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Warcraft 3 - Beyond the Frozen Throne

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P12 / Gen
10.04.2004
23.06.2004
5
37.656
 
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10.04.2004 7.302
 
Warcraft 3 - Beyond the Frozen throne



Nun, was meint ihr zum Anfang der Geschichte? Die meisten Charaktere kennt ihr ja schon und recht viele neue kommen nicht mehr dazu, keine Angst. Ich habe vor, jeden Heldentyp (4 mal 4 Völker und die 5 neutralen) auftreten zu lassen und da musste ich eben ein paar neue Helden generieren. Ansonsten behalte ich die alten bei. Viel Spaß beim Lesen.

Ich habe nicht vor, dieses Produkt in irgendeiner Form kommerziell zu nutzen, da ich (leider) nicht die Rechte an "Warcraft 3" und seinen Figuren habe.



Kapitel 2: Große Pläne



Der junge Krieger war nervös. Nein, eigentlich nicht. Eigentlich hatte er Angst und war gleichzeitig aufgeregt wie noch nie zuvor in seinem Leben. Schließlich konnte nicht jeder von sich behaupten, allein die mächtige Orkhorde herausfordern zu wollen. Aber noch war es ja nicht so weit. Der Meister wollte zuvor noch mit Kriegshäuptling Thrall sprechen, obwohl er, der junge Klingenmeister Zestaph Swordglim, wenig Hoffnung hatte, dass sein Meister Erfolg hatte. Der Kriegshäuptling der Horde hatte oft schon nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er nie wieder die Verehrung von Dämonen billigen würde.

Im Grunde hatte Thrall damit ja Recht. Zestaph konnte nicht leugnen, dass ein Leben im Einklang mit der Natur nach schamanistischer Tradition seine Vorteile gegenüber dem ewigen Blutrausch hatte, den die Dämonen ihrem Volk so lange aufgezwungen hatten. Aber die Feinde der Horde existierten noch immer, und zu seinem Entsetzen hatte Zestaph bald entdeckt, dass unbeugsame Krieger das Patrouillieren an Grenzen lieber mochten als tatsächliche Angriffe. Und dies würden die Feinde der Horde eines Tages ausnutzen.

Zestaph schloss die Augen und konzentrierte sich. Seine Fähigkeiten waren groß, das hatten seine Ausbilder schon früh erkannt. Aber er hatte erleben müssen, dass heutzutage die Fähigkeiten von Schamanen, Weitsehern und sogar Troll-Medizinmännern höher eingestuft wurden als die eines kampferprobten Klingenmeisters. Nein, Kriegshäuptling Thrall mochte das Beste für die Horde wollen, aber in Wahrheit würde er sie zugrunde richten! Irgendwann würden die Untoten die Horde angreifen, und wenn die Geißel es nicht tat, den Menschen konnte man nicht trauen. Und diese spitzohrigen Nachtelfen hatten viele seines Volkes niedergemetzelt, nur weil sie ein paar Bäume gefällt hatten. Wie konnte man mit solchen Wesen paktieren?

Nein, was sie brauchten, waren starke Verbündete, um ihre Feinde zu kontrollieren und eines Tages auslöschen zu können. Dann, und erst dann würde Zestaph Thralls Weg akzeptieren und seine Klingen aus den Händen legen. Aber auf dieser Welt konnte man niemandem vertrauen, den man nicht in der Hand hatte. Und deshalb hatte er sich seinem Meister angeschlossen. Er würde wahrmachen, woran selbst Gul'dan und Ner'zhul gescheitert waren: Er würde die Dämonen der Brennenden Legion den Orks untertan machen.

Als er ein Geräusch hinter sich hörte, verwandelte sich die Gestalt des jungen Klingenmeisters in einen Schemen. Er bewegte sich mit derartiger Geschwindigkeit, dass kein normales Wesen ihn mehr wahrnehmen konnte. Jedes Raubtier, das ihn hier angreifen wollte, würde sein blaues Wunder erleben, dachte er, während er seine beidseitig geschliffenen Langschwerter aus den Scheiden zog und gekreuzt vor sich hielt. Bevor er jedoch ins Gebüsch stürzen und den vermeintlichen Feind schlachten konnte, hörte er eine trockene, wohlbekannte Stimme.

"Setz dich hin, du Dummkopf", sagte Boraul Shadestep gereizt. "Oder willst du dich mit mir auf einen Kampf einlassen?"

"Natürlich nicht, Meister Shadestep", erwiderte der Klingenmeister etwas beschämt, beendete seinen rituellen Windlauf und steckte seine Schwerter wieder weg. Dann setzte er sich. "Hattet Ihr Erfolg bei Eurer Aufgabe?"

Der alte Troll schnaubte und hinter seiner Maske glühten seine Augen wütend auf. "Nein", knurrte er mit dumpfer Stimme. Die Muskeln des alten Schattenjägers spannten sich. Auch wenn er alt war und es selbst in jungen Jahren nicht mit Zestaph hätte aufnehmen können, bot er noch einen rüstigen Anblick. Jeder ungerüstete Mensch und jeder nicht zaubermächtige Elf würde es sich überlegen, den alten Mann anzugreifen. "Du hattest Recht, Zestaph. Thrall hat mich nicht einmal ausreden lassen! Er würde sein Volk lieber opfern, als den Dämonen noch einmal Eintritt in diese Welt zu gewähren! Er wollte nicht wahrhaben, dass es Möglichkeiten gibt, Dämonen zu kontrollieren!"

Die Pranken des Schattenjägers schlossen sich und flüchtig glaubte Zestaph, dumpfen Trommelschlag zu hören und dunkles Feuer an den Händen seines Meisters zu sehen. Er rutschte unruhig hin und her. Auch wenn er von der Richtigkeit der Pläne seines Meisters überzeugt war, bereiteten ihm die dunklen Voodoo-Mächte, aus denen jeder Schattenjäger seine Magie bezog, Unbehagen. Obwohl sie nicht selbst dämonischen Ursprungs waren, waren sie doch eher den dunklen Praktiken der früheren Hexenmeister als der heutigen Schamanen anzurechnen.

"Ich hatte Euch gewarnt, Meister", entgegnete er nervös. "Der Kriegshäuptling betrachtet es als sein Lebensziel, die Dämonen ein für alle mal aus dem Denken der Orks zu vertreiben. Er würde niemals einem solchen Vorschlag zustimmen." Zestaph seufzte. "Und jetzt müssen wir davon ausgehen, dass man Jagd auf uns machen wird."

"Das ist wohl wahr." Der Schattenjäger ließ sich nieder und dachte einige Augenblicke nach. "Es war ein Fehler, diesem Narren von Thrall von meinen Plänen zu erzählen, ja. Aber er musste zumindest gewarnt sein, andernfalls würde er sofort gegen die Dämonen zu Felde ziehen, und wenn ein Dämonenlord angegriffen wird, vermag keine Macht der Welt ihn noch zu halten."

"Aber wie wolltet Ihr ihn dann gegen den Lichkönig hetzen?", fragte der junge Klingenmeister neugierig. "Wäre er dann nicht Eurem Griff entkommen?"

"Ja, ja, natürlich", erwiderte Boraul geringschätzig. "Doch ein Kampf zweier so mächtiger Wesen hätte selbst den Sieger in ihrem Kampf so sehr geschwächt, dass es mir nicht schwer gefallen wäre, ihn wieder meinem Willen zu unterwerfen." Die Stimme des alten Mannes bebte vor Selbstbewusstsein, als er ein schmales, zerknittertes Buch hervorzog. Er hielt es hoch. "Gul'dans Tagebuch, Zestaph! Die Aufzeichnungen des Hexenmeisters, wie man Dämonen steuern kann! Es wird uns bei unserer Aufgabe von großem Nutzen sein!"

"Zuerst jedoch müssen wir von hier weg, Meister!", wandte Zestaph ein und stand auf. "Wenn Thralls Truppen uns erwischen, bekommt Ihr keine Gelegenheit mehr, dieses Buch zu öffnen, glaubt mir. Wo wollt Ihr die Anrufung überhaupt stattfinden lassen?"

"Das wirst du schon bald erfahren, mein Junge", gab der alte Troll zurück, während er aufstand und das Buch wieder verstaute. "Für den Moment soll es dir genügen, dass es ein Ort ist, der von großer Macht durchdrungen und doch unbewohnt ist. Aber um zu ihm zu gelangen, werden wir ein Boot brauchen."

Zestaph zog die Stirn kraus. "Ein Boot? Soll ich Euch etwa eins zusammenzimmern, Meister? Ich bin kein Goblin! Recht weit würden wir damit nicht kommen."

"Keine Sorge", beschwichtigte ihn der Schattenjäger und setzte sich in Bewegung. "Wir haben keine Zeit zu verlieren, deshalb werden wir beim nächsten Goblin-Hafen ein kleines Schiff mieten. Auf diese Weise wird der Kriegshäuptling zwar davon erfahren, dass wir aufs Meer hinaus sind, aber er kann nicht wissen, welche Insel wir ansteuern. Übrigens, haben wir genug Geld?"

Zestaph wühlte in seiner Börse. "Noch nicht, Meister", gestand er. "Aber auf dem Weg dorthin - wohin auch immer - werden uns mit Sicherheit noch einige Monster über den Weg laufen, die für uns kein Problem darstellen sollten. Ihr Gold zusammen mit dem unseren sollte genug für diese gierigen kleinen Wichte sein."

"Ausgezeichnet", stellte Boraul fest. "Dann lass uns gehen, mein Junge. Die Zukunft der Welt hängt von uns ab."



Frei!

Er konnte es kaum fassen! So lange schon hatten er und seine Kameraden in den finsteren Tiefen von Kalimdor geschmachtet und jetzt war er frei! Die Nachricht, dass Fürst Illidan die Flucht aus dem Gefängnis der Nachtelfen gelungen war, hatte in den Wächtern derartige Bestürzung hervorgerufen, dass er es tatsächlich bis an die Oberfläche geschafft hatte.

Raeshor Thunderblade horchte mit angespannten Sinnen, die beiden Dämonenjägerklingen in Verteidigungshaltung. So weit er wusste, war er der einzige, der es hier herauf geschafft hatte. Obwohl die Wächter verwirrt gewesen waren, war der Ausbruch der Dämonenjäger doch nicht unbemerkt geblieben und war schnell und brutal niedergeschlagen worden. Raeshor hatte es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass die meisten Bewacher des Gefängnisses den Ausbruch von Fürst Illidan nicht überlebt hatten und er sich deshalb seinen Weg hatte freikämpfen können, aber seine Kameraden waren offenbar doch der Übermacht erlegen, sonst wären sie bereits hier erschienen.

Der Wald von Ashenvale hatte sich sehr verändert, seit er ihn das letzte Mal vor neuntausend Jahren gesehen hatte. Natürlich konnte er jetzt dank seiner rituellen Blendung nichts mehr davon mit den Augen wahrnehmen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass ein großer Teil des Waldes verdorben war. Raeshor presste die Lippen zusammen. Es war so ungerecht! Fürst Illidan hatte den Nachtelfen das ewige Leben gerettet, indem er das Wasser aus dem Magiebrunnen ihres Volkes mitnahm, der im Laufe des darauffolgenden Krieges der Nachtelfen gegen die späteren Hochelfen und Naga zum Mahlstrom wurde, der noch immer wie eine Wunde in der Welt klaffte. Denn aus diesem Wasser war der Baum des Lebens gewachsen, der ihrem Volk ihre Macht gab. Und zum Dank hatte man Illidan zehn Jahrtausende unter der Erde eingekerkert, ihn und alle, die sich zu ihm bekannt hatten. Wie ihn, Raeshor.

Es hatte nie viele Dämonenjäger gegeben. Fürst Illidan war der erste gewesen und die wenigen, die wie Raeshor ebenfalls diesem Pfad gefolgt waren, hatte man ebenfalls sofort inhaftiert. Danach hatte man sie einfach verdrängt. Und jetzt... war es gut möglich, dass Raeshor der letzte Dämonenjäger auf dieser Welt war. Er hatte in den letzten Tagen den Stimmen des Waldes gelauscht, wie er es schon so lange nicht mehr hatte tun können. Sie hatten ihm berichtet, wie der Fürst abermals für ihr Volk gekämpft hatte und zum Dank von seinem Bruder verbannt worden war. Wie er gejagt worden war, wie auch Raeshor jetzt, und wie er schließlich getötet worden war.

Er hatte es zunächst nicht glauben können. Illidan, sein höchstes Ideal, der stärkste aller Nachtelfenkrieger, im bloßen Nahkampf sogar dem großen Cenarius ebenbürtig, sollte gefallen sein? Er, der die Macht der Dämonen für sich selbst nutzen konnte, sollte unter der verfluchten Klinge eines Menschen gefallen sein? Doch der Wald log nie, das war die erste Weisheit, die ein Nachtelf am Anfang seines Lebens erlernte. Und so hatte er es am Ende akzeptieren müssen.

Raeshor ließ sich an der Rinde des Baumes entlang zu Boden gleiten, als er sicher war, dass sich ihm niemand näherte. Was sollte er nun tun? Die Dämonen, die den Wald verheert hatten, waren bereits besiegt. Hier gab es niemanden mehr, der seine Fähigkeiten benötigte. Diesen neuen Völkern, von denen die Pflanzen furchtsam berichteten, weil sie die uralten Bäume des Waldes gefällt hatten, konnte man nicht trauen, immerhin hatten sie Cenarius, den Halbgott getötet und Fürst Illidan bei seinem letzten Kampf im Norden im Stich gelassen. Und sein eigenes Volk jagte ihn gnadenlos. Wohin also sollte er sich wenden?

Wie zufällig fiel der Blick seiner blinden Augen in Richtung Norden. Es gab offenbar nur einen Weg, für den er sich entscheiden konnte. Einen Weg, durch den er gleichzeitig den Respekt seines Volkes erkaufen und seinen Meister rächen konnte. Er musste nach Norden gehen und denjenigen töten, welcher Illidan ermordet hatte. Er würde zum Dach der Welt reisen und sie vom Lichkönig befreien.



"Ich wiederhole mich nur ungern!"

Zorn glühte in den roten Augen der dunklen Waldläuferin auf, woraufhin sich der Akolyt vor ihr furchtsam duckte. Die Herrscherin der Verlorenen, jener Gruppe der Untoten, welche sich von der Geißel abgespalten hatte, war nicht gerade für ihre Sanftmut bekannt, das hatte jeder ihres Volkes schon bald erfahren. Besonders der Kult der Verdammten, jene Menschen, welche aus freien Stücken heraus den Untoten als Akolyten dienten, verachtete sie mit brennender Leidenschaft.

"Es tut mir Leid, Herrin Windrunner", entgegnete der bleiche Mann nervös, während er den Kopf an den Boden presste. "Aber niemand weiß offenbar, wohin der Schreckenslord hinverschwunden ist. Seit gestern hat ihn niemand mehr gesehen."

"Das ist nicht die Antwort, die ich haben wollte, Mensch!", zischte Sylvanas Windrunner, die ehemalige Verteidigerin des Elfenkönigreiches Silvermoon. "Wenn du nicht schon sehr bald als Schemen die Geißel ausspionieren willst, dann solltest du Varimathras mit allen Mitteln suchen! Verschwinde!"

Als der Akolyt noch bleicher, als er ohnehin schon war, vor ihrem stechenden Blick geflüchtet war, kühlte Sylvanas' Wut allmählich wieder ab. In letzter Zeit war sie andauernd nervös. Hauptsächlich lag das natürlich daran, dass der verhasste Prinz Arthas jetzt der Lichkönig war. Im Grunde hatte sie fast erwartet, wiederum geistig von ihm versklavt zu werden, wie er es schon einmal getan hatte. Damals, als er das strahlende Silvermoon dem Erdboden gleichgemacht und sie zu einem Dasein als schreiende Banshee verurteilt hatte.

Im Laufe der Zeit hatte sie sich mit Hilfe ihres starken Willens wieder mit ihrem Körper vereinigen können, allerdings konnte ihr das auch nicht das Leben zurückgeben. Sie war und blieb eine Untote, gebrandmarkt bis ans Ende ihrer Existenz, und die einzigen Leute, denen sie wahrhaft vertrauen konnte, waren die Banshees, ihre ermordeten Elfenschwestern. Allen anderen Untoten war es zuzutrauen, dass sie wieder zur Geißel überliefen, so bald die Sache für Sylvanas wieder schlechter aussah. Sie wunderte sich ohnehin, wieso sie ihre Streitmacht noch nicht verlassen hatte, nachdem Arthas nun die Macht des gottähnlichen Lichkönigs in sich hatte. War der Lichkönig vielleicht noch zu geschwächt, um sie geistig anzugreifen? Oder plante er etwas noch Schrecklicheres für sie als neuerliche Auslöschung ihres Willens?

Da sie das nicht wusste und auch nicht erfahren konnte, lebte sie ständig in Angst. Die Lebenden wären vermutlich erstaunt, das zu hören, aber selbst sie als Untote fürchtete um ihr Dasein. Und dass der Lich Kel'Thuzad sie noch immer nicht angegriffen hatte, nagte ebenfalls an ihren Nerven und machte sie noch reizbarer. Und zu allem Überfluss war nun auch Varimathras der Schreckenslord verschwunden. Sie trommelte mit den Fingern auf die Lehne des Königsthrons der Hauptstadt von Lordaeron. Als sie diese Stadt erobert und Balnazzar, den letzten Schreckenslord der Geißel töten hatte lassen, hatte sie gedacht, sie hätte ihr Ziel erreicht: sicherer Lebensraum für sie und die Leute, die ihr folgten. Doch jetzt schien es, als könnte es nicht mehr schlimmer kommen.

Andererseits hatte sie das auch gedacht, als Arthas Silvermoon verwüstet hatte...

"Milady?"

Sylvanas schreckte aus ihren Tagträumen hoch. Sie war sich sicher, dass einige Sekunden vorher noch niemand mit ihr im Raum gewesen war, aber nun ragte die beeindruckend große Gestalt von Varimathras vor ihr auf. Angesichts der Größe des Thronsaals wirkte er zwar wie alle Leute recht klein, aber dennoch überragte er sie selbst wenn sie stand um einen Kopf. Der Schreckenslord hatte sein Volk verraten, als er sich ihr angeschlossen hatte, um sein Leben zu retten und sie hatte dafür gesorgt, dass er niemals wieder zurückkonnte, indem sie ihm befahl, seinen Bruder Balnazzar zu töten. Seitdem hatte er sich notgedrungen mit ihr arrangieren müssen. Da er sonst überall verhasst war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich gut mit ihr zu stellen. Deshalb war er einer ihrer vertrautesten Berater. Für ihn war es einfach viel zu gefährlich, sie zu enttäuschen. Wenn er also verschwand, ohne sie davon in Kenntnis zu setzen, dann musste es einen guten Grund dafür geben. Sie hoffte es für ihn.

"Ah, Varimathras." Der Tonfall dieser Worte konnte sich mit der Kälte von Eiskrone messen. "Wie schön, dass Ihr auch einmal hier erscheint."

Der Schreckenslord wirkte nicht bestürzt. Das verblüffte sie. Normalerweise bemühte er sich sehr um ihre gute Laune. Er wurde zumindest nervös, wenn sie schlecht drauf war. Aber diesmal war seine Miene starr. Sie betrachtete ihn genauer. Nein, eigentlich nicht. Seine Gesichtsmuskeln zuckten unkontrolliert, wenn er es auch zu verbergen versuchte. Er hatte tatsächlich Angst. Aber weniger vor ihr als vor etwas anderem.

"Ich bitte um Verzeihung", entgegnete der Schreckenslord tonlos. "Aber ich habe eine Botschaft erhalten."

Sylvanas setzte sich interessiert auf. "Von wem?"

"Von einem Schreckenslord namens Garenas." Nun stand in Varimathras' Gesicht wirklich Panik geschrieben. "Er... er war nach Tichondrius der oberste Schreckenslord unter unserem Meister Kil'jaeden."

"Hoher Besuch also." Seltsamerweise fühlte sich Sylvanas entspannt. Offenbar tat es ihr gut zu sehen, dass auch andere Leute Probleme hatten. "Und was wollte er?"

"Er gab mir zu verstehen, dass er ungestört mit mir reden wollte. Deshalb begab ich mich auf irgendeinen abgelegenen Berggipfel." Der Schreckenslord schluckte. "Ich... fürchtete beinahe, er wäre tatsächlich dort. Aber er schickte nur sein Abbild."

Sylvanas zog die Augenbraue hoch. "Ist er denn so mächtig?"

Varimathras schnaubte. "Ich sagte doch schon, er ist der mächtigste Schreckenslord, seit Tichondrius besiegt wurde! Ich rechnete damit zu sterben!"

"Und wieso seid Ihr dann gegangen?", fragte die Dunkle Waldläuferin interessiert. Dieses Gespräch gab ihr sehr viel Aufschluss über Varimathras' Charakter. "Ihr hättet auch hier bleiben können. Unter all unseren Verbündeten hätte Euch sein Zorn wahrscheinlich nie erreicht."

"Möglich", räumte der Schreckenslord widerstrebend ein. "Aber wie würdet Ihr Euch fühlen, wenn Ihr damit rechnen müsstet, dass er Euch jederzeit aufsuchen könnte, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering wäre? Also zog ich es vor ihn aufzusuchen."

"Und worum ging es bei Eurem Gespräch?"

Er zuckte mit den Schultern. Allerdings war die Bewegung sehr schnell, so als wäre die Schulter froh darüber, eine Gelegenheit zu haben, ihre nervöse Energie abzubauen. Das schmälerte die Gelassenheit dieser Geste erheblich.

"Nun, das Übliche. Er warf mir vor, mein Volk verraten zu haben, sagte mir voraus, dass er mich dafür persönlich richten würde und erklärte mir in allen Details, wie er das anstellen wollte."

"Wie wenig überraschend", kommentierte Sylvanas trocken. "Aber wieso fürchtet Ihr Euch überhaupt? Selbst wenn er stärker ist als Ihr, wir sind hier inmitten einer Armee, wenn auch nicht der größten auf der Welt." Sie schnitt eine Grimasse. Jetzt sprach sie schon aus, was sie beunruhigte. "Jedenfalls dürfte es ihm schwer fallen, sich gegen so viele Angreifer zu wehren. Ihr braucht Euch doch nur in der Nähe unserer Truppen aufzuhalten."

"Das habe ich auch behauptet. Aber selbst wenn das jederzeit möglich wäre, er war nicht davon beeindruckt." Die krallenbewehrten Fäuste des Schreckenslords ballten sich. "Er meinte, unser Massenvorteil würde bald mehr als ausgeglichen sein."

Sylvanas' Augenbraue schoss alarmiert hoch. "Wie das?", herrschte sie ihn an. "Ich dachte, bis auf euch Schreckenslords könnten sich Dämonen nur durch Anrufung auf dieser Welt materialisieren!" Sie dachte kurz nach. "Auf diesem Kontinent gibt es keine Dämonentore mehr", schloss sie. "Sie waren alle im Besitz der Orks und dieses Gebiet kontrollieren wir inzwischen. Wäre es möglich, dass jemand in Kalimdor noch Dämonen anbetet?"

Der Schreckenslord schüttelte den Kopf. "Das kann ich mir nicht vorstellen", urteilte er. "In Kalimdor gibt es zwar die Orks und die Menschen, aber sie verfolgen jeden, der auch nur an diese Möglichkeit denkt, bis in den Tod. Und selbst wenn, dann gäbe es noch immer diese verfluchten Nachtelfen. Sie würden sofort spüren, wenn ihre Wälder wieder durch Dämonen entweiht würden, glaubt mir."

"Also kein Dämonentor", murmelte die Dunkle Waldläuferin. Sie starrte einige Sekunden lang die Decke an, dann fixierte sie den Schreckenslord wieder mit ihrem Blick. "Als Kel'Thuzad in Dalaran Lord Archimonde herbeirief, gab es auch kein Dämonentor. Heißt das, man kann euresgleichen auch ohne diese Türen beschwören?"

"Nein", wehrte Varimathras ab. "Nur die mächtigsten von uns können herbeibeschworen werden, für die hirnlose Legion braucht man unbedingt ein Tor, durch das sie einfallen kann. Als Sterblicher kann man ohnehin nur ein oder zwei Dämonen durch ein solches Tor rufen, alles andere wäre Selbstmord. Selbst wir Schreckenslords oder Grubenlords wie Mannoroth wären nur fähig, ein Dutzend Dämonen herbeizurufen. Nur Lord Kil'jaeden besitzt nach Lord Archimondes Tod die Kraft, Armeen durch solche Tore hierher bringen. Damals, nach unserer Niederlage, verwendeten die Nachtelfen und Drachenbeschützer ihre mächtigste Magie, um die Welt abzuschirmen. Um Kil'jaeden zu rufen, braucht man uralte, machtvolle Beschwörungen, welche von den Dämonen selbst stammen. Nur sehr wenige Leute kannten jemals solche Zauber, denn sie verleihen große Macht, die wir nicht gerne in den Händen Sterblicher lassen. Existiert das Buch noch, mit dem Kel'Thuzad Archimonde rief?"

"Er hat es verbrannt", verneinte Sylvanas nachdenklich. "Als er erkannte, dass die Dämonen den Lichkönig entmachten würden, stellte er sicher, dass niemand mehr dieses Buch benutzen konnte. Also gibt es keinen Zauber mehr, der mächtig genug wäre, Kil'jaeden auf die Welt loszulassen?"

Varimathras runzelte die Stirn. Er sah plötzlich viel entspannter aus. "Nein, ich glaube nicht." Seine Miene hellte sich auf. "Außerdem kann man solche Magie nur an Orten mit starker magischer Hintergrundstrahlung wie Dalaran wirken. Ihr habt Recht, die Wahrscheinlichkeit, dass die Brennende Legion noch einmal einen Weg hierher findet, ist gleich Null."

"Gut", meinte Sylvanas zufrieden. Dann sah sie den Schreckenslord kalt an. "Und da es nun keinen Grund mehr zur Furcht gibt, erwarte ich, dass Ihr mich über jeden Eurer Schritte unterrichtet, verstanden? Mit diesem Ausflug ist der Vorrat an Vertrauen, das ich Euch entgegenbringe, bedenklich geschrumpft."

Das Gesicht des Schreckenslords versteinerte. Widerwillig senkte er das Haupt und verneigte sich vor der Bansheekönigin. "Natürlich", murmelte er. "Es soll geschehen, wie Ihr sagt."

"Ja, das sollte es, Varimathras", bekräftigte die ehemalige Hochelfe. "Das sollte es wirklich. Die Folgen würden Euch nicht gefallen. Ihr könnt jetzt gehen."

Als der Schreckenslord verschwunden war, fiel Sylvanas Windrunner wieder ins Grübeln zurück. Hatte dieser Garenas nur geblufft, um Varimathras einzuschüchtern? Es würde zu den Schreckenslords passen, einen Gegner in Angst und Schrecken zu versetzen, wenn sie ihn schon nicht töten konnten. Und es gab ja keinen Weg mehr, einen Dämonenlord zu beschwören, das war sie ja vorhin durchgegangen. Nein, sie konnte beruhigt sein. Aber wieso war sie es dann nicht?



"Ah, nicht übel, nicht übel", röhrte Beertac Alefoot, während er mit seiner riesigen Zunge die Schüssel ausleckte, in der sich noch Sekunden vorher Suppe befunden hatte. "Hab schon seit ein paar Tagen nichts Anständiges mehr gegessen. Die Gastfreundschaft der Untoten lässt erheblich zu wünschen übrig, wisst ihr?"

"Das... ist leicht untertrieben", murmelte der Kommandant, welcher neben dem Braumeister Platz genommen hatte. Vangis saß den beiden gegenüber. Niemand hatte damit gerechnet, dass sie überhaupt zurückkamen, deshalb war die Freude groß gewesen, als sie beide mit dem kräftigen Pandaren hier aufgetaucht waren. Er und der Kommandant waren überschwänglich willkommen geheißen worden, auf Vangis hatte beinahe nur seine Mutter geachtet. Sie hatten das gutgeheißen und Beertac den Verdienst für ihr Überleben zugeschoben. Vorläufig musste noch niemand erfahren, wer... was Vangis war. Er hatte es ja selbst noch kaum akzeptiert.

Wieder einmal sah er seine Hände an, als ob sie sich nach dieser... Erfahrung verändert hatten. Nichts. Zwar waren etliche rote Striche vom Schwertknauf darauf zu sehen, aber ansonsten sahen sie nicht anders aus als nach einem Tag Feldarbeit. Dem Kommandanten war es offenbar aufgefallen.

"Du bist nicht anders, Vangis", sagte er so leise, dass es zwar nicht heimlichtuerisch aussah, aber auch von anderen in den Höhle nicht gehört werden konnte. Vangis war aufgefallen, dass er ihn jetzt nicht mehr mit "Junge" anredete. "Du hattest diese Kräfte schon immer in dir. Paladin wird man durch sein gutes Wesen und seinen reinen Glauben, es steckt einfach in dir. Jetzt ist es nur offensichtlich geworden."

"Was hast du denn, Kleiner?", fragte Beertac, während er die Schüssel misstrauisch auf das letzte Tröpfchen Suppe absuchte. "Freust du dich nicht? Jetzt, wo du die Kraft hast, deine Leute hier zu beschützen?"

"Schon", gab Vangis zögernd zu. "Aber ich weiß doch überhaupt nichts von den Fähigkeiten eines Paladins. Oder von den Pflichten."

"Die Pflichten kannst du getrost zur Seite stellen", empfahl ihm der Kommandant. Der Soldat lehnte sich nach vor und seine Stimme wurde teilnahmslos. "Die Pflichten der Paladine wurden bedeutungslos, als Arthas ihren Orden vernichtete. Es gibt niemanden mehr, der dich unterweisen könnte, einer von ihnen zu sein."

"Ach, lass doch den Kopf nicht so hängen, Mann", sagte Beertac gutgelaunt und schlug ihm auf die Schulter, was den Menschen einknicken ließ. "Wenn's niemanden mehr gibt, der ihm Vorschriften macht, ist das doch toll!" Er blinzelte Vangis zu. "Dann kannst du dir selbst diene Vorschriften aufstellen!"

Vangis blickte ihn zweifelnd an. "Aber..."

"Aber?", wiederholte der Braumeister. "Aber? Wieso aber? Es gibt keinen mehr, der so ist wie du, Kleiner, das heißt, dass du völlig ungebunden bist. Du kannst frei entscheiden, was du tust."

Vangis sah hilfesuchend zum Kommandanten, der den Pandaren interessiert musterte. "Eigentlich hat er Recht, Vangis", bestätigte er. "Du bist der letzte Paladin. Du kannst selbst entscheiden, was du daraus machst. Es steht dir frei."

"Na toll", brummte der junge Mann missmutig. "Und wie soll ich eure hohen Hoffnungen erfüllen, wenn ich nichts über die Paladine weiß? Ich meine, jeder kennt sie, aber niemand weiß, wie sie ihre Fähigkeiten erhalten."

Der Kommandant kratzte sich am Kopf. "Ein Punkt für dich", stimmte er zu. "Du benötigst selbstverständlich Ausbildung, wenn du was erreichen willst. Aber schau nicht mich an. Ich kann dir vielleicht helfen, besser mit Waffen umzugehen, aber deine gottgegebenen Kräfte zu nutzen kann ich dich nicht lehren. Und ich kenne auch niemanden, der je einen Paladin so gut gekannt hätte." Sein Blick fiel auf Beertac, der sich gerade einen Humpen einschenkte. "Sagt, Meister Alefoot, kennt Ihr vielleicht jemanden, der Vangis helfen könnte?"

"Meister Alefoot?" Der Braumeister lachte und kegelte dem Kommandanten abermals beinahe die Schulter aus. "Das hört sich richtig respektabel an! Passt also gar nicht zu mir, nennt mich lieber "Alter Säufer" oder "Loch ohne Boden", wie alle meine Freunde." Dann beruhigte er sich wieder. "Aber im Ernst: Als harmloser und dazu lebenden Händler lassen einen die meisten Leute natürlich gerne in ihre Versteckt rein. Es gäbe da schon vielleicht ein paar Leute, die unserem Wunderknaben hier was beibringen könnten..."

"Dann erzählt", forderte ihn der Kommandant auf, während Vangis eine Grimasse schnitt. Wunderknabe. Dieses Wort verhieß viele Ausbildungsstunden für die Zukunft.

"Oder wie viel müssen wir Euch von Eurem Gebräu abkaufen, damit sich Eure Zunge löst?", fragte er den Braumeister.

"Ah, der Junge hat Witz", stellte dieser erfreut fest. "Das wird dir noch nützlich sein, wenn es gilt, Männer zu motivieren. Nun, ich sage ja nicht, dass es schlecht wäre, neben einer Erzählung gemütlich ein Krüglein zu schlürfen... lasst mich euch kurz zwei füllen, dann könnt ihr der Geschichte entspannter folgen."

Nachdem er erst Vangis, dann dem Kommandanten einen Krug des schäumenden Getränks gereicht und dafür die restliche Suppe der beiden erhalten hatte, leckte er sich die Lippen und fing dann beiläufig an zu erzählen: "Nun, zunächst mal müsst ihr wissen, dass ihr beileibe nicht die einzigen Leute seid, die es in die Berge geschafft haben. Zwar haben die Untoten schon bald Säuberungsaktionen durchgeführt, aber davor haben sich viele Leute hier oben versteckt, wo man noch einigermaßen sicher ist. Wird zwar nicht so schwer sein, sie zu finden, aber momentan nützen sie uns wahrscheinlich wenig. Vielleicht könnt ihr später, wenn ihr eine Armee braucht, auf sie zurückgreifen."

"Eine Armee?" Die Worte entschlüpften Vangis, bevor er darüber nachdenken konnte. "Wozu eine Armee?"

"Na, um die Untoten zu bekämpfen, Kleiner, wozu denn sonst?", fragte Beertac. "Oder was hattest du mit deinen Kräften sonst vor?"

"Du solltest dich mit dem Gedanken anfreunden, Vangis", ergänzte der Kommandant. "Wohin du auch gehst, sobald die Leute einen Paladin sehen, werden sie ihn zu ihrem Heerführer machen. Oder möchtest du deine Heimat etwa nicht befreien?"

"Doch, sicher." Vangis zögerte. "Aber ICH als Feldherr...?"

"Kein Feldherr kam jemals ohne Berater aus", entgegnete der Kommandant mit einem Lächeln. "Zumindest kein lange erfolgreicher. Du musst ja nicht alles allein entscheiden. Aber die Leute brauchen einen Helden, dem sie folgen können." Als er das zweifelnde Gesicht des Jungen sah, winkte er ab. "So weit ist es ja noch nicht. Es kann noch viel passieren, bis wir jemanden finden, der dich ausbildet. Und danach auch. Lass uns erst mal Beertac zuhören."

Dieser nahm daraufhin die Schnauze aus der Suppenschüssel und meinte: "Das würde ich begrüßen. Nun, dann weiter im Text: Ich habe ein paar Verstecke dieser Menschen aufgesucht. Sie werden sich nicht ewig vor den Untoten verstecken können, aber einige Zeitlang halten sie schon noch durch. Die meisten haben mehr Nahrungsmittel mitgenommen als ihr und sind auch weiter oben und besser getarnt versteckt, ohne Kritik an eurer hübschen Höhle üben zu wollen." Er räusperte sich. "Nun, also, wen gäb's da noch? Ein paar von den Leuten, die ich traf, haben mir von einer Meute Elfen erzählt, die mit Großmarschall Garithos gekämpft haben soll. Nennen sich Blutelfen und hassen die Untoten wie nichts anderes. Sind zwar anscheinend untergetaucht, aber sicher nicht weit weg. Die wollen sich noch immer an den Untoten rächen und das können sie nur hier.

Aber die werden wir nicht so schnell finden. Wenn, dann finden die eher UNS. Also bleibt dir, glaub ich, nur eine Möglichkeit, Junge." Beertac machte große Augen. "Du musst nach Khaz Modan gehen."

"Zu den Zwergen?" Vangis runzelte die Stirn. "Aber niemand weiß genau, wo sie leben. Nur deshalb konnten sie sich der Geißel bis jetzt entziehen. Sie können sie nicht finden."

Der Kommandant starrte den Braumeister an. "Oder wollt Ihr sagen, Ihr wisst, wo ein Eingang liegt?"

Beertac grinste übers ganze Gesicht. "Nun, da war doch dieser Zwerg, der mich plötzlich in einem Gemetzel mit den Untoten unterstützte. Mähte mit seiner Flinte einen nach dem anderen dieser Krüppel nieder. Erst war er ziemlich mürrisch, aber nachdem ich ihm eine Kostprobe meines guten Gebräus gegeben hatte, wurde er weicher. Jedenfalls, um es kurz zu machen, er brachte mich nach Khaz Modan, wo ich einige Wochen lang mehr Bier verkaufte als in den Jahren zuvor. Als ich sie verließ, baten sie mich, bald wieder vorbeizuschauen, um ihnen Informationen zu bringen."

"Und ein paar Fässer Bier, wenn möglich?"

"Nun, vielleicht inoffiziell." Der Pandare zuckte mit den Schultern. "Die Zwerge sind alt, zwar nicht so sehr wie die Elfen, aber sicherlich sind die Chancen, dass wir unter ihnen einen finden, der mit einem Paladin gekämpft hat, größer als hier unter den Menschen. Wenn du was lernen willst, Kleiner, dann rate ich dir, geh nach Khaz Modan."

"Ich halte es für eine gute Idee, Vangis", stimmte der Kommandant zu, nachdem er einen Schluck Bier getrunken hatte. "Die Zwerge waren den Menschen gegenüber immer loyal. Selbst wenn sie dir mit deinen Kräften nicht helfen können, wirst du dir bei ihnen viel über den Kampf aneignen können. Ganz zu schweigen davon, dass die Frauen und Kinder dort in Sicherheit wären."

"Nun", gab sich Vangis geschlagen. "Dann bleibt mir wohl keine Wahl, wie?"

"Eigentlich nicht", erwiderte Beertac nach einem Prost. "Es sei denn, du willst allein gegen die Geißel antreten."

Vangis schnitt eine Grimasse. "Oh, ich hätte nichts gegen ein bisschen Verstärkung einzuwenden, besten Dank."

Der Kommandant prostete ebenfalls. "Dann auf nach Khaz Modan!"



Kel'Thuzad zitterte, und das nicht nur vor Angst. Genauer gesagt schäumte ein Teil von ihm vor Wut. Was maßte sich dieser Emporkömmling eigentlich an? Arthas behandelte ihn so, als wäre er ein niedriger Untertan, der sich etwas zuschulden hatte kommen lassen, obwohl er ihm und dem Lichkönig immer treu zur Seite gestanden hatte. Es musste Arthas sein, denn der Lichkönig belohnte die, welche ihm treu waren. Aber wieso lebte der Geist des Todesritters überhaupt noch? Wieso ließ Ner'zhul zu, dass Arthas weiterexistierte?

Langsam entspannte sich der Lich wieder. Die Gründe, aus denen Ner'zhul handelte, waren selten vorhersehbar, selbst für ihn. Gewiss war es wohlüberlegt, dass er Arthas momentan seinen Körper kontrollieren ließ. Wenn die Zeit dafür reif war, würde der Lichkönig die Kontrolle an sich reißen, und dann war es aus mit Arthas' Großspurigkeit.

Aber bis dahin galt es, den Jungen zufrieden zu stellen. Kel'Thuzad konnte es sich nicht leisten, jetzt zu versagen, nicht, nachdem er bereits so viel durchgestanden hatte. Er war getötet und wiederauferweckt worden, hatte die Allianz zersplittern gesehen, eine Dämonenarmee überlebt und die Schreckenslords überdauert. Jetzt würde er NICHT vor diesen jämmerlichen Resten der Menschen Angst haben oder sich dieser Verräterin Sylvanas Windrunner geschlagen geben!

Aber es gab auch noch andere Dinge, um die er sich kümmern musste. Alles musste gut überlegt werden, wie bis jetzt auch, sonst würde er den totalen Triumph des Lichkönigs nicht mehr miterleben. Von seinen Schemen hatte er beunruhigende Nachrichten über die Blutelfen erhalten. Obwohl sie mit ihrem Anführer Illidan Stormrage bei Eiskrone geschlagen worden waren, gab es diese gefährlichen Fanatiker noch immer. Angeblich hatten sie einige der letzten Angriffe auf Siedlungen der Geißel begangen, nicht die Königin der Verlorenen. Und es klang schlüssig. Windrunner war eine Eroberin. Sie wollte Lebensraum und sie wollte Leute, die für sie kämpften. Die Siedlungen aber waren vollständig vernichtet worden. Nur jemand, dessen Hass so heiß brannte, dass er die Vernunft völlig überschattete, was auf Sylvanas nicht zutraf, war zu solchem Gemetzel fähig.

Gut, also die Menschen, auch wenn es nur noch klägliche Reste einer Zivilisation waren, die Verlorenen und die Blutelfen... nicht zu vergessen die Zwerge von Khaz Modan. Oh ja, sie durfte man nie unterschätzen. Zwar hatten sich die Thanes der Zwerge inzwischen in ihre Berge zurückgezogen, bestürzt darüber, wie schnell die Geißel die Menschen niedergeschlagen hatte, aber von allen Anhängern der ursprünglichen Allianz waren die Zwerge jetzt die zahlreichsten. Niemand wusste, wo ihre geheimen Eingänge in ihre kleinen Königreiche waren, keiner hatte eine Ahnung, wie viele es noch von ihnen gab. Auch sie durfte er nicht vernachlässigen.

Aber gegen wen sollte er zuerst vorgehen? Der Lichkönig hatte ihm befohlen, die restlichen Menschen zu eliminieren, was ihm seltsam vorkam. Immerhin waren sie zahlenmäßig am schwächsten und ihr Kampfgeist war größtenteils gebrochen. Allerdings hatte Arthas ihm auch zu verstehen gegeben, keine Risiken einzugehen... damit ließ sich etwas anfangen. Von den Zwergen und den Blutelfen wusste er nicht, wo sie sich verkrochen. Er würde seine Schemen und Frostwyrms darauf ansetzen. Sylvanas durfte er nicht angreifen, bevor er nicht seine anderen Feinde erledigt hatte, also blieben nur die Menschen, die sich in kleinen Höhlen verkrochen.

Kel'Thuzad knirschte mit den Zähnen, da er ja nicht mehr dazu fähig war, Grimassen zu schneiden. Es würde ihm nichts anderes übrigbleiben. Er musste Patrouillen ins Gebirge schicken, ohne die Hauptstreitmacht so sehr zu schwächen, dass Windrunner einen Vorstoß wagte. Es würde eine langwierige Sache werden, die Menschheit endgültig auszurotten, aber das konnte er nun mal nicht ändern. Sobald er mit ihnen fertig war, würde er wahrscheinlich auch den Standort der Elfenarmee kennen und die Brut von Prinz Kael'tas auslöschen. Vielleicht wusste ja einer der Elfen oder der Menschen, wo die Eingänge von Khaz Modan lagen, auch wenn er es bezweifelte. Wenn dem so war, würde er die Zwerge angreifen und ansonsten die Befehle des Lichkönigs abwarten.

Zufrieden nickte er. Überlegung zahlte sich eben immer aus. Er würde der Geißel zu neuen Siegen verhelfen, und wenn Lordaeron fest in ihrer Hand war, dann würde der Lichkönig ihn belohnen und sie siegreich nach Kalimdor führen. Durch seine Macht würde es ihnen schließlich gelingen, die neue Allianz der Menschen, Orks und Nachelfen zu brechen und aus der Welt ein Paradies des Todes zu machen. Kel'Thuzad konnte diesen Tag kaum noch erwarten, denn dann würde er stolz auf seine Taten zurückblicken können und zur Rechten des Lichkönigs erhoben werden. Und diese Welt würde für alle Zeit der Geißel gehören!

Der Lich stand so abrupt auf, dass seine Knochen klapperten. Genug der Muße! Schließlich hatte er viel zu tun. Er musste sich ranhalten, wenn er nicht doch noch den Zorn Arthas' wecken wollte. Mit schnellen Schritten durchquerte Kel'Thuzad den Saal, während er geistig mit seinen Heerführern Kontakt aufnahm. Es galt, neue Rekruten unter den verbliebenen Menschen anzuwerben.



Ende Kapitel 2



Werden Boraul Shadestep und Zestaph Swordglim ihr Ziel wirklich so leicht erreichen? Kann Dämonenjäger Raeshor Thunderblade gegen den übermächtigen Lichkönig bestehen? Welche Pläne schmiedet die intrigenreiche Sylvanas Windrunner und wie reagiert Kel'Thuzad darauf? Und wird Vangis mit seinen Beschützern das sagenumwobene Khaz Modan sehen? Lest Kapitel 3!
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