geeigneten Versteck - ein breiter Baum. Von hier aus richtete er sich auf und kontrollierte abermals sein Umfeld. Er machte einige Wachposten aus, die entfernt pattroulierten. Allerdings befanden sich auch genug Felsen und natürliche Höhenunterschiede in der leicht hügeligen Erdlandschaft und Jim konnte sich halbwegs gefahrlos bewegen.
Nach knapp zehn Minuten hatte er mehr als die Hälfte des gesamten Geosektors überwunden. Doch jetzt kam er in einen kritischen Bereich. Hier verkehrten zusehendst mehr Wachposten, zudem gab es Schwenkscheinwerfer und am allerschlimmsten - Kameras. Die Kameras konnte er mit einem Störsignal außer Gefecht setzten. Allerdings ergaben sich hieraus zwei weitere Probleme: Er musste zunächst einmal nahe genug herankommen und zum Zweiten würde er entdeckt werden, wenn plötzlich das Bild ausfiel. Dann wusste der Feind über den Eindringling Bescheid.
Jim überlegte fieberhaft, doch eine Alternative gab es nicht. Außerdem würde er so oder so irgendwann gestellt werden. Was spielte das also für eine Rolle?! Nun musste er sich nur noch die Intervalle merken, in denen die Scheinwerfer einen bestimmten Bereich passierten und dann im Schatten zwischen ihnen hindurchschlüpfen. Nicht zu vergessen, auf Wachposten zu achten.
"Was tust du da? Nenne mir deine Bezeichnung und deine Einhei--"
Erschrocken riss der Spezialagent die Augen auf und fuhr herum. Dabei teilte er fast schon reflexartig einen kräftigen Schlag in Richtung Magen aus und traf den Störenfried auch genau da. Es erübrigte sich, dass es sich hierbei um eine Wache handelte, schließlich gab es auf diesem Terrain keine Alliierten für Jim. Bevor der Wachmann irgendein lautes Signal von sich geben konnte, knickte er zusammen und Jim machte ihn mit einem starken Nackenhieb per Handkante bewusstlos. Schweiß stand ihm auf der Stirn, auch wenn diese unter der Schutzmaske verdeckt war.
"Puh... das war knapp!", flüsterte er, für den Fall, das jemand dies hören konnte. Er hatte nicht aufgepasst.
"Das nächste Mal muss ich vorsichtiger sein! Jetzt aber weiter im Text..."
Jim stürmte wieder los, überquerte einige Meter des Testareals und warf sich dann fast geräuschlos in den Staub, robbte zum nächsten Felsen und kauerte sich dahinter. Er zwang sich, seinen Herzschlag zu senken und sich zu beruhigen. Nicht mehr als zehn Meter entfernt konnte er zwei Wachposten hören, die sich unterhielten. Eine falsche Bewegung, und er flog schon hier auf!
Das Gespräch erstarb plötzlich und Jims Nervosität wuchs, als er Schritte vernahm. Er konnte nicht sicher sagen, ob sie sich ihm näherten aber er durfte kein Risiko eingehen. Glücklicherweise befand sich in seiner Nähe ein Baum. Jim kramte mit gezielten Handbewegungen in seinem Rucksack und ging die Ausrüstung durch, bis er das rechte Utensil in den Händen hielt. Er zog eine schmale, unscheinbare Kanone mit langem Lauf hervor, die allerdings einiges an Leistung versprach. Dies war ein starker Wurfanker mit Kurbelwelle, die von einem Spezialmotor angetrieben wurde, der besonders stark war. Jim sprach ein kurzes Gebet, obwohl er nicht gläubig war, dann richtete er die Waffe unter die Krone des Gewächses und drückte mit zusammengekniffenen Augen ab. Die Schritte näherten sich. Jim betätigte den Auslöser für die Rolle und der Motor raste los. Jim schoss nicht gerade geräuschlos in das Blätterdach des Baumes und verschwand dort unter einem starken Ast, an dem er sich festklammerte.
Die Schritte beschleunigten zu einem Laufen und ein weiteres Stiefelpaar kam hinzu - die beiden Wachen hatten das selbstverständlich bemerkt und kramten nun an ihrem Gürtel, zogen eine Taschenlampe hervor, während der andere seine Waffe zog und in das dunkle Blätterdach richtete.
"He! Komm sofort heraus! Eindringling!!"
Der Mann leuchtete den Baum ab, entdeckte aber nichts außer dem lasch herunterbaumelnden Wurfanker. Von Jim fehlte jede Spur. Der mit der Taschenlampe gab seinem Kollegen ein Zeichen und dieser feuerte eine Warnsalve in die Baumkrone, bracht aber außer Ästen und Blättern nichts zu Fall.
Ein luftiges Rauschen erklang, gefolgt von einem Landegeräusch und noch während die Wachposten herumwirbelten, durchtrennte eine flammende Klinge die Kehle der beiden Männer, in denen jeder Aufschrei erstarb.
"Fuck! Das läuft gar nicht so, wie ich es mir gedacht habe!", fluchte Jim und streifte mit einer ruckartigen Bewegung das Blut von Goukas Schneide. Eine schmale Streifwunde zierte seine linke Wade, wo ihn ein Schuss ganz knapp verfehlt hatte, als er auf dem Ast entlanggerobbt war. Doch das würde ihn nicht beeinträchtigen.
Etwas kitzelte am Nacken des Agenten und instinktiv schlug er danach. In seiner Handfläche machte er nur einen zerquetschten Fleck aus, aus welchem eine dunkelrote Flüssigkeit lief.
"Mücken... Dreck! Jetzt machen mich schon Mücken nervös! Die müssen wohl das Blut riechen..."
Jim missachtete seine innere Aufgewühltheit und machte sich weiter auf den Weg, nachdem er den Schmutz von seiner Handfläche entfernt hatte.
Die Führungsoffiziere von AnF lagen in ihren Betten und schliefen. Alle? Nun, nicht ganz. Es gab da jemanden - ausgenommen Lone Demon - der ein aktiver Nachtarbeiter war. Nguyen Tran Loc lehnte sich zufrieden in seinem Bürosessel zurück. Das künstliche Licht, welches von den zahlreichen Monitoren in seiner spartanisch beleuchteten Kammer abstrahlte, ließen sein süffisantes Grinsen fast schon diabolisch erscheinen.
"Mücken. Hahahaha...", lachte der Computerspezialist, als soeben das Bild von seinem Hauptschirm verschwunden und durch ein wüstes Durcheinander von Störsignalen ersetzt worden war. Was Jim für ein Insekt gehalten hatte, war eine Apparatur, die sich im gesamten AnF-Hauptquartier aufhielt - Nanomaschinen.
NTL konnte diese Maschinen von seinem Reich aus kontrollieren und steuern und somit nahezu jeden Winkel im gesamten Gebäude und auch außerhalb beobachten.
"Dieser Narr glaubt tatsächlich, dass er hier reinmarschieren kann wie in einen Supermarkt.", kommentierte Tran Loc trocken, "Aber er hat wenigstens Mut. Warten wir mal ab, wie weit er kommt.", fügte er dann aber mit gewisser Neugierde an.
Nguyen betätigte einige Schaltflächen seiner Tastaturen und schaltete sich dann auf die privaten Weckruf-Geräte der einzelnen Führungsmitglieder. Er entschloss sich, Envinyatar und Yakuza, der ja für die Sicherheit zuständig war, zu benachrichtigen.
"Envinyatar, Yakuza. Könnt ihr mich hören? Hier spricht Nguyen Tran Loc.", meldete sich der Computerspezialist in Zimmerlautstärke.
Während Envinyatar etwas knitterig und mit einem entnervten Stöhnen aus dem Schlaf erwachte, schoss Yakuza gleichzeitig senkrecht aus dem Bett und stieß einen erschrockenen Schrei aus.
"Was gibt's NTL? Warum weckst du mich mitten in der Nacht."
"Nguyen!!! Was sollte das?! Bist du verrückt geworden?!"
"Immer mit der Ruhe, ihr zwei. Es ist eilig. Kommt in den Konferenzraum. Wir haben ungebetenen Besuch."
Murrend kleideten sich die beiden AnF-Offiziere notdürftig soweit an, dass man sich damit sehen lassen konnte und stapften dann durch die fast leeren Gänge des Hauptquartiers. Eigentlich schlief fast jegliches Personal, lediglich die Nachtwache verrichtete ihren Dienst, ebenso wie Sicherheitsbeamte und einige Leute aus der Computerabteilung und Genetic Engineering Labs.
Die automatische Tür schob sich beiseite und Envinyatar und Yakuza traten ein.
"Mach's bitte kurz, NTL. Ich will wieder schlafen.", meldete sich die junge Frau mit einem Gähnen zu Wort und versuchte, mit halbem Ohr hinzuhören. Yakuza wirkte wesentlich munterer, denn ein Eindringling fiel hauptsächlich in seinen Verantwortungsbereich und was die eigenen Pflichten anging, nahm er diese sehr ernst.
"Also hört her. Mein Überwachungssystem hat einen einzelnen Mann aufgespürt. Ob er ganz allein agiert, weiss ich nicht sicher aber es sieht so aus. Das erschreckende dabei, er ist fast unverletzt und ohne Schwierigkeiten durch den gesamten Geosektor gekommen und hat in Windeseile auch noch drei Wachen ausgeschaltet, zwei davon sind tot."
"Und? Das ist noch kein Grund zur Besorgnis. Versteh mich nicht falsch, aber das sind nur Genom-Soldaten. Kanonenfutter ohne spezielle Ausbildung. Die sollen einfach nur Alarm schlagen und auf jeden Eindringling feuern. Ein guter Agent überwindet die problemlos.", entgegnete die stellvertretende Anführerin trocken.
"Ah ja. Und du findest, das ist nicht Besorgniserregend? Wir wissen noch nichts über den Kerl. Sicher hast du recht, wir haben es schon mit schlimmeren Sachen zu tun gehabt. Trotzdem will ich kein Risiko eingehen. Wenn er wirklich allein ist und diese Schabe sich erst mal bei uns eingenistet hat, wird es schwer, ihn wieder loszuwerden."
"Verstehe.", nickte Yakuza mit Einverständnis.
"Du hast recht, wir dürfen nicht riskieren, dass der Kerl irgendwelche Informationen erhält. Aber wir dürfen trotzdem nicht gleich alles an die große Glocke hängen, da stimme ich Envinyatar zu. Wenn wir einen Aufruhr verursachen, ist der Typ alarmiert und sucht das Weite. Du darfst nicht vergessen, NTL, dass dieser Agent auch für UNS eine wichtige Informationsquelle sein kann."
"Natürlich. Daran hab ich schon gedacht. Was schlagt ihr also vor? Unterrichten wir Jumpdevil?"
"Schlechter Plan. Lass sie mal eine Nacht durchschlafen. Sie hat die letzten drei Tage fast nur durchgearbeitet. Es täte ihrer Stimmung Abbruch und das ist schlecht für uns alle. Wenn dieser Kerl bis zum nächsten Tag durchhält, sagen wir ihr Bescheid. Die Nacht ist nicht mehr lang, also hat er nicht mehr viel Zeit. Außerdem hat noch niemand AnF in nur einem Tag eingenommen. Da müssten schon andere kommen."
"Einverstanden, Envin. Das war's dann. Du kannst wieder gehen."
"Gute Nacht."
Damit verlies die junge schwarzhaarige Frau den Raum gähnend und verzog sich wieder in ihr Quartier.
"Und, Yakuza? Was hast du vor?"
"Ich? Noch nichts. Überwach weiter alles, und gib mir Bescheid, wenn er Ärger machen sollte. Aber das ist unwahrscheinlich."
"Warum so sicher?", fragte NTL im Aufstehen, als er Yakuza zur Tür begleitete, der gerade im Gehen begriffen war.
"Ganz einfach. Die Pforten zur Schmelze sind dicht. Wenn er weiter nach oben will, muss er über die Biolabors und die Testbiotope."
Nun ging dem Computerass ein Licht auf.
"Ach so... Du meinst... Kenjin?!"
"Genau.", der Sicherheitschef grinste breit.
"Sie wird sich schon um ihn kümmern."
"Kyaaaah!!"
Schweißperlen flogen durch die stickige verbrauchte Luft, nasses Haar peitschte in ruckartigen, explosiven Bewegungen umher und Kampfschreie wie Atemstöße hallten in dem riesigen Trainingsraum wider, durch den Yakuza wirbelte und Kampfübungen vollführte. Er musste sich abreagieren.
Für gewöhnlich war der Sicherheitschef nicht nachtragend aber er nahm es seinem Kollegen und Kampfpartner Lone Demon noch immer übel, dass dieser ihn einfach "ausgeschaltet" hatte. Seit dem Vorfall vor gut einem Monat hatten sie kaum miteinander gesprochen. Der Spion saß nun in einer dunklen Ecke des spärlich beleuchteten Raumes und meditierte.
Yakuza hielt inne um zu verschnaufen und sich den Schweiß von seinem nackten Oberkörper zu wischen. Dabei warf er dem in Konzentration versunkenen Shinobi einen kurzen Blick zu. Vielleicht übertrieb er wirklich ein wenig und sollte das Eis zwischen den zwei Teamkollegen langsam wieder auftauen.
"Hey. Lone. Etwas Sparring?"
Wie üblich benötigte der Ninja ein paar Sekunden bevor er aus seiner Trance erwachte. Wenn Lone Demon meditierte, fiel er in einen narkotischen Zustand, er tauchte in eine ganz andere Welt ab - in seine Welt. Dort suchte er nach Antworten auf Fragen, die ihn beschäftigten oder stellte sich seinen inneren Dämonen. Manchmal meditierten die beiden Kampfkünstler auch gemeinsam und ließen buchstäblich ihr inneres Ki miteinander ringen, wobei weder der eine noch der andere sich als eindeutige Sieger herausstellte. Man konnte die beiden Kämpfer gern mit den jeweiligen Polen von Yin und Yang vergleichen, wenn man so wollte. Lone war teilweise der eher spirituelle, ruhige, besonnene und introvertierte wohingegen Yakuza extrovertiert, lebhaft, aggressiv und kriegerisch war. Weder das eine noch das andere war Vorteil oder Nachteil. Zusammen ergänzten sie sich gut.
"Gleich. Lass mir noch ein paar Minuten."
"Einverstanden."
Yakuza setzte sich in den Schneidersitz und atmete tief durch. Dann streckte er seine Hände nach vorne und spreizte seine Finger.
"Was tust du?", fragte Lone, obwohl er seine Augen geschlossen hielt. Er konnte fühlen, dass Yakuza etwas plante.
"Ein Übung. Ich habe von einem Mythos gehört, in dem ein großer Krieger so kräftig und so schnell zugeschlagen hatte, dass er die Luft vor seiner Faust derart stark komprimierte, dass sie zu einem Geschoss wurde."
"Und das willst du auch können."
"Ich strebe nach Vervollkommnung."
Lone Demon lächelte.
"Ich weiß. Dann lass uns nun beginnen."
Der Shinobi nahm eine charakteristische Körperhaltung ein und bereitete sich auf den Kampf vor.
"Drachen."
Yakuza tat es ihm gleich, doch statt klauenartige Hände zu formen und seinen Stand ausgewogen und stabil zu verbreitern, senkte er seinen vorderen Arm tief ab und erhob den hinteren weit über den Kopf, während er sich in eine extrem tiefe Position begab.
"Tiger."
Einen Augenblick herrschte absolute Stille wie auch absolute Anspannung, dann explodierte die elektrisierte Luft zwischen den beiden Kämpfern förmlich, als Yakuza mit einem Kampfschrei eröffnete.
Er setzte zu einem flachen Fußfeger mit dem hinteren Bein an, dem Lone aber leicht entging, indem er sein eigenes, vorderes anhob und sein Gewicht etwas nach hinten verlagerte. Yakuza blieb aber nicht untätig sondern nutzte den Schwung der Attacke aus um weiter aus seiner tiefen Position eine Körperdrehung zu vollführen. Dabei riss er seinen Ellbogen nach oben, als er sich mit dem Rücken Lone zuwand.
Dieser blocke abermals mit einer freien Hand und nutze die andere, um seinerseits einen Konter vorzubereiten. Bevor es aber dazu kam, trat Yakuza tief gegen Lones verbliebenes Bein. Der Shinobi kniff ein Auge zu, als der Schmerz in seinem Schienbein aufkeimte, brach seine Attacke jedoch nicht ab. Seine Faust steuerte auf Yakuzas Kopf zu, der allerdings auswich, indem er jenen zur Seite nahm.
Lone lies nun die zweite Hand von Yakuzas Ellbogen gleiten und formte eine Klaue, die er in Yakuzas Flanke trieb.
Sofort trennten sich die beiden mit einem Sprung von einander, nur um wieder aufeinander loszugehen.
Beide setzten zu einer Sprungeinlage an, doch mitten im Flug brach Yakuza seine Attacke ab und landete mit Händen und Knien auf dem Boden, während Lone über ihn hinwegflog und mit ihm zugewandten Rücken hinter Yakuza landete. Der Sicherheitschef seinerseits drückte sich sofort wieder vom Boden ab und wirbelte nun auf seinen eben erst gelandeten Gegner zu, um diesem in den Rücken zu fallen. Lone schaffte es aber noch, sich umzudrehen und so blockte er Yakuzas Fußtritt mit dem hochgerissenen Unterarm. Augenblicklich verkeilten sich die zwei Kämpfer ineinander und hielten die Kraftprobe.
"Du wirst langsam besser, Lone!"
"Tzzt! Du erzählst mir nichts Neues!"
Eine Schlagabfolge begann. Lone löste einen Griff und schlug eine rechte Gerade, die Yakuza ebenfalls mit der rechten blockte. Dann riss der Sicherheitschef sein Knie hoch, doch Lone wich mit einer geschickten Körperdrehung aus. Da es aber das linke Knie gewesen war und Lone sich nach rechts gekehrt hatte, lief er nun genau in Yakuzas Angriffswelle von rechts hinein.
"Ta-Ren-Ken! (Mashine-Gun-Punch)"
Eine Kanonade von Einzelschlägen prasselte in Lones linke Rippengegend und der Shinobi schrie unter Schmerzen auf, als die stahlharten Fäuste in seinem Körper einschlugen. Ein normales Auge hätte annehmen können, dass es drei Arme oder mehr waren, die den Spion traktierten, doch das war nichts anderes als Yakuzas absolute Höchstgeschwindigkeit, die er bei einigen wenigen Techniken für einen kurzen Moment mobilisieren konnte. Ta-Ren-Ken bekam ihren Namen nicht nur vom Tempo der Schläge als auch von dem Gefühl, dass sie beim Einschlag hinterlies.
Lone schmeckte Blut in seinem Mund und trotz der lähmenden Schmerzen brachte er es fertig einen Arm in die kaum sichtbare Schlagfolge einzuschleusen und somit effektiv deren volle Wirkung zu unterbrechen und Yakuza kurzzeitig aus dem Konzept zu bringen - genau das, was er sich erhofft hatte!
Yakuza war einen Sekundenbruchteil unaufmerksam und so riss Lone blitzschnell sein linkes Bein hoch und trat seinem Sparringspartner vor die Brust. Dieser stöhnte vor Schmerz und wurde ein Stück fortgeschleudert, landete aber wieder auf den Knien. Als er seinen Blick wieder anhob, fehlte von Lone jede Spur. Zu spät bemerkte Yakuza, dass der Jonin gesprungen war und sich nun mit beiden Knien auf ihn stürzte. Yakuza rollte zur Seite, zögerte den vermeintlichen Treffer aber nur heraus. Lone landete auf allen vieren und streckte ohne auch nur in die Richtung zu sehen, sein Bein nach hinten aus. Yakuza, der sich direkt dahinter befand, wurde mit voller Wucht ins Gesicht getroffen. Tränen schossen ihm in die Augen, als seine Nase knackte und Blut draus hervorschoss, doch er schaffte es, sich mit einem zügigen Hüpfer außer Reichweite zu bringen.
"Chinesisch, eh? Ich mag Chinesisch..."
Lone richtete sich auf und winkte Yakuza auffordernd zu sich. Der Trainingskampf ging in die zweite Runde...
***
Nguyen Tran Loc lehnte schmunzelnd im Türrahmen von Chiyois kleinem Büro, welches direkt an ihren Arbeitsbereich anschloss. Die junge Frau lag unter einer Hebebühne, auf jener war ein Arm des T 2000 aufgebockt und die Wissenschaftlerin, die zudem auch Technikerin und exzellente Taktikerin zugleich war, lag darunter und reparierte mit Anstrengung und Ächzen einige fehlerhafte Teile.
"Alles in allem muss ich aber sagen, dass der erste richtige Einsatz ein voller Erfolg war. Das Gefühl mit diesem Ding zu arbeiten war... einfach unbeschreiblich. So, als ob man mit der Maschine verschmelzen würde.", beschrieb NTL seine Erfahrung.
"Genau... das ist.. der Sinn... bei der Sache.", keuchte Chiyoi und schleuderte achtlos ein großes Metallteil des Armes unter dem Hebebühne hervor.
"Aber trotzdem macht er immer noch Fehler...eeewww!!"
Chiyoi spieh angewidert aus, als ihr Maschinenöl aus einem durchtrennten Versorgungsschlauch ins Gesicht spritzte. Genervt schob sie sich unter dem wuchtigen Stahlarm hervor und Nguyen warf ihr ein Handtuch zu, mit dem sie sich säubern konnte.
"Hier!"
"Danke. So ein Mist aber auch... wenigstens hab ich jetzt den Störenfried gefunden."
Sie bückte sich und hob die Komponente auf, die sie eben zu Tage gefördert hatte, um sie genauer zu betrachten.
"Das ist also der faule Zahn, hm?"
"So könnte man es nennen. Ich werde es wohl austauschen müssen, dann macht der Arm auch keine Zicken mehr."
"Als so schlimm empfand ich den Fehler gar nicht.", stellte NTL nach kurzem Überlegen fest, als er versuchte, sich an das Gefühl zu erinnern, welches er im Inneren des Tornado 2000 gespürt hatte.
"Natürlich nicht. Der Fehler ist ja zum Glück auch erst relativ spät nach der Mission aufgetreten. Und du sitzt ja eh im Trockenen. Stell dir mal vor, ein Projektil von 30 Zentimetern Durchmesser hätte sich so mir nichts, dir nichts aus der Kanone gelöst und wäre unbeabsichtigt auf dich zugeflogen. Das hättest du dann wohl schon als Fehler empfunden."
"Ja, da ist wohl was dran!", kicherte der Computerspezialist amüsiert und sein Blick musterte Chiyoi einen Moment lang. Für üblich traute er sich so etwas nicht, weil er wusste, dass sein Blick bemerkt wurde. Doch Chiyoi war zu sehr mit ihrem Bauteil beschäftigt, um NTLs Musterung zu bemerken.
Das Haar der jungen Frau war zerzaust und durcheinander, schweiß- und ölverklebt. Ihr Gesicht war ebenfalls schmutzig und die körperliche Anstrengung hatte sie erröten lassen. Diese Kombination zusammen mit Chiyois Arbeitskleidung aus einem engen grauen Overall und einer schwarzen Latzhose machten sie für einen Augenblick unheimlich sexy.
Der Gedanken daran erlosch aber sofort, als sich NTLs rationale Denkweise einschaltete, die dafür plädierte, dass an einer restlos verdreckten Frau, die sich nur für überdimensionale Kriegsmaschinen interessierte, absolut gar nichts sexy sein konnte - zumindest war dies eine effektive Verdrängungsmethode. Außerdem war sie wohl... zu jung, könnte man sagen.
NTL vergrub seine Hände tiefer in den Taschen seines langen schwarzen AnF-Mantels, den die Führungsoffiziere trugen - sofern sie nicht gerade mitten bei der Arbeit waren - und räusperte sich kurz.
"Ährm... nun... weswegen ich eigentlich hier herunter gekommen bin... ist etwas anderes. Ich hab hier einen Statusbericht verfasst, bezüglich der letzten Mission. Du weißt ja was das heißt."
"Ja, alle Führungsoffiziere von AnF müssen bei der Verlesung anwesend sein. Wann ist die Sitzung?"
"In ungefähr drei Stunden. Envinyatar hat mich damit beauftragt, dass jeder informiert wird. Normalerweise kümmert sie sich darum, dass jedes Mitglied die Nachricht und die Liste erhält, doch sie hat etwas wichtiges mit Jumpdevil zu besprechen. Und ich hab leider auch noch ne ganze Menge Arbeit, also wollte ich... na ja..."
"... mich fragen, ob ich nicht das Ding rumgeben kann, stimmt's?"
"Ja, richtig. Tut mir leid aber du tust mir echt einen Gefallen damit. Ich revanchiere mich auch."
"Schon in Ordnung. Du hast mir ja neulich auch in der Testphase des T 2000 geholfen. Außerdem hast du mehr oder weniger unser aller Ärsche gerettet, wie man so sagt."
Chiyoi überflog den Bericht kurzzeitig und sah dann wieder auf.
"Wer hat das Ding noch nicht gehabt?"
"Lone Demon, Yakuza und..."
"... und?"
Die Technikerin sah NTL erwartungsvoll an, doch ihr Blick wurde entnervt, als sie bemerkte, wie Nguyen Tran Loc augenrollend zu Boden blickte.
"Nein, oder? Mir schwant übles..."
"Ja. Ich weiß, keiner geht gern runter aber du tust mir wirklich..."
"Ich tu dir einen Gefallen, schon klar. Aber sonderlich scharf drauf bin ich nicht gerade."
"Sie beisst doch nicht.", versuchte NTL Chiyoi zu beruhigen, die ihn skeptisch ansah.
"Sicher? Nein, im Ernst. Es ist nicht so, dass ich sie nicht mag aber mir ist immer ziemlich unwohl, wenn ich in diesen Teil des Hauptquartiers muss. Ich mag die Biolabors nicht und ich mag vor allem das verdammte Reservat da unten nicht!"
"Vielleicht freut sie sich aber über Gesellschaft, wer weiß? Du kennst sie ja..."
"Ja, tue ich. Aber manchmal verstehe ich sie einfach nicht... sie ist halt manchmal... schwierig. Kenjin...."
***
Das Klacken von Chiyois Stiefelabsätzen auf den eisernen Treppenstufen, die sie tiefer in die AnF-Zentrale brachten, ging in dem Getöse, Gezische und Gedonnere unter, welches aus der riesigen Schmelzhalle drang. Dieser Bereich, in dem Waffen, Werkzeuge, Fortbewegungsmittel und andere Dinge, die große Mengen Stahl, Eisen, Legierungen und Edelmetalle erforderten, gefertigt wurden, lag im Einzugsbereich von Yakuza. Er hielt sich hier unten öfter auf und kontrollierte die Sicherheitsbestimmungen innerhalb der Gefahrenbereiche und im Maschinenraum. Sein Büro lag gleich in der Nähe des Trainingsraumes, wo er sich wohl gerade aufhielt, wie Chiyoi feststellte - denn sein Arbeitsplatz war verwaist. Lediglich ein Stellvertreter kümmerte sich um einige Protokolle und überprüfte Statistiken und Übungspläne.
*Furchtbar hier unten. Wie kann man nur diese Hitze, den Lärm und den Dreck so mögen?*, fragte sich Chiyoi, ihre Schläfen massierend. Dabei fiel ihr ein, dass sie im Augenblick auch nicht viel besser aussah - sie war ebenfalls mit Maschinenöl beschmiert und hatte schmutzige Kleidung an. Das brachte der Beruf als Technikerin leider mit sich aber sie bevorzugte schon lieber die saubere Laborarbeit oder das Entwerfen neuer Baupläne für Waffen und große Kriegsmaschinerie.
Die junge Frau schritt über einige Geländer und Gitterbrücken, bahnte sich ihren Weg kreuz und quer zwischen gewaltigen Schmelztiegeln hindurch, in denen roter, flüssiger Stahl floss oder vor sich hin köchelte. Kettengerassel, das Rumoren von schweren Maschinen, Motoren und das melodisch-metallische Trommeln gewaltiger Hämmer verliehen diesem Ort wohl die größte Geschäftigkeit in der ganzen AnF-Zentrale. Nirgendwo sonst ging es so belebt zu, allerdings wurde wegen der hohen körperlichen Belastung hier auch verhältnismäßig am kürzesten gearbeitet. Bereits nach fünf Uhr war hier alles still. Dann hatte dieser Ort etwas gespenstisches an sich. Ebenso wie der Geosektor bei Nacht - oder aber die Biolabors und das Reservat.
"Gleich bin ich da, gleich bin ich da...hmmmhmmmmhmmm...", summte Chiyoi vor sich hin, um ihr inneres Unwohlsein zu unterdrücken. Man sagte zwar, wer Angst in der Dunkelheit habe, pfeife oder spreche laut vor sich hin, um diese zu vertreiben, doch mit Angst hatte das nichts zu tun. Jedenfalls nicht direkt. Die Strategin konnte sich nur gut daran erinnern, dass sie einmal ganz allein durch das Reservat geschlichen war, um Kenjin eine Nachricht zu übermitteln. Diese hatte die junge Frau dann beinahe zu Tode erschreckt, als sie fast lautlos hinter ihr aufgetaucht war und ihr mit der als charismatisch bekannten Stimme ins Ohr ge-"buht" hatte. Kenjin fand diesen Scherz recht lustig, auch wenn er Chiyoi ohne weiteres das Leben hätte kosten können.
Nun denn, das war vergessen. Heute war sie auf der Hut und würde nicht auf einen der Streiche von Scarecrow hereinfallen. Sie steuerte auf eine abgelege Tür zu. Sie war gepanzert und sollte vor ausbrechenden Feuern schützen, war zudem in einem giftigen Grün lackiert und die Klinken setzten Rost an und waren einfach verkeimt. Ohne weiter über diesen Umstand nachzudenken, riss Chiyoi die Pforte auf und schritt einige Meter weit in den dortigen Gang hinein. Eine Schleuse zu ihrer Linken führte in die sauberen aber doch an ein Gruselkabinett erinnernden Biolabors, wo Gensoldaten gezüchtet, verbessert und entworfen wurden und andere Experimente stattfanden. Rechts von ihr befand sich eine weitere Feuerschutztür, diesmal in einem dunklen Rot und mit der deutlichen Aufschrift: "Testbiotop - Zuständigkeit: Kenjin".
Die Wissenschaftsoffizierin atmete tief durch und rieb sich mit der freien Hand den Arm, in dem sie den Bericht trug. Unterschwellig war sie schon wieder nervös, obwohl es dafür keinen Anlass gab. Kenjin war ihre Kollegin. Falls man das so nennen konnte. Vermutlich lag genau da das Problem - man sah sie einfach zu selten, hatte fast nie Kontakt zu ihr, um sie wirklich gut zu kennen. Es wurde sogar gemunkelt, dass sie nicht einmal ein richtiger Mensch sei oder überhaupt ein Geschlecht wie männlich oder weiblich besaß. Manch einer hielt sie für ein hochentwickeltes, androgynes Bioexperiment doch sicher konnte das niemand sagen. Was man über Kenjin wusste war, dass sie zurückgezogen lebte, bei Besprechungen aber stets anwesend war und häufig gute Laune hatte.
Das war ein Punkt, auf dem Chiyoi ihr Selbstvertrauen wieder aufzurichten versuchte. Genau. Kenjin war meist guter Laune, war ihre Kollegin und Mitstreiterin, vor der sie nichts zu befürchten hatte. Das war die Realität. Chiyoi stieß die Tür mit einem Knarren und einigem Kraftaufwand auf. Drinnen schlug ihr neben einem bläulich gedämpften Licht auch eine schwüle Hitzewelle entgegen. Zudem vernahm sie Tiergeräusche und Laute, die von Kleintieren, Vögeln oder Insekten stammen mussten. Hier unten erprobte AnF Kolonialisierungsmaßnahmen und Terraformingprojekte zur Wiederaufforstung bedrohter Naturgebiete oder zur Besiedelung bisher unbewohnbarer Gegenden. Kenjin hatte mehr oder weniger die Kontrolle über diesen Bereich. Obwohl man nie etwas von ihrer persönlichen Arbeit an diesen Projekten hörte, legte sie regelmäßig ordnungsgemäße Berichte vor, die auch von Erfolg gekrönt waren. Sie schien trotz allem zuverlässig zu sein.
Das war aber noch nicht Kenjins "Büro". Die besondere Betonung auf dem Wort Büro lag daran, dass es sich dabei um keines handelte. Kenjin bevorzugte es ebenfalls in einem Bioreservat zu arbeiten und zu wohnen. Dort schlief sie, aß sie, ging ihren Aufgaben nach und verfolgte ihre Freizeitaktivitäten. Chiyoi eilte zügig durch die verschiedenen, abgegliederten Testbereiche und kam schlussendlich vor dem letzten Gebäudeteil an. Sie öffnete die Tür und trat nach innen, auf eine Galerie, die in luftigen fünf Metern Höhe über dem Erdboden rundherum an den Wänden des riesigen Biotops angebracht waren. Man konnte gut nach unten sehen und von dort die gesamte Fläche des Erdbodens einsehen. Dieser war naturbelassen und es wuchs - so komisch es klang - ein Maisfeld darauf. Da die Pflanzen recht hoch standen und alles dunkel war und lediglich von einer schwachen, roten Lampe beleuchtet wurden, die an Brutkästen erinnerte, war Kenjin von hier oben nicht auszumachen. Chiyoi musste also die Treppe nach unten nehmen.
Es war totenstill. Das Zirpen einiger Grillen lag in der Luft aber ansonsten schien der Ort völlig leblos.
*Vielleicht schläft sie? Oder sie ist gar nicht da? Oder sie lauert hier irgendwo auf mich, um mich wieder zu Tode zu erschrecken...*
Chiyoi machte sich eine gedankliche Notiz, letzteren Gedanken entgültig aus ihrem Gehirn zu verbannen, denn sofort schloss sich wieder eine eisige Hand um ihr Herz und der Puls der jungen Frau beschleunigte. Sie sah sich nur kurz um und entdeckte am Rande des Kornfeldes eine Schreibtischkombination - vermutlich ihr Arbeitsplatz.
"Kenjin!?", rief sie sicherheitshalber in die Halle hinein, sodass es an den hohen, kahlen Wänden widerhallte, "Ich leg dir den Bericht hier hin! Bring ihn doch bitte nachher zu Yakuza und Lone Demon, ja?"
Dann machte sie kehrt und verlies so schnell wie möglich den Raum. Während die Wissenschaftlerin draußen vor der Tür in die Hocke sank und tief ausatmete, raschelte etwas durch die trockenen Pflanzenstängel des Maisfeldes. Das Geräusch erstarb und dann schälte sich ein schwarzer Lederhandschuh aus dem Dunkel und griff nach dem Papierbogen...
***
Der Kampf hatte seine Endstufe erreicht und beide Kämpfer waren inzwischen ganz schön angeschlagen. Lone wurde von Yakuzas letztem Fußtritt in die Luft geschleudert, besaß aber noch genug Körperbeherrschung, um vernünftig auf den Knien zu landen. Er schnaufte heftig und hatte Mühe, sein rechtes, geschwollenes Auge offen zu halten. Er griff in die kleine Tasche an seiner Hüfte und zog ein Kunai hervor, welches er sich zwischen die Zähne klemmte.
In einem waffenlosen Kampf war das vielleicht eine unfair anmutende Methode, doch er wusste, dass Yakuza nichts dagegen hatte. Der erfahrene Kampfkünstler hatte schon oft genug den unbewaffneten Kampf gegen einen bewaffneten Gegner trainiert und da war ein einzelnes Kunai kein Problem. Ein einzelnes wohl nicht... Lone grinste hämisch. Gleich würde sein Trainingspartner eine Überraschung erleben.
Yakuza zog sein Bein wieder zurück und hielt es noch eine Weile angewinkelt bei der Seite. Dann setzte er es mit erwartungsvollem Blick auf den Boden. Auch er war angeschlagen, wies einige Blessuren auf und blutete aus diversen Wunden doch insgesamt wirkte er frischer und weniger ausgelaugt als der Shinobi.
"Meinen Respekt... du hast dich wirklich verbessert... sogar mehr, als ich erwartet hätte. In einem Kampf mit Waffen hätte ich wohl verloren."
"Verloren? Soll ich deinen Worten entnehmen, dass du dich schon als Sieger siehst? Noch ist nichts entschieden!"
Damit sprang der Ninja mit einer fast nicht sichtbaren Schwungbewegung auf und sprintete nach vorne.
Yakuza nahm eine defensivere Körperhaltung ein, da der nächste Angriff wohl heftiger werden würde. Lone besaß in diesem Duell nicht mehr viel Spielraum und das wusste er auch.
In den vergangenen zwei oder drei Stunden, die dieser bis dato ausgewogene Kampf schon gedauert hatte, war es Yakuza gelungen, mehr und mehr die Oberhand zu gewinnen. Sicher, beide waren sie exzellente Kämpfer aber wenn es nun mal um den rein waffenlosen Kampf unter Einsatz des Körpers ging, war der Sicherheitsoffizier eben der bessere. Der Beste, musste man schon sagen, denn Yakuzas gesamter Körper war in jeder Hinsicht eine Waffe und bisher hatte es keinen normalen Menschen gegeben, der ihn je besiegt hatte. Und um diese Tatsache weiter aufrecht zu erhalten, hatte der kurzhaarige Kampfkünstler alle Register seiner Kunst gezogen.
Da Lone Demon einen Großteil seines Kempos von Yakuza erlernt und mit ihm ausgebaut hatte, kannte und beherrschte er nahezu jeden Stil, den auch sein Partner verwandt. Allerdings gab es da zwei Faktoren, die Lone bisher einfach nicht hatte ausmerzen können. Der erste war, dass Yakuzas Feinheit in Bezug auf Exaktheit und Ausführung der einzelnen Techniken viel stärker ausgeprägt war und er selbst die schwierigsten Techniken spielerisch meisterte. Das zweite Problem lag in der Vielfalt der Stile. Dem Sicherheitschef schien es einfach angeboren, die unterschiedlichsten Kampfkünste zu mischen, zu kombinieren und in den einzelnen Elementen zu wechseln. Das Tempo und die Korrektheit dabei waren es, was Lone einfach nicht in den Griff bekam. Er konnte sich den Stilwechseln nicht so rasch anpassen und er zog deswegen häufig den Kürzeren. Doch heute sollte es nicht so sein. Zumindest nicht, wenn es nach ihm ging.
Lone Demon sprang kräftig vom Boden ab. Fast in der Waagerechten rauschte er mit einem Fußtritt auf Yakuzas Kopf zu. Dieser riss einfach einen Arm hoch und lies die Fußsohle des Shinobis lautstark dagegen prallen. Blitzschnell griff er nun mit dem Blockarm um und packte das Fußgelenk des Ninja, um ihn daran in die Luft zu reißen. Lone ahnte aber, dass Yakuza versuchen würde, ihn auf den Boden zu schmettern und so entließ er das Kunai seinen Lippen und nahm es in die Hand, um es zu Boden zu werfen, wo es das Metall durchschlug und stecken blieb. Anschließend lies er seinen Opponenten einfach gewähren und sich von diesem herumwirbeln. Mitten in der Bewegung stoppte Yakuza aber voller Verwunderung, so als ob ihn eine unsichtbare Macht festhielte. Lone befreite sich aus dem Griff, rollte in der Luft mit einem Rückwärtssalto ab und landete auf beiden Füßen. Von dort sprang er nach vorne und rammte Yakuza mit aller Kraft beide Arme in den Bauch und in die Brust.
Der Sicherheitschef japste nach Luft, als ihm diese aus den Lungen gepresst wurde. Zudem fühlte es sich so an, als ob er gleich sein Mittagessen wiedersehen würde. Stöhnend fiel er auf ein Knie nieder, konnte aber mit der einzig freien Hand arrangieren, dass Lone keinen weiteren Treffer landete, indem er weitere Techniken blockte. Lone sprang weg, um Distanz aufzubauen. Ein waidwund geschlagenes Tier war gefährlich. Das galt auch für einen angeschlagenen Yakuza.
Dieser hatte inzwischen die Ursache für seinen missglückten Konter entdeckt.
"Du Bastard...", grinste er, während er mit einem Ruck das Stück Angelsehne von seinem Arm entfernte, "...wann hast du das drum gewickelt? Als ich den Tritt geblockt habe oder schon eher?"
"Genau da. Du hast Recht, während du meinen Tritt abwehrtest, wickelte ich fast unsichtbar die Sehne um dein Handgelenk und fixierte sie, indem ich den Kunai in den Boden rammte. Der war bereits vorher mit dem Strang verknotet gewesen und so konntest du deinen Arm nicht weiterbewegen."
Yakuza erlaubte sich ein schwaches Lächeln. Man konnte über die Methoden des Jonin denken was man wollte, sie waren effektiv. Und darum ging es letztendlich beim Job eines Ninjas. Ehre und Moral passten da einfach nicht hin - zumindest nicht immer. Innerlich jedoch verfluchte sich der Sicherheitschef. Er hatte nicht bemerkt, wie dies hatte geschehen können. Bei weniger Glück hätte Lone Demon ihm den Strick unbemerkt um den Hals schlingen können. So wäre er einfach erdrosselt worden.
"Spielereien. Dein Trick ist durchschaut, was willst du jetzt machen?"
Lone Demon richtete sich zu voller Größe auf und betrachtete Yakuza abschätzig. Einige Sekunden lies er so verstreichen, dann verwandelte sich der skeptische Blick in ein selbstsicheres Grinsen.
"Spielerei, also? Wenn du dich da mal nicht irrst. Weißt du, wo du stehst?"
Lones Aussage reizte Yakuza und er lies reflexartig seine Deckung hochschnellen.
"Was meinst du? Was hast du vor?"
"Ich habe gar nichts vor. Es ist schon längst im Gange. Und zwar genau... zwei...drei.... jetzt!!"
Fast lautlos rauschte ein gutes Dutzend von Wurfdolchen von der Decke auf Yakuza herab. Da dieser eher mit einer Attacke aus der Horizontalen gerechnet hatte, war es nun zu spät, etwas zu unternehmen. Außerdem konnte er mit dem bloßen Arm nichts gegen die messerscharfen Kunais tun, die ihn anderenfalls aufspießen würden, wenn er nicht gleich auswich. So brachte er sich mit einem Hechtsprung und einer anschließenden Rolle mehr schlecht als recht außer Reichweite.
"Du hast also Fallen gelegt! Wahrscheinlich hab ich irgendwann einen deiner Fäden durchtrennt und somit eine zeitlich verzögerte Falle ausgelöst, stimmt's?"
"Stimmt."
*Hinter mir!*
Ohne Anzeichen einer Bewegung, fast noch während des Sprechens, lies Yakuza seinen Fuß nach hinten ausschlagen, um den Ninja dort zu treffen. Einer Schlange gleich wand sich Lone Demon aber dank einer 360°-Drehung seines Körpers um den Tritt herum und befand sich nun an der linken Flanke des Kampfkünstlers. Dort lies er einen Uraken folgen, einen Schlag mit dem Handrücken, der in einer Schnappbewegung nach vorn ausgeführt wurde. Yakuza lies sich einfach fallen und landete in Liegestützhaltung. Lone stampfte, traf aber wieder nicht. Yakuza hatte sich zur Seite gerollt und war wieder auf den Beinen. Beide reagierten gleichzeitig und setzten zum entscheidenden Schlag an.
"YAKUZA!"
Die Stimme gehörte einer Frau. Da der Ruf wider erwarten von Chiyoi kam, die sich eben zutritt verschafft hatte, war der angesprochene abgelenkt worden und erstarrte mitten in der Attacke zur Salzsäule.
"Chi-aaarrrgh??!!!"
Lone Demon hingegen konnte nicht mehr bremsen und schickte den unvorbereiteten Yakuza nun mit einem glatten rechten Hacken auf die Bretter. Scheppernd schlug der Sicherheitsbeamte dort mit dem Kopf auf und sofort begann sich ihm alles vor Augen zu drehen. In seinen Ohren klingelte es und so konnte er Chiyois nüchtern - zynischen Kommentar gar nicht vernehmen.
"Wirkungstreffer durch Ablenkung - kein Niederschlag!"
Nun hob sie wie ein Ringrichter die Hand und entlockte so dem Oberninja ein leichtes Grinsen, der sich eben zu seinem Kampfpartner herunterbückte.
"Alles klar, Yakuza?"
"Arghh... hat sich einer die Nummer von dem Panzer gemerkt?"
Damit setzte er sich wieder auf und drehte den Kopf knackend zu Chiyoi herüber.
"Danke für die kleine Störung, Miss 'I-love-to-shock-people-with-my-damn-loud-appearrance'."
"Sehr witzig. Das hab ich ja nicht mit Absicht getan. Hört lieber zu, was ich sagen will."
"Schieß los", meinte Lone, der der jungen Frau indes den Bericht aus der Hand gerissen hatte. Kenjin hatte ihn ihr vor einer Weile wieder zurückgebracht, statt persönlich zu Lone Demon und Yakuza zu gehen und inzwischen war es auch schon spät geworden, sodass die Versammlung bald beginnen würde.
"Die Prozedur kennt ihr ja. Guckt euch den Bericht an, vermerkt eure Kommentare darauf und wenn ihr fertig seid - ewww..."
Chiyoi rümpfte die Nase, als sie endlich die dicke Luft gepaart mit dem Geruch von schwitzenden Männern in die Nase sog.
"...dann duscht euch bitte. Und kommt nachher zum Meeting. Es gibt wichtiges zu besprechen."
"Ist gut, machen wir.", stimmte Yakuza zu.
"Ja, wird auch Zeit. Ihr riecht beide ganz furchtbar."
"Er meinte das Meeting.", erklärte Lone belehrend und verzog mitleidig sein Gesicht.
"Meinetwegen. Wie auch immer, wir sehen uns nachher. Bis dann also."
"Ok, mach's gut, Chi."
Die junge Frau hob zum Abschied die Hand, dann verlies sie nach Yakuzas Gruß den Trainingsraum.
"Und nun?"
Lone zuckte mit den Achseln. Zwar war der Kampf nicht ganz so ausgegangen, wie geplant aber auf eine ziemlich verquere Weise hatte er doch bekommen, was er gewollt hatte - nämlich als Sieger aus dem Duell hervorzugehen.
"Ich schlage vor, du räumst deine Waffensammlung auf und ich wische noch den Boden. Dann unter die Dusche, ankleiden und wir sind fertig."
"In Ordnung...Zweiter."
Der Ninja grinste schadenfroh, was Yakuza sowohl Scham- als auch Zornröte ins Gesicht trieb.
"Du weißt genau, dass das nicht zählt! Du hast nur gewonnen, weil--"
Lone Demon schnitt ihm das Wort hab.
"Nur ein ehrloser Feigling redet sich aus der Niederlage raus, Zweiter!"
"Sagt wer?!"
"Hast du mal gesagt!"
Lachend drehte sich der Shinobi um und sammelte die Kunais und die Reste seiner scharfen Angelsehne auf und verstaute alles in seinen Transporttaschen. Yakuza hatte sich grummelnd in den Abstellraum verzogen, wo sich die Reinigungsutensilien befanden. Eigentlich verfügte AnF über derartigen Reinigungsservice doch der Sicherheitschef betrachtete den Dojo als zweites Zuhause und so übernahm er die Reinigung hier selbst. Während Yakuza in Bahnen gehockt über den Boden sprintete und den Lappen über den ausgekleideten Stahlboden schob, kamen ihm wieder Gedanken an den Kampf.
"Sag mal, Lone... wann hast du eigentlich die Falle gelegt?"
"Bevor du den Raum überhaupt betreten hattest. Wer das Terrain beherrscht, hat schon fast gewonnen. Kleine Ninja-Regel!"
Er grinste und streifte sich dann sein Oberteil vom Körper, welches er achtlos beiseite warf.
"Ich geh dann duschen."
"Ist gut, Lone. Übrigens... es war zwar hinterhältig und eigentlich unfair aber ziemlich genial von dir."
"Danke. Und noch was.... wegen neulich mit der Betäubung... du weißt..."
"Schon klar. Ist vergessen."
***
Der Raum war in Stille getaucht und irgendwie passte diese Atmosphäre zu dem in Elfenbein gehaltenen Ort, an dem sich die Führungsmitglieder regelmäßig versammelten. Die Stimmung war diesmal aber eher gedrückt.
Yakuza und Lone Demon waren die letzten beiden die eintraten, Nguyen Tran Loc, Chiyoi, Jumpdevil, Envinyatar und Kenjin saßen bereits auf ihren Plätzen und warteten ungeduldig auf das Erscheinen der zwei.
Jumpdevil strafte die zwei Kampfkünstler beim Betreten des Raumes mit einem düsteren Blick der verlauten lies, dass sie nicht nur für ihr zu spätes Erscheinen Konsequenzen tragen würden müssen.
"Entschuldigt.", lies Yakuza zahm verlauten, auch wenn das sonst nicht seine Art war. Doch vor ihrer aller Anführerin gestattete er es sich besser nicht aufmüpfig zu sein - nicht heute, da sie schlecht gelaunt schien.
Yakuza straffte seinen ärmellosen Ledermantel und setzte sich dann auf den freien Platz neben Kenjin, Lone nahm ihm gegenüber neben Nguyen Tran Loc platz.
"Damit sind wir endlich vollzählig. Wie ihr alle wisst, müssen wir die letzte Aktion besprechen. Es gab einige unvorhergesehene Ereignisse"
Sie lies ihren durchdringenden Blick langsam durch die Runde schweifen.
"Nicht nur von gegnerischer Seite."
Damit sollte sich in erster Linie Lone Demon angesprochen fühlen. Selbstverständlich vernahm er diesen verbalen Wink mit dem Zaunpfahl, blieb aber emotions- und regungslos am Tisch sitzen. Wenn er zur Rede gestellt werden würde, konnte er sich immer noch verteidigen.
"Ich mach es kurz."
Sie räusperte sich und überflog kurz den Bericht und die darauf befindlichen Daten, dann hob sie ihre Stimme.
"Insgesamt hatten wir es mit 29 männlichen Personen zu tun. Davon wurden 26 schwer verletzt, 21 durch Yakuza, fünf durch Nguyen Tran Loc. Weiterhin gab es drei Tote. Davon gingen alle drei auf Lone Demons Konto."
Jumpdevil warf ihm einen herausfordernden Blick zu, den der Ninja allerdings missachtete.
"Lone! Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen!"
Die drei Frauen neben Jumpdevil im Raum zuckten zusammen, als diese mit tieferer Stimme, als man ihr zugetraut hätte, ihren Kollegen und Untergebenen anfuhr und ihre Handfläche auf den edlen Konferenztisch krachen lies.
"Tche. Nichts. Was soll es da zu rechtfertigen geben? Ich habe die Ziele ausgelöscht, die eine potentielle Bedrohung darstellten. So wie wir es in unseren Richtlinien festgelegt haben."
"Dem stimme ich zu, Jumpdevil."
Chiyoi erhob sich von ihrem Stuhl. Dann stützte sie sich mit beiden Armen auf der Tischplatte ab und lehnte sich vor, um Jumpdevils Blick somit besser Paroli zu können.
"Wie hatten mit der Operation noch nicht einmal begonnen, als eine Abwehrrakete auf uns abgefeuert wurde. Wir hatten es mit radikalen Aggressoren zu tun! Wenn wir nicht so gehandelt hätten, wie wir es getan haben, wären wir diejenigen gewesen, über die man so eine Statistik verlesen hätte!"
"Zur Kenntnis genommen.", mischte sich Envinyatar ein, die sich nachdenklich zurücklehnte und die Arme über der Brust verschränkte.
"Aber wenn ich mich recht erinnere, hat Lone in seinem Bericht wahrheitsgemäß bescheinigt, dass seine Opfer keinen Schimmer davon hatten, wer sich außer ihnen noch im Raum befand. Es wäre einem so hervorragenden Shinobi wie ihm doch sicherlich möglich gewesen, die Männer einfach zu betäuben und sie nicht gleich umzubringen, oder?"
"Aber--!"
Kenjin warf Chiyoi, die ihr gegenüber saß einen eindeutigen Blick zu und schüttelte leicht mit dem Kopf. Es wäre unklug auf dieses Argument etwas zu erwidern, denn es war leider hieb- und stichfest. Und jeder im Raum wusste das, auch Lone Demon selbst.
"Du hast recht, Envinyatar.", gab Lone Demon mit einem zynischen Lächeln zu und schloss die Augen.
"Natürlich. Ich habe sie ermordet, obwohl es unnötig gewesen wäre. Jeder Versuch einer Rechtfertigung ist jetzt ohnehin hinfällig, ihr habt euch euer Urteil ja schon gebildet. Aber ihr könnt das nicht verstehen. Ihr sitzt hier in euren Büros, schmiedet hochtrabende Pläne... und wir stehen draußen im Wüstensand und machen für euch die Drecksarbeit. Ihr wisst doch beide nicht wie man kämpft! Keiner von euch - weder du, Jumpdevil, noch du, Envinyatar - hat jemals einen echten Kampf auf Leben und Tod ausgestanden! Fragt mal Yakuza! Oder fragt Chiyoi! Oder Kenjin! Selbst NTL hat sich mehr eingesetzt als ihr beide zusammen!"
"Das reicht jetzt!!"
Envinyatar fuhr von ihrem Platz hoch, nicht nur, weil sie sich als Unschuldige angegriffen fühlte sondern auch weil sich dieser Möchtegern-Superspion diesen Ton vor Jumpdevil herausnahm.
"Wir tragen ganz andere Risiken als ihr euch vorstellen könnt! Wage es ja nicht, noch mal so mit Jumpdevil zu reden! Du bist es, der keine Ahnung hat! Wenn wir nicht wären, hätte es AnF nie so weit gebracht und du wärst in irgendeiner Gosse geendet, als arbeitsloser Tagelöhner, der mit seinem Talent nichts anzufangen weiß!"
"Pah! Auf dieses Niveau lasse ich mich nicht herab. Außerdem solltest du besser still sein, Envinyatar... vergiss nicht, dass ich sehr gut deinen Platz hätte einnehmen können, wenn Jumpdevil dich damals nicht aus persönlichen Gründen auf Rang Nr. 2 berufen hätte..."
Envinyatar knurrte verärgert, unterlies aber weitere Anschuldigungen oder Gesten und lehnte sich in ihrem Sessel zurück.
"Hört auf jetzt. Uneinigkeit bringt überhaupt nichts.", stellte Nguyen Tran Loc nüchtern fest.
"Fakt ist, dass Lone gegen die Direktive verstoßen hat. Andererseits muss ich ihm recht geben, Jumpdevil. Ihr wart wirklich nicht dabei. Als Lone entdeckt worden war, sah er sich bereits zwei weiteren Gegnern gegenüber. Die Kerle waren schwer bewaffnet und Lone besaß nur seine Nahkampfwaffen. Wärest du ein Risiko eingegangen? Was, wenn er getötet worden wäre? Was, wenn irgendjemandem Informationen zugespielt worden wären, die man von Lone hätte erhalten können? Irgendetwas über unsere Technik, unsere Methoden, Pläne, alles mögliche. Das hätte unser Gefüge ins Wanken gebracht, nicht wahr?"
Jumpdevil hatte aufmerksam zugehört, während NTLs Stimme sanfter aber überdies auch bohrender geworden war. Man traute es ihm kaum zu, dass er auf zwischenmenschlichem Bereich so clever war und genau wusste, wie er Jumpdevils Schwachpunkt ködern konnte, denn die junge Anführerin hatte insgeheim genau die gleichen Faktoren vor Augen gehabt.
Die Führerin von AnF legte eine kurze Denkpause ein, dann gab sie sich mehr oder weniger geschlagen.
"Gut. Ich sehe, ihr seid nicht alle meiner Meinung. Nicht, dass ich das je von euch verlangt hätte, aber so macht es wohl wenig Sinn, etwas mit Gewalt durchzudrücken. Ich sehe von einer Strafe für Lone ab. Allerdings erhält er für den nächsten Monat eine Gehaltskürzung und er bekommt keine Aufträge der Stufe 5 mehr."
Lone nickte und seine angestaute Wut ebbte allmählich ab. Damit konnte er leben. Zwar war ein Monat ohne hochqualifizierte Aufträge lange und er hasste es, Amateure seine Arbeiten erledigen zu lassen aber verglichen mit Jumpdevils Möglichkeiten war das eine milde, akzeptable Bestrafung. So langsam glitten die Gedanken des Shinobis ab, er versank wieder in seiner eigenen Welt, in der er Pläne schmiedete und sich auf seine Zukunft konzentrierte. Er versäumte mehr oder weniger den Großteil des Restes der Konferenz und im Nu war die Besprechung an ihrem Ende angelangt.
"Gut. Damit schließen wir die Besprechung. Ich wünsche allen noch einen angenehmen Abend, ihr habt soweit frei. Bis morgen. Ihr könnt gehen."
Als sich die AnF-Offiziere erhoben und einer nach dem anderen den Raum verlies, streifte Envinyatar Lones Arm, als sie an ihm vorbei ging.
"Das war unfair von dir, Lone. Darüber sprechen wir noch mal.", teilte sie ihm aber ohne sonderliche Emotion in der Stimme mit. Sie klang fast eher enttäuscht anstatt wütend.
"Lone, du bleibst bitte noch eine Sekunde.", warf Jumpdevil ihm im Befehlston zu, als Envinyatar als letzte den Raum verlassen hatte.
Der Shinobi wand sich ihr nicht zu, richtete seinen Blick stumm auf die automatisch öffnende Tür. Er vernahm das Klacken von Jumpdevils Absätzen, als sich die exzellent gedresste Geschäftsfrau ihm näherte und dicht neben seiner Schulter stehen blieb.
"Was sollte das, Lone?", fragte sie verbindlich, während sie den Rücken des vergleichsweise großen Mannes musterte.
"Du willst dich nicht gegen mich stellen, das weiß ich. Aber warum bist du so uneinsichtig? Du kennst doch unsere Vorschriften."
Er schwieg eine Weile und kniff dann zornig die Augen zusammen. Warum kam es ihm nur so vor, als könnte sie wieder in seine Seele hineinblicken, ganz gleich, wie sehr er sich dagegen zur Wehr setzte?
"Vorschriften, mit denen wir eines Tages den Bach runter gehen. Du willst die Weltherrschaft. Was glaubst du, wie lange du sie mit diesem Methoden halten kannst? Denkst du, die übrigen Staaten werden genauso verfahren wie du? Nach irgendwelchen Direktiven? Die werden zusehen--"
"Die werden zusehen, dass sie alle möglichen Mittel gegen uns mobilisieren können, ich weiß."
Sie hatte ihm das Wort abgeschnitten und ihre Fingernägel in seine kräftigen Schulter gekrallt. Der Shinobi erschauerte und riss sich augenblicklich los.
"Lass das!", zischte er scharf und drehte sich endlich um, ihr tief in die Augen blickend und somit seinen Standpunkt deutlich machend, dass er sich ihr niemals, NIEMALS in irgendeiner Form unterwerfen würde, ganz gleich was geschah.
"Jumpdevil. Letztendlich sind mit deine Methoden egal. Wie du schon sagtest. Ich rebelliere nicht gegen dich. Aber ich bin auch nicht dein Freund oder Kumpel oder sonst etwas. Wir sind Partner. Kollegen. Ich arbeite für dich, weil sich unsere Interessen decken. Sollte das irgendwann nicht mehr der Fall sein, wirst du im Kampf nicht mehr meinen Rücken vor dir sehen sondern die scharfe Seite meines Schwertes. Vergiss nicht... Envinyatar mag eine starke Verbündete für dich sein aber mir steht es ebenfalls zu, ihren Platz einzunehmen. Halte mich nicht für so dumm oder schwach. Und glaube nicht, dass du in mir irgendeinen Gegner hättest, mit dem du leicht fertig wirst. Wenn du weiter so machst, hast du bald mehr Feinde in den eigenen Reihen als dir lieb ist. Also überleg dir trotz allem, was du tust."
"Du erklärst mir also den Krieg?"
"Nein. Ich spreche offen mit dir. Und zwar, weil ich dir bisher immer vertrauen konnte. Weil du bisher immer das Richtige getan hast. Und weil ich hoffe, dass das so bleibt. Und nun entschuldige mich."
Mit diesen Worten drehte er sich um und kurz darauf hatte der Shinobi den Raum verlassen. Jumpdevils Lippen zitterten leicht. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Hatte sie einen Fehler gemacht? Sie hasste ihre Selbstzweifel! Manchmal kam es ihr so vor, als lastete die gesamte Welt auf ihren Schultern. Lone Demon und auch all die anderen Spitzenoffiziere waren die einzigen, die diese Last zu vermindern mochten. Drohte nun ein Einbruch dieser Stärke? Riss sie nun mit ihren eigenen Prinzipien die Säulen ihrer Politik nieder?
Nervös fingerte sie in der Brusttasche ihres Designeranzuges und zog eine schmale Zigarillo hervor. Genüsslich zog sie an ihr, nachdem sie sie angezündet hatte und sog den angenehm milden Geruch des Tabaks in ihre Nase. Das beruhigte.
***
Regen prasselte gegen das kleine, bullaugenförmige Fenster, aus welchem Jim über die düstere Wolkendecke sah. Inzwischen war es fast Nacht geworden, lediglich ein letztes Glimmen der Sonnenstrahlen lies die Wolkenschicht auf seiner Höhe etwas heller erscheinen als das nächtliche Blau, das ihn umgab.
Hören konnte er den Regen zwar nicht, da die Geräusche des Tarnkappenbombers ihn bei weitem überschallten, doch irgendwie kam es ihm so vor, als sänge der Himmel mit diesen Tränen ein Requiem für ihn. Jim trat seinem Auftrag mit gemischten Gefühlen entgegen.
Sind Sie nervös?
Die aufmunternde Stimme gehörte zu einem Mann mittleren Alters, den Jim zwar kaum kannte, der aber zu seinen Ausbildern gehört hatte. Er hatte Jim die letzten Instruktionen übergeben und die Ausrüstung überreicht, in der sich der blonde Jungagent nun irgendwie eingezwängt und gefangen vorkam.
Etwas.
Kann ich verstehen. Wir setzen unsere Hoffnungen in Sie. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie können eigentlich gar nicht verlieren.
Der Ausbilder lächelte hinter seiner neonfarbigen Schutzbrille.
Warum das?
Jim erhob sich und setzte ein verwundertes Gesicht auf, als er sich von dem Bullauge wegdrehte.
Ganz einfach Sie sind zu gut dafür.
Der Kommentar rief Jim ein schwaches aber dennoch amüsiertes Lächeln auf die Lippen. Im Prinzip hatte der Mann nicht unrecht. Seine Ausbildung und auch das Equipment, das er bei sich trug, befähigten ihn zu vielem, wozu normale Menschen längst nicht in der Lage wären. Doch es wäre andererseits töricht, die AnF-Offiziere zu unterschätzen.
Wahrscheinlich bin ich einfach nur nervös, weil...
Weil?
Nun...., Jim grinste etwas verlegen, Ich bin noch nie Fallschirm gesprungen!
Aber die Simulation...
War nur eine Simulation. Da gibt es keinen Wind, keine echten Wolken, keine Vögel und keine gegnerischen Projektile die meinen Arsch in einen Schweizer Käse verwandeln wollen.
Der Ausbilder lachte und Fältchen bildeten sich unter seinen Augen.
Da haben Sie wohl Recht. Trotzdem. Ich kann nicht mehr tun, als Ihnen die Daumen drücken. Viel Glück, Jim.
Danke.
Allmählich wurde es Zeit. Der Flieger war nahe bei seinem Ziel. Sicher hatten ihn die Radars von AnF noch nicht entdeckt und falls doch, würde das Echo nicht viel mehr als einen Vogel registrieren. Von hier aus würde Jims Mission beginnen. Er würde aus dem Flugzeug springen und nachdem er den Fallschirm gezogen hatte, auf eine bestimmte Höhe herunterschweben. Von dort aktivierte er dann einen Gleitschirm und segelte bis zum Rande des riesigen Geosektors der AnF-Zentrale. Wenn alles glatt ging.
Ein kräftiger Windstoß fuhr herein, als die Heckklappe des Bombers geöffnet wurde. Da der Geräuschpegel zu hoch war und eine Konversation nichts gebracht hätte, verständigte sich Jim einfach mit seinem Begleiter, dass er nun springen würde. Dieser hob einfach den Daumen und formte mit den Lippen wie Worte "Viel Glück".
Jim erwiderte die Geste, dann schnürte er probehalber die Gurte seines Fallschirmes noch einmal fest und sprang dann mit konzentrierter Miene so weit in die Leere hinein, wie er konnte. Zwar trug er eine Schutzmaske über seinem Kopf aber dennoch war das Gefühl der Schwerelosigkeit und des an ihm herumzerrenden Windes atemberaubend. Er konnte nichts hören, doch das war augenblicklich nicht von Bedeutung.
Der Agent durchstieß die verschiedensten Wolkenschichten und raste weiter in Richtung Erdboden. Ihm blieben nur noch wenige Sekunden, bis er seinen Fallschirm öffnen musste. Solange konnte er noch den einzigartigen, nächtlichen Ausblick bewundern. Von hier oben wirkte alles so winzig. Weit entfernt konnte er die glimmenden Lichter des Stadtrandes erkennen, deren Farbenvielfalt an eine Schatztruhe voller Juwelen erinnerte. In entgegengesetzter Richtung machte Jim mit weniger freundlichem Blick sein Ziel aus. Erkennbar an vielen Warnleuchten, die tieffliegende Flugzeuge davon abhielten, einen Unfall zu verursachen, ragte dort der gigantische Tower der AnF-Zentrale in die Höhe, an welchen direkt der riesige Geosektor anschloss. Wie ein riesiger Monolith präsentierte sich die uneinnehmbare Festung der weltbeherrschenden Organisation. Die Festung, die es einzunehmen galt.
Jim löste den Fallschirm aus und ein Ruck ging durch seinen Körper als er aus dem freien Fall heraus abgebremst wurde. So schwebte er abermals einige Sekunden, dann kappte er das Hilfsmittel und testete die Vorrichtung, die unter seinem Rucksack auf seinen Rücken geschnallt war. Es erinnerte an eine schmale Metallplatte, von der aus an der oberen und unteren Kante stählerne Streben abstanden. Jim zündete eine Reißleine und sofort spannten sich Links und Rechts der Vorrichtung breite, stabile Schwingen aus. Ein Gleitdrachen, mit dessen Hilfe und mit Unterstützung des Aufwindes er bis zum Rande des Geosektors schweben sollte.
Ein erdiges Geräusch signalisierte, dass Jim erfolgreich gelandet war. Etliche Male hatte er die folgenden Tätigkeiten geübt, sodass er Routine darin besaß. Ruhig aber dennoch zügig nahm er seinen Rucksack mit seiner Ausrüstung ab, entfernte die Gleitvorrichtung und versteckte sie hinter einem größeren Felsen in seiner Nähe. Er kontrollierte das Wichtigste, obgleich er wusste, dass keines seiner Utensilien fehlte und führte einen Kontrollgriff zu den beiden Schwerthaltern an seinen Hüften durch. Im Prinzip erübrigte sich auch das, da er die beiden Klingen inzwischen in seinem Geist wahrnehmen konnte, doch es tat einfach gut, den Stahl von Kujo und Gouka in den Händen zu spüren.
Jim richtete seinen Blick nach vorn. Ein auf Anhieb kaum überschaubares Areal erstreckte sich vor ihm - der Geosektor. Was wie eine naturbelassene Landschaft aussah, war natürlich ein künstlich angelegtes Ressort, in welchem AnF Übungen ausführte, seine Anhängerschaft ausbildete und diverse Waffen testete. Von hier aus in das Hauptgebäude zu kommen war am einfachsten - und doch am schwersten. Da sich AnF mit diesem mehrere Kilometer umfassenden Gelände quasi eine direkte Einflugschneise für Gegner geschaffen hatte, war dieses Gelände streng von Soldaten bewacht. Jim war sich bewusst, dass er augenblicklich aufgespürt werden konnte, also rollte er sich hinter einen Felsblock, nachdem er die Lage grob sondiert hatte.
Der blonde junge Mann griff in die Brusttasche seines Kampfanzuges und spürte dort das kleine Gerät, dem er seine bisher störungsfreie Landung zu verdanken hatte - ein Zerhacker. Wie dieser Apparat funktionierte, wusste Jim auch nicht im Detail aber es störte die Radarfrequenzen von AnF und sorgte so dafür, dass sein Signal nicht oder nur sehr, sehr schwach wahrgenommen werden würde.
"Mal überlegen. Eine direkte Marschroute ist zu riskant. Ich glaube es ist besser, wenn ich einen kleinen Umweg mache und mich zick-zack-artig vorarbeite."
Gesagt, getan. Jim lugte hinter seinem Felsbrocken hervor, dann sprintete er in gehockter Haltung einige Meter auf Luftlinie zum nächsten geeigneten Versteck - ein breiter Baum. Von hier aus richtete er sich auf und kontrollierte abermals sein Umfeld. Er machte einige Wachposten aus, die entfernt pattroulierten. Allerdings befanden sich auch genug Felsen und natürliche Höhenunterschiede in der leicht hügeligen Erdlandschaft und Jim konnte sich halbwegs gefahrlos bewegen.
Nach knapp zehn Minuten hatte er mehr als die Hälfte des gesamten Geosektors überwunden. Doch jetzt kam er in einen kritischen Bereich. Hier verkehrten zusehendst mehr Wachposten, zudem gab es Schwenkscheinwerfer und am allerschlimmsten - Kameras. Die Kameras konnte er mit einem Störsignal außer Gefecht setzten. Allerdings ergaben sich hieraus zwei weitere Probleme: Er musste zunächst einmal nahe genug herankommen und zum Zweiten würde er entdeckt werden, wenn plötzlich das Bild ausfiel. Dann wusste der Feind über den Eindringling Bescheid.
Jim überlegte fieberhaft, doch eine Alternative gab es nicht. Außerdem würde er so oder so irgendwann gestellt werden. Was spielte das also für eine Rolle?! Nun musste er sich nur noch die Intervalle merken, in denen die Scheinwerfer einen bestimmten Bereich passierten und dann im Schatten zwischen ihnen hindurchschlüpfen. Nicht zu vergessen, auf Wachposten zu achten.
"Was tust du da? Nenne mir deine Bezeichnung und deine Einhei--"
Erschrocken riss der Spezialagent die Augen auf und fuhr herum. Dabei teilte er fast schon reflexartig einen kräftigen Schlag in Richtung Magen aus und traf den Störenfried auch genau da. Es erübrigte sich, dass es sich hierbei um eine Wache handelte, schließlich gab es auf diesem Terrain keine Alliierten für Jim. Bevor der Wachmann irgendein lautes Signal von sich geben konnte, knickte er zusammen und Jim machte ihn mit einem starken Nackenhieb per Handkante bewusstlos. Schweiß stand ihm auf der Stirn, auch wenn diese unter der Schutzmaske verdeckt war.
"Puh... das war knapp!", flüsterte er, für den Fall, das jemand dies hören konnte. Er hatte nicht aufgepasst.
"Das nächste Mal muss ich vorsichtiger sein! Jetzt aber weiter im Text..."
Jim stürmte wieder los, überquerte einige Meter des Testareals und warf sich dann fast geräuschlos in den Staub, robbte zum nächsten Felsen und kauerte sich dahinter. Er zwang sich, seinen Herzschlag zu senken und sich zu beruhigen. Nicht mehr als zehn Meter entfernt konnte er zwei Wachposten hören, die sich unterhielten. Eine falsche Bewegung, und er flog schon hier auf!
Das Gespräch erstarb plötzlich und Jims Nervosität wuchs, als er Schritte vernahm. Er konnte nicht sicher sagen, ob sie sich ihm näherten aber er durfte kein Risiko eingehen. Glücklicherweise befand sich in seiner Nähe ein Baum. Jim kramte mit gezielten Handbewegungen in seinem Rucksack und ging die Ausrüstung durch, bis er das rechte Utensil in den Händen hielt. Er zog eine schmale, unscheinbare Kanone mit langem Lauf hervor, die allerdings einiges an Leistung versprach. Dies war ein starker Wurfanker mit Kurbelwelle, die von einem Spezialmotor angetrieben wurde, der besonders stark war. Jim sprach ein kurzes Gebet, obwohl er nicht gläubig war, dann richtete er die Waffe unter die Krone des Gewächses und drückte mit zusammengekniffenen Augen ab. Die Schritte näherten sich. Jim betätigte den Auslöser für die Rolle und der Motor raste los. Jim schoss nicht gerade geräuschlos in das Blätterdach des Baumes und verschwand dort unter einem starken Ast, an dem er sich festklammerte.
Die Schritte beschleunigten zu einem Laufen und ein weiteres Stiefelpaar kam hinzu - die beiden Wachen hatten das selbstverständlich bemerkt und kramten nun an ihrem Gürtel, zogen eine Taschenlampe hervor, während der andere seine Waffe zog und in das dunkle Blätterdach richtete.
"He! Komm sofort heraus! Eindringling!!"
Der Mann leuchtete den Baum ab, entdeckte aber nichts außer dem lasch herunterbaumelnden Wurfanker. Von Jim fehlte jede Spur. Der mit der Taschenlampe gab seinem Kollegen ein Zeichen und dieser feuerte eine Warnsalve in die Baumkrone, bracht aber außer Ästen und Blättern nichts zu Fall.
Ein luftiges Rauschen erklang, gefolgt von einem Landegeräusch und noch während die Wachposten herumwirbelten, durchtrennte eine flammende Klinge die Kehle der beiden Männer, in denen jeder Aufschrei erstarb.
"Fuck! Das läuft gar nicht so, wie ich es mir gedacht habe!", fluchte Jim und streifte mit einer ruckartigen Bewegung das Blut von Goukas Schneide. Eine schmale Streifwunde zierte seine linke Wade, wo ihn ein Schuss ganz knapp verfehlt hatte, als er auf dem Ast entlanggerobbt war. Doch das würde ihn nicht beeinträchtigen.
Etwas kitzelte am Nacken des Agenten und instinktiv schlug er danach. In seiner Handfläche machte er nur einen zerquetschten Fleck aus, aus welchem eine dunkelrote Flüssigkeit lief.
"Mücken... Dreck! Jetzt machen mich schon Mücken nervös! Die müssen wohl das Blut riechen..."
Jim missachtete seine innere Aufgewühltheit und machte sich weiter auf den Weg, nachdem er den Schmutz von seiner Handfläche entfernt hatte.
***
Die Führungsoffiziere von AnF lagen in ihren Betten und schliefen. Alle? Nun, nicht ganz. Es gab da jemanden - ausgenommen Lone Demon - der ein aktiver Nachtarbeiter war. Nguyen Tran Loc lehnte sich zufrieden in seinem Bürosessel zurück. Das künstliche Licht, welches von den zahlreichen Monitoren in seiner spartanisch beleuchteten Kammer abstrahlte, ließen sein süffisantes Grinsen fast schon diabolisch erscheinen.
"Mücken. Hahahaha...", lachte der Computerspezialist, als soeben das Bild von seinem Hauptschirm verschwunden und durch ein wüstes Durcheinander von Störsignalen ersetzt worden war. Was Jim für ein Insekt gehalten hatte, war eine Apparatur, die sich im gesamten AnF-Hauptquartier aufhielt - Nanomaschinen.
NTL konnte diese Maschinen von seinem Reich aus kontrollieren und steuern und somit nahezu jeden Winkel im gesamten Gebäude und auch außerhalb beobachten.
"Dieser Narr glaubt tatsächlich, dass er hier reinmarschieren kann wie in einen Supermarkt.", kommentierte Tran Loc trocken, "Aber er hat wenigstens Mut. Warten wir mal ab, wie weit er kommt.", fügte er dann aber mit gewisser Neugierde an.
Nguyen betätigte einige Schaltflächen seiner Tastaturen und schaltete sich dann auf die privaten Weckruf-Geräte der einzelnen Führungsmitglieder. Er entschloss sich, Envinyatar und Yakuza, der ja für die Sicherheit zuständig war, zu benachrichtigen.
"Envinyatar, Yakuza. Könnt ihr mich hören? Hier spricht Nguyen Tran Loc.", meldete sich der Computerspezialist in Zimmerlautstärke.
Während Envinyatar etwas knitterig und mit einem entnervten Stöhnen aus dem Schlaf erwachte, schoss Yakuza gleichzeitig senkrecht aus dem Bett und stieß einen erschrockenen Schrei aus.
"Was gibt's NTL? Warum weckst du mich mitten in der Nacht."
"Nguyen!!! Was sollte das?! Bist du verrückt geworden?!"
"Immer mit der Ruhe, ihr zwei. Es ist eilig. Kommt in den Konferenzraum. Wir haben ungebetenen Besuch."
Murrend kleideten sich die beiden AnF-Offiziere notdürftig soweit an, dass man sich damit sehen lassen konnte und stapften dann durch die fast leeren Gänge des Hauptquartiers. Eigentlich schlief fast jegliches Personal, lediglich die Nachtwache verrichtete ihren Dienst, ebenso wie Sicherheitsbeamte und einige Leute aus der Computerabteilung und Genetic Engineering Labs.
Die automatische Tür schob sich beiseite und Envinyatar und Yakuza traten ein.
"Mach's bitte kurz, NTL. Ich will wieder schlafen.", meldete sich die junge Frau mit einem Gähnen zu Wort und versuchte, mit halbem Ohr hinzuhören. Yakuza wirkte wesentlich munterer, denn ein Eindringling fiel hauptsächlich in seinen Verantwortungsbereich und was die eigenen Pflichten anging, nahm er diese sehr ernst.
"Also hört her. Mein Überwachungssystem hat einen einzelnen Mann aufgespürt. Ob er ganz allein agiert, weiss ich nicht sicher aber es sieht so aus. Das erschreckende dabei, er ist fast unverletzt und ohne Schwierigkeiten durch den gesamten Geosektor gekommen und hat in Windeseile auch noch drei Wachen ausgeschaltet, zwei davon sind tot."
"Und? Das ist noch kein Grund zur Besorgnis. Versteh mich nicht falsch, aber das sind nur Genom-Soldaten. Kanonenfutter ohne spezielle Ausbildung. Die sollen einfach nur Alarm schlagen und auf jeden Eindringling feuern. Ein guter Agent überwindet die problemlos.", entgegnete die stellvertretende Anführerin trocken.
"Ah ja. Und du findest, das ist nicht Besorgniserregend? Wir wissen noch nichts über den Kerl. Sicher hast du recht, wir haben es schon mit schlimmeren Sachen zu tun gehabt. Trotzdem will ich kein Risiko eingehen. Wenn er wirklich allein ist und diese Schabe sich erst mal bei uns eingenistet hat, wird es schwer, ihn wieder loszuwerden."
"Verstehe.", nickte Yakuza mit Einverständnis.
"Du hast recht, wir dürfen nicht riskieren, dass der Kerl irgendwelche Informationen erhält. Aber wir dürfen trotzdem nicht gleich alles an die große Glocke hängen, da stimme ich Envinyatar zu. Wenn wir einen Aufruhr verursachen, ist der Typ alarmiert und sucht das Weite. Du darfst nicht vergessen, NTL, dass dieser Agent auch für UNS eine wichtige Informationsquelle sein kann."
"Natürlich. Daran hab ich schon gedacht. Was schlagt ihr also vor? Unterrichten wir Jumpdevil?"
"Schlechter Plan. Lass sie mal eine Nacht durchschlafen. Sie hat die letzten drei Tage fast nur durchgearbeitet. Es täte ihrer Stimmung Abbruch und das ist schlecht für uns alle. Wenn dieser Kerl bis zum nächsten Tag durchhält, sagen wir ihr Bescheid. Die Nacht ist nicht mehr lang, also hat er nicht mehr viel Zeit. Außerdem hat noch niemand AnF in nur einem Tag eingenommen. Da müssten schon andere kommen."
"Einverstanden, Envin. Das war's dann. Du kannst wieder gehen."
"Gute Nacht."
Damit verlies die junge schwarzhaarige Frau den Raum gähnend und verzog sich wieder in ihr Quartier.
"Und, Yakuza? Was hast du vor?"
"Ich? Noch nichts. Überwach weiter alles, und gib mir Bescheid, wenn er Ärger machen sollte. Aber das ist unwahrscheinlich."
"Warum so sicher?", fragte NTL im Aufstehen, als er Yakuza zur Tür begleitete, der gerade im Gehen begriffen war.
"Ganz einfach. Die Pforten zur Schmelze sind dicht. Wenn er weiter nach oben will, muss er über die Biolabors und die Testbiotope."
Nun ging dem Computerass ein Licht auf.
"Ach so... Du meinst... Kenjin?!"
"Genau.", der Sicherheitschef grinste breit.
"Sie wird sich schon um ihn kümmern."