Tutorium: Wie organisiere ich einen Text?
Autor: aurora australis
Wenn man genügend Ideen hat, um mit dem Schreiben anzufangen, ist ein wichtiger erster Schritt, sich auf einen bestimmten Text zu konzentrieren. Man sollte Ideen auswählen, die für diesen Text geeignet sind. Wer noch nicht so weit ist und erst einmal wissen möchte, wie man Ideen organisiert, der sollte sich zuerst das Tutorium "Wie organisiere ich meine Ideen" von Animeliker oder kweenron durchlesen. In diesem Tutorium gehe ich davon aus, dass der Leser bereits eine Reihe von Ideen organisiert hat und wissen möchte, wie man aus einer allgemeinen Ideensammlung einen einzelnen Text planen kann.
Zuerst muss man sich überlegen, was für eine Art von Text man schreiben will. Es gibt zwei große Unterarten: Erzählerische Texte und Sachtexte. Sachtexte berichten über ein Thema, während erzählerische Texte eine Geschichte erzählen. Wir beginnen mit den Sachtexten.
Um einen Sachtext schreiben zu können, sollte man das Thema zunächst genau eingrenzen. Wenn ihr zum Beispiel wegen eurer eigenen Erfahrung mit der Gartenarbeit über Blumen schreiben wollt: Ihr schreibt dann nicht einfach nur über Blumen, sondern genau über die Blumenarten, die in eurem Garten wachsen.
Diese Differenzierung ist auch nützlich, um den Text zu gliedern. Sachtexte behandeln in der Regel mehrere Unterthemen hintereinander. Im Beispiel könnte das bedeuten, dass die Blumen nacheinander vorgestellt werden, jede Art einzeln. Vielleicht in der Reihenfolge, in der sie im Laufe eines Jahres zu blühen beginnen. Neben dieser zeitlichen, chronologischen Reihenfolge sind weitere sinnvolle Gliederungen vieler Themen aus räumlicher Perspektive (im Beispiel könnte man die Blumen im Beet von links nach rechts vorstellen) möglich. Oder anhand von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen (zum Beispiel danach, welche Pflanze wie viel Wasser benötigt).
Sehr wichtig ist, nicht abzuschweifen. Texte, in denen der Autor den roten Faden verloren hat, werden fast immer abgebrochen. Wenn sie doch beendet werden, sind sie nicht schön zu lesen, weil darin ein Großteil der Aufmerksamkeit einem anderen Thema gewidmet wurde als dem, um das es ursprünglich gehen sollte.
Manche Leute wollen keine interne Gliederung, um spontan zu bleiben und die Reihenfolge von Teilen des Textes vertauschen zu können. Dann sollte man sich zumindest schon beim Beginn der Schreibarbeit ein Ende überlegt haben, damit man weiß, auf welches Ziel man hinarbeitet. Je länger und umfangreicher der Sachtext wird, desto sinnvoller kann es sein, die behandelten Unterpunkte zu eigenen Kapiteln zu machen und jedes davon noch einmal intern zu gliedern.
Erzähltexte haben mit Sachtexten gemeinsam, dass sie ein Thema, Anfang und Ende besitzen und wie bei Sachtexten ist es grundsätzlich keine schlechte Idee, zunächst das Ende des Textes festzulegen, damit man eine erste Vorstellung davon bekommt, was der Text umfassen soll.
Der wesentliche Unterschied zu Sachtexten ist, dass alle Erzähltexte - von Witzen bis zu mehrteiligen Romanen - durch einen Handlungsbogen Spannung aufbauen. Leser lesen Sachtexte, weil sie etwas über ein Thema wissen wollen. Erzähltexte hingegen, weil sie wissen wollen, wie es weitergeht. Deswegen bietet sich an, die Handlung auch ins Zentrum der Planung von erzählerischen Texten zu stellen.
Wer die Handlung eines Erzähltextes organisieren will, muss zunächst entscheiden, was dazu gehört und was nicht. Zunächst sollte man aus allen Ideen für mögliche Ereignisse, über die man gerne schreiben möchte, diejenigen auswählen, um die es in der Geschichte, die man organisiert, gehen soll.
Anschließend sollte man sie in eine chronologische Reihenfolge bringen. Dann sollte man überlegen, welche Geschehnisse in die Geschichte eingefügt werden müssen, damit die Ereignisse logisch miteinander verknüpft werden müssen. Wer darüber schreiben will, wie Charaktere sich vertragen, muss entscheiden, wann und wie sie sich zerstritten haben. Wer über eine Schlacht schreiben will, muss sich überlegen, wer wann gegen wen und mit welcher Absicht einen Krieg gestartet hat.
Gerade längere Geschichten bestehen aber nicht nur aus Ereignissen, sondern bringen dem Leser zudem die Charaktere hinter den Ereignissen und die Welt, in der sie leben, näher. Bei der chronologischen Auflistung können bei jedem Ereignis Ort und die beteiligten Charaktere ergänzt werden.
Daneben gibt es auch weitere Möglichkeiten, die Inhalte der Geschichte zu organisieren:
Neben der Handlung bilden die Charaktere das Herz jeder Geschichte. Um die Beziehungen zwischen den Charakteren darzustellen, eignet sich eine Mind-Map. Dabei schreibt man den Namen des Hauptcharakters in die Mitte, die Namen der Nebencharaktere um ihn herum. Auf Linien zwischen dem Hauptcharakter und den Nebencharakteren kann man die Beziehung der Charaktere in einem oder zwei Worten ausdrücken: Verschwistert, Befreundet, Verfeindet oder ineinander verliebt. Oder man verwendet Symbole: Freundliche oder traurige Smileys, Herzen für Liebespaare, gebrochene Herzen für ehemalige Liebespaare, Eheringe für verheiratete Charaktere, Blitze für Feindschaft und ähnliches. Durch Pfeile von einem zu einem anderen Symbol kann man Änderungen in den Beziehungen während der Geschichte darstellen. Zum Beispiel kann ein Pfeil von einem Herz zu Eheringen bedeuten, dass ein Paar heiratet.
Aber Pfeile können auch benutzt werden, um einseitige Beziehungen darzustellen: Vom Hauptcharakter ein Pfeil mit einem Herz auf einen Nebencharakter, von diesem Charakter aber ein Pfeil mit einem Blitz zurück auf den Hauptcharakter zeigt eine einseitige Liebe.
Bei zwei nebeneinander liegenden Nebencharakteren kann man die Beziehungen in der Mind-Map ebenfalls darstellen, bei auf unterschiedlichen Seiten des Hauptcharakters liegenden Nebencharakteren nicht sehr gut. Deshalb macht es Sinn, die Nebencharaktere so anzuordnen, dass diejenigen, die etwas miteinander zu tun haben, möglichst nebeneinander hingeschrieben werden.
Will man einzelne Charaktere genauer ausarbeiten, kann man einen Steckbrief anwenden. Für solche Steckbriefe gibt es im Internet zahlreiche Vorlagen, die allerdings teilweise sehr unterschiedliche Aspekte als wichtig erachten. Haar - und Augenfarbe können in einem solchen Steckbrief ebenso abgefragt werden wie Stärken und Schwächen des Charakters, seine Beziehungen zu anderen und seine Persönlichkeitsmerkmale. Eine Vorlage für einen Steckbrief ist der Charakterbogen, der auf dieser Seite zu finden ist: http://www.schriftsteller-werden.de/charakterentwicklung/charakterbogen/
Da solche Steckbriefe oft sehr umfangreich und nur für die Hauptcharaktere gedacht sind, habe ich hier eine kürzere Version, die für Nebencharaktere verwendet werden kann.
Auffällige Merkmale:
Alter und Geschlecht:
Aussehen und Kleidung:
Rolle in der Gesellschaft:
Wohnung:
Beruf und Bildung:
Talente:
Interessen:
Moralische Überzeugungen:
Vergangenheit:
Veränderungen im Lauf der Geschichte:
Ein Steckbrief kann allerdings auch hinderlich sein, wenn dort Angaben abgefragt werden, die für die Geschichte nicht relevant sind. Es kommt auch vor, dass der Autor anhand einer Vorlage einen Charakter aus Stichpunkten und einzelnen Worten zusammenfügt, der dann im Fließtext nicht funktioniert. Ich empfehle daher, Steckbriefe in ganzen Sätzen zu beantworten.
Oft mache ich mir eher lose Notizen dazu, was bei einem Charakter wichtig ist (ist zappelig, hat immer Schokolade dabei, liest nicht gerne, kann hervorragend reiten und so weiter), ohne einen Steckbrief als Vorlage.
Alternativ kann man auch versuchen, einen Charakter erst in einer Szene der Geschichte zu schreiben. Man sucht sich eine Situation aus, die passieren soll, und beginnt, zu schreiben, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie der Charakter als Ganzes funktioniert. Während des Schreibens bekommt man oft ein erstes Gefühl dafür, wie er tickt.
Man kann auch einen Charakter entwickeln, indem man einen realen Menschen als Vorbild nimmt. Allgemein ist es für das Schreiben oft hilfreich, sich zu überlegen, wie echte Menschen sich verhalten. Was verbindet euch mit ihnen? Wie würdet ihr sie beschreiben?
Manche Autoren schreiben ihre Charaktere auch in Anlehnung an andere Charaktere. Dann sollte man aber mindestens eine wichtige Eigenschaft abändern und eventuell ins Gegenteil verkehren, damit der Charakter auch ein eigener Charakter mit eigener Persönlichkeit und nicht nur eine Kopie wird. Und schreibt man eine Fanfiktion, sollte man vermeiden, Charaktere aus demselben Fandom als Vorlage zu nehmen. Eher sinnvoll als die Verwendung einzelner Charaktere ist es, die Eigenschaften mehrerer Figuren zu kombinieren.
Zuletzt gibt es für Charaktere noch die Möglichkeit, einzelne Charaktereigenschaften aus einer Liste wie dieser auszusuchen: https://charaktereigenschaften.miroso.de/
Für den Umgang mit Orten kann es hilfreich sein, eine Karte zu verwenden. Man muss dafür nicht gut zeichnen können: Für eine eigene Welt kann es schon reichen, anhand von Linien und Punkten die Positionen einiger wichtiger Orte im Verhältnis zueinander darzustellen, um sich etwa zu merken, dass, wer von Stadt A nach Stadt B möchte, auf dem Weg durch Stadt C kommt, einen Fluss oder eine Landesgrenze überqueren muss oder dass links auf der Karte, also im Westen, eine Küste verläuft. Spielt die Geschichte hingegen in der realen Welt, kann man eine echte Karte nehmen und einfach einige wichtige Handlungsorte durch Punkte markieren. Auch bei Fanfictions zu manchen Romanen (Die Legende der Wächter, Warrior Cats, Eragon) kann man auf Karten zurückgreifen, die die Autoren der Originale bereits veröffentlicht haben.
Für viele andere Probleme, die bei der Organisation einer Geschichte auftauchen, können Diagramme helfen. Durch mit Pfeilen verbundene Kästen lassen sich verschiedene Systeme darstellen. Zum Beispiel, wenn ihr über eine Währung schreiben wollt. Schreibt die Namen der Währungseinheiten in die Kästen. Schreibt an die Pfeile, wieviel sie jeweils im Verhältnis zueinander wert sind. So verliert ihr nicht den Überblick.
Auf viele andere Systeme kann das Prinzip ebenfalls angewandt werden, solange sie nur festen Regeln folgen. Hier ist als Beispiel eine Darstellung des deutschen Schulsystems: http://einbisschendeutsch.com/images/schulstruktur.gif
Wer möchte, kann auch seinen Plot in dieser Form darstellen. Nebenhandlungen lassen sich so eventuell besser im Blick behalten als bei einer Liste.
Manche Autoren legen für ihre Geschichten auch Tabellen an, zum Beispiel auf Excel. Für jede Szene kann man in chronologischer Reihenfolge eine Zeile verwenden. In die Spalten können dann die Handlung, der Handlungsort, die in der Szene auftretenden Charaktere und andere wichtige Informationen eingetragen werden.
Letztendlich ist es jedem Autor selber überlassen, wie genau er seine Geschichte plant. Wohl kaum jemand wendet alle hier aufgelisteten Methoden zur Organisation einer Geschichte an. Sollte man beim Schreiben allerdings Probleme bekommen, so hoffe ich, dass eine dieser Vorgehensweisen dagegen helfen kann.