New World Order
von Yakuza
Kurzbeschreibung
Das Prequel zu Jims Fanfiction Eternal Fight. Während führende Politiker auf einer internationalen Konferenz zusammengekommen sind, um globale Probleme zu besprechen, wird diese von einer unbekannten Organisation gestört. Doch wer ist AnF und wie kann man deren Vorhaben unterbinden...?
GeschichteAbenteuer / P18 / Gen
13.05.2004
06.11.2004
9
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13.05.2004
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"02 - Infernal Carnage - The AnF-Corps arrives!"
Geduldig rührte Chiyoi mit ihrem Löffel durch den heißen Kaffee, dabei achtete sie bewusst darauf, dass der metallene Gegenstand nicht ein einziges Mal den Rand ihrer Porzellantasse berührte und somit ein störendes Geräusch erzeugte.
Ihr Blick war starr auf die Oberfläche des Heißgetränks gerichtet, die sich nun wieder zu glätten begann und ihre in Sorgenfalten gelegte obere Gesichtspartie reflektierte. Sie war im Stress.
Nicht, dass es sich bei diesem Zustand um etwas Neues handeln würde, inzwischen war die junge Frau daran gewöhnt, hart für AnF arbeiten zu müssen. Dafür wurde sie nicht nur exzellent bezahlt, sie hatte in der Regel auch Spaß daran. Doch angesichts der neuen Befehle von Jumpdevil wurde sie wieder einmal mit einer kaum einhaltbaren Deadline konfrontiert. Sie musste noch etliche Daten auswerten, Tests durchführen und - was wohl den Kern der ganzen Arbeit ausmachen würde - ihr neues "Meisterwerk" betriebs- und einsatzfertig machen. Die Pläne dazu lagen neben ihr auf dem großen Kantinentisch, den sie ganz für sich hatte und die sie eher beiläufig mit gelegentlichem Seufzen studierte.
Alle anderen Mitarbeiter die in ihrer Abteilung arbeiteten, hatten die Mittagspause längst hinter sich gebracht, lediglich die Leiterin des Wissenschaftsresorts hatte Überstunden geschoben. Das brachte Chiyoi dann immer in die angenehme Lage, die Stille dieses sonst so lärmlastigen Raumes ganz allein genießen zu können.
"Wie läuft's?"
Die Frage war halbwegs neutral mit einem gewissen freundlichen Unterton gestellt worden; nichts, was einen normalen Menschen erschrecken würde, doch Chiyoi zuckten trotzdem zusammen. Sie hatte das Klopfen an der Kantinentür einfach überhört und nicht bemerkt, wie Envinyatar eingetreten war.
"Du hier?", fragte die Wissenschaftlerin mit einer ernsthaften Verwunderung, da sich der Zweitchef von AnF so gut wie nie hier unten sehen lies.
"Ja, ich dachte ich schau mal, ob alles funktioniert.", entgegnete Envinyatar unbeschwert.
"Du hast zu arbeiten, wie ich sehe...", fügte sie noch an, als ihr Blick auf die Blaupausen und Konstruktionspläne auf dem Tisch fiel und so erübrigte sich eine Antwort Chiyoi's auf die erste Frage des Führungsmitgliedes. Sie nickte statt dessen nur.
"Mhm. Bin etwas im Stress. Das Ding muss in ein paar Stunden testbereit sein und dann kommt es ja auch schon zum Einsatz. Ich nehme an, du hast auch viel zu tun?"
An und für sich interessierte sich Chiyoi nicht wirklich dafür, was Envinyatar um die Ohren hatte, auch wenn sie es sich vorstellen konnte. Immerhin teilten sich Jumpdevil und ihre Stellvertreterin die Arbeit und Envinyatar war für die Organisation und Einsatzplanung sämtlicher AnF-Einsätze mitverantwortlich oder koordinierte sie sogar selbstständig. Dennoch fuhr Chiyoi damit fort, etwas Smalltalk zu inszenieren, niemand sollte ihr einmal vorhalten, nicht genug Kontakt zu den Führungsmitgliedern oder dem übrigen Personal zu pflegen; etwas, was sich negativ auf ihr Führungszeugnis auswirken könnte und zur Folge hatte, dass ihr ein anderer Führungsoffizier in der ungeschriebenen Hierarchie einmal den Rang ablief.
Nach der Beliebtheit bei Personal und den Militärtruppen - ja, auch dafür gab es bei AnF Statistiken - lagen noch im letzten Monat Envinyatar knapp vor Jumpdevil im Bereich der Angestellten und Yakuza auf selber Ebene mit Chiyoi bei den Führungstruppen. Dieser Fakt kam der jungen Frau in erster Linie deswegen zu gute, weil sie weiblich war. Das sie nebenher noch ausgezeichnete Arbeit ablieferte, war selbstverständlich auch von Nutzen, bei den vorwiegend männlichen Truppenmitgliedern aber eher sekundärer Natur. Yakuza war als Ausbilder generell beliebt, auch wenn er streng war und ihn eine geringe Anzahl von Militärs "fürchtete", weil er für die durchschnittlichen Soldaten einfach zu stark war. Bei Lone Demon verhielt es sich ähnlich, allerdings war es hier die Mehrheit, die den Spion und Ninja mied, weil er ihnen zu undurchsichtig und mysteriös erschien. Diese Tatsache bestätigte den passionierten Geheimwaffenkünstler allerdings in seinem Verhalten, weswegen ihm diese Umfragenergebnisse nicht sonderlich störten. Kenjin war im Umfragebogen meist gar nicht aufgeführt, nicht etwa, weil sie so unbeliebt war sondern weil - ausgenommen die Führungsmitglieder - kaum jemand etwas von ihr wusste. Sie bevorzugte es ohnehin, die meiste Zeit über allein zu sein und interessierte sich nicht sonderlich für derartige Dinge.
Nguyen Tran Loc lag in der Software- und EDV-Abteilung ganz vorn, auch wenn den Superhacker die "kleinen Leute" nicht sonderlich zu interessieren brauchten und es auch nicht taten. Er spielte in einer ganz anderen Liga und legte eigentlich keinen besonderen Wert darauf, ob die Mehrheit der AnF-Gefolgsleute nun hinter ihm stand oder nicht. Hauptsache, seine Arbeit war von hoher Qualität, effizient und er bekam die entsprechenden Vergütungen. Jumpdevil als Anführerin stand zwar nach der letzten Umfrage hinter Envinyatar aber dies lag eher daran, dass sie stets eine Menge zu tun hatte und ihr selbst die Zeit fehlte, Rundgänge zu tätigen oder sich nach dem Befinden der Truppen und Angestellten zu erkundigen, so wie es Envinyatar gerade tat.
"Ja, mir geht's da wie dir.", seufzte Envinyatar nun auf Chiyois Frage und riss die junge Technikerin wieder aus den Gedanken hoch, in die sie eben wieder abgedriftet war.
"Gibt noch eine Menge durchzuplanen. Die Führungsoffiziere, die für den Einsatz morgen vorgesehen sind, habe ich gerade informiert und zu einem Meeting um 16:00 Uhr berufen. Und jetzt bin ich bei dir, um dir das auch noch mitzuteilen." Sie zwinkerte aufmunternd, was Chiyoi ein seichtes Lächeln abrang.
"Ok. Ich trink nur noch aus und dann geh ich wieder an die Arbeit. Ich meld mich dann in zwei Stunden. Wo findet das Meeting statt?"
"Oben im 32. Stock. Raum 311!", rief Envinyatar zwischen den Türpfosten herein, da sie sich schon wieder im Gehen befand.
"Sei bitte pünktlich, du weißt ja, wie Jumpdevil ist..."
***
Jim atmete schwer. Die Luft, die ihm entgegenschlug war muffig, der Raum hatte wohl seit Ewigkeiten keinen Durchzug mehr bekommen. Nach einem kurzen Augenblick, kurz nachdem er eingetreten war und Dr. Norton die Tür hinter ihm verschlossen hatte, aktivierte sich eine düstere, rote Deckenbeleuchtung.
Puls und Herzschlag beschleunigten sich. Der junge Spezialagent in spe rief sich ins Gedächtnis, was der Professor ihm vor wenigen Minuten gesagt hatte.
"Na toll...", wisperte er mit leicht zittriger Stimme vor sich hin, obwohl ihn sowieso keiner hören konnte.
"Wie war das noch? 'Sie werden in diesem Raum einen Schwertständer finden, in dem sich zwei Waffen befinden werden. Eines davon besitzt einen roten Griff, das andere trägt ein Totenkopfemblem. Das erste heißt Gouka, das zweite Kujo. Eines können Sie führen, vor dem anderen müssen Sie sich hüten.'"
So zumindest lautete Nortons Erklärung zur Situation. Jim wusste weder, welches der beiden Schwerter nun das gefährlich war, vor dem er sich hüten musste, noch war ihm klar, welche Aufgabe ihm überhaupt bevorstand. Dazu hatte sich der dickliche Kittelträger ausgeschwiegen und Jim nur mit einem Lächeln bedacht.
"Dann wollen wir mal...", beruhigte sich Jim wieder und atmete tief durch. Dann trat er tiefer in den dunklen Raum. Es war rundherum nichts zu sehen. Keinerlei Einrichtungsgegenstände, die Wände bestanden aus blankem Stahl, sonst war er leer. Nun, beinahe. Endlich erblickte Jim den schwarzen Schwertständer, der schon einige Zeit unberührt dort stehen musste, denn eine leichte Staubschicht lagerte sich bereits auf ihm.
"Welches ist nun das richtige?", fragte er sich und dachte einen Sekundenbruchteil daran, einen Auszählreim zu wagen, verwarf diesen Gedanken aber augenblicklich wieder. Er würde es einfach spontan entscheiden.
Jim betrachtete die Klingen einen Moment, wie sie da in ihren Scheiden steckten. Bei genauerer Betrachtung erschien ihm das schwarze Schwert mit dem Totenkopfemblem wesentlich "gefährlicher" als jenes mit dem roten Griff. So entschied er sich für die rote Waffe und hob die Klinge aus dem kleinen Ebenholzständer. Fühlte sich eigentlich normal an.
Der erprobte Straßenkämpfer wog den Gegenstand in der Hand, wirbelte etwas damit herum und befand es dann für ein gewöhnliches Schwert mit leicht ungewöhnlichem Design.
"Ich probier' es einfach mal aus.", sagte er gewohnheitsmäßig laut, obwohl niemand anwesend war. Aber wer wusste schon mit Sicherheit, dass dieser Raum nicht abgehört wurde? Immerhin befand er sich in einer Militärbasis. Nun gut, Jim beschloss, jeden weiteren Abschweifer sofort im Keim zu ersticken und sich ganz auf das zu konzentrieren, was er hier tat.
Der junge blonde Mann legte seine Hand um den stählernen Griff und zog die Klinge aus der Scheide - einen Vorgang, den er sogleich bereute, denn kaum hatte er es aus seinem Gefäß befreit, durchströmte eine ungeheure Hitze die stählerne Waffe. Einem Reflex folgend, lies er es los und die Waffe fiel zu Boden.
"Au, ist ja heiß, das Scheißding!?", stieß er verwundert aus. Dann eben nicht. Offenbar hatte er sich vom Äußeren der Waffe täuschen lassen und doch die gefährliche Waffe erwischt. Jetzt verstand er wohl, was Norton scheinbar beabsichtigt hatte. Was sollte man auch mit einem Schwert, das man nicht führen konnte, weil man sich zwangsläufig die Finger daran verbrannte?!
"Bleibt nur noch das andere. Kujo, also."
Jim wiederholte die Prozedur, hob die Waffe aber diesmal wesentlich vorsichtiger aus der Halterung und wog es ebenfalls kurz in der Hand. Es besaß etwa das gleiche Gewicht wie Gouka, war jedoch ebenfalls anders geformt und lag irgendwie seltsam in der Hand. Fast kam es Jim so vor, als würde er seinen eigenen Puls doppelt spüren, wenn er die Waffe nur an ihrer Scheide berührte. So, als wäre sie lebendig.
"Blödsinn...", schüttelte er den Kopf, "das ist die Nervosität. Reiß dich mal zusammen, Jim!"
Ohne großes Zaudern packte er das Ende des Schwertes und zog es heraus. Er zog es heraus?! Nein, es sprang ihm förmlich entgegen! Jim hatte arge Probleme, der Wucht entgegenzuwirken, mit der die Schneide aus der Klinge schoss, als er nur schwach daran gezogen hatte. Und er konnte es auch kaum lange in den Händen halten - der Kraftaufwand, die Klinge von seinem Körper fortzuhalten, war erschreckend groß, denn Kujo schien tatsächlich einen eigenen Willen zu haben!
"Allem Anschein nach...", keuchte und ächzte Jim im Kampf gegen die Waffe, "will mir dieses verflixte Küchenmesser ans Leben!"
Erst mit einigem Aufwand beförderte er das Schwert zurück in sein Behältnis und warf es verächtlich zu Boden.
"Tze! Von wegen, das eine kann ich führen... keines von beiden taugt was! Was ist das für eine Prüfung?!"
Jim machte kehrt und wollte eben Gouka aufheben, welches noch hinter ihm auf dem Boden lag. Vielleicht konnte er damit einen zweiten Versuch wagen, da der Hitzeausstoß vielleicht nur eine Art "Diebstahlsicherung" oder ähnliches war. Dazu kam er allerdings nicht. Etwas schnitt ihm von hinten in die linke Flanke und der Kämpfer wirbelte instinktiv herum. Dort erblickte er nur kurz Kujos leere Scheide und sein Kopf schwenkte sofort wieder in die entgegengesetzte Richtung.
Er traute seinen Augen kaum. Wie von Geisterhand getragen schwebte die Waffe vor ihm in der Luft... nein, sie tänzelte viel mehr, ähnlich einer Kobra, die nur darauf wartete, ihre Giftzähne in das Fleisch des nächsten Opfers zu jagen. Allmählich setzte ein starker Schmerz ein und Jim presste seine linke Hand auf die Wunde bei seiner Hüfte, die recht tief zu sein schien. Gleichzeitig bewies er aber genug Scharfsinn, da ihm eines nicht entgangen war - an Kujo klebte keinerlei Blut...
***
"Hast du alles dabei, was du brauchst?"
Chiyoi seufzte und schüttelte den Kopf. Entweder war ihr Beifahrer tatsächlich an Alzheimer erkrankt oder so nervös, dass er diese Frage in den letzten fünf Minuten drei oder mehrmals gestellt hatte.
"Ja, Yakuza. Ich hab alles was ich brauche. Genauso wie du alles hast, was du brauchst und wie Lone Demon alles hat was er braucht und wie Nguyen--"
"Ich hab's kapiert, ist ja gut.", grinste der angesprochene breit und schloss dabei die Augen.
"Soll nur alles glatt gehen. Diesmal wird es nämlich nicht nur ein Spaziergang."
"Ganz deine Meinung.", mischte sich eine dritte Stimme über Funkkontakt ein. Yakuza drückte den Hörer seines Headsets auf sein rechtes Ohr.
"Ich hab den Stützpunkt der Rebellen ausfindig gemacht. Soviel wie ich sehen kann, stehen da ein halbes Dutzend schwer bewaffnete Wachposten. Was bewacht wird, kann ich nicht sagen, entweder das Versteck selbst oder ein Waffen- oder Vorratslager."
"Gute Arbeit, Lone!", meldete sich Chiyoi erfreut.
"Sag uns, wenn du was neues rausgekriegt hast."
Der Spion verzichtete auf eine Bestätigung der Aussage und brach die Verbindung ab. Man konnte sich sowieso auf ihn verlassen. Sicher lag der High-Tech-Ninja schon wieder irgendwo auf der Lauer.
"Hier ist es gut. Halt an!", meldete sich Yakuza nach einigen Minuten zu Wort. Es war inzwischen stockdunkel geworden und der Geländewagen, in dem Chiyoi und der Sicherheitschef angekommen waren, würde auf so große Distanz nicht entdeckt werden.
Etliche hundert Meter vor ihnen lag ein Canyon, der sich weit in seiner Atoll-Form in die Steppenlandschaft erstreckte. Lone war mit seinem Tarnanzug gewiss unbemerkt bis an den Rand oder das Innere der Felsenkette vorgedrungen und hatte sich dort auf den Hängen positioniert, um das Lager mit dem Fernrohr ausfindig zu machen.
"Jetzt müssen wir nur noch auf das Startsignal warten.", sagte Chiyoi, die den Reißverschluss ihrer Umhängetasche öffnete und daraus einen kabellosen Laptop hervorzog.
"Was machst du?", fragte Yakuza eher beiläufig und starrte geradeaus weiter in Richtung der Felskluft, die sich weit vor ihm erstreckte. Zwar konnte man wegen der Dunkelheit ohnehin nichts erkennen, doch der Kampfkünstler folgte eher seinem Wachsamkeitsinstinkt als dass er dort hätte irgendetwas konkretes ausmachen können.
"Ich versuche, Nguyen Tran Loc zu erreichen.", nuschelte die Technikerin halbwegs deutlich, da sie gerade versuchte, den Reißverschluss ihrer Tasche mit dem Mund zu schließen und ihre Hände dafür benötigte den Laptop zu halten, beziehungsweise etwas darauf einzutippen.
"Ich hoffe er ist bald mit den Vorbereitungen fertig. Wenn es stimmt, was Lone gesagt hat, könnten wir seine Unterstützung wirklich brauchen."
Yakuza hatte eher mit einem halben Ohr hingehört, da ihm gerade ein ziemlich hoher Pfeifton entgegenschlug, den Chiyoi wahrscheinlich noch gar nicht wahrgenommen hatte. Das Gehör des Martial-Arts-Experten war äußerst gut trainiert, etwas, was Lone Demon ihm im gemeinsamen Training beigebracht hatte.
"Heh. Sag mal, Chiyoi... was leuchtet gelb und macht 'Zwiiiiiiiiiiioooooooosch'?", versuchte er das Geräusch nachzuahmen, das inzwischen so laut geworden war, dass auch Chiyoi zum Himmel aufsah.
"Da...das ist echt... Scheiße!!", fluchte sie noch, da hatte Yakuza sie auch schon gepackt und war mit einigen extrem schnellen Sprintschritten zur Seite gehechtet. Kurz darauf wurde alles in ihrer näheren Umgebung in weißes Licht getaucht, ein ohrenbetäubender Knall folgte zusammen mit einer Druckwelle die die beiden AnF-Führungsoffiziere fortschleuderte.
Unsanft kam das menschliche Bündel nach einigen Metern Flugphase wieder zum Stehen, als Yakuza und Chiyoi hart auf dem sandigen Steppenboden aufschlugen. Der Sicherheitschef, der seinem Beruf alle Ehre gemacht und Chiyoi schützend fest umklammert hatte, stöhnte vor Schmerz auf, als sich die junge Frau noch immer benommen von ihm erhob. Der junge Mann hatte ihren Aufprall entschieden gebremst.
"Ist alles in Ordnung mit dir?! Hey, Yakkun, sag doch was!"
"Geht...schon", hustete dieser und richtete sich mit einem Ächzen auf. Seine Hand fuhr sogleich hinunter zu seinem Becken, denn er hatte Mühe, seine Beine zu spüren.
"Verdammt... ist bestimmt gebrochen...", zeterte er über diesen Zustand und seine Hand verschwand in der Brusttasche seiner Uniform, wo er eine merkwürdige Kapsel herausfischte und dann schluckte. Anschließend lies er sich rücklings in den Staub fallen.
"Wirkt bestimmt gleich.", munterte Chiyoi ihn auf, dann sah sie wieder zum Himmel und ihr Blick verfinsterte sich.
"Das war eine Mittelstreckenrakete. Verdammt noch mal, die sind ja besser gerüstet als ich dachte!"
Das Headset der Wissenschaftlerin knackte kurz, dann kam ein Funkspruch. Es war Lone Demon.
"Das war eine Abwehrrakete. Ist bei euch alles in Ordnung?"
"Na, toll! Ist das alles, was dir dazu einfällt?!", versuchte sie, ihre angestaute Wut über den Hörer zu entlasten, "Wir hätten eben draufgehen können! Warum hast du uns nicht eher gewarnt, häh? Oder warum hast du das Ding nicht gleich aufgehalten, du Superheld!?"
"Erstens", versicherte der Ninja mit seiner gewohnten Nüchternheit, "hab ich die Rakete auch erst entdeckt, als sie schon gezündet worden war. Und zweitens - bin ich Gott? Du weißt selbst, dass es nahezu unmöglich ist, eine Abwehrrakete mitten aus der Luft zu holen, ohne dabei selbst zerfetzt zu werden. Außer man sitzt in einem Mech."
Dann brach die Verbindung abermals ab. Chiyoi ignorierte den belehrenden Ton des Shinobi sondern konzentrierte sich vielmehr auf die nächsten Schritte. Auf ein Signal brauchten sie ja nun nicht mehr zu warten. Laut AnF-Vorschriften wurden bei Einsätzen keine Zivilisten angegriffen oder getötet, ebenso wie unbewaffnete Personen oder Menschen, die sich zur Aufgabe bereit erklärt hatten. Bewaffnete Einheiten wurden ebenfalls nur außer Gefecht gesetzt, getötet wurde nur, wenn das Leben eines AnF-Mitgliedes selbst auf Messers Schneide stand. Letzterer Fall war nun wohl gegeben.
"Yakuza?", sprach Chiyoi den inzwischen regenerierten jungen Mann an und stapfte zu ihm herüber, "Ist der Laptop noch ganz?"
Der angesprochene drehte den Kopf etwas beiseite, was ein lautes Knacken zur Folge hatte und überreichte seiner Kameradin dann das Gerät.
"Scheint noch in Ordnung zu sein. Aber wir sollten zusehen, dass wir von hier wegkommen. Sonst bieten wir nur wieder ein leichtes Ziel."
"Du hast Recht", stimmte die junge Frau zu und stapfte dann zügig neben Yakuza her, "Vermutlich haben die Radargeräte und Hochleistungsfernrohre. Sonst hätten sie den Geländewagen wohl nicht entdeckt."
Etwas wehleidig warf sie einen Blick auf die Überreste des Fahrzeuges. Die Rakete war in unmittelbarer Nähe eingeschlagen und hatte den Wagen restlos zertrümmert. Nur ein undefinierbarer Haufen aus verbranntem Stahl, Plastik, Gummi und anderen Materialien war von dem übrig geblieben, was man vor fünf Minuten noch als eine hochtechnisierte Ausrüstung erkannt hatte.
Chiyoi drückte nach einigen Minuten des Fußmarsches den Hörer ihres Headsets ans Ohr.
"Nguyen? Nguyen Tran Loc? Kannst du mich hören, NTL ?"
Einige Interferenzen störten die Übertragung, sodass zunächst lediglich Wortfetzen in undeutlicher Aussprache an das Ohr der Wissenschaftlerin drangen. Die Situation behob sich aber schnell.
"... fast fertig. Chiyoi? Hallo? Kannst du mich hören?"
"Ja, jetzt, klar und deutlich. Wiederhole bitte noch einmal!"
"Ich bin mit den Vorbereitungen fast fertig. Das Ding funktioniert klasse. Wie sieht es bei euch aus?"
Sie warf Yakuza einen kurzen Blick zu, welchen dieser mit einem Kopfschütteln bestätigte.
"Nicht sehr gut. Wir wurden soeben attackiert. Der Geländewagen und unser Teil der Ausrüstung ist Schrott. Wir müssen zu Fuß zum Canyon. Wäre nützlich, wenn du jetzt bald kommen könntest!"
"Gibt es schon Verluste?!"
Nguyen Tran Loc klang zu Recht besorgt, doch Chiyoi dementierte rasch.
"Nein, bisher noch nicht. Lone Demon hat sich zwar seit gut zehn Minuten nicht mehr gemeldet aber ich nehme an, er ist wohl auf. Yakuza geht's auch wieder gut."
"Wieder?"
"Ja, er hatte sich die Hüfte gebrochen, als die Bodenrakete neben uns einschlug. Die Nano-Medizin hat es aber wieder gerichtet."
"Bodenrakete?!", ignoriert NTL die unerheblichen Fakten und atmete beim Gedanken an derartiges Geschütz laut hörbar und etwas beunruhigt aus. Dann folgte eine kurze Pause.
"Ok. Ich bin unterwegs. Haltet ihr die Stellung, ich und dein 'Baby' kommen gleich nach."
Chiyoi grinste.
"Danke, NTL."
Dann kappte sie die Verbindung und atmete aus.
"Tran Loc ist gleich hier. Dann steigen unsere Chancen wieder... hey. Alles ok?"
"Mhm.", entgegnete Yakuza abwesend. Sein Blick war starr auf den Horizont gerichtet, an dem die Angreifer irgendwo zu vermuten waren. Dabei ballte er immer wieder seine rechte Faust, sodass sein Lederhandschuh mit der massiven Stahlpanzerung darunter zu knarren begann.
Das Funkgerät knackte wieder und Lone Demon schaltete sich zu.
"Yakuza. Deine Hand. Sie zuckt."
Erst jetzt reagierte der junge Kampfexperte merklich und sein Blick starrte herunter zu dem Gliedmaß, dass unregelmäßig und scheinbar auch unkontrollierbar zu zucken begann, die Faust sich immer wieder öffnete und schloss.
Trotz der wirklich hitzigen Situation fand Chiyoi noch immer die Gelassenheit, die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen und aufzustöhnen, als sie jenes sah.
"Oh nein... nicht schon wieder, oder?"
Lone wand sich an sie.
"Ich fürchte schon. Lass ihn einfach. Wir können eh nichts dagegen tun. Solange du ihm nicht im Weg stehst, brauchst du dir auch keine Gedanken machen."
"Und wenn er... tötet?"
"Keine Angst, ich werde mich schon drum' kümmern.", beschwichtigte sie Lone, der diesmal sogar recht amüsiert klang und sich auch sogleich Yakuza zuwand.
"Heh. Wie lange willst du noch da rumstehen. Ich kann doch von hier aus sehen, dass du's kaum noch im Griff hast. Leg halt los.", forderte er den Sicherheitschef schon beinahe auf.
"Tche! Du weißt, ich hasse es, wenn das passiert! Ich kann nichts dagegen tun, es überkommt mich jedes mal, wenn einer von uns in der Scheiße steckt!"
"Na und? Das ist jetzt nicht unser Problem, Yakuza! Lauf schon los! Ich geh jetzt auch rein. Der Wechselzyklus der Wachposten ist gleich um, das ist meine Chance. Chiyoi, du bleibst erst mal da und wartest auf NTL."
Zwar war dies keine direkte Order doch Chiyoi hielt sich an den wohlgemeinten Rat. Zumal sie auch nicht wirklich in der Nähe sein wollte, wenn Lone sich gleich ins Getümmel stürzte und wenn... wenn ES gleich in Yakuza ausbrach.
"Ok, ich bin dann weg. Seid nicht zu hart, ja?"
Obwohl Yakuza der einzige in ihrer Umgebung war, an den sie diese Worte hätte richten können, konnte dieser sie schon gar nicht mehr wahrnehmen. Er hatte die Augen geschlossen und versuchte gleichmäßig zu atmen, was in Chiyois Ohren aber eher wie ein unterdrücktes Schnaufen klang. Es gruselte sie jedes Mal, wenn das geschah. Sie hatte es bisher drei oder vier Mal erlebt und immer wieder empfand sie es auf eine Art beunruhigend - auch wenn niemals ein AnFler sich deswegen Sorgen zu machen brauchte - und auf die andere Art faszinierend.
Yakuza war ein von sich und seiner Aufgabe absolut überzeugter Mensch. Diese Überzeugung ging soweit, dass sie Teil seines Lebens, seines Daseins geworden war und wann immer einer seiner Freunde oder Kameraden in erhebliche Gefahr geriet, packte den Sicherheitschef eine unbändige Wut, die er zwar im Zaum hielt, wenn sie einmal ausbrach, die ihn andererseits aber auch zu unglaublicher Brutalität hinriss und zu einem Vergnügen, seinen Feinden Agonie zu bereiten.
Fast schlagartig veränderte sich der bis eben noch fast meditativ gewesene Gesichtsausdruck Yakuzas'. Seine Lippen verzerrten sich zu einem breiten Grinsen, als er seine Augen aufriss und die darin befindlichen Pupillen fast auf Stecknadelkopf-Größe zusammenschrumpften. Dann stieß er einen zornigen Schrei aus.
Ohne ein weiteres Wort sprintete er los, durch den erkalteten Staub der Steppe. Das Lager seiner Gegner befand sich noch einige hundert Meter vor ihm, doch die Distanz schien ihm nichts auszumachen und auch nicht an seinen Reserven zu nagen, so fegte er über den Wüstensand.
***
"Au...au...au.....uaaaahhh...."
Jim keuchte aus Leibeskräften und sein gesamter Körper - besonders stark seine Hände - zitterten. In den letzten Stunden hatte sich sein Zustand stark verschlechtert. Sein Körper wies überall böse Schnittwunden auf, aus denen blutige Zungen hervortraten, er war entkräftet und am schlimmsten ging es seinen Händen.
Inzwischen hatte der junge Söldner herausgefunden, was hier vor sich ging. Zumindest glaubte er das. Kujo schien einen eigenen Willen zu haben, so viel stand wohl fest. Es war tatsächlich das Schwert, vor dem er sich hatte hüten sollen, eine wahrhaft teuflische Klinge. Denn dieser Waffe gelüstete es nur nach einem - Blut. Das war auch die Erklärung dafür, dass nichts von dem roten Lebenssaft an ihm haften blieb. Das Schwert saugte es einfach auf, "trank es", sozusagen. Und es musste wohl wirklich lange nichts mehr bekommen haben, denn es war wild auf Jim und attackierte ihn auf mysteriöse Weise immer noch schwebend aus der Luft.
Um zu verhindert, restlos zerstückelt zu werden, hatte sich Jim zur Gegenwehr entschlossen. Nun ergab die ganze Prüfung auch einen Sinn. Er musste einfach nur überleben! Wenn er gegen Kujo scheiterte, dann war klar, dass er hier den Tod fand. Wenn er siegte - was nach seiner eigenen Einschätzung noch in den Sternen stand - war er wohl der beste Agent, den es auf der Welt gab. Und er war bereit für AnF!
"Sch...Scheiß-Schwert!", knurrte Jim, dabei seinen Griff um Gouka festigend.
Das Feuerschwert war seine einzige effektive Verteidigung. Er verbrannte sich natürlich die Hände, wenn er es führte, doch was hatte er denn für eine Wahl? Mit schlimmen Fingern konnte er leben - ohne seinen Kopf eher nicht. Zwar schmerzten seine Handflächen furchtbar und die Hautoberfläche löste sich bereits ab oder schlug schlimme Blasen, doch ein Gutes hatte die Sache - Gouka war ab einem bestimmten Punkt nicht mehr heißer geworden und Jim hatte sich allmählich daran gewöhnt, es zu führen. Er bildete sich sogar ein, die Waffe kühle sich langsam wieder ab. Allerdings konnten seine Hände auch schon völlig betäubt sein, sodass dies nur Einbildung war.
Kujo attackierte ihn ein weiteres Mal, es raste blitzschnell auf ihn zu, doch statt einen Stich auszuführen, raste es kurz vor Jim in die Höhe. Von dort oben schlug es senkrecht herab und versuchte, dem Söldner den Schädel zu spalten. Jim parierte geschickt, indem er seinerseits den Arm hochriss und es mit Gouka wegschlug. Er hatte wieder Zeit geschunden. Inzwischen hatte sich der Angriffzyklus Kujos verändert, es attackierte heftiger und häufiger, teilweise chaotisch und ohne festgelegtes Ziel - so als wäre es tatsächlich ein Lebewesen, dass vor Verzweiflung angriff, da es sich dem Hungerstod nahe sah.
Schon folgte der nächste Angriff, diesmal schlug das Schwert einen seitlichen Hieb auf Jims Kniehöhe, jener sprang aber hoch und lies seinerseits Gouka auf den Boden sausen - er verfehlte leider Kujo, doch zufällig entdeckte er die eigentliche Stärke seines Schwertes, das seine Hitze nicht nur im Griff zu bündeln schien: Goukas Klinge berührte mit einem dumpfen Krachen den stählernen Boden und sofort flammten Funken auf, kurz darauf war die Klinge in Flammen gehüllt, die tatsächlich auch erhalten blieben.
"Wow... wenigstens bist du dafür gut...", entschloss sich Jim seine Waffe zu loben, auch wenn er eigentlich nicht in der Verfassung dazu war.
Das flammende Schwert aufgerichtet und dadurch in seinem Bemühungen gestärkt, Kujo in seine Schranken zu verweisen, stürmte Jim mit einem Aufschrei nach vorne. Er traktierte die mystische Waffe immer wieder mit Schlägen, drängte das Schwert zurück und schleuderte es schließlich mit einem kräftigen Hieb gegen die hinterste Wand, wo es mit einem metallischen Klirren an jener abprallte und zu Boden fiel, wo es zunächst liegen blieb - so, als hätte man einen Menschen bewusstlos geschlagen.
"Endlich... endlich ist der Spuk vorbei..."
Der blonde Streetfighter lies sich rücklings auf sein Hinterteil fallen und stützte sich etwas unbeholfen ab, da er kaum noch Kontrolle über seine Handlungen hatte. Die Erschöpfung war zu groß, nicht nur das ständige Kämpfen mit dem Schwert war schwer, allein das geformte Metall so lange in den Händen zu halten, machte sich in Muskelkrämpfen in seinen Armen bemerkbar.
Jim streckte alle Viere von sich und schloss einen Moment lang die Augen, um tief durchzuatmen. Einer alarmierenden Eingebung folgend, riss er sie aber gleich wieder auf und seine Pupillen weiteten sich, als die furchtbare Vermutung Wirklichkeit wurde - Kujo schwebte wieder über ihm, die Klinge zu Boden gerichtet und bereit, Jim zu durchbohren...
***
In einer für Menschen nahezu surrealen Position kauerte Lone Demon mit dem Kopf schräg nach unten an der Wand. Seine Gliedmaßen waren abgespreizt und hätte er nicht nur vier davon sondern insgesamt acht, hätte er ausgesehen wie eine gigantische schwarze Witwe.
Ja, so tödlich wie jene Spezies war er für seine Opfer auch. Dank seinem High-Tech-Anzug, der aus einer Spezialfaser gefertigt war, die Lichtstrahlen brach, war er nahezu unsichtbar. Zudem bediente er sich spezieller Hand- und Fußkrallen, die er aus schmalen Halterungen an Armen und Beinen nach Belieben ausfahren konnte und so einem Insekt gleich, Decken und Wände in jeder erdenklichen Position erklimmen konnte. Hinzu kam noch sein außerordentliches Talent in den Shinobi-Künsten, die er schon sehr lange trainierte. Er konnte sich absolut lautlos bewegen, war elegant und akrobatisch und was ihm an Kraft und Tempo fehlen mochte, machte er an Genialität im Umgang mit Nahkampf- oder Distanzkampf-Waffen wett.
Die Folge von alledem war, dass ihn die feindlichen Rebellen noch immer nicht entdeckt hatten, als er im Schatten der hintersten Ecke des kleinen Bunkers durch eine Dachluke eingedrungen war. Lone konnte sich klein machen, wenn er wollte und passte so geschickt durch jede Ritze, sofern sie nicht größer war, als es seine Hüfte breit war. Routiniert in seiner Arbeit als AnF's Spitzenspion suchte er den Raum mit seinen Augen ab, versuchte sich Details einzuprägen und Besonderheiten zu analysieren. Seine Gegenspieler waren in ein hektisches Gespräch vertieft, sie redeten schnell und wüst durcheinander doch es ging vermutlich um die Ankunft des AnF-Corps, was freilich ein Grund für Panik war.
Im Inneren des Raumes befanden sich jede Menge Kisten und Fässer mit Vorräten aber auch Waffen und Munition wurde hier gelagert und von bewaffneten Männern bewacht, die etwas entfernt von Lone Demon standen und ihm den Rücken zugewandt hatten. Auch die Personen, die miteinander im Streit lagen, waren bewaffnet, allerdings nur mit jeweils einer kleinkalibrigen Schusswaffe und höchstens noch einem Kampfmesser, wie der Ninja hinzuspekulierte.
Das Überraschungsmoment stand auf seiner Seite, er hätte schon jederzeit angreifen können, doch Lone Demon wusste auch, das Geduld einer der wichtigsten Faktoren eines Attentäters und Spions war. So übte er sich auch in jener und wartete auf einen geeigneten Zeitpunkt. Dieser schien nach einigen Minuten gekommen zu sein, in denen er absolut regungslos an der Wand verharrt hatte, wie ein Chamäleon. Die Sprechenden schienen fertig zu sein und wollten sich wohl soeben für einen möglichen, bevorstehenden Kampf rüsten, achteten nicht auf ihre Umgebung - und boten somit die Ideale Chance für Lone Demon. Dieser lies seine Hand blitzschnell in eine seiner Hüfttaschen an seinem Funktionsgürtel gleiten und zog dort zwei Shuriken, spezielle Wurfsterne aus besonders hartem Stahl, hervor, die er in Richtung seiner Gegner warf.
Wie er erwartet hatte, gelang es einem gleich gar nicht, auszuweichen und er erhielt einen direkten Treffer in den Kopf, der ihn augenblicklich tötete. Der zweite Rebell hatte mehr Glück und konnte ausweichen, indem er seinen Kopf zur Seite riss und einen Schritt nach Links machte. Doch aus dies war längst einkalkuliert. Noch eher er seinen Schritt beendet und den Fuß auf den Boden gesetzt hatte, traf ihn ein schwarzes Stahlgewicht aus vollem Schwung an der Kehle und lies den Fremden röchelnd zusammenbrechen.
Lone zog die Kette wieder zurück und lies sie samt dem daran befestigten Kettengewicht in seiner Kurbeltasche verschwinden, wo die Waffe üblicherweise aufgerollt war. Präzise und korrekt wie alles ausgeführt war, hatte die erste Attacke kaum länger als zwei Sekunden gedauert, dennoch aber die Wachen aufgescheucht, die sofort auf die Opfer zueilten.
Diese ausgebildeten Männer schienen aber mehr Kampferfahrung zu haben und sondierten die Umgebung, während sie sich den beiden Leichnamen näherten. Ein weiterer Überraschungsangriff aus der Ferne war damit nicht möglich. So musste sich Lone also im Nahkampf schlagen.
Geräuschlos sprang er von der Wand ab, dabei die höchst angespannten und verunsicherten Gesichter der Wachmänner immer im Visier und landete auf allen vieren - ebenso lautlos. Dann drückte er sich kräftig mit den Füßen ab und rannte in gebückter Haltung auf seine Feinde zu. Der Boden war uneben und steinig, sodass diesmal nicht alles so leise ablief, wie man es von dem Shinobi gewöhnt war. Seine Feinde konnten nun hören, dass ein Angriff auf sie zusteuerte doch - wie bei den meisten Menschen - verließen sie sich zu sehr auf ihre Augen anstatt auf Sinne wie Gehör oder einfach nur das besondere Gespür und die Vorahnung.
Es war also nicht verwunderlich, dass auch diese Attacke glücken sollte. Ein unerwarteter Fakt trat zwar ein, der zweite Wachposten machte einen Satz nach hinten und entzog sich so vorerst Lone Demons Reichweite, doch das machte nichts. Ihn würde der Spion im Anschluss erledigen. Zuerst war Wache Nummer eins an der Reihe. Auf dem letzten Meter überkreuzte Lone Demon seine Hände und lies sie in den jeweils gegenüber liegenden Halftern verschwinden, in denen zwei Koudachis aufbewahrt wurden. Die zwei Kurzwaffen waren vor Lones Körper mit einer Kette verbunden, also schleuderte der Schattenkämpfer eine Waffe senkrecht nach unten, als er geduckt vor dem Wachposten auftauchte, welcher seinen Gegner noch nicht gesehen hatte. Das Schwert des Ninja durchbohrte den Fuß des Mannes, welcher laut und schmerzlich aufschrie und am Boden festgenagelt war.
Doch der Spion war nicht untätig geblieben, hatte sich sofort nach dieser Ouvertüre vom Boden abgedrückt, war gegen einen der umstehenden Kistenstapel gesprungen und hatte sich hinter sein Opfer befördert, ihm die Kette um den Hals gewickelt - und jenen mit einem kräftigen Ruck gebrochen.
Der Anschlag war abermals schnell und effektiv vollführt doch der letzte lebende in diesem Raum hatte nun wohl zumindest Lones Schatten und dessen Vorgehensweise bemerkt. Und sein Blick war genau auf den Shinobi gerichtet, der nun hinter seinem dritten Opfer stand und kein Überraschungsmoment mehr auf seiner Seite hatte. Doch das war irrelevant.
"Du hast mich also gesehen."
Zum ersten Mal sprach der Jonin nun, etwas, was er sonst nur tat, wenn er sich seiner Sache sicher war und keiner seiner Gegner den Raum lebend verlassen würde.
"Doch das wird dir nichts mehr helfen. Du weißt es, ich weiß es. Wirf deine Waffen fort und ich lasse dich leben!", zeigte sich Lone gnädig. Zwar war er von dieser Moral nicht überzeugt doch er musste AnFs Absichten wahren, wenn er bei seinem Einsatzbericht nicht wieder unangenehmen Fragereien am Hals haben wollte.
Mit einer kräftigen Bewegung des Handgelenks riss er das zweite Kettenschwert aus dem Boden uns lies es in seiner Hand landen, damit beide Waffen wieder einsatzbereit waren. Als nächstes fixierten seine Augen das Gesicht des noch recht jungen Soldaten. Dessen Pupillen fanden kein rechtest Ziel, irrten nervös umher. Ihm stand auch der Angstschweiß auf der Stirn und seine Atmung wirkte hektisch. Der Kerl war sogar noch ziemlich jung. Er musste kaum die Volljährigkeit erreicht haben.
"Sag, schickt der Widerstand jetzt schon Kinder in den Kampf?", fragte der Shinobi ruhig, womit er die emotionale Reaktion seines Gegenübers nur noch verstärkte. Der Wachmann umklammerte sein automatisches Gewehr und richtete den Lauf in Lones Richtung, dabei konnte er ein Zittern nicht unterdrücken.
"Hast du jemals einen Menschen erschossen? Es gibt nur einen Weg. Aufgeben oder Sterben. Wofür entscheidest du dich?"
"...niemand stirbt hier, niemand, niemand....", wisperte er wirr.
"Was?", fragte Lone, obwohl er genau verstanden hatte.
"NIEMAND STIRBT HIER, VERSTANDEN?! UND JETZT PFOTEN HOCH!!!"
"Tzzt..." Der Shinobi machte sich bereit, einer Kugelsalve ausweichen zu müssen, was selbst ihn an seine Grenzen bringen würde, doch so nervös wie sein Opfer war, hatte er vielleicht eine Chance. Doch dazu kam es nicht mehr.
Erschrocken und mit einem gellenden Schrei fuhr der Wachmann herum, als die Stahltür hinter ihm mit Getöse aus ihren Angeln barst. Er feuerte noch eine kurze Salve in den massiven Stahl, dann begrub ihn die große Pforte unter sich und schlug ihn ohnmächtig.
"Du?!"
Yakuza trat ein, ungeachtet dessen, was er da gerade angerichtet hatte. Sein Blick suchte nur den Raum nach neuen Zielen ab, doch auch sein Auge konnte Lone nicht in dessen Anzug erkennen, lediglich seine Stimme registrierte er, als er über die eingetretene Tür und somit über den jungen Wachmann marschierte.
"Lone? Bist du hier?"
"Ja."
"Dann komm mit, es gibt noch mehr zu erledigen!"
Damit sprach der junge Kampfkünstler keineswegs Arbeitsgänge an, die zu erledigen waren sondern Personen, die er liquidieren wollte. Yakuza lachte auf und machte wieder kehrt, als er den Raum für leer befunden hatte. Mit einigen kurzen aber weiten Sprüngen war er ebenso schnell gegangen, wie er erschienen war und als Lone ihm folgen wollte, erkannte er draußen im Freien, dass sein Partner schon fast hundert Meter von ihm entfernt war. Offenbar hatte es Yakuza eilig.
"Beserker...", murmelte der stilvolle Schattenkrieger kopfschüttelnd und eilte dann hinterher.
***
Jims Körper war taub, einzelne Schmerzherde konnte er gar nicht mehr ausmachen, lediglich ein einheitliches, dumpfes Pulsieren seines Körpers, das ihm abwechselnd kalte und heiße Schauer durch seine Blutbahnen jagte.
Sein Geist allerdings raste, versuchte, den zertrümmerten Körper zu einer Bewegung zu zwingen. Der Überlebensinstinkt aus Urzeiten bekam nun die Oberhand und Jim verspürte das zweite Gefühl, das jedem vernunftbegabten Lebewesen und nahezu jedem Tier innewohnte. Nicht Angriffslust - sondern Angst.
"Nein... verflucht!"
*Ich will noch nicht sterben! Nicht hier, nicht jetzt! Und erst recht nicht für so wenig!!*
Gleichwohl Jim diese Worte nur gedacht hatte, schien Kujo sie als letzten Kommentar gewertet zu haben und fuhr nun auf Jim nieder, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Was blitzschnell vonstatten ging, kam dem Ausnahmekämpfer wie eine Ewigkeit vor. Gouka lag zu weit entfernt, um es in die Hand zu bekommen. Trotzdem streckte Jim fordernd seine Finger nach der Waffe aus, so als würde er sie rufen.
Mit einem schmatzenden Geräusch drang der blanke Stahl der Waffe in Jims weiche Haut ein und Kujo spießte sich in die Bauchdecke des jungen Mannes, der vor Schmerz aufschrie, als sich das magische Schwert wenige Zentimeter in seine Organe bohrte, seinen Blutdurst stillend. Bevor die Verletzungen aber tödliche Ausmaße annehmen konnten, spürte Jim eine feste Substanz in seiner förmlich flehenden Hand. Es fühlte sich an wie... Stahl!
Jim öffnete die vor Pein zusammengekniffenen Augen und traute ihnen dennoch nicht - Gouka lag bereit in der Handfläche. Wie es dorthin gekommen war, spielte schon gar keine Rolle mehr. Der Blick des Straßenkämpfers verfinsterte sich und das Schwert gehorchte dem Willen seines Meisters, indem seine Klinge entflammte. Trotz des starken Brennens und inzwischen hohen Blutverlustes schwang er Gouka in Kujos Richtung und riss es somit durch einen Hieb gewaltsam aus der Wunde, was Jim sogleich wieder einen Schrei abrang. Mit letzter Kraft erhob er sich und presste seine freie Hand auf die tiefe Wunde an seinem Bauch.
Kujo schien sich nicht ausreichend genährt zu haben, um sich bewegen zu können. So lag es still auf dem Boden und Jim setzte seinen massiven Lederstiefel auf die Schneide der Waffe und blickte sie hasserfüllt an. Dies war wirklich eine Teufelswaffe!
Die Erfahrung, die er bisher mit Gouka gesammelt hatte, schien ihm nun auf seltsame Weise die Augen geöffnet zu haben.
"Du bist also eine Waffe, die sich nicht besiegen lässt. Man kann dich nicht zähmen, so wie Gouka."
Vorsichtig legte Jim das Feuerschwert in seinen Handteller und trieb mit der Schneide eine Kerbe in sein Fleisch. Das daraus hervortretende Blut lies er hinunter auf Kujo tropfen, welches den roten Saft gierig aufsog und nichts davon übrig lies.
"Wenn ich dich also nicht bezwingen kann, schlage ich dir einen Pakt vor. Solange du mir dienst, bekommst du so viel Blut, wie du brauchst, um deinen Durst zu stillen. Dafür wirst du mir und NUR mir gehorchen."
Jim bückte sich und umfasste die blanke Klinge Kujos mit seiner bereits aufgeschnittenen Handfläche, presste den scharfen Stahl in die offene Wunde und fühlte das wahnsinnige Brennen in sich, als das teuflische Katana sich an ihm labte.
"Ist das ein Angebot, du scheußliches Ding? Ist das ein Angebot?!"
Im selben Moment, in dem Jims Worte seinen Mund verlassen hatten, färbte sich der blanke Stahl rot vor lauter darüber fließendem Blutes. Kujo hatte aufgehört zu trinken und scheinbar die Bedingungen des ausgebildeten Söldners akzeptiert.
"Na... na also...geht.... doch...."
Damit brach er zusammen und wurde entgültig bewusstlos.
Norton, der an seinem Schreibtisch saß lächelte zufrieden in den Bildschirm vor ihm und schlug die Beine übereinander. Dann betätigte er einen Knopf an seiner Sprechanlage.
"Hallo, Medizinalbereich? Schicken Sie doch bitte ein Rettungsteam in den Nordflügel, Omega-Distrikt. Jawohl. Kümmern Sie sich um Mr. Jim."
Dann drehte er sich auf seinem Bürostuhl um und faltete glücklich die Hände, während die Bildübertragung auf dem Bildschirm abbrach und das Bild von Jim, der blutend am Boden lag, erlosch.
"Ausgezeichnet. Wir haben einen guten Fang gemacht. Einen wirklich guten Fang... hehehe...hahahahaha...."
***
Lone Demon war einen kleinen Umweg gegangen, um Yakuza zu folgen, der bei seinem Vormarsch bisher nicht hatte aufgehalten werden können. So hatte es zwar länger gedauert, den rasenden Sicherheitschef einzuholen, doch nun war abermals das Überraschungsmoment auf Seiten des Jonin.
Weder seine eigentlichen Feinde noch Yakuza bemerkten ihm im Schatten einer Gebäudeseite, vor dem sich einige Wachmänner und Widerständler aufhielten und dank Yakuzas Raserei nun in einen ungleichen Nahkampf verwickelt waren. Auf diese Distanz zu feuern wagte sich keiner, da einer der eigenen Landsmänner hätte getroffen werden können und so hatten sechs kräftige, erprobte Söldner versucht, sich Yakuzas anzunehmen und diesen auszuschalten, indem sie Schlag- und Stichwaffen oder ihre Kampfausbildung gegen ihn verwandten.
Nichts davon hatte bisher Wirkung gezeigt. Selbstverständlich gelang es Yakuza bei sechs Gegnern gleichzeitig nicht immer, jedem Angriff auszuweichen und so wies sein Gesicht bereits einige Schrammen und blaue Flecken auf und seine Arme und der Brustkorb waren mit leichten Stichwunden oder Schnitten versehen. Nichts desto trotz schien das den Kampfkunstmeister keineswegs zu bremsen, im Gegenteil. Seine Freude, diesem Gemetzel ein neues Niveau zu verleihen war ausreichend, um seine Kampfkraft weiter in die Höhe zu pushen und so packte er gerade mit höhnischem Gelächter einen der Angreifer, der vor hatte, ihm sein Kampfmesser in den Schädel zu rammen, rechtzeitig am Arm und brach diesen, indem er die Handfläche nach oben drehte um das Ellbogengelenk dann auf seiner Schulter zu zertrümmern.
Der Wachmann schrie furchtbar auf, bevor Yakuza ihn einfach über seinen Rücken warf und einige Meter weiter hinten in den Staub beförderte.
"Kommt schon, ihr Schlappschwänze!!!"
Ein weiterer Angriff der inzwischen recht demoralisierten Wachleute erfolgte, die verzweifelt versuchten, mit Schlägen und Tritten einen Wirkungstreffer zu erzielen - vergeblich. Entweder erahnte Yakuza bereits, was sie vorhatten und entschärfte den Angriff im Vorfeld oder es gelang ihm dank seines Tempos, alles zu blocken oder er steckte einfach ein, ohne sonderlich Reaktion zu zeigen.
Diesmal entging ihm aber ein Anschlag, denn inmitten des Tumultes hatte sich einer der Angreifer hinter Yakuza positioniert und ging von dort mit einem stählernen Schlagstock auf ihn los. Der Treffer war auf der Schulter platziert und Yakuza knurrte schmerzlich, da er nun das erste Mal einen herberen Streich einstecken musste.
"Du Arschloch!!!", brüllte er seinen Opponenten an, der versäumt hatte, seine Waffe zurückzuziehen. Yakuza entriss sie ihm ohne sonderliche Mühen und schleuderte sie einem anderen entgegen, der daraufhin seinen Angriff abblasen und ausweichen musste. Dann machte der kampferprobte AnF-Offizier einen Satz nach vorne und umfasste von hinten den stabilen Integralhelm, den der Rebell trug, um sich zu schützen. Mit der anderen Faust holte Yakuza weit nach hinten aus, dann rauschte sie nach vorne.
"Fahr zur Hölle!!!"
Mit einem Krachen durchschlug Yakuzas Arm das Visier des Helmes, aus dessen Spalt mit einem Mal jede Menge Blut spritzte, bevor der Sicherheitsoffizier seinen Arm wieder zurückzog und der Angreifer besinnungslos zu Boden fiel.
Lone Demon, der bisher alles nur überwacht hatte, zuckte bei diesem Treffer ungewollt zusammen. Das musste sicher weh getan haben. In diesem Zustand war Yakuza nichts weiter als eine kraftstrotzende, übermenschlich schnelle Kampfmaschine. Er verhielt sich deshalb nicht dumm oder unüberlegt, aber er nahm andere Dinge als seine Gegner kaum wahr. Lediglich eine Person die er mit AnF in Verbindung brachte, war ungefährdet. Nun, jedenfalls schätze Lone Demon, dass der Wachmann zwar noch am Leben war, doch sowohl sein Kiefer als auch sein Nasenbein dürften sich um vielleicht einen oder zwei Zentimeter nach hinten verschoben haben.
Blut troff von Yakuzas Arm, als er sich auf seinen nächsten Gegner stürzte. Noch bevor dieser seine Deckung ausreichend platzieren konnte, grub sich die Faust des schwarzhaarigen Kampfkünstlers gnadenlos in die Magengegend seines Gegenübers und beförderte dessen Inhalt ans Tageslicht. Ebenso schnell wie die Attacke erfolgt war, hatte sich Yakuza mit einem eleganten Vorwärtssalto über den gekrümmten Mann gebracht und während der Drehung dessen Kopf gepackt.
Am Ende dieser Einlage befand sich Yakuza wieder auf den Beinen, hatte seinen Gegner aber am Kopf in die Luft gerissen und schleuderte ihn nun wie ein Spielzeug in Richtung des Gebäudes, vor dem der Kampf tobte. Damit wäre fast Lone Demons Position aufgeflogen, doch der erfahrene Shinobi hatte sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht, bevor der Körper an der Stelle gegen die Mauerwand prallte, an der er sich zuvor befunden hatte.
"Zeit, das Ganze zu beenden.", murmelte Lone vor sich hin. Was Yakuza selbst nicht mehr wahrnahm, entging ihm nicht. Vielleicht mochte der Geist des Kampfkünstlers dessen Körper überwunden haben, sodass er weder Schmerz noch Erschöpfung spürte, dennoch war sein Organismus nach wie vor der gleiche und allmählich geriet er an seine Grenzen. Zwar fand Yakuza noch die Kraft wüst herumzuschreien und zu lachen, doch sein Atem ging schwer und rasselnd, sein Körper erbebte und er verlor zusehendst Blut.
Bisher hatte es auf Seiten von AnF keine Opfer zu beklagen gegeben. Der Spion wollte, dass es auch dabei blieb. So fasste er auf seinen Rücken und zog dort unter dem elastischen Anzug ein schmales, schwarz lackiertes Edelstahlblassrohr hervor. Winzige Giftpfeile befanden sich in einem Behälter an seiner Waffentasche und er zog einen hervor, der Yakuza vorerst betäuben würde. Lone Demon entschied sich für die doppelte Dosis, das der Organismus seines Kollegen schon längst den eines gewöhnlichen Menschen übertraf und er von einem einzigen Giftpfeil höchstens etwas langsamer aber keinesfalls ohnmächtig wurde.
Lone lud seine Waffe und visierte mit stoischer Ruhe einen bestimmten Punkt an Yakuzas Hals an, von dem aus sich die Dosis wohl am schnellsten im Körper verteilen würde. Er brauchte einige Sekunden, bevor der geeignete Moment gekommen war, das sich der Sicherheitschef noch immer bewegte und inzwischen auch die letzten Hindernisse in Menschengestalt überwältigte.
"Schlaf gut!", murmelte Lone Demon für sich selbst, dann beförderte er das Giftgeschoss mit einem kräftigen Atemstoß durch das Rohr und das federleichte Projektil erwischte Yakuza genau an der richtigen Stelle. Dieser brauchte einen Sekundenbruchteil, ehe er überhaupt realisierte, was gerade vorgefallen war. Etwas verwirrt sah er sich um, konnte aber die Quelle des Angriffes nicht ausmachen. Dann riss er den Giftpfeil knurrend aus seinem Hals und betrachtete die schmale Kanüle. Das dort eingestanzte Emblem lies ihn erkennen, was geschehen war und brachte ihn allmählich wieder auf den Boden der Tatsachen.
"Ein AnF-Projektil, eh?"
Für einen kurzen Moment schwappte eine krampfartige Eruption über Yakuzas Körper, in der er heftig zu zittern begann und seinen Kopf kurz zu Boden richtete - nur um ihn dann wieder nach oben zu reißen und einen zornigen Schrei auszustoßen.
"Looooone!!! Du verdammter Idiot, was soll das?!"
"Du musst nicht so brüllen, ich höre dich gut."
Yakuza wirbelte herum, denn er machte die Stimme, in der ein gewisser zynischer Unterton mitschwang, genau hinter sich aus. Der Shinobi zog die Maske seines Stealth-Anzuges herunter, sodass wenigstens sein Gesicht für Yakuza sichtbar wurde, auch wenn dieser wohl bereits Wahrnehmungsstörungen haben musste.
"Wasollte..d..as?", nuschelte der Sicherheitsbeamte, der sich nur noch wankend aber mit gewisser Hartnäckigkeit auf den Beinen hielt und dessen Lippen und Augenlider gegen die narkotische, gnadenlose Wirkung des Giftes ankämpften.
"Ich...mach...dich...fert..."
"Das tust du nicht. Im Augenblick könnte dich sogar ein Kleinkind verprügeln, also hör zu, bevor du gleich einschläfst. Dein Zustand wäre kritisch geworden, also musste ich eingreifen. Nimm's mir nicht übel aber es ist besser so für dich."
"Wir...sprechen uns...noch..."
"Schon gut."
Mit einem dumpfen Donnern stürzte der Kampfkünstler rücklings ungebremst in den Staub, wo ihn Lone Demon aufhob und über seine Schulter warf.
"Damit wäre wohl alles erledigt. Scheinbar ist hier niemand mehr."
Das Geräusch eines Sprengkopfes, der aus dem Lauf einer Panzerfaust austrat kam dann der vernichtenden, entgültigen Verneinung von Lones Feststellung gleich.
"Grrrrh!!"
Die Pupillen des Shinobis weiteten sich, als er Yakuza fest packte und sich dann durch einen kräftigen Sprung möglichst weit aus dem Wirkungsradius des Explosivgeschosses brachte. Er stürzte mit zusammengekniffenen Augen in den staubigen Boden, als etwas weiter entfernt die Detonation erfolgte und das Menschenbündel abermals fortschleuderte.
Die Hitzewelle und der Druck trieben Lone Tränen in die Augen und brannten selbst durch den stabilen Anzug auf seiner Haut. Mit einem Stöhnen krachte er mit Yakuza wieder auf den Untergrund und blieb dort vorerst regungslos und verkrampft liegen.
Sein Gehirn übermittelte aber sofort wieder die Information an seinen Körper, augenblicklich aufzustehen und von hier zu verschwinden. Doch als er sich aufgerappelt hatte, blickten die scharfen Augen des Jonin in die Mündungen von fünf Bazookas, die sich mit den zugehörigen Rebellen auf einem Felsvorsprung am oberen Ende der Canyonwand positioniert hatten.
"Verdammt! So ein Fehler..."
Der Gedanke war unschön, doch die Tatsache und den Ernst der Lage zu verdrängen, brachte ihm nichts. Lone Demon musste zugeben, dass er sich verrechnet hatte. Er hatte die Situation mangelhaft eingeschätzt und nun steckten er und Yakuza in Schwierigkeiten. Ernsthaften Schwierigkeiten.
"Weglaufen bringt nichts. Ein Gegenangriff ist auf so hohe Distanz nur mit schwereren Waffen möglich. Dafür fehlt mir aber die Vorbereitungszeit.... ich kann nur warten, bis einer feuert und dann versuchen, abzu-SCHEIßE!"
Der gelb-rote Blitz aus dem Lauf der Panzerfaust, lies Lones halblaute Überlegungen abrupt ersterben. Der Kerl da oben hatte einfach gefeuert! Nun musste der Ninja seine Beine so schnell bewegen, wie es ihm möglich war, denn der Sprengsatz raste schneller auf ihn zu, als vermutet.
Mit einem Hechtsprung in den Sand entging er nun der zweiten Explosion. Sofort richtete der Spion seinen Kopf auf und suchte den Felsrand nach weiteren Geschossen ab, die auf ihn zusteuerten. In weniger als einer zehntel Sekunde registrierten seine Augen und sein Gehirn drei weitere Projektile, die aber in unterschiedlich großen Abständen und zeitlich versetzt auf ihn zusteuerten. Ausweichen war jetzt unmöglich, er würde zwangsläufig irgendwie getroffen werden.
Mit aufgerissenen Augen und hilflos etwas zu unternehmen, sah er auf die grau lackierten Metallhülsen, in denen die tödliche Dosis Sprengstoff immer näher zu ihm transportiert wurde.
"Verdammt... das war's."
Ein gewaltiges Donnern und Heulen lies darauf schließen, dass die Kugeln ihr Ziel nicht verfehlt hatten, doch als der Ninja seine Augen öffnete und feststellte, dass er noch am Leben war, wurde klar, dass sich jemand eingemischt haben musste.
"Das ist... NTL!"
Lone saß nun auf dem Boden und im Schatten eines gigantischen Stahlkolosses mit Armen und Beinen. Das gesamte Erscheinungsbild der mobilen Kampfmaschine war imposant wie beängstigend, wenn man die dicke Kanone am rechten Unterarm des Stahltitanen beachtete, ebenso wie die Raketen die an Rücken und auf den Schultern angebracht waren.
"Und Chiyoi.", stellte er fest als sein Blick auf den hoch erhobenen linken Arm des etwa fünf Meter hohen Mechas fiel. Dort oben, gleich einer Herrscherin über ihr Ungeheuer, stand sie auf dem Schultersockel des Roboters und hielt sich an dem schmalen, kopfförmigen Cockpit fest, hinter dessen extra verstärkter Spezialglaspanzerung NTL saß und den Giganten steuerte.
Ein mechanisches Klacken und Knirschen ertönte zusammen mit Hydraulikgeräuschen, als sich ein neuer Sprengkopf in die Kanone des Mechas lud.
"Huhu, Lone! Alles in Ordnung?", rief die junge Frau zu ihm mit einer gewissen Euphorie herunter. Nun standen AnFs Chancen in diesem Konflikt wieder wesentlich besser und es war der Wissenschaftlerin auch nicht übel zu nehmen, dass sie Stolz und Freude über den Einsatz ihres Meisterwerkes empfand.
"Alles in Ordnung. Yakuza ist bewusstlos aber es geht ihm gut. Wurde Zeit, dass ihr kommt."
Mit einem Zischen öffnete sich das Cockpit und Nguyen Tran Loc lehnte sich so weit wie möglich heraus, um sich nach hinten umdrehen zu können.
"Tut mir leid. Es gab noch Probleme in der Testphase. Die sind aber behoben und alles ist unter Kontrolle."
"Gut. Dann kümmere dich mal lieber um die fünf Typen, die eben noch da oben standen. Die versuchen nämlich abzuhauen. Chiyoi, du passt bitte auf Yakuza auf. Ich geh noch mal das Terrain ab. Wenn wir keinen mehr finden, vernichten wir alles, was als Waffe oder Munition taugt."
NTL schloss das Kopfteil des Mechas wieder und lies dann Chiyoi auf den Erdboden hinab, wo sie sich Yakuza's annahm.
"Übrigens...", fügte Lone nach einer Sprechpause an und zog seine Maske wieder übers Gesicht, womit er erneut unsichtbar wurde.
"Was ist das für ein Ding?"
"Das? Das ist der 'Tornado 2000', meine neueste Kreation."
"Ich versteh nicht so viel von Technik wie du aber ich muss schon sagen... beeindruckend."
"Danke. Der Name ist Programm, glaub mir."
Mit einem Augenzwinkern beugte sie sich dann nach unten und drehte den bewusstlosen Sicherheitschef in eine bequemere Rückenlage, während Lone Demon lautlos davon lief und sich der Mecha mit wenigen Schritten in Bewegung setzte und dann dank seiner monströsen Kraft mit einem gigantischen Sprung auf dem Rand des Canyons landete.
Chiyoi verfolgte zuerst Nguyen Tran Locs Weg, dann sah sie den Fußabdrücken nach, die der Spion im Sand hinterlies.
"Bis nachher. Pass auf dich auf."
"Ist gut."
***
4 Wochen sind seit dem Einsatz in der Wüste verstrichen. AnF war erfolgreich bei der Ausmerzung der Widerstandszelle und in der Zentrale des globalen Konzerns kehrt mehr oder weniger wieder Ruhe ein. Doch die soll nicht allzu lange halten...
"Guten Morgen! Wie geht's Ihnen heute?"
Das freundliche Lächeln der jungen dunkelhaarigen Pflegerin heiterte Jims Gemüt ein wenig auf und er erwiderte die Geste der Frau.
"Danke, gut. Ich glaube, ich bin wieder völlig fit.", entgegnete er ihn und löste den Verband von seinen Unterarmen und anschließend von seiner Brust. Einen Moment begutachtete er seinen nackten Oberkörper und stellte dann zufrieden fest, dass seine Wunden nahezu restlos verheilt waren. Einige kleinere Narben blieben wohl doch er fühlte sich gut. Nein, sogar ausgezeichnet.
Die Erholung hatte dem ehemaligen Streetfighter gut getan und sowohl sein Geist als auch sein Körper waren rehabilitiert. Was hatte er sich doch mit Gouka und Kujo herumgequält und die ersten drei Tage nachdem er wieder aus seiner Ohnmacht erwacht war, waren recht qualvoll gewesen. Die Wunden und Prellungen brannten damals fürchterlich und ließen ihn des Nachts manchmal kein Auge zutun. Doch sein junger Körper hatte den Schmerz bald überwunden und nun war der Zeitpunkt gekommen. Der Zeitpunkt, all das was er durch diese Schmerzen erlernt und erfahren hatte, gegen den Feind einzusetzen.
"Entschuldigen Sie...", hielt er die Schwester auf, die eben Jims Zimmer verlassen wollte, "könnten Sie bitte Doktor Norton Bescheid geben? Ich möchte ihn gern sprechen."
"Selbstverständlich. Ich benachrichtige Sie dann."
"Danke."
Jim lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Seine Mission. Ja.... so richtig klar war ihm eigentlich noch gar nicht, was da auf ihn zukommen würde. Selbstverständlich hatte er von der weltweiten Machtübernahme von AnF gehört und die wenigen Aufzeichnungen und Studien über die Kampfstärke dieser Truppe und ihrer einzelnen Führungsmitglieder war erschreckend doch irgendwie.... irgendwie war er...
"Zu ruhig. Ich bin zu ruhig. Warum nur? Ich werde in wenigen Stunden den gefährlichsten Ort der Welt betreten, es mit den schlimmsten Gegnern zu tun bekommen, die sich ein Mensch vorstellen kann, soll das ganze verdammte System, das die sich da aufgebaut haben, hochgehen lassen und selbst meinen Arsch noch heil da rausbringen - und all das ganz allein."
Der junge blonde Mann legte sich die Handfläche über die Augen und schloss die Lider. Dann kicherte er.
"Ist doch verrück. Wie kann ich da so ruhig sein? Scheiße."
Es klopfte an der Tür und Jim wurde es seinen Gedanken gerissen. Sofort beschleunigte sein Herzschlag und die fast meditative Ruhe wich mit einem Mal aus seinen Gliedern. Dann vor der Tür stand Norton, das konnte er förmlich spüren.
"Herein."
Und tatsächlich betrat der etwas beleibte Wissenschaftler den Raum. Lächelnd schob er seine runde Brille hoch und trat an Jims Bett, der gerade seine Beine aus selbigem stellte.
"Wie ich sehe sind sie wieder genesen, Mr. Jim?"
"Ja.", entgegnete der angesprochene ohne aber in die Augen seines Gegenübers zu schauen.
"Sagen Sie mir nur, wann es losgeht. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht wissen."
"Das habe ich mir gedacht."
Norton atmete zufrieden aus und schloss dann die Augen. Er nahm die Brille ab und putzte sie an seinem frisch gewaschenen weißen Kittel.
"Wissen Sie..." fuhr er dann fort, "... eigentlich können Sie augenblicklich beginnen. Es steht schon alles für Ihren Einsatz bereit. Sie erhalten noch einige wichtige Instruktionen und Hinweise, der Rest ist Ihnen bekannt, beziehungsweise müssen Sie sich selbst um die notwendigen Infos kümmern."
"Dann bin ich ja beruhigt.", stellte Jim fest, auch wenn die Bemerkung eher sarkastischen Charakters war.
"Glauben Sie mir, wenn ich das sage - und ich sage das selten, Jim - wir haben vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten. Noch niemandem ist es gelungen die beiden Schwerter zu handhaben, weder Wissenschaftlern, noch Technikern, noch Militärs oder sonst irgendwem. Wenn Sie diese beiden Waffen bei der Hand haben, noch dazu unser Wissen und unsere Ausbildung... was kann denn da noch schief gehen?"
"Ich verstehe. Ihr Optimismus überrascht mich ein wenig aber vielleicht haben Sie recht, Mr. Norton. Sehen wir die Sache positiv."
"So soll es sein. Dann führe ich Sie nun zu Ihrer Ausrüstung und gebe Ihnen alles, was sie an Infos brauchen."
Jims Gesicht zierte ein fahles, leicht unsicheres Lächeln.
"Na dann. Heut ist ein guter Tag zum Sterben, oder so ähnlich?!"
Norton setzte seine geputzte Brille wieder auf und funkelte seinen Schützling an.
"Wollen wir es nicht hoffen."
Geduldig rührte Chiyoi mit ihrem Löffel durch den heißen Kaffee, dabei achtete sie bewusst darauf, dass der metallene Gegenstand nicht ein einziges Mal den Rand ihrer Porzellantasse berührte und somit ein störendes Geräusch erzeugte.
Ihr Blick war starr auf die Oberfläche des Heißgetränks gerichtet, die sich nun wieder zu glätten begann und ihre in Sorgenfalten gelegte obere Gesichtspartie reflektierte. Sie war im Stress.
Nicht, dass es sich bei diesem Zustand um etwas Neues handeln würde, inzwischen war die junge Frau daran gewöhnt, hart für AnF arbeiten zu müssen. Dafür wurde sie nicht nur exzellent bezahlt, sie hatte in der Regel auch Spaß daran. Doch angesichts der neuen Befehle von Jumpdevil wurde sie wieder einmal mit einer kaum einhaltbaren Deadline konfrontiert. Sie musste noch etliche Daten auswerten, Tests durchführen und - was wohl den Kern der ganzen Arbeit ausmachen würde - ihr neues "Meisterwerk" betriebs- und einsatzfertig machen. Die Pläne dazu lagen neben ihr auf dem großen Kantinentisch, den sie ganz für sich hatte und die sie eher beiläufig mit gelegentlichem Seufzen studierte.
Alle anderen Mitarbeiter die in ihrer Abteilung arbeiteten, hatten die Mittagspause längst hinter sich gebracht, lediglich die Leiterin des Wissenschaftsresorts hatte Überstunden geschoben. Das brachte Chiyoi dann immer in die angenehme Lage, die Stille dieses sonst so lärmlastigen Raumes ganz allein genießen zu können.
"Wie läuft's?"
Die Frage war halbwegs neutral mit einem gewissen freundlichen Unterton gestellt worden; nichts, was einen normalen Menschen erschrecken würde, doch Chiyoi zuckten trotzdem zusammen. Sie hatte das Klopfen an der Kantinentür einfach überhört und nicht bemerkt, wie Envinyatar eingetreten war.
"Du hier?", fragte die Wissenschaftlerin mit einer ernsthaften Verwunderung, da sich der Zweitchef von AnF so gut wie nie hier unten sehen lies.
"Ja, ich dachte ich schau mal, ob alles funktioniert.", entgegnete Envinyatar unbeschwert.
"Du hast zu arbeiten, wie ich sehe...", fügte sie noch an, als ihr Blick auf die Blaupausen und Konstruktionspläne auf dem Tisch fiel und so erübrigte sich eine Antwort Chiyoi's auf die erste Frage des Führungsmitgliedes. Sie nickte statt dessen nur.
"Mhm. Bin etwas im Stress. Das Ding muss in ein paar Stunden testbereit sein und dann kommt es ja auch schon zum Einsatz. Ich nehme an, du hast auch viel zu tun?"
An und für sich interessierte sich Chiyoi nicht wirklich dafür, was Envinyatar um die Ohren hatte, auch wenn sie es sich vorstellen konnte. Immerhin teilten sich Jumpdevil und ihre Stellvertreterin die Arbeit und Envinyatar war für die Organisation und Einsatzplanung sämtlicher AnF-Einsätze mitverantwortlich oder koordinierte sie sogar selbstständig. Dennoch fuhr Chiyoi damit fort, etwas Smalltalk zu inszenieren, niemand sollte ihr einmal vorhalten, nicht genug Kontakt zu den Führungsmitgliedern oder dem übrigen Personal zu pflegen; etwas, was sich negativ auf ihr Führungszeugnis auswirken könnte und zur Folge hatte, dass ihr ein anderer Führungsoffizier in der ungeschriebenen Hierarchie einmal den Rang ablief.
Nach der Beliebtheit bei Personal und den Militärtruppen - ja, auch dafür gab es bei AnF Statistiken - lagen noch im letzten Monat Envinyatar knapp vor Jumpdevil im Bereich der Angestellten und Yakuza auf selber Ebene mit Chiyoi bei den Führungstruppen. Dieser Fakt kam der jungen Frau in erster Linie deswegen zu gute, weil sie weiblich war. Das sie nebenher noch ausgezeichnete Arbeit ablieferte, war selbstverständlich auch von Nutzen, bei den vorwiegend männlichen Truppenmitgliedern aber eher sekundärer Natur. Yakuza war als Ausbilder generell beliebt, auch wenn er streng war und ihn eine geringe Anzahl von Militärs "fürchtete", weil er für die durchschnittlichen Soldaten einfach zu stark war. Bei Lone Demon verhielt es sich ähnlich, allerdings war es hier die Mehrheit, die den Spion und Ninja mied, weil er ihnen zu undurchsichtig und mysteriös erschien. Diese Tatsache bestätigte den passionierten Geheimwaffenkünstler allerdings in seinem Verhalten, weswegen ihm diese Umfragenergebnisse nicht sonderlich störten. Kenjin war im Umfragebogen meist gar nicht aufgeführt, nicht etwa, weil sie so unbeliebt war sondern weil - ausgenommen die Führungsmitglieder - kaum jemand etwas von ihr wusste. Sie bevorzugte es ohnehin, die meiste Zeit über allein zu sein und interessierte sich nicht sonderlich für derartige Dinge.
Nguyen Tran Loc lag in der Software- und EDV-Abteilung ganz vorn, auch wenn den Superhacker die "kleinen Leute" nicht sonderlich zu interessieren brauchten und es auch nicht taten. Er spielte in einer ganz anderen Liga und legte eigentlich keinen besonderen Wert darauf, ob die Mehrheit der AnF-Gefolgsleute nun hinter ihm stand oder nicht. Hauptsache, seine Arbeit war von hoher Qualität, effizient und er bekam die entsprechenden Vergütungen. Jumpdevil als Anführerin stand zwar nach der letzten Umfrage hinter Envinyatar aber dies lag eher daran, dass sie stets eine Menge zu tun hatte und ihr selbst die Zeit fehlte, Rundgänge zu tätigen oder sich nach dem Befinden der Truppen und Angestellten zu erkundigen, so wie es Envinyatar gerade tat.
"Ja, mir geht's da wie dir.", seufzte Envinyatar nun auf Chiyois Frage und riss die junge Technikerin wieder aus den Gedanken hoch, in die sie eben wieder abgedriftet war.
"Gibt noch eine Menge durchzuplanen. Die Führungsoffiziere, die für den Einsatz morgen vorgesehen sind, habe ich gerade informiert und zu einem Meeting um 16:00 Uhr berufen. Und jetzt bin ich bei dir, um dir das auch noch mitzuteilen." Sie zwinkerte aufmunternd, was Chiyoi ein seichtes Lächeln abrang.
"Ok. Ich trink nur noch aus und dann geh ich wieder an die Arbeit. Ich meld mich dann in zwei Stunden. Wo findet das Meeting statt?"
"Oben im 32. Stock. Raum 311!", rief Envinyatar zwischen den Türpfosten herein, da sie sich schon wieder im Gehen befand.
"Sei bitte pünktlich, du weißt ja, wie Jumpdevil ist..."
***
Jim atmete schwer. Die Luft, die ihm entgegenschlug war muffig, der Raum hatte wohl seit Ewigkeiten keinen Durchzug mehr bekommen. Nach einem kurzen Augenblick, kurz nachdem er eingetreten war und Dr. Norton die Tür hinter ihm verschlossen hatte, aktivierte sich eine düstere, rote Deckenbeleuchtung.
Puls und Herzschlag beschleunigten sich. Der junge Spezialagent in spe rief sich ins Gedächtnis, was der Professor ihm vor wenigen Minuten gesagt hatte.
"Na toll...", wisperte er mit leicht zittriger Stimme vor sich hin, obwohl ihn sowieso keiner hören konnte.
"Wie war das noch? 'Sie werden in diesem Raum einen Schwertständer finden, in dem sich zwei Waffen befinden werden. Eines davon besitzt einen roten Griff, das andere trägt ein Totenkopfemblem. Das erste heißt Gouka, das zweite Kujo. Eines können Sie führen, vor dem anderen müssen Sie sich hüten.'"
So zumindest lautete Nortons Erklärung zur Situation. Jim wusste weder, welches der beiden Schwerter nun das gefährlich war, vor dem er sich hüten musste, noch war ihm klar, welche Aufgabe ihm überhaupt bevorstand. Dazu hatte sich der dickliche Kittelträger ausgeschwiegen und Jim nur mit einem Lächeln bedacht.
"Dann wollen wir mal...", beruhigte sich Jim wieder und atmete tief durch. Dann trat er tiefer in den dunklen Raum. Es war rundherum nichts zu sehen. Keinerlei Einrichtungsgegenstände, die Wände bestanden aus blankem Stahl, sonst war er leer. Nun, beinahe. Endlich erblickte Jim den schwarzen Schwertständer, der schon einige Zeit unberührt dort stehen musste, denn eine leichte Staubschicht lagerte sich bereits auf ihm.
"Welches ist nun das richtige?", fragte er sich und dachte einen Sekundenbruchteil daran, einen Auszählreim zu wagen, verwarf diesen Gedanken aber augenblicklich wieder. Er würde es einfach spontan entscheiden.
Jim betrachtete die Klingen einen Moment, wie sie da in ihren Scheiden steckten. Bei genauerer Betrachtung erschien ihm das schwarze Schwert mit dem Totenkopfemblem wesentlich "gefährlicher" als jenes mit dem roten Griff. So entschied er sich für die rote Waffe und hob die Klinge aus dem kleinen Ebenholzständer. Fühlte sich eigentlich normal an.
Der erprobte Straßenkämpfer wog den Gegenstand in der Hand, wirbelte etwas damit herum und befand es dann für ein gewöhnliches Schwert mit leicht ungewöhnlichem Design.
"Ich probier' es einfach mal aus.", sagte er gewohnheitsmäßig laut, obwohl niemand anwesend war. Aber wer wusste schon mit Sicherheit, dass dieser Raum nicht abgehört wurde? Immerhin befand er sich in einer Militärbasis. Nun gut, Jim beschloss, jeden weiteren Abschweifer sofort im Keim zu ersticken und sich ganz auf das zu konzentrieren, was er hier tat.
Der junge blonde Mann legte seine Hand um den stählernen Griff und zog die Klinge aus der Scheide - einen Vorgang, den er sogleich bereute, denn kaum hatte er es aus seinem Gefäß befreit, durchströmte eine ungeheure Hitze die stählerne Waffe. Einem Reflex folgend, lies er es los und die Waffe fiel zu Boden.
"Au, ist ja heiß, das Scheißding!?", stieß er verwundert aus. Dann eben nicht. Offenbar hatte er sich vom Äußeren der Waffe täuschen lassen und doch die gefährliche Waffe erwischt. Jetzt verstand er wohl, was Norton scheinbar beabsichtigt hatte. Was sollte man auch mit einem Schwert, das man nicht führen konnte, weil man sich zwangsläufig die Finger daran verbrannte?!
"Bleibt nur noch das andere. Kujo, also."
Jim wiederholte die Prozedur, hob die Waffe aber diesmal wesentlich vorsichtiger aus der Halterung und wog es ebenfalls kurz in der Hand. Es besaß etwa das gleiche Gewicht wie Gouka, war jedoch ebenfalls anders geformt und lag irgendwie seltsam in der Hand. Fast kam es Jim so vor, als würde er seinen eigenen Puls doppelt spüren, wenn er die Waffe nur an ihrer Scheide berührte. So, als wäre sie lebendig.
"Blödsinn...", schüttelte er den Kopf, "das ist die Nervosität. Reiß dich mal zusammen, Jim!"
Ohne großes Zaudern packte er das Ende des Schwertes und zog es heraus. Er zog es heraus?! Nein, es sprang ihm förmlich entgegen! Jim hatte arge Probleme, der Wucht entgegenzuwirken, mit der die Schneide aus der Klinge schoss, als er nur schwach daran gezogen hatte. Und er konnte es auch kaum lange in den Händen halten - der Kraftaufwand, die Klinge von seinem Körper fortzuhalten, war erschreckend groß, denn Kujo schien tatsächlich einen eigenen Willen zu haben!
"Allem Anschein nach...", keuchte und ächzte Jim im Kampf gegen die Waffe, "will mir dieses verflixte Küchenmesser ans Leben!"
Erst mit einigem Aufwand beförderte er das Schwert zurück in sein Behältnis und warf es verächtlich zu Boden.
"Tze! Von wegen, das eine kann ich führen... keines von beiden taugt was! Was ist das für eine Prüfung?!"
Jim machte kehrt und wollte eben Gouka aufheben, welches noch hinter ihm auf dem Boden lag. Vielleicht konnte er damit einen zweiten Versuch wagen, da der Hitzeausstoß vielleicht nur eine Art "Diebstahlsicherung" oder ähnliches war. Dazu kam er allerdings nicht. Etwas schnitt ihm von hinten in die linke Flanke und der Kämpfer wirbelte instinktiv herum. Dort erblickte er nur kurz Kujos leere Scheide und sein Kopf schwenkte sofort wieder in die entgegengesetzte Richtung.
Er traute seinen Augen kaum. Wie von Geisterhand getragen schwebte die Waffe vor ihm in der Luft... nein, sie tänzelte viel mehr, ähnlich einer Kobra, die nur darauf wartete, ihre Giftzähne in das Fleisch des nächsten Opfers zu jagen. Allmählich setzte ein starker Schmerz ein und Jim presste seine linke Hand auf die Wunde bei seiner Hüfte, die recht tief zu sein schien. Gleichzeitig bewies er aber genug Scharfsinn, da ihm eines nicht entgangen war - an Kujo klebte keinerlei Blut...
***
"Hast du alles dabei, was du brauchst?"
Chiyoi seufzte und schüttelte den Kopf. Entweder war ihr Beifahrer tatsächlich an Alzheimer erkrankt oder so nervös, dass er diese Frage in den letzten fünf Minuten drei oder mehrmals gestellt hatte.
"Ja, Yakuza. Ich hab alles was ich brauche. Genauso wie du alles hast, was du brauchst und wie Lone Demon alles hat was er braucht und wie Nguyen--"
"Ich hab's kapiert, ist ja gut.", grinste der angesprochene breit und schloss dabei die Augen.
"Soll nur alles glatt gehen. Diesmal wird es nämlich nicht nur ein Spaziergang."
"Ganz deine Meinung.", mischte sich eine dritte Stimme über Funkkontakt ein. Yakuza drückte den Hörer seines Headsets auf sein rechtes Ohr.
"Ich hab den Stützpunkt der Rebellen ausfindig gemacht. Soviel wie ich sehen kann, stehen da ein halbes Dutzend schwer bewaffnete Wachposten. Was bewacht wird, kann ich nicht sagen, entweder das Versteck selbst oder ein Waffen- oder Vorratslager."
"Gute Arbeit, Lone!", meldete sich Chiyoi erfreut.
"Sag uns, wenn du was neues rausgekriegt hast."
Der Spion verzichtete auf eine Bestätigung der Aussage und brach die Verbindung ab. Man konnte sich sowieso auf ihn verlassen. Sicher lag der High-Tech-Ninja schon wieder irgendwo auf der Lauer.
"Hier ist es gut. Halt an!", meldete sich Yakuza nach einigen Minuten zu Wort. Es war inzwischen stockdunkel geworden und der Geländewagen, in dem Chiyoi und der Sicherheitschef angekommen waren, würde auf so große Distanz nicht entdeckt werden.
Etliche hundert Meter vor ihnen lag ein Canyon, der sich weit in seiner Atoll-Form in die Steppenlandschaft erstreckte. Lone war mit seinem Tarnanzug gewiss unbemerkt bis an den Rand oder das Innere der Felsenkette vorgedrungen und hatte sich dort auf den Hängen positioniert, um das Lager mit dem Fernrohr ausfindig zu machen.
"Jetzt müssen wir nur noch auf das Startsignal warten.", sagte Chiyoi, die den Reißverschluss ihrer Umhängetasche öffnete und daraus einen kabellosen Laptop hervorzog.
"Was machst du?", fragte Yakuza eher beiläufig und starrte geradeaus weiter in Richtung der Felskluft, die sich weit vor ihm erstreckte. Zwar konnte man wegen der Dunkelheit ohnehin nichts erkennen, doch der Kampfkünstler folgte eher seinem Wachsamkeitsinstinkt als dass er dort hätte irgendetwas konkretes ausmachen können.
"Ich versuche, Nguyen Tran Loc zu erreichen.", nuschelte die Technikerin halbwegs deutlich, da sie gerade versuchte, den Reißverschluss ihrer Tasche mit dem Mund zu schließen und ihre Hände dafür benötigte den Laptop zu halten, beziehungsweise etwas darauf einzutippen.
"Ich hoffe er ist bald mit den Vorbereitungen fertig. Wenn es stimmt, was Lone gesagt hat, könnten wir seine Unterstützung wirklich brauchen."
Yakuza hatte eher mit einem halben Ohr hingehört, da ihm gerade ein ziemlich hoher Pfeifton entgegenschlug, den Chiyoi wahrscheinlich noch gar nicht wahrgenommen hatte. Das Gehör des Martial-Arts-Experten war äußerst gut trainiert, etwas, was Lone Demon ihm im gemeinsamen Training beigebracht hatte.
"Heh. Sag mal, Chiyoi... was leuchtet gelb und macht 'Zwiiiiiiiiiiioooooooosch'?", versuchte er das Geräusch nachzuahmen, das inzwischen so laut geworden war, dass auch Chiyoi zum Himmel aufsah.
"Da...das ist echt... Scheiße!!", fluchte sie noch, da hatte Yakuza sie auch schon gepackt und war mit einigen extrem schnellen Sprintschritten zur Seite gehechtet. Kurz darauf wurde alles in ihrer näheren Umgebung in weißes Licht getaucht, ein ohrenbetäubender Knall folgte zusammen mit einer Druckwelle die die beiden AnF-Führungsoffiziere fortschleuderte.
Unsanft kam das menschliche Bündel nach einigen Metern Flugphase wieder zum Stehen, als Yakuza und Chiyoi hart auf dem sandigen Steppenboden aufschlugen. Der Sicherheitschef, der seinem Beruf alle Ehre gemacht und Chiyoi schützend fest umklammert hatte, stöhnte vor Schmerz auf, als sich die junge Frau noch immer benommen von ihm erhob. Der junge Mann hatte ihren Aufprall entschieden gebremst.
"Ist alles in Ordnung mit dir?! Hey, Yakkun, sag doch was!"
"Geht...schon", hustete dieser und richtete sich mit einem Ächzen auf. Seine Hand fuhr sogleich hinunter zu seinem Becken, denn er hatte Mühe, seine Beine zu spüren.
"Verdammt... ist bestimmt gebrochen...", zeterte er über diesen Zustand und seine Hand verschwand in der Brusttasche seiner Uniform, wo er eine merkwürdige Kapsel herausfischte und dann schluckte. Anschließend lies er sich rücklings in den Staub fallen.
"Wirkt bestimmt gleich.", munterte Chiyoi ihn auf, dann sah sie wieder zum Himmel und ihr Blick verfinsterte sich.
"Das war eine Mittelstreckenrakete. Verdammt noch mal, die sind ja besser gerüstet als ich dachte!"
Das Headset der Wissenschaftlerin knackte kurz, dann kam ein Funkspruch. Es war Lone Demon.
"Das war eine Abwehrrakete. Ist bei euch alles in Ordnung?"
"Na, toll! Ist das alles, was dir dazu einfällt?!", versuchte sie, ihre angestaute Wut über den Hörer zu entlasten, "Wir hätten eben draufgehen können! Warum hast du uns nicht eher gewarnt, häh? Oder warum hast du das Ding nicht gleich aufgehalten, du Superheld!?"
"Erstens", versicherte der Ninja mit seiner gewohnten Nüchternheit, "hab ich die Rakete auch erst entdeckt, als sie schon gezündet worden war. Und zweitens - bin ich Gott? Du weißt selbst, dass es nahezu unmöglich ist, eine Abwehrrakete mitten aus der Luft zu holen, ohne dabei selbst zerfetzt zu werden. Außer man sitzt in einem Mech."
Dann brach die Verbindung abermals ab. Chiyoi ignorierte den belehrenden Ton des Shinobi sondern konzentrierte sich vielmehr auf die nächsten Schritte. Auf ein Signal brauchten sie ja nun nicht mehr zu warten. Laut AnF-Vorschriften wurden bei Einsätzen keine Zivilisten angegriffen oder getötet, ebenso wie unbewaffnete Personen oder Menschen, die sich zur Aufgabe bereit erklärt hatten. Bewaffnete Einheiten wurden ebenfalls nur außer Gefecht gesetzt, getötet wurde nur, wenn das Leben eines AnF-Mitgliedes selbst auf Messers Schneide stand. Letzterer Fall war nun wohl gegeben.
"Yakuza?", sprach Chiyoi den inzwischen regenerierten jungen Mann an und stapfte zu ihm herüber, "Ist der Laptop noch ganz?"
Der angesprochene drehte den Kopf etwas beiseite, was ein lautes Knacken zur Folge hatte und überreichte seiner Kameradin dann das Gerät.
"Scheint noch in Ordnung zu sein. Aber wir sollten zusehen, dass wir von hier wegkommen. Sonst bieten wir nur wieder ein leichtes Ziel."
"Du hast Recht", stimmte die junge Frau zu und stapfte dann zügig neben Yakuza her, "Vermutlich haben die Radargeräte und Hochleistungsfernrohre. Sonst hätten sie den Geländewagen wohl nicht entdeckt."
Etwas wehleidig warf sie einen Blick auf die Überreste des Fahrzeuges. Die Rakete war in unmittelbarer Nähe eingeschlagen und hatte den Wagen restlos zertrümmert. Nur ein undefinierbarer Haufen aus verbranntem Stahl, Plastik, Gummi und anderen Materialien war von dem übrig geblieben, was man vor fünf Minuten noch als eine hochtechnisierte Ausrüstung erkannt hatte.
Chiyoi drückte nach einigen Minuten des Fußmarsches den Hörer ihres Headsets ans Ohr.
"Nguyen? Nguyen Tran Loc? Kannst du mich hören, NTL ?"
Einige Interferenzen störten die Übertragung, sodass zunächst lediglich Wortfetzen in undeutlicher Aussprache an das Ohr der Wissenschaftlerin drangen. Die Situation behob sich aber schnell.
"... fast fertig. Chiyoi? Hallo? Kannst du mich hören?"
"Ja, jetzt, klar und deutlich. Wiederhole bitte noch einmal!"
"Ich bin mit den Vorbereitungen fast fertig. Das Ding funktioniert klasse. Wie sieht es bei euch aus?"
Sie warf Yakuza einen kurzen Blick zu, welchen dieser mit einem Kopfschütteln bestätigte.
"Nicht sehr gut. Wir wurden soeben attackiert. Der Geländewagen und unser Teil der Ausrüstung ist Schrott. Wir müssen zu Fuß zum Canyon. Wäre nützlich, wenn du jetzt bald kommen könntest!"
"Gibt es schon Verluste?!"
Nguyen Tran Loc klang zu Recht besorgt, doch Chiyoi dementierte rasch.
"Nein, bisher noch nicht. Lone Demon hat sich zwar seit gut zehn Minuten nicht mehr gemeldet aber ich nehme an, er ist wohl auf. Yakuza geht's auch wieder gut."
"Wieder?"
"Ja, er hatte sich die Hüfte gebrochen, als die Bodenrakete neben uns einschlug. Die Nano-Medizin hat es aber wieder gerichtet."
"Bodenrakete?!", ignoriert NTL die unerheblichen Fakten und atmete beim Gedanken an derartiges Geschütz laut hörbar und etwas beunruhigt aus. Dann folgte eine kurze Pause.
"Ok. Ich bin unterwegs. Haltet ihr die Stellung, ich und dein 'Baby' kommen gleich nach."
Chiyoi grinste.
"Danke, NTL."
Dann kappte sie die Verbindung und atmete aus.
"Tran Loc ist gleich hier. Dann steigen unsere Chancen wieder... hey. Alles ok?"
"Mhm.", entgegnete Yakuza abwesend. Sein Blick war starr auf den Horizont gerichtet, an dem die Angreifer irgendwo zu vermuten waren. Dabei ballte er immer wieder seine rechte Faust, sodass sein Lederhandschuh mit der massiven Stahlpanzerung darunter zu knarren begann.
Das Funkgerät knackte wieder und Lone Demon schaltete sich zu.
"Yakuza. Deine Hand. Sie zuckt."
Erst jetzt reagierte der junge Kampfexperte merklich und sein Blick starrte herunter zu dem Gliedmaß, dass unregelmäßig und scheinbar auch unkontrollierbar zu zucken begann, die Faust sich immer wieder öffnete und schloss.
Trotz der wirklich hitzigen Situation fand Chiyoi noch immer die Gelassenheit, die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen und aufzustöhnen, als sie jenes sah.
"Oh nein... nicht schon wieder, oder?"
Lone wand sich an sie.
"Ich fürchte schon. Lass ihn einfach. Wir können eh nichts dagegen tun. Solange du ihm nicht im Weg stehst, brauchst du dir auch keine Gedanken machen."
"Und wenn er... tötet?"
"Keine Angst, ich werde mich schon drum' kümmern.", beschwichtigte sie Lone, der diesmal sogar recht amüsiert klang und sich auch sogleich Yakuza zuwand.
"Heh. Wie lange willst du noch da rumstehen. Ich kann doch von hier aus sehen, dass du's kaum noch im Griff hast. Leg halt los.", forderte er den Sicherheitschef schon beinahe auf.
"Tche! Du weißt, ich hasse es, wenn das passiert! Ich kann nichts dagegen tun, es überkommt mich jedes mal, wenn einer von uns in der Scheiße steckt!"
"Na und? Das ist jetzt nicht unser Problem, Yakuza! Lauf schon los! Ich geh jetzt auch rein. Der Wechselzyklus der Wachposten ist gleich um, das ist meine Chance. Chiyoi, du bleibst erst mal da und wartest auf NTL."
Zwar war dies keine direkte Order doch Chiyoi hielt sich an den wohlgemeinten Rat. Zumal sie auch nicht wirklich in der Nähe sein wollte, wenn Lone sich gleich ins Getümmel stürzte und wenn... wenn ES gleich in Yakuza ausbrach.
"Ok, ich bin dann weg. Seid nicht zu hart, ja?"
Obwohl Yakuza der einzige in ihrer Umgebung war, an den sie diese Worte hätte richten können, konnte dieser sie schon gar nicht mehr wahrnehmen. Er hatte die Augen geschlossen und versuchte gleichmäßig zu atmen, was in Chiyois Ohren aber eher wie ein unterdrücktes Schnaufen klang. Es gruselte sie jedes Mal, wenn das geschah. Sie hatte es bisher drei oder vier Mal erlebt und immer wieder empfand sie es auf eine Art beunruhigend - auch wenn niemals ein AnFler sich deswegen Sorgen zu machen brauchte - und auf die andere Art faszinierend.
Yakuza war ein von sich und seiner Aufgabe absolut überzeugter Mensch. Diese Überzeugung ging soweit, dass sie Teil seines Lebens, seines Daseins geworden war und wann immer einer seiner Freunde oder Kameraden in erhebliche Gefahr geriet, packte den Sicherheitschef eine unbändige Wut, die er zwar im Zaum hielt, wenn sie einmal ausbrach, die ihn andererseits aber auch zu unglaublicher Brutalität hinriss und zu einem Vergnügen, seinen Feinden Agonie zu bereiten.
Fast schlagartig veränderte sich der bis eben noch fast meditativ gewesene Gesichtsausdruck Yakuzas'. Seine Lippen verzerrten sich zu einem breiten Grinsen, als er seine Augen aufriss und die darin befindlichen Pupillen fast auf Stecknadelkopf-Größe zusammenschrumpften. Dann stieß er einen zornigen Schrei aus.
Ohne ein weiteres Wort sprintete er los, durch den erkalteten Staub der Steppe. Das Lager seiner Gegner befand sich noch einige hundert Meter vor ihm, doch die Distanz schien ihm nichts auszumachen und auch nicht an seinen Reserven zu nagen, so fegte er über den Wüstensand.
***
"Au...au...au.....uaaaahhh...."
Jim keuchte aus Leibeskräften und sein gesamter Körper - besonders stark seine Hände - zitterten. In den letzten Stunden hatte sich sein Zustand stark verschlechtert. Sein Körper wies überall böse Schnittwunden auf, aus denen blutige Zungen hervortraten, er war entkräftet und am schlimmsten ging es seinen Händen.
Inzwischen hatte der junge Söldner herausgefunden, was hier vor sich ging. Zumindest glaubte er das. Kujo schien einen eigenen Willen zu haben, so viel stand wohl fest. Es war tatsächlich das Schwert, vor dem er sich hatte hüten sollen, eine wahrhaft teuflische Klinge. Denn dieser Waffe gelüstete es nur nach einem - Blut. Das war auch die Erklärung dafür, dass nichts von dem roten Lebenssaft an ihm haften blieb. Das Schwert saugte es einfach auf, "trank es", sozusagen. Und es musste wohl wirklich lange nichts mehr bekommen haben, denn es war wild auf Jim und attackierte ihn auf mysteriöse Weise immer noch schwebend aus der Luft.
Um zu verhindert, restlos zerstückelt zu werden, hatte sich Jim zur Gegenwehr entschlossen. Nun ergab die ganze Prüfung auch einen Sinn. Er musste einfach nur überleben! Wenn er gegen Kujo scheiterte, dann war klar, dass er hier den Tod fand. Wenn er siegte - was nach seiner eigenen Einschätzung noch in den Sternen stand - war er wohl der beste Agent, den es auf der Welt gab. Und er war bereit für AnF!
"Sch...Scheiß-Schwert!", knurrte Jim, dabei seinen Griff um Gouka festigend.
Das Feuerschwert war seine einzige effektive Verteidigung. Er verbrannte sich natürlich die Hände, wenn er es führte, doch was hatte er denn für eine Wahl? Mit schlimmen Fingern konnte er leben - ohne seinen Kopf eher nicht. Zwar schmerzten seine Handflächen furchtbar und die Hautoberfläche löste sich bereits ab oder schlug schlimme Blasen, doch ein Gutes hatte die Sache - Gouka war ab einem bestimmten Punkt nicht mehr heißer geworden und Jim hatte sich allmählich daran gewöhnt, es zu führen. Er bildete sich sogar ein, die Waffe kühle sich langsam wieder ab. Allerdings konnten seine Hände auch schon völlig betäubt sein, sodass dies nur Einbildung war.
Kujo attackierte ihn ein weiteres Mal, es raste blitzschnell auf ihn zu, doch statt einen Stich auszuführen, raste es kurz vor Jim in die Höhe. Von dort oben schlug es senkrecht herab und versuchte, dem Söldner den Schädel zu spalten. Jim parierte geschickt, indem er seinerseits den Arm hochriss und es mit Gouka wegschlug. Er hatte wieder Zeit geschunden. Inzwischen hatte sich der Angriffzyklus Kujos verändert, es attackierte heftiger und häufiger, teilweise chaotisch und ohne festgelegtes Ziel - so als wäre es tatsächlich ein Lebewesen, dass vor Verzweiflung angriff, da es sich dem Hungerstod nahe sah.
Schon folgte der nächste Angriff, diesmal schlug das Schwert einen seitlichen Hieb auf Jims Kniehöhe, jener sprang aber hoch und lies seinerseits Gouka auf den Boden sausen - er verfehlte leider Kujo, doch zufällig entdeckte er die eigentliche Stärke seines Schwertes, das seine Hitze nicht nur im Griff zu bündeln schien: Goukas Klinge berührte mit einem dumpfen Krachen den stählernen Boden und sofort flammten Funken auf, kurz darauf war die Klinge in Flammen gehüllt, die tatsächlich auch erhalten blieben.
"Wow... wenigstens bist du dafür gut...", entschloss sich Jim seine Waffe zu loben, auch wenn er eigentlich nicht in der Verfassung dazu war.
Das flammende Schwert aufgerichtet und dadurch in seinem Bemühungen gestärkt, Kujo in seine Schranken zu verweisen, stürmte Jim mit einem Aufschrei nach vorne. Er traktierte die mystische Waffe immer wieder mit Schlägen, drängte das Schwert zurück und schleuderte es schließlich mit einem kräftigen Hieb gegen die hinterste Wand, wo es mit einem metallischen Klirren an jener abprallte und zu Boden fiel, wo es zunächst liegen blieb - so, als hätte man einen Menschen bewusstlos geschlagen.
"Endlich... endlich ist der Spuk vorbei..."
Der blonde Streetfighter lies sich rücklings auf sein Hinterteil fallen und stützte sich etwas unbeholfen ab, da er kaum noch Kontrolle über seine Handlungen hatte. Die Erschöpfung war zu groß, nicht nur das ständige Kämpfen mit dem Schwert war schwer, allein das geformte Metall so lange in den Händen zu halten, machte sich in Muskelkrämpfen in seinen Armen bemerkbar.
Jim streckte alle Viere von sich und schloss einen Moment lang die Augen, um tief durchzuatmen. Einer alarmierenden Eingebung folgend, riss er sie aber gleich wieder auf und seine Pupillen weiteten sich, als die furchtbare Vermutung Wirklichkeit wurde - Kujo schwebte wieder über ihm, die Klinge zu Boden gerichtet und bereit, Jim zu durchbohren...
***
In einer für Menschen nahezu surrealen Position kauerte Lone Demon mit dem Kopf schräg nach unten an der Wand. Seine Gliedmaßen waren abgespreizt und hätte er nicht nur vier davon sondern insgesamt acht, hätte er ausgesehen wie eine gigantische schwarze Witwe.
Ja, so tödlich wie jene Spezies war er für seine Opfer auch. Dank seinem High-Tech-Anzug, der aus einer Spezialfaser gefertigt war, die Lichtstrahlen brach, war er nahezu unsichtbar. Zudem bediente er sich spezieller Hand- und Fußkrallen, die er aus schmalen Halterungen an Armen und Beinen nach Belieben ausfahren konnte und so einem Insekt gleich, Decken und Wände in jeder erdenklichen Position erklimmen konnte. Hinzu kam noch sein außerordentliches Talent in den Shinobi-Künsten, die er schon sehr lange trainierte. Er konnte sich absolut lautlos bewegen, war elegant und akrobatisch und was ihm an Kraft und Tempo fehlen mochte, machte er an Genialität im Umgang mit Nahkampf- oder Distanzkampf-Waffen wett.
Die Folge von alledem war, dass ihn die feindlichen Rebellen noch immer nicht entdeckt hatten, als er im Schatten der hintersten Ecke des kleinen Bunkers durch eine Dachluke eingedrungen war. Lone konnte sich klein machen, wenn er wollte und passte so geschickt durch jede Ritze, sofern sie nicht größer war, als es seine Hüfte breit war. Routiniert in seiner Arbeit als AnF's Spitzenspion suchte er den Raum mit seinen Augen ab, versuchte sich Details einzuprägen und Besonderheiten zu analysieren. Seine Gegenspieler waren in ein hektisches Gespräch vertieft, sie redeten schnell und wüst durcheinander doch es ging vermutlich um die Ankunft des AnF-Corps, was freilich ein Grund für Panik war.
Im Inneren des Raumes befanden sich jede Menge Kisten und Fässer mit Vorräten aber auch Waffen und Munition wurde hier gelagert und von bewaffneten Männern bewacht, die etwas entfernt von Lone Demon standen und ihm den Rücken zugewandt hatten. Auch die Personen, die miteinander im Streit lagen, waren bewaffnet, allerdings nur mit jeweils einer kleinkalibrigen Schusswaffe und höchstens noch einem Kampfmesser, wie der Ninja hinzuspekulierte.
Das Überraschungsmoment stand auf seiner Seite, er hätte schon jederzeit angreifen können, doch Lone Demon wusste auch, das Geduld einer der wichtigsten Faktoren eines Attentäters und Spions war. So übte er sich auch in jener und wartete auf einen geeigneten Zeitpunkt. Dieser schien nach einigen Minuten gekommen zu sein, in denen er absolut regungslos an der Wand verharrt hatte, wie ein Chamäleon. Die Sprechenden schienen fertig zu sein und wollten sich wohl soeben für einen möglichen, bevorstehenden Kampf rüsten, achteten nicht auf ihre Umgebung - und boten somit die Ideale Chance für Lone Demon. Dieser lies seine Hand blitzschnell in eine seiner Hüfttaschen an seinem Funktionsgürtel gleiten und zog dort zwei Shuriken, spezielle Wurfsterne aus besonders hartem Stahl, hervor, die er in Richtung seiner Gegner warf.
Wie er erwartet hatte, gelang es einem gleich gar nicht, auszuweichen und er erhielt einen direkten Treffer in den Kopf, der ihn augenblicklich tötete. Der zweite Rebell hatte mehr Glück und konnte ausweichen, indem er seinen Kopf zur Seite riss und einen Schritt nach Links machte. Doch aus dies war längst einkalkuliert. Noch eher er seinen Schritt beendet und den Fuß auf den Boden gesetzt hatte, traf ihn ein schwarzes Stahlgewicht aus vollem Schwung an der Kehle und lies den Fremden röchelnd zusammenbrechen.
Lone zog die Kette wieder zurück und lies sie samt dem daran befestigten Kettengewicht in seiner Kurbeltasche verschwinden, wo die Waffe üblicherweise aufgerollt war. Präzise und korrekt wie alles ausgeführt war, hatte die erste Attacke kaum länger als zwei Sekunden gedauert, dennoch aber die Wachen aufgescheucht, die sofort auf die Opfer zueilten.
Diese ausgebildeten Männer schienen aber mehr Kampferfahrung zu haben und sondierten die Umgebung, während sie sich den beiden Leichnamen näherten. Ein weiterer Überraschungsangriff aus der Ferne war damit nicht möglich. So musste sich Lone also im Nahkampf schlagen.
Geräuschlos sprang er von der Wand ab, dabei die höchst angespannten und verunsicherten Gesichter der Wachmänner immer im Visier und landete auf allen vieren - ebenso lautlos. Dann drückte er sich kräftig mit den Füßen ab und rannte in gebückter Haltung auf seine Feinde zu. Der Boden war uneben und steinig, sodass diesmal nicht alles so leise ablief, wie man es von dem Shinobi gewöhnt war. Seine Feinde konnten nun hören, dass ein Angriff auf sie zusteuerte doch - wie bei den meisten Menschen - verließen sie sich zu sehr auf ihre Augen anstatt auf Sinne wie Gehör oder einfach nur das besondere Gespür und die Vorahnung.
Es war also nicht verwunderlich, dass auch diese Attacke glücken sollte. Ein unerwarteter Fakt trat zwar ein, der zweite Wachposten machte einen Satz nach hinten und entzog sich so vorerst Lone Demons Reichweite, doch das machte nichts. Ihn würde der Spion im Anschluss erledigen. Zuerst war Wache Nummer eins an der Reihe. Auf dem letzten Meter überkreuzte Lone Demon seine Hände und lies sie in den jeweils gegenüber liegenden Halftern verschwinden, in denen zwei Koudachis aufbewahrt wurden. Die zwei Kurzwaffen waren vor Lones Körper mit einer Kette verbunden, also schleuderte der Schattenkämpfer eine Waffe senkrecht nach unten, als er geduckt vor dem Wachposten auftauchte, welcher seinen Gegner noch nicht gesehen hatte. Das Schwert des Ninja durchbohrte den Fuß des Mannes, welcher laut und schmerzlich aufschrie und am Boden festgenagelt war.
Doch der Spion war nicht untätig geblieben, hatte sich sofort nach dieser Ouvertüre vom Boden abgedrückt, war gegen einen der umstehenden Kistenstapel gesprungen und hatte sich hinter sein Opfer befördert, ihm die Kette um den Hals gewickelt - und jenen mit einem kräftigen Ruck gebrochen.
Der Anschlag war abermals schnell und effektiv vollführt doch der letzte lebende in diesem Raum hatte nun wohl zumindest Lones Schatten und dessen Vorgehensweise bemerkt. Und sein Blick war genau auf den Shinobi gerichtet, der nun hinter seinem dritten Opfer stand und kein Überraschungsmoment mehr auf seiner Seite hatte. Doch das war irrelevant.
"Du hast mich also gesehen."
Zum ersten Mal sprach der Jonin nun, etwas, was er sonst nur tat, wenn er sich seiner Sache sicher war und keiner seiner Gegner den Raum lebend verlassen würde.
"Doch das wird dir nichts mehr helfen. Du weißt es, ich weiß es. Wirf deine Waffen fort und ich lasse dich leben!", zeigte sich Lone gnädig. Zwar war er von dieser Moral nicht überzeugt doch er musste AnFs Absichten wahren, wenn er bei seinem Einsatzbericht nicht wieder unangenehmen Fragereien am Hals haben wollte.
Mit einer kräftigen Bewegung des Handgelenks riss er das zweite Kettenschwert aus dem Boden uns lies es in seiner Hand landen, damit beide Waffen wieder einsatzbereit waren. Als nächstes fixierten seine Augen das Gesicht des noch recht jungen Soldaten. Dessen Pupillen fanden kein rechtest Ziel, irrten nervös umher. Ihm stand auch der Angstschweiß auf der Stirn und seine Atmung wirkte hektisch. Der Kerl war sogar noch ziemlich jung. Er musste kaum die Volljährigkeit erreicht haben.
"Sag, schickt der Widerstand jetzt schon Kinder in den Kampf?", fragte der Shinobi ruhig, womit er die emotionale Reaktion seines Gegenübers nur noch verstärkte. Der Wachmann umklammerte sein automatisches Gewehr und richtete den Lauf in Lones Richtung, dabei konnte er ein Zittern nicht unterdrücken.
"Hast du jemals einen Menschen erschossen? Es gibt nur einen Weg. Aufgeben oder Sterben. Wofür entscheidest du dich?"
"...niemand stirbt hier, niemand, niemand....", wisperte er wirr.
"Was?", fragte Lone, obwohl er genau verstanden hatte.
"NIEMAND STIRBT HIER, VERSTANDEN?! UND JETZT PFOTEN HOCH!!!"
"Tzzt..." Der Shinobi machte sich bereit, einer Kugelsalve ausweichen zu müssen, was selbst ihn an seine Grenzen bringen würde, doch so nervös wie sein Opfer war, hatte er vielleicht eine Chance. Doch dazu kam es nicht mehr.
Erschrocken und mit einem gellenden Schrei fuhr der Wachmann herum, als die Stahltür hinter ihm mit Getöse aus ihren Angeln barst. Er feuerte noch eine kurze Salve in den massiven Stahl, dann begrub ihn die große Pforte unter sich und schlug ihn ohnmächtig.
"Du?!"
Yakuza trat ein, ungeachtet dessen, was er da gerade angerichtet hatte. Sein Blick suchte nur den Raum nach neuen Zielen ab, doch auch sein Auge konnte Lone nicht in dessen Anzug erkennen, lediglich seine Stimme registrierte er, als er über die eingetretene Tür und somit über den jungen Wachmann marschierte.
"Lone? Bist du hier?"
"Ja."
"Dann komm mit, es gibt noch mehr zu erledigen!"
Damit sprach der junge Kampfkünstler keineswegs Arbeitsgänge an, die zu erledigen waren sondern Personen, die er liquidieren wollte. Yakuza lachte auf und machte wieder kehrt, als er den Raum für leer befunden hatte. Mit einigen kurzen aber weiten Sprüngen war er ebenso schnell gegangen, wie er erschienen war und als Lone ihm folgen wollte, erkannte er draußen im Freien, dass sein Partner schon fast hundert Meter von ihm entfernt war. Offenbar hatte es Yakuza eilig.
"Beserker...", murmelte der stilvolle Schattenkrieger kopfschüttelnd und eilte dann hinterher.
***
Jims Körper war taub, einzelne Schmerzherde konnte er gar nicht mehr ausmachen, lediglich ein einheitliches, dumpfes Pulsieren seines Körpers, das ihm abwechselnd kalte und heiße Schauer durch seine Blutbahnen jagte.
Sein Geist allerdings raste, versuchte, den zertrümmerten Körper zu einer Bewegung zu zwingen. Der Überlebensinstinkt aus Urzeiten bekam nun die Oberhand und Jim verspürte das zweite Gefühl, das jedem vernunftbegabten Lebewesen und nahezu jedem Tier innewohnte. Nicht Angriffslust - sondern Angst.
"Nein... verflucht!"
*Ich will noch nicht sterben! Nicht hier, nicht jetzt! Und erst recht nicht für so wenig!!*
Gleichwohl Jim diese Worte nur gedacht hatte, schien Kujo sie als letzten Kommentar gewertet zu haben und fuhr nun auf Jim nieder, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Was blitzschnell vonstatten ging, kam dem Ausnahmekämpfer wie eine Ewigkeit vor. Gouka lag zu weit entfernt, um es in die Hand zu bekommen. Trotzdem streckte Jim fordernd seine Finger nach der Waffe aus, so als würde er sie rufen.
Mit einem schmatzenden Geräusch drang der blanke Stahl der Waffe in Jims weiche Haut ein und Kujo spießte sich in die Bauchdecke des jungen Mannes, der vor Schmerz aufschrie, als sich das magische Schwert wenige Zentimeter in seine Organe bohrte, seinen Blutdurst stillend. Bevor die Verletzungen aber tödliche Ausmaße annehmen konnten, spürte Jim eine feste Substanz in seiner förmlich flehenden Hand. Es fühlte sich an wie... Stahl!
Jim öffnete die vor Pein zusammengekniffenen Augen und traute ihnen dennoch nicht - Gouka lag bereit in der Handfläche. Wie es dorthin gekommen war, spielte schon gar keine Rolle mehr. Der Blick des Straßenkämpfers verfinsterte sich und das Schwert gehorchte dem Willen seines Meisters, indem seine Klinge entflammte. Trotz des starken Brennens und inzwischen hohen Blutverlustes schwang er Gouka in Kujos Richtung und riss es somit durch einen Hieb gewaltsam aus der Wunde, was Jim sogleich wieder einen Schrei abrang. Mit letzter Kraft erhob er sich und presste seine freie Hand auf die tiefe Wunde an seinem Bauch.
Kujo schien sich nicht ausreichend genährt zu haben, um sich bewegen zu können. So lag es still auf dem Boden und Jim setzte seinen massiven Lederstiefel auf die Schneide der Waffe und blickte sie hasserfüllt an. Dies war wirklich eine Teufelswaffe!
Die Erfahrung, die er bisher mit Gouka gesammelt hatte, schien ihm nun auf seltsame Weise die Augen geöffnet zu haben.
"Du bist also eine Waffe, die sich nicht besiegen lässt. Man kann dich nicht zähmen, so wie Gouka."
Vorsichtig legte Jim das Feuerschwert in seinen Handteller und trieb mit der Schneide eine Kerbe in sein Fleisch. Das daraus hervortretende Blut lies er hinunter auf Kujo tropfen, welches den roten Saft gierig aufsog und nichts davon übrig lies.
"Wenn ich dich also nicht bezwingen kann, schlage ich dir einen Pakt vor. Solange du mir dienst, bekommst du so viel Blut, wie du brauchst, um deinen Durst zu stillen. Dafür wirst du mir und NUR mir gehorchen."
Jim bückte sich und umfasste die blanke Klinge Kujos mit seiner bereits aufgeschnittenen Handfläche, presste den scharfen Stahl in die offene Wunde und fühlte das wahnsinnige Brennen in sich, als das teuflische Katana sich an ihm labte.
"Ist das ein Angebot, du scheußliches Ding? Ist das ein Angebot?!"
Im selben Moment, in dem Jims Worte seinen Mund verlassen hatten, färbte sich der blanke Stahl rot vor lauter darüber fließendem Blutes. Kujo hatte aufgehört zu trinken und scheinbar die Bedingungen des ausgebildeten Söldners akzeptiert.
"Na... na also...geht.... doch...."
Damit brach er zusammen und wurde entgültig bewusstlos.
Norton, der an seinem Schreibtisch saß lächelte zufrieden in den Bildschirm vor ihm und schlug die Beine übereinander. Dann betätigte er einen Knopf an seiner Sprechanlage.
"Hallo, Medizinalbereich? Schicken Sie doch bitte ein Rettungsteam in den Nordflügel, Omega-Distrikt. Jawohl. Kümmern Sie sich um Mr. Jim."
Dann drehte er sich auf seinem Bürostuhl um und faltete glücklich die Hände, während die Bildübertragung auf dem Bildschirm abbrach und das Bild von Jim, der blutend am Boden lag, erlosch.
"Ausgezeichnet. Wir haben einen guten Fang gemacht. Einen wirklich guten Fang... hehehe...hahahahaha...."
***
Lone Demon war einen kleinen Umweg gegangen, um Yakuza zu folgen, der bei seinem Vormarsch bisher nicht hatte aufgehalten werden können. So hatte es zwar länger gedauert, den rasenden Sicherheitschef einzuholen, doch nun war abermals das Überraschungsmoment auf Seiten des Jonin.
Weder seine eigentlichen Feinde noch Yakuza bemerkten ihm im Schatten einer Gebäudeseite, vor dem sich einige Wachmänner und Widerständler aufhielten und dank Yakuzas Raserei nun in einen ungleichen Nahkampf verwickelt waren. Auf diese Distanz zu feuern wagte sich keiner, da einer der eigenen Landsmänner hätte getroffen werden können und so hatten sechs kräftige, erprobte Söldner versucht, sich Yakuzas anzunehmen und diesen auszuschalten, indem sie Schlag- und Stichwaffen oder ihre Kampfausbildung gegen ihn verwandten.
Nichts davon hatte bisher Wirkung gezeigt. Selbstverständlich gelang es Yakuza bei sechs Gegnern gleichzeitig nicht immer, jedem Angriff auszuweichen und so wies sein Gesicht bereits einige Schrammen und blaue Flecken auf und seine Arme und der Brustkorb waren mit leichten Stichwunden oder Schnitten versehen. Nichts desto trotz schien das den Kampfkunstmeister keineswegs zu bremsen, im Gegenteil. Seine Freude, diesem Gemetzel ein neues Niveau zu verleihen war ausreichend, um seine Kampfkraft weiter in die Höhe zu pushen und so packte er gerade mit höhnischem Gelächter einen der Angreifer, der vor hatte, ihm sein Kampfmesser in den Schädel zu rammen, rechtzeitig am Arm und brach diesen, indem er die Handfläche nach oben drehte um das Ellbogengelenk dann auf seiner Schulter zu zertrümmern.
Der Wachmann schrie furchtbar auf, bevor Yakuza ihn einfach über seinen Rücken warf und einige Meter weiter hinten in den Staub beförderte.
"Kommt schon, ihr Schlappschwänze!!!"
Ein weiterer Angriff der inzwischen recht demoralisierten Wachleute erfolgte, die verzweifelt versuchten, mit Schlägen und Tritten einen Wirkungstreffer zu erzielen - vergeblich. Entweder erahnte Yakuza bereits, was sie vorhatten und entschärfte den Angriff im Vorfeld oder es gelang ihm dank seines Tempos, alles zu blocken oder er steckte einfach ein, ohne sonderlich Reaktion zu zeigen.
Diesmal entging ihm aber ein Anschlag, denn inmitten des Tumultes hatte sich einer der Angreifer hinter Yakuza positioniert und ging von dort mit einem stählernen Schlagstock auf ihn los. Der Treffer war auf der Schulter platziert und Yakuza knurrte schmerzlich, da er nun das erste Mal einen herberen Streich einstecken musste.
"Du Arschloch!!!", brüllte er seinen Opponenten an, der versäumt hatte, seine Waffe zurückzuziehen. Yakuza entriss sie ihm ohne sonderliche Mühen und schleuderte sie einem anderen entgegen, der daraufhin seinen Angriff abblasen und ausweichen musste. Dann machte der kampferprobte AnF-Offizier einen Satz nach vorne und umfasste von hinten den stabilen Integralhelm, den der Rebell trug, um sich zu schützen. Mit der anderen Faust holte Yakuza weit nach hinten aus, dann rauschte sie nach vorne.
"Fahr zur Hölle!!!"
Mit einem Krachen durchschlug Yakuzas Arm das Visier des Helmes, aus dessen Spalt mit einem Mal jede Menge Blut spritzte, bevor der Sicherheitsoffizier seinen Arm wieder zurückzog und der Angreifer besinnungslos zu Boden fiel.
Lone Demon, der bisher alles nur überwacht hatte, zuckte bei diesem Treffer ungewollt zusammen. Das musste sicher weh getan haben. In diesem Zustand war Yakuza nichts weiter als eine kraftstrotzende, übermenschlich schnelle Kampfmaschine. Er verhielt sich deshalb nicht dumm oder unüberlegt, aber er nahm andere Dinge als seine Gegner kaum wahr. Lediglich eine Person die er mit AnF in Verbindung brachte, war ungefährdet. Nun, jedenfalls schätze Lone Demon, dass der Wachmann zwar noch am Leben war, doch sowohl sein Kiefer als auch sein Nasenbein dürften sich um vielleicht einen oder zwei Zentimeter nach hinten verschoben haben.
Blut troff von Yakuzas Arm, als er sich auf seinen nächsten Gegner stürzte. Noch bevor dieser seine Deckung ausreichend platzieren konnte, grub sich die Faust des schwarzhaarigen Kampfkünstlers gnadenlos in die Magengegend seines Gegenübers und beförderte dessen Inhalt ans Tageslicht. Ebenso schnell wie die Attacke erfolgt war, hatte sich Yakuza mit einem eleganten Vorwärtssalto über den gekrümmten Mann gebracht und während der Drehung dessen Kopf gepackt.
Am Ende dieser Einlage befand sich Yakuza wieder auf den Beinen, hatte seinen Gegner aber am Kopf in die Luft gerissen und schleuderte ihn nun wie ein Spielzeug in Richtung des Gebäudes, vor dem der Kampf tobte. Damit wäre fast Lone Demons Position aufgeflogen, doch der erfahrene Shinobi hatte sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht, bevor der Körper an der Stelle gegen die Mauerwand prallte, an der er sich zuvor befunden hatte.
"Zeit, das Ganze zu beenden.", murmelte Lone vor sich hin. Was Yakuza selbst nicht mehr wahrnahm, entging ihm nicht. Vielleicht mochte der Geist des Kampfkünstlers dessen Körper überwunden haben, sodass er weder Schmerz noch Erschöpfung spürte, dennoch war sein Organismus nach wie vor der gleiche und allmählich geriet er an seine Grenzen. Zwar fand Yakuza noch die Kraft wüst herumzuschreien und zu lachen, doch sein Atem ging schwer und rasselnd, sein Körper erbebte und er verlor zusehendst Blut.
Bisher hatte es auf Seiten von AnF keine Opfer zu beklagen gegeben. Der Spion wollte, dass es auch dabei blieb. So fasste er auf seinen Rücken und zog dort unter dem elastischen Anzug ein schmales, schwarz lackiertes Edelstahlblassrohr hervor. Winzige Giftpfeile befanden sich in einem Behälter an seiner Waffentasche und er zog einen hervor, der Yakuza vorerst betäuben würde. Lone Demon entschied sich für die doppelte Dosis, das der Organismus seines Kollegen schon längst den eines gewöhnlichen Menschen übertraf und er von einem einzigen Giftpfeil höchstens etwas langsamer aber keinesfalls ohnmächtig wurde.
Lone lud seine Waffe und visierte mit stoischer Ruhe einen bestimmten Punkt an Yakuzas Hals an, von dem aus sich die Dosis wohl am schnellsten im Körper verteilen würde. Er brauchte einige Sekunden, bevor der geeignete Moment gekommen war, das sich der Sicherheitschef noch immer bewegte und inzwischen auch die letzten Hindernisse in Menschengestalt überwältigte.
"Schlaf gut!", murmelte Lone Demon für sich selbst, dann beförderte er das Giftgeschoss mit einem kräftigen Atemstoß durch das Rohr und das federleichte Projektil erwischte Yakuza genau an der richtigen Stelle. Dieser brauchte einen Sekundenbruchteil, ehe er überhaupt realisierte, was gerade vorgefallen war. Etwas verwirrt sah er sich um, konnte aber die Quelle des Angriffes nicht ausmachen. Dann riss er den Giftpfeil knurrend aus seinem Hals und betrachtete die schmale Kanüle. Das dort eingestanzte Emblem lies ihn erkennen, was geschehen war und brachte ihn allmählich wieder auf den Boden der Tatsachen.
"Ein AnF-Projektil, eh?"
Für einen kurzen Moment schwappte eine krampfartige Eruption über Yakuzas Körper, in der er heftig zu zittern begann und seinen Kopf kurz zu Boden richtete - nur um ihn dann wieder nach oben zu reißen und einen zornigen Schrei auszustoßen.
"Looooone!!! Du verdammter Idiot, was soll das?!"
"Du musst nicht so brüllen, ich höre dich gut."
Yakuza wirbelte herum, denn er machte die Stimme, in der ein gewisser zynischer Unterton mitschwang, genau hinter sich aus. Der Shinobi zog die Maske seines Stealth-Anzuges herunter, sodass wenigstens sein Gesicht für Yakuza sichtbar wurde, auch wenn dieser wohl bereits Wahrnehmungsstörungen haben musste.
"Wasollte..d..as?", nuschelte der Sicherheitsbeamte, der sich nur noch wankend aber mit gewisser Hartnäckigkeit auf den Beinen hielt und dessen Lippen und Augenlider gegen die narkotische, gnadenlose Wirkung des Giftes ankämpften.
"Ich...mach...dich...fert..."
"Das tust du nicht. Im Augenblick könnte dich sogar ein Kleinkind verprügeln, also hör zu, bevor du gleich einschläfst. Dein Zustand wäre kritisch geworden, also musste ich eingreifen. Nimm's mir nicht übel aber es ist besser so für dich."
"Wir...sprechen uns...noch..."
"Schon gut."
Mit einem dumpfen Donnern stürzte der Kampfkünstler rücklings ungebremst in den Staub, wo ihn Lone Demon aufhob und über seine Schulter warf.
"Damit wäre wohl alles erledigt. Scheinbar ist hier niemand mehr."
Das Geräusch eines Sprengkopfes, der aus dem Lauf einer Panzerfaust austrat kam dann der vernichtenden, entgültigen Verneinung von Lones Feststellung gleich.
"Grrrrh!!"
Die Pupillen des Shinobis weiteten sich, als er Yakuza fest packte und sich dann durch einen kräftigen Sprung möglichst weit aus dem Wirkungsradius des Explosivgeschosses brachte. Er stürzte mit zusammengekniffenen Augen in den staubigen Boden, als etwas weiter entfernt die Detonation erfolgte und das Menschenbündel abermals fortschleuderte.
Die Hitzewelle und der Druck trieben Lone Tränen in die Augen und brannten selbst durch den stabilen Anzug auf seiner Haut. Mit einem Stöhnen krachte er mit Yakuza wieder auf den Untergrund und blieb dort vorerst regungslos und verkrampft liegen.
Sein Gehirn übermittelte aber sofort wieder die Information an seinen Körper, augenblicklich aufzustehen und von hier zu verschwinden. Doch als er sich aufgerappelt hatte, blickten die scharfen Augen des Jonin in die Mündungen von fünf Bazookas, die sich mit den zugehörigen Rebellen auf einem Felsvorsprung am oberen Ende der Canyonwand positioniert hatten.
"Verdammt! So ein Fehler..."
Der Gedanke war unschön, doch die Tatsache und den Ernst der Lage zu verdrängen, brachte ihm nichts. Lone Demon musste zugeben, dass er sich verrechnet hatte. Er hatte die Situation mangelhaft eingeschätzt und nun steckten er und Yakuza in Schwierigkeiten. Ernsthaften Schwierigkeiten.
"Weglaufen bringt nichts. Ein Gegenangriff ist auf so hohe Distanz nur mit schwereren Waffen möglich. Dafür fehlt mir aber die Vorbereitungszeit.... ich kann nur warten, bis einer feuert und dann versuchen, abzu-SCHEIßE!"
Der gelb-rote Blitz aus dem Lauf der Panzerfaust, lies Lones halblaute Überlegungen abrupt ersterben. Der Kerl da oben hatte einfach gefeuert! Nun musste der Ninja seine Beine so schnell bewegen, wie es ihm möglich war, denn der Sprengsatz raste schneller auf ihn zu, als vermutet.
Mit einem Hechtsprung in den Sand entging er nun der zweiten Explosion. Sofort richtete der Spion seinen Kopf auf und suchte den Felsrand nach weiteren Geschossen ab, die auf ihn zusteuerten. In weniger als einer zehntel Sekunde registrierten seine Augen und sein Gehirn drei weitere Projektile, die aber in unterschiedlich großen Abständen und zeitlich versetzt auf ihn zusteuerten. Ausweichen war jetzt unmöglich, er würde zwangsläufig irgendwie getroffen werden.
Mit aufgerissenen Augen und hilflos etwas zu unternehmen, sah er auf die grau lackierten Metallhülsen, in denen die tödliche Dosis Sprengstoff immer näher zu ihm transportiert wurde.
"Verdammt... das war's."
Ein gewaltiges Donnern und Heulen lies darauf schließen, dass die Kugeln ihr Ziel nicht verfehlt hatten, doch als der Ninja seine Augen öffnete und feststellte, dass er noch am Leben war, wurde klar, dass sich jemand eingemischt haben musste.
"Das ist... NTL!"
Lone saß nun auf dem Boden und im Schatten eines gigantischen Stahlkolosses mit Armen und Beinen. Das gesamte Erscheinungsbild der mobilen Kampfmaschine war imposant wie beängstigend, wenn man die dicke Kanone am rechten Unterarm des Stahltitanen beachtete, ebenso wie die Raketen die an Rücken und auf den Schultern angebracht waren.
"Und Chiyoi.", stellte er fest als sein Blick auf den hoch erhobenen linken Arm des etwa fünf Meter hohen Mechas fiel. Dort oben, gleich einer Herrscherin über ihr Ungeheuer, stand sie auf dem Schultersockel des Roboters und hielt sich an dem schmalen, kopfförmigen Cockpit fest, hinter dessen extra verstärkter Spezialglaspanzerung NTL saß und den Giganten steuerte.
Ein mechanisches Klacken und Knirschen ertönte zusammen mit Hydraulikgeräuschen, als sich ein neuer Sprengkopf in die Kanone des Mechas lud.
"Huhu, Lone! Alles in Ordnung?", rief die junge Frau zu ihm mit einer gewissen Euphorie herunter. Nun standen AnFs Chancen in diesem Konflikt wieder wesentlich besser und es war der Wissenschaftlerin auch nicht übel zu nehmen, dass sie Stolz und Freude über den Einsatz ihres Meisterwerkes empfand.
"Alles in Ordnung. Yakuza ist bewusstlos aber es geht ihm gut. Wurde Zeit, dass ihr kommt."
Mit einem Zischen öffnete sich das Cockpit und Nguyen Tran Loc lehnte sich so weit wie möglich heraus, um sich nach hinten umdrehen zu können.
"Tut mir leid. Es gab noch Probleme in der Testphase. Die sind aber behoben und alles ist unter Kontrolle."
"Gut. Dann kümmere dich mal lieber um die fünf Typen, die eben noch da oben standen. Die versuchen nämlich abzuhauen. Chiyoi, du passt bitte auf Yakuza auf. Ich geh noch mal das Terrain ab. Wenn wir keinen mehr finden, vernichten wir alles, was als Waffe oder Munition taugt."
NTL schloss das Kopfteil des Mechas wieder und lies dann Chiyoi auf den Erdboden hinab, wo sie sich Yakuza's annahm.
"Übrigens...", fügte Lone nach einer Sprechpause an und zog seine Maske wieder übers Gesicht, womit er erneut unsichtbar wurde.
"Was ist das für ein Ding?"
"Das? Das ist der 'Tornado 2000', meine neueste Kreation."
"Ich versteh nicht so viel von Technik wie du aber ich muss schon sagen... beeindruckend."
"Danke. Der Name ist Programm, glaub mir."
Mit einem Augenzwinkern beugte sie sich dann nach unten und drehte den bewusstlosen Sicherheitschef in eine bequemere Rückenlage, während Lone Demon lautlos davon lief und sich der Mecha mit wenigen Schritten in Bewegung setzte und dann dank seiner monströsen Kraft mit einem gigantischen Sprung auf dem Rand des Canyons landete.
Chiyoi verfolgte zuerst Nguyen Tran Locs Weg, dann sah sie den Fußabdrücken nach, die der Spion im Sand hinterlies.
"Bis nachher. Pass auf dich auf."
"Ist gut."
***
4 Wochen sind seit dem Einsatz in der Wüste verstrichen. AnF war erfolgreich bei der Ausmerzung der Widerstandszelle und in der Zentrale des globalen Konzerns kehrt mehr oder weniger wieder Ruhe ein. Doch die soll nicht allzu lange halten...
"Guten Morgen! Wie geht's Ihnen heute?"
Das freundliche Lächeln der jungen dunkelhaarigen Pflegerin heiterte Jims Gemüt ein wenig auf und er erwiderte die Geste der Frau.
"Danke, gut. Ich glaube, ich bin wieder völlig fit.", entgegnete er ihn und löste den Verband von seinen Unterarmen und anschließend von seiner Brust. Einen Moment begutachtete er seinen nackten Oberkörper und stellte dann zufrieden fest, dass seine Wunden nahezu restlos verheilt waren. Einige kleinere Narben blieben wohl doch er fühlte sich gut. Nein, sogar ausgezeichnet.
Die Erholung hatte dem ehemaligen Streetfighter gut getan und sowohl sein Geist als auch sein Körper waren rehabilitiert. Was hatte er sich doch mit Gouka und Kujo herumgequält und die ersten drei Tage nachdem er wieder aus seiner Ohnmacht erwacht war, waren recht qualvoll gewesen. Die Wunden und Prellungen brannten damals fürchterlich und ließen ihn des Nachts manchmal kein Auge zutun. Doch sein junger Körper hatte den Schmerz bald überwunden und nun war der Zeitpunkt gekommen. Der Zeitpunkt, all das was er durch diese Schmerzen erlernt und erfahren hatte, gegen den Feind einzusetzen.
"Entschuldigen Sie...", hielt er die Schwester auf, die eben Jims Zimmer verlassen wollte, "könnten Sie bitte Doktor Norton Bescheid geben? Ich möchte ihn gern sprechen."
"Selbstverständlich. Ich benachrichtige Sie dann."
"Danke."
Jim lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Seine Mission. Ja.... so richtig klar war ihm eigentlich noch gar nicht, was da auf ihn zukommen würde. Selbstverständlich hatte er von der weltweiten Machtübernahme von AnF gehört und die wenigen Aufzeichnungen und Studien über die Kampfstärke dieser Truppe und ihrer einzelnen Führungsmitglieder war erschreckend doch irgendwie.... irgendwie war er...
"Zu ruhig. Ich bin zu ruhig. Warum nur? Ich werde in wenigen Stunden den gefährlichsten Ort der Welt betreten, es mit den schlimmsten Gegnern zu tun bekommen, die sich ein Mensch vorstellen kann, soll das ganze verdammte System, das die sich da aufgebaut haben, hochgehen lassen und selbst meinen Arsch noch heil da rausbringen - und all das ganz allein."
Der junge blonde Mann legte sich die Handfläche über die Augen und schloss die Lider. Dann kicherte er.
"Ist doch verrück. Wie kann ich da so ruhig sein? Scheiße."
Es klopfte an der Tür und Jim wurde es seinen Gedanken gerissen. Sofort beschleunigte sein Herzschlag und die fast meditative Ruhe wich mit einem Mal aus seinen Gliedern. Dann vor der Tür stand Norton, das konnte er förmlich spüren.
"Herein."
Und tatsächlich betrat der etwas beleibte Wissenschaftler den Raum. Lächelnd schob er seine runde Brille hoch und trat an Jims Bett, der gerade seine Beine aus selbigem stellte.
"Wie ich sehe sind sie wieder genesen, Mr. Jim?"
"Ja.", entgegnete der angesprochene ohne aber in die Augen seines Gegenübers zu schauen.
"Sagen Sie mir nur, wann es losgeht. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht wissen."
"Das habe ich mir gedacht."
Norton atmete zufrieden aus und schloss dann die Augen. Er nahm die Brille ab und putzte sie an seinem frisch gewaschenen weißen Kittel.
"Wissen Sie..." fuhr er dann fort, "... eigentlich können Sie augenblicklich beginnen. Es steht schon alles für Ihren Einsatz bereit. Sie erhalten noch einige wichtige Instruktionen und Hinweise, der Rest ist Ihnen bekannt, beziehungsweise müssen Sie sich selbst um die notwendigen Infos kümmern."
"Dann bin ich ja beruhigt.", stellte Jim fest, auch wenn die Bemerkung eher sarkastischen Charakters war.
"Glauben Sie mir, wenn ich das sage - und ich sage das selten, Jim - wir haben vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten. Noch niemandem ist es gelungen die beiden Schwerter zu handhaben, weder Wissenschaftlern, noch Technikern, noch Militärs oder sonst irgendwem. Wenn Sie diese beiden Waffen bei der Hand haben, noch dazu unser Wissen und unsere Ausbildung... was kann denn da noch schief gehen?"
"Ich verstehe. Ihr Optimismus überrascht mich ein wenig aber vielleicht haben Sie recht, Mr. Norton. Sehen wir die Sache positiv."
"So soll es sein. Dann führe ich Sie nun zu Ihrer Ausrüstung und gebe Ihnen alles, was sie an Infos brauchen."
Jims Gesicht zierte ein fahles, leicht unsicheres Lächeln.
"Na dann. Heut ist ein guter Tag zum Sterben, oder so ähnlich?!"
Norton setzte seine geputzte Brille wieder auf und funkelte seinen Schützling an.
"Wollen wir es nicht hoffen."