Tutorium: Ratschläge für durchorganisiertes Schreiben
Autor: sarash
Unter "Durchorganisiertem Schreiben" verstehe ich eine Form des Planens und der Informationsnotierung, die dir dabei helfen kann, bei langen, figurenreichen Geschichten mit viel Handlung den Überblick zu behalten. Es bedeutet zwar nicht, dass jeder Schreiberling nach diesem Schema vorgehen sollte - es gibt viele talentierte Menschen, die auch sehr frei schreiben können - aber dieses Tutorial soll jenen einige Ratschläge an die Hand geben, die gerne mehr Ordnung in ihre Geschichten bekommen möchten.
- Ordnerstruktur
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Es ist ratsam, den Geschichtentext selbst in einem anderen Ordner als die Notizen zu verstauen. Generell empfehle ich folgende Ordnerstruktur:
Allg. Ordner für die Geschichte: Jeweils einen Ordner für Text und einen für Notizen (Material) -> Gliederung des Notizenordners nach Groben Themenbereichen und ggf. Unterteilung des Textes in Akte (nur bei sehr langen Geschichten ratsam).
Die hat vor allem den Vorteil, dass in einem Ordner nur jeweils eine überschaubare Menge an Dateien liegt und man nicht allein durchs Suchen lange aufgehalten wird. Eine klare Ordnerstruktur hilft auch dabei, beim Schreiben die richtige Notiz schnell zu finden.
- Die Notizenführung
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Ein Fehler, den man beim organisierten Schreiben machen kann, ist, alles zunächst einmal durchplanen zu wollen und für jede Eventualität eine Notiz anzulegen. Dies ist allerdings in den meisten Fällen nicht ratsam, da man so nie zum Schreiben kommt, sondern nur ewig Konzeptualisiert. Der Bestseller-Autor Andreas Eschbach hat einmal treffend formuliert, dass der geübte Autor permanent interessante Ideen hat. Diese Umzusetzen ist aber die Kunst an der Sache.
Dennoch kann das Führen umfangreicher Notizen sehr hilfreich sein, vor allem bei einem großen Figurenensemble und vielen Handlungssträngen und -orten. Ich empfehle also, erstmal zu schreiben und seine Geschichte im kreativen Prozess zu entwickeln, jedoch immer wieder mal auch den Notizenordner zu öffnen und die neuen Ideen zu ergänzen. Ob man Notizen in Stichpunkten, Texten oder Schaubildern anlegt, hängt ganz von den eigenen Präferenzen ab. Wichtig ist, dass man die Notizen bei späterer Überprüfung schnell und effizient überschauen kann und aus ihnen ohne großen Zeitaufwand schlau wird.
Zudem können Notizen noch einen weiteren Vorteil bieten. Allzu viele Texte plagen sich mit der Umsetzung von "show, don't tell", aber unser geliebtes Hobby ist nun mal vornehmlich aus Sprache aufgebaut. So kommt es, dass man gerne mal in "exposition dumps" verfällt, sich also seitenlang in Beschreibungen verliert, die manchmal gar nicht so relevant für die Handlung sind. Hier können Notizen helfen. Schreibt die Exposition als eigene Notizdatei mit dem Beschreibungsgegenstand als Dateinamen. So habt ihr für euch eine Ausarbeitung des Gegenstands und könnt eure Figuren Stück für Stück mit dem Gegenstand in der Welt interagieren lassen, sodass die Leser organisch, vielleicht sogar gemeinsam mit den Figuren, die eure Konzepte und eure Welt mehr und mehr verstehen lernen.
- Kapitel
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Ein hilfreiches Instrument, sich in seiner Geschichte selbst zurechtzufinden, ist es, jedes Kapitel in einer eigenen Datei zu schreiben. Dies werden viele sicherlich bereits so machen, aber es ist dennoch wichtig, das anzusprechen. Sorgen machen braucht man sich nicht, wie man das dann hinterher in eine Datei bekommt, dafür gibt es schon lange Programme und Funktionen. Auch kann es helfen, bereits abgeschlossene Kapitel noch zusätzlich als PDF abzuspeichern. So hat man einen guten Überblick darüber, was bereits fertig ist und es ist auch generell angenehmer zu lesen. Nur nicht vergessen, die PDF zu ersetzen, wenn man das Kapitel zu einem späteren Zeitpunkt überarbeitet hat.
- Figurendossiers
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Über Sinn und Unsinn von Steckbriefen oder Dossiers zu den einzelnen (wichtigen) Figuren lässt sich streiten. Wovon ich definitiv abrate, ist eine bloße Aufzählung von Äußerlichkeiten und generalisierten Charaktereigenschaften. Natürlich sollte man über die wichtigen Daten seiner Figuren Buch führen, sofern dies für die Art der eigenen Geschichte relevant ist, aber viel entscheidender ist, dass man sich selbst vergegenwärtigt, wer die Figur ist, die man da erschaffen hat. Ein festes Schema gibt es da nicht und ich rate jedem, sich nach den eigenen Schwerpunkten etwas zu notieren, Es ist aber hilfreich, zu jeder wichtigen Figur eine Datei anzulegen und dort in einem kleinen Text (Stichpunkte verleiten, wie oben angemerkt, zu Generalisierungen) abzufassen, darüber wer diese Figur ist, wo sie herkommt, was ihre Ziele sind, worin ihre Motivation besteht, eventuell Beziehungen zu anderen Figuren, etc. Das wichtigste für das Schreiben glaubhafter und durchgehend konsistent agierender Figuren ist, seine Figuren zu kennen.
Auch hilft diese Methode gegen "recency bias", also der eigenen Beeinflussung durch zuletzt konsumierte Medien, erlebte Momente oder Gefühlsregungen. Natürlich hat man als Autor jedes Recht, seine Figuren zu verändern und geradezu die Pflicht, sie wachsen zu lassen, aber sie lediglich im eigenen Kopf ‚aufzubewahren‘, macht sie anfällig für eigene Beeinflussungen.
- Abschließende Bemerkungen
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Meine Methode ist gewiss nicht für jedermann und natürlich kann man sich bei zu vielen Ordnern irgendwann in Bürokratie verlieren, aber die oben erläuterten Ratschläge können hoffentlich doch einigen helfen. Abschließend sei allerdings auf einige Tipps eingegangen.
- Führt Sicherungskopien, man weiß nie, wann die Technik versagt und all die erstellten Informationen schreibt man nicht an einem Nachmittag wieder auf
- Nicht zu viele Dateien pro Ordner, aber auch nicht zu viele Ordner ineinander schachteln. Wenn man sich bis zur gesuchten Datei durch fünf oder mehr Ordner klicken musste, hat das Sortieren definitiv überhandgenommen
- Papier und Stift nicht vernachlässigen. Kreativität kommt nicht immer dann zu einem, wenn man am Rechner ist. Also ruhig auch mal was auf Papier notieren und dann digitalisieren. Dabei werden erfahrungsgemäß ohnehin noch viele Überarbeitungen vorgenommen.
- Nicht zu viel Vorplanen, aber das Notieren nicht vergessen.
Wem meine Methode zu sehr nach Arbeit scheint, demjenigen möchte ich noch sagen, dass ich sie aus meinen Erfahrungen mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten in der Uni konzipiert habe. Also möchte ich nicht verneinen, dass dies definitiv Arbeit macht, aber manchem kann sie sicher eine Hilfe sein.